Zitat von
realsniper
Selbstgespräch...
???
Komischer Heinz...
Nun aber (wie gesagt) zu Dir
Ich wollte noch was nachreichen zu der Sache mit der Hetze. Die gab es (wie gesagt) umgekehrt aus, sogar von oben verordnet - dies bewusst zur Neutralisierung bekannter Forderungen, die polnischen Ansprüchen sogar mehr Geltung verschafft hätten. Das zeigt sich (zB) an Geheimrat Ernst Stutz, der am 21. November 1918 in der Kabinettssitzung eine "Politisierung nach polnischer Richtung in Oberschlesien" thematisierte, die er als Begründung dafür anführte, "daß die oberschlesischen Bergleute erklären, sie wollten polnisch werden" (Vgl dazu: RDVB , Bd. I, Düsseldorf 1969, Dok. 20, S. 118.).
WOLFGER: Kurze Zwischenanmerkung, weil es letztens (in Namibia) ja Deutungsprobleme bezüglich der Kurzformen gab. Hier (RDVB) zitiere ich eine gedruckte Quelle, RDVB steht für "Die Regierung der Volksbeauftragten" (gedruckte Quelle heisst, das sie in Buchform zusammengetragen worden ist aus vielen Einzelbelegen (idF den einzelnen Berichten und Protokollen der RDVB), jedoch OHNE Veränderung und OHNE Kommentar, also nach wie vor eine Primärquelle ist, wie Editionen).
Die Volksabstimmung, die von dt. Seite anfangs als Mittel zur Beinflussung der Entente (Vgl dazu: ARK (Akten der Reichskanzlei), Weimarer Republik. Das Kabinett Bauer, Boppard 1980, Nr. 69, S. 319.), die ja die Entscheidung im wichtig(st)en Oberschlesien durch das Einsetzen einer Entente-Kommission dort durchaus überwachte (Vgl dazu: ADAP (Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik 1918-1945), Ser. A: 1918-1925, Bd III, Göttingen 1985, Dok. 202, S. 417f. Oder auch in der Tageszeitung: Germania vom 22.8.1919 und vom 23.8.1919.), eingesetzt werden sollte, indem man durch eine direkte "spontane Volksabstimmung" eine günstigere Ausgangslage herbeisehnte. Tatsächlich aber war nun die Gefahr groß, dass eine Abstimmung ungünstig für Deutschland ausfallen würde, was auch durchaus auf dt. Seite so gesehen wurde. Ministerialdirigent Friedrich Meister hielt am 15. Mai 1919 in der Kabinettssitzung eine Rede, in welcher die "Verteilung der deutschstämmigen und polnischstämmigen Bevölkerung" ansprach und diesbezüglich empfahl eine Abstimmung "möglichst zu vermeiden" (Vgl. dazu: BAK, R 43 I, 1795: Aufzeichnung Meisters, Bl. 233f oder auch ARK, Weimarer Republik. Das Kabinett Scheidemann, Boppard 1971, Nr. 74, S. 332 und Nr. 83.). Im Mai wurde dann auch ein Ausschuss gebildet, welcher die Bevölkerung der Ostgebiete gezielt beeinflussen sollte, auch weil die Berichte, die aus Oberschlesien eingingen, die dt. Chancen bei einer Abstimmung weniger als gering einschätzten (vgl dazu: BAB, R, PK (Präsidialkanzlei), 201, Bl. 6ff.). Daher versuchte man mit breit angelegten Pressekampagnen (u.a.) die meinung zu kippen, was jedoch weniger durch das Anpreisen Deutschlands, als durch provokantes Schlechtmachen Polens geschah (eine Methode, die sich gegen den Anwender richten musste am ende). Solche Kampagnen wurden schon ganz am Anfang, gar vor Waffenstillstand (!), entfacht (Vgl. dazu: DT (Deutsche Tageszeitung) am 1.11.1918, 7.11.1918, 18.11.1918, 23.11.1918 oder auch Germania vom 23.10.1918 und 6.11.1918.) und nun weiter gezielt ausgebaut. Dies geschah auch von staatlicher Seite aus bereits sehr früh, wie sich zB am Leiter der Präsidialkanzlei Rudolf Nadolny zeigt, welcher am 23. Januar 1919 als Handlungsmaxime bestimmte, dass "eine systematische antipolnische uns speziell gegen die [...] polnischen Ansprüche gerichtete Pressekampagne" entfacht werden musste (Vgl dazu: ADAP, Ser. A, Bd. I, Göttingen 1982, Dok. 111, S. 210.).
Und nur so nebenbei (denn das hier galt ja nur der Sache bezüglich der Hetzte in der Presse) - es blieb in den Ostgebieten natürlich net bei Hetzkmapagnen in Zeitungen, sondern man ging auch zur Tat über, auch "(in)offiziell" von Berlin gefördert, wie sich (exemplarisch) am Bsp Ostpreußens zeigt. Dort gab es ja bekanntlich die Forderung hakatistischer Kräfte (die Einfluss auf die Bürgerwehren hatten) nach einem Separatstaat, sowie einem Krieg gegen Polen (Vgl dazu: ARK, Weimarer Republik. Das Kabinett Bauer (wie oben), Nr. 180, S. 640.). Nach einem Antrag von Siehr (Vgl dazu: AAN, MSZ, Ambasada Berlin, 749, Bl. 40: Schreiben des Oberpräsidenten von Ostpreußen an das PMDI, 23.7.1920.) wurden die dortigen Schutzorgane ausgebaut, und zwar mit Billigung und Finanzierung durch Berlin (Vgl dazu: AAN, MSZ, Ambasada Berlin, 749, Bl. 103f.: Reichsfinanzminister an den Reichsminister, 11.8.1920.) um "aus der Not der Provinz heraus, die abgeschnitten vom Reich als Vorposten des Deutschtums auf sich selbst angewiesen" war einen militärische Kampf gegen Polen auszutragen (Vgl. dazu: AAN, MSZ, Ambasada Berlin, 749, Bl. 60ff.). Erfolgsaussichten versprach man sich mitunter auch wegen den polnisch-sowjetischen Kampfhandlungen. Auch konkrete Pläne sind nachweisbar, wie etwa das Vorhaben nach einer positiven Abstimmung für Deutschland die Kreise Marienburg und Danzig zu verbinden, um sich danach mit Ostpreußen zu vereinen und so einen antipolnischen Aufstand im Korridor auszulösen, oder die Forderung nach einem Oststaat von Danzig bis Memel, was von den polnischen Behörden gleichermaßen richtig deuteten, nämlich als den Versuch eine Art Freistaat erstmal unter brit. Protektorak zu stellen, um es dem polnischen Zugriff zu entziehen (Vgl. dazu: AAN, MSZ, Ambasada Berlin, 268, Bl. 46.). Dass das den Briten sch#*ßegal war, spielt keine Rolle hier, da es nie zum Freistaat kam, jedoch sollte dies angemerkt werden, um zu zeigen, dass die Deutschen bei diesem move auf etwas setzten, was sie net hatten (brit. Schützenhilfe). Wichtig ist nur, dass die separatistischen Bestrebungen von Berlin unterstützt wurden, neben einer Pressekampagne kommt also noch eine "offizielle" aus der Reichshauptstadt hinzu. Und diese Unruhe stiftenden Bestrebungen lassen sich sogar noch 1924 nachweisen, wo zB in den Pomerellen der Anschluss der Freistadt Danzig betrieben wurde (Vgl dazu: BAB, R, RMDI, 13382, Bl. 99, Bl. 160 und Bl. 211f.). Und solche aktiv betriebenen Maßnahmen führten überall dazu, dass der Nationalismus in den Ostgebieten konstant angeheizt wurde, aber gleichzeitig das Verhältnis zu Polen ebenfalls aktiv weiter verschlechtert wurde, was natürlich Gegenreaktionen hervorrufen musste, usw usw...
fest steht, dass sich viele in die Tat umgesetzten bewaffneten (!) Aktionen gezielt gegen Polen richteten (Vgl. dazu: AAN, MSZ, Ambasada Berlin, 1838, Bl. 11: [Polnisches] Außenministerium an [polnischen] Konsul in Königsberg, 23.11.1920.) was nur verdeutlichen soll, dass das Gelaber von wegen "die armen Deutschen im Osten" (siehe oben) nur Schrott ist, da diese nicht nur nichts taten, um das Verhältnis zu verbessern (das ist ja net schlimm bzw. als "passiv" zu verorten), sondern mit Billigung der Regierung sogar aktiv dazu beitrugen, es zu verschlechtern. Aber wie gesagt, das nur als Ergänzung zu damals (es gibt - wie immer - mehr, aber ich spar mir die Zeit), Du weisst ja - es wird nix vergessen, hehe.
MfG
Sniper
PS: Wenn Du Quellen/Hintergründe zu dieser Ostgebiet-Kacke nach dem WW1 suchts, empfehle ich Dir zwei der Bände einer Reihe, die von Udo Arnold im Auftrag der Hostirischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung herausgegeben worden ist. Da isz das Lit-Verzeichnis sogar dem eigentlichen Werk vorangestellt, da findste einiges vielleicht weniger bekanntes (aber net weniger aufschlussreiches):
Opgenoorth, Ernst, Handbuch der Geschichte Ost- und Westpreußens. Teil III: Von der Reformzeit bis zum Vertrag von Versailles 1807-1918, Lüneburg 1998
und
Opgenoorth, Ernst, Handbuch der Geschichte Ost- und Westpreußens. Teil IV: Vom Vertrag von Versailles bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges 1918-1945, Lüneburg 1997
(nein das ist kein Fehler, die gehen tatsächlich "rückwärts", so dass die Jahreszahlen entgegen der Bandzählung laufen).
Für nen allg. Überblick zu der ganzen Problematik vgl auch:
Sharp, Alan, The Versailles Settlement. Peacemaking in Paris, 1919, Hampshire 1991, 2. Auflage 1994 (hier für Dich S. 102-158). Das ist zwar alt, aber die Wiedergabe der Hintergründe auf besagten Seiten bleibt weitgehend konform.
Und vielleicht eines noch - wenn auch net eng zum Thema passend - allg. zum V-Vertrag den Sammelband vom Krumeich, da ist vieles abgedeckt und als unterhaltsamen Bonus einige Flugblätter und Zeitungsaufhänger auf den Seiten 363-378 dabei:
Krumeich, Gerd, u.a. (Hg), Versailles 1919. Ziele - Wirkung - Wahrnehmung, Essen 2001.
Das als Nachtrag, mehr kann ich (wie immer) liefern (aber eben nur auf Anfrage, wie gesagt: Nochmal mach ich sowas wie in Namibia (worauf ich heute Abend zurück komme) nicht für eine Off-Topic-Spaming-Audience hier, hehe).
MfG (II.)
Sniper