Hier ein paar Zitate des Siegers von Stalingrad General Tschuikow:
"Während meiner Ausbildung an der Frunse-Akademie hatte
ich viele Operationen der Deutschen aus dem ersten Weltkrieg
an der Westfront studiert. Ich kannte auch die Ansichten der
deutschen Generale über die Rolle der Artillerie in einem zu-
künftigen Krieg, beispielsweise die Ideen des Generals von
Bernhardi. Aber umsonst erwartete ich bei den ersten Gefechten
am Don von der deutschen Artillerie ein klassisches Zusammen-
wirken, eine exakte Organisation der Feuerwalze, ein blitzartiges
Manöver mit dem Feuer und hohe Beweglichkeit. Statt dessen
sah ich nur die keineswegs neue Methode, einen Schützengraben
nach dem anderen zu durchschlagen."
"Die Panzer des Gegners griffen niemals ohne Infanterie und
Unterstützung von Fliegerkräften an. Auf dem Gefechtsfeld
spürte man nichts vom "Heldenmut" der deutschen Panzertrup-
pen, von ihrer "Kühnheit und Schnelligkeit", die in der aus-
ländischen Presse so oft erwähnt wurden.
Die deutsche Infanterie war stark durch ihre Maschinen-
waffen, doch schnelle Bewegungen auf dem Gefechtsfeld oder
entschlossene Angriffe sah ich auch bei ihr nicht. Sie griff immer
mit heftigen Feuer an, schoß aber oft ins Leere."
"Daß die vorderste Linie des Gegners nachts deutlich sichtbar
durch Leuchtspurgeschosse aus automatischen Waffen und
durch farbige Leuchtkugeln markiert war, ließ sich nur damit
erklären, daß er entweder die Dunkelheit fürchtete oder sich
ohne Schießen langweilte. Auch seine Truppenbewegungen
konnten wir genau beobachten, denn die Kraftwagenkolonnen
fuhren mit aufgeblendeten Scheinwerfern durch die nächtliche
Steppe.
Exakter im Gefecht war die Luftwaffe. Ihre Nachrichten-
verbindung und ihr Zusammenwirken mit den Bodentruppen
funktionierten ausgezeichnet. Offensichtlich kannten die Piloten
die Taktik ihrer eigenen wie auch unserer Landstreitkräfte.
Geriet der Angriff der Infanterie durch unser Artillerie-, MG-
oder Gewehrfeuer ins Stocken, erschienen nach wenigen Minu-
ten Sturzkampfbomber, bildeten einen Gefechtskreis und griffen
unsere Gefechtsordnungen und Artilleriestellungen an."
"In den anderthalb Monaten meines Fronteinsatzes hatte ich
viel gelernt. Ich hatte den Gegner im Gefecht studiert, begann
seine operativen und taktischen Absichten zu durchschauen. Die
operative Kunst der deutschen Generale gipfelte in dem Prinzip,
an einem Punkt in der Tiefe zusammenlaufende Stoßkeile vor-
zutreiben. An Fliegerkräften und Panzern überlegen, durch-
brachen so die Eindringlinge verhältnismäßig leicht unsere
Verteidigung, Da die Keile den Anschein einer Einschließung
erweckten, veranlaßten sie unsere Truppenteile zurückzugehen.
Wurde aber einer dieser Keile durch hartnäckige Verteidigung
oder Gegenangriffe aufgehalten oder zerschlagen, hing der
zweite, nach einer Stütze suchend, haltlos in der Luft.
So war es jenseits des Don. Als wir den einen Stoßkeil des
LI.Armeekorps am Tschir aufhielten, blieb der andere im Raum
Werchne-Businowska hängen. Das gleiche ereignete sich im
Süden. Die 64. und 57.Armee schlugen im August, die An-
griffe des Gegners von Süden und Südwesten zurück, worauf die
zweite Gruppierung, die nördlich Stalingrad die Wolga erreicht
hatte, über eine Woche lang untätig blieb.
Der Gegner verfuhr stets nach derselben taktischen Scha-
blone, Seine Infanterie griff erst energisch an, wenn seine
Panzer bereits das Angriffsziel erreicht hatten. Diese warteten
meist, bis eigene Fliegerkräfte über unseren Truppen erschienen.
Durchkreuzte man dieses Programm, geriet der Angriff ins
Stocken, und der Gegner flutete zurück.
So war es am Don, als die 112.Division bei Werchne-
Tschirskaja und Nowomaximowski mehrere Tage lang die An-
griffe des Gegners zurückschlug. Seine Fliegerkräfte scheuten
den Angriff auf unsere Stellungen, neben den wir zum Schutz
der Eisenbahnbrücke über den Don massiert Flakartillerie ein-
gesetzt hatten.
Auch am Axai warfen wir seine Infanterie zurück, als die
Panzer nicht mehr dazu kamen, sie zu unterstützen. Das gleiche
geschah bei Plodowitoje, Abganerowo und an anderen Ab-
schnitten. Die Eindringlinge hielten unseren überraschenden
Schlägen, vor allem dem Feuer unserer Artillerie und unserer
Granatwerfer, nicht stand. Ein einziger geglückter Feuerüberfall
unserer Artillerie auf Truppenansammlungen, und sie liefen
panikartig auseinander.
Die Deutschen wichen dem Nahkampf aus. Sie eröffneten
bereits aus einer Entfernung von einem Kilometer und mehr, das
heißt aus doppelter Schußweite, das Feuer aus ihren Maschinen-
pistolen, vermutlich, um sich selber Mut zu machen und unsere
Soldaten zu schrecken. Kamen wir im Gegenangriff näher,
warfen sie sich hin oder zogen sich zurück.
Gut organisiert war ihre Nachrichtenübermittlung zwischen
Infanterie, Panzern und Fliegerkräften, vor allem mit Leucht-
kugeln und Funkgeräten. Die Infanterie empfing ihre Flieger mit
Dutzenden und Hunderten solcher Signale, um ihre Front zu
kennzeichnen. Nachdem unsere Soldaten und Kommandeure die
Bedeutung dieser Signale erkannt hatten, nutzten sie sie aus, um
den Gegner irrezuführen.
Während ich die taktischen und operativen Methoden des
Gegners studierte, suchte ich gleichzeitig nach Gegenmitteln. Vor
allem dachte ich darüber nach, wie man die Überlegenheit der
Luftwaffe auf dem Gefechtsfeld und ihre psychische Wirkung
auf unsere Soldaten aufheben oder abschwächen konnte. Ich
erinnerte mich an die Gefechte während des Bürgerkrieges.
Damals mußten wir oft unter dem Feuer der Artillerie und
Maschinengewehre angreifen. Wir näherten uns dem Feind im
Laufschritt, damit seine Artillerie sich nicht mehr auf uns
einschießen konnte. Sobald wir bis auf 500 oder 400 Meter her-
angekommen waren, stürmten wir vor, und unser kräftiges
"Hurra" entschied den Kampf.
Auch jetzt müßte der Nahkampf bei Tag und Nacht in den
verschiedenen Varianten die beste Kampfmethode sein. So nah
an den Gegner heran, daß seine Fliegerkräfte unsere vorderste
Linie nicht bombardieren könnten. Der deutsche Soldat sollte
fühlen, daß er sich vor dem Lauf russischer Waffen mit ihrem
tödlichen Blei befand.
Diese Überlegungen kamen mir, als ich über das Schicksal
Stalingrads nachdachte. Gerade hier mußte es möglich sein, dem
Gegner den Nahkampf aufzuzwingen und seinen Haupttrumpf
- die Flieger - wirkungslos zu machen."
Zitate aus W.I.Tschuikow - "Die Schlacht des Jahrhunderts"