Ich sag mal so: die meisten, die sich als "Atheisten" bezeichnen, sind tatsächlich Agnostiker, die auf dem Standpunkt stehen, daß sich die Existenz wie die Nichtexistenz Gottes nicht beweisen läßt. Sie begnügen sich damit, die Gottesfrage, die für sie im übrigen keine Relevanz besitzt, unbeantwortet stehen zu lassen.
Etwas anderes anderes sind die wirklichen Atheisten, die jegliche Existenz eines höheren Wesens, eines Schöpfers verneinen. Sie haben im Lauf der Religionsgeschichte eine Vielzahl von Gottesbildern infragegestellt. Sei es die Diagnose, es handele sich beim Glauben an Gott (bzw. die Götter) nur um eine (anthropomorphe) Projektion des Menschen (Ludwig Feuerbach); oder die, daß es sich nur interessenbedingte Vertröstung der Mächtigen handele (Karl Marx); oder jene, nach der die Anbetung Gottes nur eine infantile Illusion darstelle (Sigmund Freud).
Das alles sagt allerdings über die Existenz Gottes an sich nichts aus. Die läßt sich, wie gesagt, weder beweisen noch widerlegen. Derlei Versuche sind schon im Lichte erkenntnistheoretischer Erwägung reine Zeitverschwendung. Im Unterschied zu vielen Gläubigen (und ebensovielen "Atheisten") habe ich nämlich meinen Kant gelesen. Wer sich nur 5 min mit den Axiomen der Erkenntnistheorie befaßt, wird die Frage nach der Beweisbarkeit der Existenz oder Nichtexistenz Gottes als müßig beiseitelegen. Wir scheitern ja schon daran, das "Ding an sich", einen beliebigen Gegenstand vollständig zu erkennen. Bereits eine Biene sieht etwa eine Tulpe ganz anders als wir Menschen, weil wir weder im Infrarot- noch Ultraviolettbereich sehen können.
Wer jetzt hingeht und aus der Negation, dem A-Theismus, eine Lehre macht, stellt Überzeugung über Wissen. Und an dieser Stelle betreten wir die wundersame Welt der Ideologien und Weltanschauungen, die sehr häufug mit quasireligiösen Argumentationsschemata operieren. Natürlich glauben Atheisten an keinen Gott, aber sie halten an ihren Überzeugungen fest, bekämpfen Meinungsgegner oder -abweichler oft mit derselben fundamentalistischen Härte, wie man sie sonst nur von religiösen Eiferern kennt.
Dieses Forum ist voll von Beispielen für diese These.
tl;dr Atheisten legen oft genau das verbohrte Verhalten an den Tag, das sie ihren gläubigen Meinungsgegnern vorwerfen.