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Vollständige Version anzeigen : EU - Defizitverfahren



Banned
19.04.2003, 14:06
Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) will drohende Strafgelder im laufenden EU-Defizitverfahren laut "Focus" zum Teil an die Bundesländer weitergeben. Mit einem juristischem Gutachten lasse das Finanzministerium prüfen, ob der Bund die Länder an möglichen Sanktionen aus Brüssel beteiligen könne. Deutschland hatte 2002 erstmals die zulässige Neuverschuldung von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschritten

Eichel muss bis zum 21. Mai darlegen, wie er die gesamtstaatliche Finanzlücke von rund 20 Milliarden Euro ohne zusätzliche Kredite schließen will. Andernfalls könnten EU-Ministerrat und EU-Kommission bis zu zehn Milliarden Euro Strafe verhängen. Für die Rüge aus Brüssel macht Eichel vor allem die unionsregierten Länder verantwortlich und will sie daher zur Kasse bitten. Schließlich hätten diese durch ihre "Blockadehaltung" beim so genannten Steuervergünstigungsabbaugesetz verhindert, dass Deutschland die EU-Auflagen erfüllen könne, zitiert der "Focus" aus einem internen Argumentationspapier des Finanzministeriums.

Einige unionsgeführte Bundesländer hatten jedoch bereits angekündigt, der Bundesregierung bei einer möglichen milliardenschweren EU-Strafe nicht helfen zu wollen. Das hohe Defizit sei schließlich die Schuld von Rot-Grün, sagen Bayern, Sachsen und auch Baden-Württemberg. Zuerst war das Nein aus dem CSU-regierten Bayern gekommen, später hatten auch die CDU-geführten Länder Baden-Württemberg und Sachsen erklärt, sie würden sich an der drohenden Geldstrafe aus Brüssel wegen des gebrochenen Euro-Stabilitätspakts nicht beteiligen.

Unterdessen wird die Haushaltslage offenbar immer bedrohlicher: Im Bundeshaushalt 2003 klafft nach Einschätzung der Union ein Finanzloch zwischen 13 und 15 Milliarden Euro. Die neuen Schulden kletterten so auf 32 bis 34 Milliarden Euro und lägen über der von der Verfassung festgelegten Grenze, sagte der Haushaltssprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dietrich Austermann.

Austermann sagte weiter, Deutschland werde auch in diesem Jahr die von der EU gezogene Defizitgrenze von 3,0 Prozent mit mindestens 3,6 Prozent überschritten. Der aufgelaufene Schuldenberg werde mit einem Anteil von 62,5 Prozent am Bruttoinlandsprodukt auf neue Höchststände klettern.

Siran
19.04.2003, 18:12
Spitze, zuerst nimmt man den Bundesländern das Geld weg, in dem man ihnen einen Teil der Einnahmen durch die Gewerbesteuern abknöpft, senkt ihre Einnahmen noch weiter, indem man große Firmen von den meisten Steuern befreit und wenn das Geld dann immer noch nicht reicht und vielleicht ein, zwei Länder sogar noch ein wenig Geld übrig haben, kassiert man nochmals ab!

shadowless
22.04.2003, 21:39
Ich finde diese Blockkade Politik echt sch***e, sorry! Wenn es so weiter geht, dann treten wir doch nur auf einer Stelle und kommen da nicht wieder raus.
Ich denke, wenn es um solch wichtige und grundlegende Entscheidungen geht, sollten die Parteien doch irgendwo zusamenarbeiten, weil es imho sonst echt keinen Ausweg gibt.

LexX
23.04.2003, 05:03
Zusammenarbeit in der Politik ? hahaha, guter Witz. Aber mal ehrlich, die einzige zusammenarbeit der Politiker besteht doch darin, sich gegenseitig in die Pfanne zu hauen, und um die Gunst der Wähler zu buhlen. Also ne Einigung ist sofern "noch nicht" insicht! Erstmal müssen die alle samt von ihren hohen Rössen absteigen, und sich auf den Boden der Tatsachen begeben, und dann vielleicht, aber auch nur vielleicht könnte man eine Einigung herbeiführen!

afro
23.04.2003, 15:38
@ LexX
Du hast was vergessen: Sie sind sich auch bei Diätenerhöhungen einig! :D

LexX
23.04.2003, 19:06
Original von afro
@ LexX
Du hast was vergessen: Sie sind sich auch bei Diätenerhöhungen einig! :D

.: Asche über mein Haupt :. :D

shadowless
23.04.2003, 21:37
@LexX
Ja, eine Zusammenarbeit existiert leider nicht wirklich, noch nicht einmal bei sowas. Ich fände es ja schon gut, wenn die Gegner von solche Reformvorschlägen konstruktive Kritik an den Tag legen würden und auch eigene Vorschläge dazu machen würden und nicht einfach nur dran rumeckern und selber keine eigenen Ideen haben.

afro
23.04.2003, 22:02
politiker sind halt auch nur Menschen. Und als solche müssen sie sich in dieser Situation zwischen Macht und Vernunft entscheiden. Ist ja klar, wie das ausgeht...

Außerdem kann sich die CDU/CSU sicher sein, dass sie die nächste wahl auch verlieren, falls sie mit der SPD zusammenarbeiten. Dann sieht das nach dem (potenziellen) Erfolg der jetzigen Regierung aus.

shadowless
23.04.2003, 23:30
@Afro
Da hast du Recht, nur weil sie Politiker sind, sind sie immer noch keine übernatürlichen Wesen ;)

Gut möglich, dass durch einen Erfolg eines gemeinsam ausgearbeiteten Konzepts nur die SPD punktet und so für die CDU/CSU nutzlos wäre in Hinsicht auf die Wählerstimmen.
Aber das ganze hat mich auf eine Überlegung gebracht: Was wäre, wenn die CDU/CSU einen Plan der SPD nur blockiert, weil sie erkennen, dass die SPD damit Erfolg haben könnte und somit die Chancen eines Wahlerfolges für die CDU sinken?
Hoffe, dass man das verstehen kann :D

afro
24.04.2003, 15:23
Original von shadowless
Was wäre, wenn die CDU/CSU einen Plan der SPD nur blockiert, weil sie erkennen, dass die SPD damit Erfolg haben könnte und somit die Chancen eines Wahlerfolges für die CDU sinken?
Hoffe, dass man das verstehen kann :D

Da bin ich mir aber sicher, dass das schon öfter der Fall gewesen ist. Zumindest macht es stark den Eindruck.

shadowless
24.04.2003, 16:35
Original von afro
Zumindest macht es stark den Eindruck.

Ja, das tut es, vor allem wenn Blockkaden und Kritik kommen, ohne aber eine Alternativ Lösung zu haben. Das is in meinen Augen doch sehr verdächtig:angry:

O.v.Bismarck
18.05.2003, 23:36
Original von afro

Außerdem kann sich die CDU/CSU sicher sein, dass sie die nächste wahl auch verlieren, falls sie mit der SPD zusammenarbeiten. Dann sieht das nach dem (potenziellen) Erfolg der jetzigen Regierung aus.

Das ist wohl wahr.

O.v.Bismarck

Thomas I
20.05.2003, 19:26
Was mich immer verwundert ist die "Logik" ein Land in dem das Geld nicht reicht zur Strafe dafür mit dem weitren Entzug von Geld zu bestrafen.

Banned
20.05.2003, 19:37
Original von Thomas I
Was mich immer verwundert ist die "Logik" ein Land in dem das Geld nicht reicht zur Strafe dafür mit dem weitren Entzug von Geld zu bestrafen.

:D

Das ist wirklich sehr intelligent...
Aber was sollten stattdessen die maßnahmen sein?

Thomas I
20.05.2003, 19:41
Androhung der Zwangsverwaltung!?

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20.05.2003, 19:42
Original von Thomas I
Androhung der Zwangsverwaltung!?

Ja, stimmt.

Aber Geld is ja viel sinnvoller... ;)

Thomas I
20.05.2003, 19:44
Nun ja - der Bund hat ja auch Zwangsmassnahmen gegenüber den Ländern wenn die es zu bint treiben. Ähnliches könnte man ja auch im Verhältnis EU - Mitgliedstaaten etablieren.

Siran
20.05.2003, 19:46
Das wäre dann aber eine Aushebelung des Grundgesetzes und ein Eingriff in die Souveranität des Staates.

Thomas I
20.05.2003, 19:55
EU-Recht bricht auch Veraffsungsrecht.

EU-Recht beschneidet natürlich die souveränität der Mitgliedstaaten.

Das ist nichts neues!

Siran
20.05.2003, 19:56
Original von Thomas I
EU-Recht bricht auch Veraffsungsrecht.

EU-Recht beschneidet natürlich die souveränität der Mitgliedstaaten.

Das ist nichts neues!

Hm, wenn EU-Recht Verfassungsrecht bricht, wäre dann nicht eigentlich ein EU-Beitritt grundgesetzwidrig?

Thomas I
20.05.2003, 19:57
Nach Auffassung des BVerfG nicht.

Banned
21.05.2003, 14:34
Mal wieder aktuelles:

Die EU-Kommission befürchtet in Deutschland ein Schulden-Desaster ungeahnten Ausmaßes: Wie das "Handelsblatt" berichtet, werde im Jahr 2050 die astronomische Höhe von bis zu 384 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreicht. Grund seien die mit der Überalterung der Bevölkerung verbundenen Finanzprobleme, die den deutschen Schuldenberg ohne Gegenmaßnahmen rapide wachsen lassen. Das schreibt die Zeitung unter Berufung auf den Bericht zur Lage der Staatsfinanzen, den die Brüsseler Behörde heute vorlegen will.

In Deutschland kämen mehrere für die Staatsfinanzen bedrohliche Probleme zusammen, berichtete die Zeitung: Die öffentlichen Ausgaben für Renten und Gesundheit wüchsen stärker als im EU-Durchschnitt, gleichzeitig gehe der Abbau der Staatsverschuldung langsamer voran. Derzeit beträgt die deutsche Staatsverschuldung rund 60 Prozent des BIP.

Hinzu komme die niedrige Beschäftigungsquote bei älteren Arbeitnehmern und das niedrige Renteneintrittsalter. Die Bundesregierung müsse diese Probleme gezielter und schneller anpacken als bisher, mahnte die Kommission. "Bundeskanzler Gerhard Schröder hat die steigenden Alterslasten in der Agenda 2010 nicht ausreichend berücksichtigt", hieß es in Kommissionskreisen.

Angesichts der jetzt schon schwierigen Haushaltslage warnte auch Bundesbank-Präsident Ernst Welteke vor den Folgen einer steigenden Neuverschuldung. "Wir geraten in eine Schuldenfalle", sagte Welteke der Tageszeitung "Die Welt". "Wenn die Volkswirtschaft kaum noch wächst, wie das seit 2001 der Fall ist, und wir aber weiterhin jährlich ein Budgetdefizit von drei Prozent anhäufen, steigt die Zinsbelastung dramatisch", wurde der Währungshüter zitiert.

In der aktuellen konjunkturellen Situation sei es allerdings falsch, die Steuern zu erhöhen oder die Ausgaben radikal zu kürzen. Stattdessen verlangte Welteke einen umfassenden Umbau des Sozialsystems, das noch auch Bismarcks Zeiten stammt. Außerdem plädierte Welteke für den gezielten Abbau von Subventionen und Steuervergünstigungen.

Das Loch im Bundeshaushalt 2003 wird unterdessen immer größer. Die Neuverschuldung geht auf 40 Milliarden Euro zu, wie aus Berliner Koalitionskreisen verlautete. Ursprünglich wollte Finanzminister Hans Eichel (SPD) die Neuverschuldung dieses Jahr auf 18,9 Milliarden Euro begrenzen. Dieses Ziel hatte er in der vergangenen Woche aufgegeben und von neuen Schulden in einer Größenordnung von 30 Milliarden Euro gesprochen. Die neue Zahl könnte sich so erklären, dass in ihr ein höherer Zuschuss für die Bundesanstalt für Arbeit eingerechnet ist.

dpa/AP

Hintergrund: Rezession in Deutschland

Die Bundesrepublik Deutschland hat bislang vier ausgeprägte Rezessionsphasen erlebt: Nach den Wirtschaftswunderjahren ging erstmals 1967 die Wirtschaftsleistung im Vergleich zum Vorjahr zurück. 1975 und 1982 - nach den damaligen Ölkrisen - schrumpfte die Wirtschaft abermals. Das bislang letzte Rezessionsjahr gab es nach dem Ende des Einheitsbooms 1993.

In der Rezession sinkt das Bruttoinlandsprodukt
Manche Ökonomen sprechen allerdings auch schon von einer Rezession, wenn das Bruttoinlandsprodukt in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen niedriger ausfällt als im jeweiligen Vorquartal. Eine solche Schwächephase erlebte die deutsche Wirtschaft zuletzt in der zweiten Jahreshälfte 2001 - und nun wieder zum Jahreswechsel 2002/03.

Die erste Rezession 1966/67 hatte in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik den nachhaltigsten Eindruck hinterlassen. Nach dem Boom des Wirtschaftswunders mit Wachstumsraten von bis zu zwölf Prozent jährlich begann die Arbeitsproduktivität zu sinken. Die Steuereinnahmen fielen niedriger aus als erwartet, die Staatsausgaben wuchsen stärker als die Wirtschaft.

Die Bundesregierung reagierte über ihr Stabilitäts- und Wachstumsgesetz mit konjunkturpolitischen Maßnahmen. Die Bundesbank erhöhte zugleich vor dem Hintergrund einer sich verschärfenden Inflation die Zinsen. Die Zahl der Arbeitslosen stieg und die Investitionen gingen zurück. 1966 hatte die Teuerungsrate 3,6 Prozent erreicht.

Die Zinspolitik und die verlangsamte weltwirtschaftliche Entwicklung führten in die Rezession 1974/75. Bei der ersten Ölkrise verteuerten sich schlagartig wichtige Rohstoffe. Die höheren Energiekosten zogen in Deutschland wie in den übrigen westlichen Ländern wichtige Kaufkraft ab. Rekord-Inflation führte zu extrem hohen Lohnabschlüssen. Die Bundesregierung lenkte mit Energieeinsparungen und der Erschließung anderer Energiequellen gegen.

Auch die zweite Ölkrise 1982/83 traf die westlichen Industrieländer hart. In Deutschland ließen die Ölpreisexplosion und eine anhaltende Konsolidierungskrise das Wirtschaftswachstum 1981 auf praktisch Null und 1982 auf etwa minus ein Prozent sinken. Gegenmaßnahmen hatten zum Teil unerwünschte Folgen. Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit von 8,1 Prozent und Milliardenbeträge zur Konjunkturstärkung zogen in den folgenden Jahren des Aufschwungs eine wachsende Staatsverschuldung nach sich.

Wegen wachsender Staatsschulden, hoher Arbeitslosigkeit (8,9 Prozent), Inflation (4,5 Prozent) und einer Flaute im Exportgeschäft rutschte die Wachstumsrate1993 zum vierten Mal seit Kriegsende ins Minus.

2001 und 2002 bekam die stark exportorientierte deutsche Wirtschaft erneut die Folgen eines internationalen Konjunktureinbruchs zu spüren, insbesondere nach den Anschlägen vom 11. September. Das im Vorjahr noch um fast drei Prozent gestiegene Bruttoinlandsprodukt nahm 2001 lediglich um 0,6 Prozent zu, 2002 nur noch um 0,2 Prozent.


dpa

Siran
21.05.2003, 14:40
Ich bezweifle jetzt doch ernsthaft, dass es sogar unsere Parteien hinkriegen, rund 50 Jahre lang zuzuschauen, wie der Schuldenberg wächst...

Praetorianer
03.11.2010, 18:16
Ohje ...