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Vollständige Version anzeigen : Langes oder rundes S?



König
09.07.2012, 16:56
Weil nicht jeder um die richtige Anwendung der unterschiedlichen S-Buchstaben in der altdeutschen Schrift weiß, soll der Strang für die nötige Erleuchtung sorge.

Der Bund für deutsche Schrift und Sprache (BfdS) leistet an dieser Stelle (http://www.bfds.de/veroeff/fragen/13_Langes_oder_rundes_S.pdf?amp;Netzladen=sdoru03i irg9sg2osqs7fuei94) Aufklärungsarbeit.

Allzweckfreund Wikipedia.de kann's auch bringen:


Das runde „s“ kann nur im Silbenauslaut stehen (zumeist nur direkt am Silbenende als Wort- oder Teilwortschluss-s), niemals am Anfang eines kleingeschriebenen Wortes, Teilwortes oder am Silbenanfang:



als Wortschluss-s:
z. B. das Haus, der Kosmos, des Bundes, das Pils (aber: im Hauſe, die Häuſer, das Pilſener)
am Ende von Vorsilben, als Fugen-s (http://de.wikipedia.org/wiki/Fugen-s) und in Zusammensetzungen und Komposita (http://de.wikipedia.org/wiki/Komposition_%28Grammatik%29) am Ende des ersten Teilwortes, auch dann, wenn das folgende Teilwort mit einem langen ſ beginnt:
z. B. Liebes-brief, Arbeits-amt, Donners-tag, Unterſuchungs-ergebnis, Haus-tür, Dis-poſition, dis-harmoniſch, das-ſelbe, Wirts-ſtube, Aus-ſicht.
in Ableitungen mit Wortbildungssuffixen (http://de.wikipedia.org/wiki/Suffix), die mit einem Mitlaut beginnen, wie -lein, -chen, -bar u. Ä. (nicht vor Flexionsendungen (http://de.wikipedia.org/wiki/Flexionsendung) aus t und ggf. Schwa (http://de.wikipedia.org/wiki/Schwa) [ə]):
z. B. Wachs-tum, Weis-heit, Häus-lein, Mäus-chen, Bis-tum, nachweis-bar, wohlweis-lich, bos-haft (aber: er lieſt, das ſechſte, vgl. unten zur Verbindung ſt).
als Silbenauslaut-s, ohne dass ein [Teil]wortschluss vorliegen muss (häufig auch in Eigennamen):
z. B. kos-miſch, brüs-kieren, brüsk, Realis-mus, les-biſch, Mes-ner; Os-wald, Dres-den, Schles-wig, Os-nabrück.
Hiervon gibt es Ausnahmen: siehe Lang-s weiter unten!


Das lange „ſ“ steht immer dann, wenn das kurze s nicht verwendet wird:



immer im Silbenanlaut (gemeint sind Sprechsilben!), also am Silbenanfang und vor dem Selbstlaut in der Silbenmitte:
z. B. ſauſen, einſpielen, ausſpielen, erſtaunen, ſkandalös, Pſyche, Gſtaad, Mi-ſanthrop (Sprechsilben: Mi-san-throp!)
Genauso im Anlaut der Nachsilben -ſel, -ſal, -ſam: z. B. Rätſel, Labſal, ſeltſam.
Dies gilt auch, wenn der gesprochene s-Anlaut einer Silbe (durch Assimilation (http://de.wikipedia.org/wiki/Assimilation_%28Phonologie%29)) entstandenes Doppel-s ist: z. B. aſſimiliert, Aſſonanz.
in den Lautverbindungen ſp, ſt und ſz, (nicht wenn sie durch Fugen-s oder Komposition entstehen!) auch in gebeugten Wortformen vor Endungen auf -t und ggf. Schwa (http://de.wikipedia.org/wiki/Schwa) [ə] und selbst dann, wenn ſ dabei im Silbenauslaut steht:
z. B. Weſpe, Knoſpe, faſten, faſzinierend, Oſzillograph; Haſt, Luſt, einſt, meiſtens, beſte, lieſt, paſſte [neue Rechtschr.], ſechſte.
in Digraphen (http://de.wikipedia.org/wiki/Digraph_%28Linguistik%29), also Buchstabenverbindungen, die einen Laut darstellen (auch beim doppelt dargestellten Mitlaut ſſ/ſs, selbst dann, wenn ſ dabei im Silbenauslaut steht!):
z. B. Wunſch, wünſchen, Flaſh, Puſzta, Waſſer, Biſſen, Zeugniſſe, Faſs [neue Rechtschr.], auch bei assimilierten Vorsilben: aſ-ſimiliert, Aſ-ſeſſor.
in den Lautverbindungen ſl, ſn und ſr, wenn ein Schwa ausgefallen ist (selbst dann, wenn ſ dabei im Silbenauslaut steht!):
z. B. unſre, Pilſner, Wechſler.
wenn durch Silbentrennung „ſ“ am Silbenende steht, bleibt es unverändert:
z. B. Weſpe – Weſ-pe, Waſ-ſer, unſ-re.
im Silbenauslaut anstelle von s, wenn es in der ersten Position der Verbindungen ſſ/ſs, ſt und ſp (und seit 1901 auch in ſz) steht, dann unabhängig von der Silbenstruktur:
z. B. Waſſer, Faſs [neue Rechtschr.], Aſt, du ſtehſt, paſſte [neue Rechtschr.], beſte, knuſpern, Faſzination.
Dasselbe gilt auch für ſch, ſz (und andere Buchstabenkombinationen aus anderen Sprachen: ſh usw.), aber nur wenn sie als jeweils ein Laut gesprochen werden (also Digraphen (http://de.wikipedia.org/wiki/Digraph_%28Linguistik%29) sind; so lässt sich auch der Gebrauch von ſ in der Ligatur (http://de.wikipedia.org/wiki/Ligatur_%28Typografie%29) ſz in gebrochenen Schriften [für Antiqua (http://de.wikipedia.org/wiki/Antiqua)-ß] erklären: Fuſz = Fuß, [alte Rechtschr.:] Faſz = Faß); und für ſ vor l, n, r, aber nur wenn dazwischen ein „e“ ausgefallen ist:
z. B. Buſch, Eſche, Flaſh; Wechſler, Pilſner, unſre, aber: Eschatologie; Zuchthäusler, Oslo, Osnabrück.

Ausonius
09.07.2012, 17:01
Es fehlt noch der Hinweis, dass sich dieses auf die Fraktur-Schrift bezieht. Die deutsche Schreibschrift hat noch ein drittes "S" zu bieten, dass nur als Großbuchstabe im Anlaut verwendet wird.

König
27.07.2012, 13:24
Bitte entschuldige die späte Antwort!


Es fehlt noch der Hinweis, dass sich dieses auf die Fraktur-Schrift bezieht. Die deutsche Schreibschrift hat noch ein drittes "S" zu bieten, dass nur als Großbuchstabe im Anlaut verwendet wird.

Die im Einleitungsbeitrag besprochenen S-Schreibregeln gelten doch ebenso für die Kurrent- und Sütterlinschrift – oder?
Meinst Du außerdem die Sonderform bei einem großen S vor einem kleinen t?
Alles hier nachzugucken. (http://www.suetterlinschrift.de/Lese/Sutterlin0.htm)

Elmo allein zu Hause
27.07.2012, 13:35
Elmo schreibt man zb Elmos mehrzahl aber nicht Elmoß.:D

Dr.Brett
27.07.2012, 13:45
Es fehlt noch der Hinweis, dass sich dieses auf die Fraktur-Schrift bezieht. Die deutsche Schreibschrift hat noch ein drittes "S" zu bieten, dass nur als Großbuchstabe im Anlaut verwendet wird.

Es gibt auch zuhauf Antiqua-Texte mit langem s. Auch im englischen Sprachraum zu Zeiten üblich gewesen, bei uns z.T. bis in die 70er Jahre auf amtlichen Dokumenten feststellbar.

Ausonius
27.07.2012, 15:16
Bitte entschuldige die späte Antwort!



Die im Einleitungsbeitrag besprochenen S-Schreibregeln gelten doch ebenso für die Kurrent- und Sütterlinschrift – oder?
Meinst Du außerdem die Sonderform bei einem großen S vor einem kleinen t?
Alles hier nachzugucken. (http://www.suetterlinschrift.de/Lese/Sutterlin0.htm)

Dieses schlaufenartige "S", dass in der deutschen Schreibschrift vorliegt (sowohl Kurrent als auch Sütterlin), kenne ich nicht aus Frakturdruckschriften.

Ausonius
27.07.2012, 15:19
Es gibt auch zuhauf Antiqua-Texte mit langem s. Auch im englischen Sprachraum zu Zeiten üblich gewesen, bei uns z.T. bis in die 70er Jahre auf amtlichen Dokumenten feststellbar.

Es geht um das vordere S auf der Grafik hier:

http://en.wikipedia.org/wiki/File:S%C3%BCtterlin-S.png

Leider kann ich es wegen des Dateiformats nur verlinken.
Dieses "S" gibt es nicht in der Druckschrift.

Dr.Brett
27.07.2012, 15:28
Es geht um das vordere S auf der Grafik hier:

http://en.wikipedia.org/wiki/File:S%C3%BCtterlin-S.png

Leider kann ich es wegen des Dateiformats nur verlinken.
Dieses "S" gibt es nicht in der Druckschrift.

Das ist aber kein "eigenständiger" Buchstabe im Sinne eines "dritten s", sondern das normale große S, d.h. es gibt keine Regel, wann dieses oder jenes S verwendet wird, sondern dies ist einfach das Schreibschrift-S. Dagegen wird beim kleinen s je nach Stellung des Buchstabens auch in antiqua-Texten rundes und langes gewechselt.

Pythia
27.07.2012, 15:43
Weil nicht jeder um die richtige Anwendung der unterschiedlichen S-Buchstaben in der altdeutschen Schrift weiß, soll der Strang für die nötige Erleuchtung sorge. Der Bund für deutsche Schrift und Sprache (BfdS) leistet an dieser Stelle (http://www.bfds.de/veroeff/fragen/13_Langes_oder_rundes_S.pdf?amp;Netzladen=sdoru03i irg9sg2osqs7fuei94) Aufklärungsarbeit ...Aber nicht genug Aufklärung, denn der Großbuchstbe "ß" fehlt. Leute mit Zungenanstoß sagen ßeiße und wollen es natürlich auch richtig schreiben. Aber mit Kleinbuchstaben am Anfang eines der wichtigsten Worte der deutschen Sprache ist falsch!

ßeiße muß groß geschrieben werden, verdammte ßeiße nochmal!

König
27.07.2012, 15:48
Aber nicht genug Aufklärung, denn der Großbuchstbe "ß" fehlt. Leute mit Zungenanstoß sagen ßeiße und wollen es natürlich auch richtig schreiben. Aber mit Kleinbuchstaben am Anfang eines der wichtigsten Worte der deutschen Sprache ist falsch!für

ßeiße muß groß geschrieben werden, verdammte ßeiße nochmal!

Als Notbehelf für Zungenanstößige, Berliner, Betrunkene und andere Alkoholiker ginge doch „Szeiße“.
Das scharfe S, das ß, ist ja schließlich ein Eszett.
„Es ist Szeit, ßu gehen!“


Es geht um das vordere S auf der Grafik hier:

http://en.wikipedia.org/wiki/File:S%C3%BCtterlin-S.png

Leider kann ich es wegen des Dateiformats nur verlinken.
Dieses "S" gibt es nicht in der Druckschrift.

Offensichtlich sehen alle verschiedenen S-Buchstaben in der Schreibschrift bedeutend anders als in der Druckschrift, besonders der Großbuchstabe. Das ist klar.

König
28.07.2012, 15:18
Als Notbehelf für Zungenanstößige, Berliner, Betrunkene und andere Alkoholiker ginge doch „Szeiße“.
Das scharfe S, das ß, ist ja schließlich ein Eszett.
„Es ist Szeit, ßu gehen!“

Das scharfe s (ß) setzt sich übrigens aus dem langen s (ſ) und dem kurzen s (s) zusammen: ſs = ß.