Inseln, die einfach nicht untergehen wollen
Veröffentlicht am 12. Dezember 2012
Wie der Spiegel einen angeblichen Kronzeugen für die verschwindenden Südseeinseln präsentiert. Und was die Wissenschaft dazu sagt.
Da hat sich der „Spiegel“ in seiner jüngsten gedruckten Ausgabe (50/12, Seite 98) was Nettes ausgedacht. Zum Abschluss der Klimakonferenz in Doha hat er einen 32-jährigen aus dem südpazifischen Staat Kiribati zu Wort kommen lassen, der auch in Doha offenbar sprechen durfte. Als Betroffener, als Delegierter Kiribatis, und deshalb als doppelt glaubwürdiger Zeuge, jung wie er ist. Seine Insel geht unter, heißt es in dem Beitrag von Ben Namakin, das Atoll Tarawa nämlich. „An der gesamten Küste von Tarawa sterben die Kokospalmen, weil das Meer die Wurzeln freigespült hat“, schreibt er.
Der Spiegel illustrierte den Beitrag mit Palmen am Strand von Kiribati (ausgesprochen übrigens: „Kiribas“ mit Betonung auf dem kurzen „a“ am Ende). Die strotzten allerdings voller Leben und zeigten keine Anzeichen vom Ableben oder freigespülten Wurzeln. Wie auch? Wissenschaftliche Studien aus dem Jahr 2010 (geprüft nach allen Regeln des Peer- Review-Verfahrens) ergaben, dass fast 90 Prozent der Südseeinseln in den letzten 60 Jahren mindestens stabil blieben in ihrer Flächengröße und die Hälfte davon sogar noch gewachsen sind, darunter auch Tarawa. Nur wenig mehr als zehn Prozent aller Inseln sind überhaupt geschrumpft. Die Forscher Paul Kench von der neuseeländischen Universität in Auckland und Arthur Webb von der South Pacific Applied Geoscience Commission im Inselstaat Fidschi haben die Veränderungen
anhand von Luftbildern von vor 60 Jahren und heute festgestellt. Veröffentlicht wurde das Ganze in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Global and Planetary Change“. Atolle steigen oder sinken mit dem Meeresspiegel – wie seit Millionen von Jahren.
Auf das tollste übrigens weist die deutsche Zeitschrift „Bild der Wissenschaft“ in ihrer Zusammenfassung der Studie gesondert hin: „Den größten Zuwachs haben Kench und Webb beim Tarawa-Atoll in Kiribati verzeichnet.” Um bis zu 30 Prozent habe es zugelegt – ein knappes Drittel. Ausgerechnet Tarawa, Namakins Heimat!
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Was aber nicht angeht, ist die ständige Leier von den angeblich untergehenden Inseln, ohne wenigstens einmal auf die Studie von Webb und Kench einzugehen, die meines Wissens einzige umfassende Arbeit zu den territorialen Veränderungen der Südseeinseln in dieser so aufgeheizten Zeit. Warum in Dreiteufels Namen werden bei der komplett eindimensional und emotional ausgerichteten Debatte alle wissenschaftlichen Ergebnisse ausgeblendet? Immer wieder werden punktuelle Begebenheiten, die auf ein angebliches Versinken hindeuten, groß herausgestellt. Jeder Einzelne, der von Tuvalu nach Australien auswandert, ist schon ein Klimaflüchtling. Dass die umfangreichen Arbeiten auch des äußerst erfahrenen und renommierten Meeresspiegelforschers Nils-Axel Mörner von der Universität Stockholm, der ebenfalls keinen Untergang feststellen konnte, einfach links liegen gelassen werden, zählt zu den vielen großen Fragezeichen im heutigen Klimadiskurs.
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