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Vollständige Version anzeigen : Förderung von Modellvorhaben für nachwachsende Rohstoffe



petshopboy
26.12.2012, 16:19
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gewährte in den Jahren 1983 bis 1987 Zuschüsse in Höhe von 15,6 Mio. DM für die Errichtung einer Bioethanolanlage in Ahausen-Eversen sowie weitere 4,6 Mio. DM für die wissenschaftliche Betreuung des Vorhabens. Mit dem Betrieb der Anlage sollte eine umweltfreundliche und energiesparende Ethanolproduktion aus nachwachsenden Rohstoffen, z. B. aus Zuckerrüben, Kartoffeln und Getreide, für industrielle/gewerbliche Zwecke erprobt und weiterentwickelt werden.


Die Betreiberin der Anlage hatte in ihrem Antrag auf Investitionsförderung aus dem Jahre 1982 Zuschüsse zu den späteren Betriebskosten als nicht notwendig bezeichnet. Der Bundesminister hatte daher deren Gewährung ausgeschlossen.


Beim Übergang von der Investitions- in die Betriebsphase kündigte die Betreiberin an, wegen hoher Betriebskosten die Anlage für den Fall zu schließen, dass sich der Bundesminister nicht bereit erkläre, einen Teil der Betriebskosten zu übernehmen. Daraufhin leistete der Bund in den Jahren 1987 bis 1989 Betriebskostenzuschüsse in Höhe von insgesamt 19,3 Mio. DM. Im Bundeshaushaltsplan 1990 waren weitere 7,5 Mio. DM vorgesehen.


Die Herstellungskosten und die Erlöse sowie die Zuschüsse zu den Betriebskosten entwickelten sich, auf einen Liter Bioethanol, wie folgt:


Herstellungskosten: 1987: 3,25 DM/l, 1988: 2,70 DM/l, 1989: 2,66 DM/l;
Erlöse: 1987: 0,80 DM/l, 1988: 0,80 DM/l, 1990: 0,80 DM/l;
Zuschüsse z. d. Betriebskosten: 1987: 2,10 DM/l, 1988: 1,71 DM/l, 1990: 1,65 DM/l.


Die Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft war im Jahre 1981 von Herstellungskosten für Bioethanol in Höhe von 1,45 DM/l ausgegangen.


Der Bundesrechnungshof hatte beanstandet, dass sich die finanzielle Beteiligung des Bundes insbesondere wegen der Gewährung von Betriebskostenzuschüssen von geplanten 20,2 Mio. DM bis einschließlich 1190 auf insgesamt 47,0 Mio. DM mehr als verdoppelt hatte. Das Risiko der Kostensteigerungen und des Absatzes hatte damit der Bund übernommen. Die Herstellungskosten übertrafen mit 3,25 DM/l, 2,70 DM/l und 2,66 DM/l in den Jahren 1987 bis 1989 die von der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft seinerzeit errechneten 1,45 DM/l deutlich.


Im Jahre 1989 vereinbarten der Bund und das Land Niedersachsen, Modellvorhaben für nachwachsende Rohstoffe in den Haushaltsjahren 1991 bis 1995 je zur Hälfte mit jährlich bis zu insgesamt 30 Mio. DM zu fördern. Die Mittel sollten neben anderen Vorhaben auch als Zuschuss für die Bioethanolerzeugung in Ahausen-Eversen und in der geplanten Anlage in Groß-Munzel verwendet werden.


Als Obergrenze für den Zuschuss je Liter Ethanol aus Zuckerrüben wurde der Mineralölsteuersatz von damalig 0,57 DM festgelegt. Für die Anlage in Groß-Munzel wurde außerdem ein Höchstbetrag von 7 Mio. DM vereinbart.


In der vertraglichen Vereinbarung zwischen Bund und Land war der Abgabepreis auf 0,27 DM/l festgelegt. Die Erlöse der Anlage in Ahausen-Eversen (bisher 0,80 DM/l) hätten sich dadurch nach deren Aufnahme in das Forschungsprogramm entsprechend verringert.


Der Bundesminister war bei seiner Entscheidung, das Modellvorhaben zu fördern, von den folgenden Kalkulationsunterlagen für die beabsichtigte Ethanolerzeugung aus Zuckerrüben in Groß-Munzel ausgegangen, die das Land Niedersachsen hatte erstellen lassen.


Rohstoffkosten: Preiskategorie B: 0,83 DM/l, Preiskategorie C: 0,40 DM/l;
Verarbeitungskosten: Preiskategorie B: 0,39 DM/l; Preiskategorie C: 0,39 DM/l;
Herstellungskosten: Preiskategorie B: 1,22 DM/l, Preiskategorie C: 0,79 DM/l;
Abgabepreis: Preiskategorie B: 0,27 DM/l, Preiskategorie C: 0,27 DM/l;


Deckungslücke: Preiskategorie B: 0,95 DM/l, Preiskategorie C: 0,52 DM/l.


Die tatsächlichen Rohstoffkosten in der Preiskategorie C betrugen im Jahre 1990
0,80 DM/l.


Der Bundesrechnungshof hatte beanstandet, dass der Bundesminister die Kalkulationsunterlagen für die damalig geplante Anlage in Groß-Munzel ungeprüft übernommen hatte.


Bei einem Vergleich mit den in Ahausen-Eversen z. B. im Jahre 1989 tatsächlich entstanden Herstellungskosten in Höhe von 2,66 DM/l erschien die Kalkulation von
1,22 DM/l (Preiskategorie B) oder 0,79 DM/l (Preiskategorie C) unrealistisch. Dies ergab sich auch aus einem Vergleich der mit 0,40 DM/l kalkulierten mit den tatsächlichen Rohstoffkosten der Preiskategorie C von 0,80 DM/l.


Der Bundesminister hatte auch unberücksichtigt gelassen, dass das Unternehmen in Ahausen-Eversen im Jahre 1991 trotz der geplanten Fördermaßnahmen sogar vor noch größeren Schwierigkeiten gestanden hatte, weil die Erlöse durch die Aufnahme der Anlage in das Programm zur Förderung von Modellvorhaben für nachwachsende Rohstoffe von derzeit 0,80 DM/l auf 0,27 DM/l zurückgegangen sind. Selbst eine Vollauslastung mit einer Produktion von 100.000 hl und die damit verbundene Senkung der Herstellungskosten hätten nicht genügt, den Erlösrückgang auszugleichen.


Der Bundesrechnungshof hatte darauf hingewiesen, dass die Auswertung der verfügbaren Unterlagen hinsichtlich der beiden Anlagen die Gefahr aufzeigte, dass der Bundeshaushalt mit Ausgaben belastet werde, deren Größenordnung damalig nicht absehbar war.


Die Verwendung anderer Rohstoffe in Ahausen-Eversen hatte eine Erhöhung der Herstellungskosten bewirkt, weil Zuckerrüben damalig der kostengünstigste Rohstoff war. Damit haben sich der Betriebsverlust und somit auch der Zuschussbedarf erhöht.


Die mit dem Land Niedersachsen vereinbarten Grenzen der Zuschussgewährung
(0,57 DM/l und zusätzlich 7 Mio. DM für Groß-Munzel) waren kein wirksamer Schutz, weil sich schon damalig abzeichnete, dass die Kalkulationsvorgaben nicht eingehalten werden konnten. Der Bundesrechnungshof ging deshalb davon aus, dass die Betreiberinnen beider Anlagen ohne eine Erhöhung der Zusschüsse dem Bund – wie in Ahausen-Eversen geschehen – die Schließung der Anlagen wegen Unwirtschaftlichkeit angekündigt hätten.


Im übrigen war für die Anlage in Ahausen-Eversen eine Obergrenze für die Zuschussgewährung nicht festgelegt worden.


Die unzulänglichen, vom Bundesminister kritiklose übernommenen Kalkulationsunterlagen ließen es nicht zu, die behaupteten Vorteile der Anlage in Groß-Munzel nachzuvollziehen. Die Entwicklung in Ahausen-Eversen, welche der Bundesminister in der Vergangenheit ebenfalls optimistisch beurteilt hatte, ließ eher das Gegenteil befürchten.


Die Entscheidung über die Förderung der Modellvorhaben in Ahausen-Eversen und Groß-Munzel hätte eine Gegenüberstellung des erstrebten Nutzens mit den notwendigen Kosten auf der Grundlage einer sorgfältigen und wirklichkeitsnahen Kalkulation stehen müssen.


Bewusst wurde hier in der Vergangenheit ein Haufen Geld aus dem Fenster geworfen. Aus einer Mischung aus guten Willen und Gefälligkeit ist dieser Fehler entstanden. Für die Zukunft lehrt dies, dass vor solchen kostenträchtigen Beschlüssen in stärkerem Maß wissenschaftlicher Sachverstand einbezogen werden muss.