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Vollständige Version anzeigen : Das Massaker beim Elementenwald



Netznutzer
27.10.2013, 21:02
Hier (http://logr.org/netznutzer/2013/08/21/das-massaker-beim-elementenwald/) zuerst veröffentlicht in der Kategorie Geschichte, Vertreibungsverbrechen.

Gleich in den ersten Tagen nach dem Zusammenbruch im Mai 1945 begann für alle Sudetendeutschen eine völlig rechtlose Zeit, die Zehntausenden das Leben kosten sollte. Die neuen Herrscher demonstrierten uns grausigste Beispiele dafür, was absolute Macht Einzelner bedeutet, wie gering solche Menschen das Leben anderer achten. Alle bisherigen leitenden Beamten und Angestellten, Ortsvorsteher, Polizeibeamte, Parteifunktionäre, deren man habhaft werden konnte, und solche aus allen Berufen, denen man geringste Vergehen gegenüber den Tschechen nachsagte, wurden ohne jede offizielle Ermächtigung und ohne Skrupel verhaftet, mißhandelt und in Gefängnisse geworfen.

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Podersam zu deutscher Zeit

Auch in Podersam hielt man bis Anfang Juni 1945 auf menschenunwürdigste Weise insgesamt 68 Männer der Umgebung im Gerichtsgefängnis in Haft. Man ließ sie bewußt hungern und dursten, befahl ihnen, wie ein mitfühlender tschechischer Zeuge später berichtete, sich gegenseitig zu schlagen; und die Rohlinge halfen nach, wenn die Qualen der Opfer sie nicht zufriedenstellten.

Der unmittelbare Anlaß zu dem furchtbaren Massaker soll sich folgendermaßen ergeben haben: Ein Tscheche aus dem etwa 50 km entfernten Kladno zechte mit den Gewaltigen des Gefängnisses im Hotel "Zur Sonne". In der sich aufschaukelnden Stimmung schrie der Erstgenannte auf einmal: "Heute vor fünf Jahren verlor ich durch die Deutschen meinen Neffen. Gib mir hundert Deutsche dafür!"
Darauf der Gefängnisaufseher: "Etwa siebzig habe ich, die kannst du dir nehmen!" Trotz einiger Beschwichtigungsversuche anderer Anwesender nahm die Tragödie ihren Anfang.

Noch am gleichen Nachmittag, dem 7. Juni 1945, wurden die Bedauernswerten in Marsch gesetzt, nach Otsehehau zum Rübenklauben, wie man ihnen sagte. Wer aus welchem Grunde diese Richtung angegeben und schließlich die Hinrichtungsstätte bestimmt hat, ob es auch nur ein Zufall war, weil sich die Bewacher über das letzte Ob und Wo uneins waren, ist nicht bekannt. Berichtet wurde, daß sich der Zug der Unglücklichen während des Zweikilometermarsches immer mehr dehnte. Die Jüngeren und Kräftigeren gingen zügiger, die Älteren konnten nicht ganz Schritt halten.

Beim Elementenwald, dort wo der Weg von Ledau nach Wohlau die Bezirksstraße Podersam - Groß-Otschehau kreuzt, auf einem Flurteil "Das Gericht", Parzelle 2509 und 2510, dem auf der anderen Straßenseite der Judenfriedhof gegenüberlag, sollte das Leben der langsameren Hälfte des Zuges enden. Die erste Hälfte war noch etwa 200 Meter weiter in Richtung Wohlau getrieben worden; das Golgatha unseres Heimatkreises war bestimmt.

Herr Eduard Fickert und Herr Gustav Vobel aus Groß-Otschehau, die bei dem Verscharren der Toten mitarbeiten mußten, berichteten:
Wir waren beim Klee-Aufhängen, als wir gegen fünf Uhr Nachmittag Einzelschüsse und Maschinenpistolen-Salven aus Richtung Elementenwald horten. Frau Guschl, die bei mir mithalf, bemerkte ahnungslos, die Russen schössen die letzten Rehe im Revier weg.

Als wir abends in das Dorf zurückgekehrt waren und gerade das Vieh versorgt hatten, liefen plötzlich Tschechen in Uniformen des Deutschen Afrikakorps umher und holten alle erreichbaren Männer und kaum der Schule entwachsenen Jungen, 32 an der Zahl, auf dem Dorfplatz zusammen. Man hatte angeordnet, Hauen und Schaufeln mitzubringen. Undeutlich war allmählich durchgesickert, was sich beim Elementenwald zugetragen hatte. Besorgnis kam auf. Was hatten sie mit uns vor, waren wir jetzt an der Reihe?

Der Landwirt Scheiterhauser mußte seinen Leiterwagen anspannen; 30 Männer fanden Platz, zwei mußten laufen. Dann ging es zum Dorf hinaus. Der Befehlsgewaltige war Karl Srb, als Sohn eines Tagelöhners in Groß-Otschehau aufgewachsen, am 14. Mai wieder hierher zurückgekehrt und als Spravce, also als Zwangsverwalter und Ortsvorsteher eingesetzt. Die zurückbleibenden Frauen und Kinder weinten, hieß es doch, daß wir unser eigenes Grab schaufeln müßten, also nicht wiederkehren würden.

Der Tag neigte sich, als wir etwa um halb neun Uhr an der Stelle des furchtbaren Gemetzels ankamen. Auf dem Acker des Landwirts und Müllers Hart aus Podersam, am Westrand des Weges, nur 80 bis 100 Meter von der Straße entfernt, sahen wir von Weitem schon tote Männer kreuz und quer liegen. Mehrere Bewaffnete standen in drohender Haltung umher. Eine seltsame Aufgeregtheit erfaßte uns.

Beim Näherkommen erkannten wir die ersten Toten an ihren weißen Haaren: den Buchbindermeister Pfaff, Magazineur Bienert, Spenglermeister Meier, den Gendarmen Schwarz, den Invaliden Stocklassa mit Beinprothese und den Direktor der Tonwarenfabrik Pansky.
Nach dem Absteigen schrie Srb zunächst "klid", dann zu deutsch "Ruhe!". Alle wandten sich verängstigt dem Ortsgewaltigen zu, denn was unsere Augen sahen, zeugte von einem grausamen Hinmorden. Einzelne Leichen wiesen mehrere Einschüsse auf, ganz wahllos in Kopf, Kinn, Brust, Bauch; einem war die Schädeldecke abgerissen.

In gebrochener Mundart wurde uns sinngemäß erklärt: "Hier liegen 30 Männer, die ausreißen und nichts arbeiten wollten. Wenn ihr euch drückt, ergeht es euch auch so! Die Hälfte bleibt da, die anderen gehen zu denen da hinten." Er wies den Weg entlang. Das bedeutete zunächst, daß wir nicht das volle Ausmaß des furchtbaren Geschehens kannten.
Und tatsächlich waren auch weiter hinten umherlaufende, bewaffnete "Helden" zu erkennen. Wir wurden geteilt und erhielten konkrete Anweisungen. Vier Jungen unserer Gruppe mußten die Toten ausziehen, die Kleider durchsuchen und bündeln. Die anderen sollten ein Loch, recht tief, aber nicht allzu groß, für 34 Leichen graben.
Zwischen Weg und Wald begannen wir bei strengem Redeverbot den trockenen, harten Basaltboden mit unseren schlechten Geräten - alles brauch-bare Werkzeug hatten die Russen bereits im Mai beschlagnahmt - zu bearbeiten. Zwei Meter Breite und ca. vier Meter Länge hatte Srb abgeschritten; 1,30 Meter sollte die Grube tief werden. Während wir gruben, schossen die Wächter zu unserer Einschüchterung ab und zu über unsere Köpfe hinweg. In Ungewißheit und Sorge dachten wir an unsere Lieben zu Hause. Ihnen bereitete das unregelmäßige Geballer eine schreckliche Nacht; überdies verbreitete ein schlesischer Flüchtling die Furcht, daß er den Ablauf kenne: Erst müßten sie Löcher schaufeln, dann würden die Männer selbst erschossen.

Nach einiger Zeit kam der Leiterwagen von der hinteren Stelle zurück. Auch unsere Burschen hatten unterdessen ihre Arbeit getan und brachten die Kleiderbündel nun auf den Leiterwagen. Sie konnten uns heimlich mitteilen, welche Opfer aus dem anderen Grab ihnen Franz Scheiterhauser zugeflüstert hatte; Groschup Albin, Schaffer Otto, Machowetz Adalbert und Major Steiner mit seinem 16-jährigen Sohn. Er brachte auch das Gerücht mit, daß es einem der 68 gelungen sein sollte, in den Wald zu fliehen. Die Namen waren für den Groschup Tonisch, dem Sohn des erstgenannten Toten, ein schmerzlicher Schreck; der 15-jährige wurde von den Terroristen besonders beobachtet.

Wir standen so dicht in der Grube, daß wir uns gegenseitig behinderten. Da befahl Srb, daß eine Hälfte arbeite und die andere raste, nur der junge Groschup mußte ohne Unterbrechung arbeiten. Es war sehr dunkel geworden, und um Mitternacht drangen wir trotz harten Zupackens kaum mehr tiefer. Obwohl die vorgesehene Tiefe nicht erreicht war, bestimmte Srb, nun die Toten zu bringen.
Ich mußte in der Grube bleiben, um die Getöteten zu schichten. Das hatte so zu erfolgen, daß abwechselnd jeweils ein Toter mit seinem Kopf bei den Füßen eines anderen Mordopfers zu liegen kam. Die zweite Schicht wurde quer zur Ersten gelegt und die Dritte wieder wie die Erste. Da ich ein platzsparendes Einreihen allein nicht bewältigen konnte, wurden mir von Srb zur Unterstützung Paul Machowetz und Adolf Walenda zugewiesen.

Es war ein unbeschreibliches Gefühl, auf Menschenleibern herumzusteigen. Unser "Oberheld" trieb zur Eile; wir mußten möglichst schnell zuschaufeln. Ein letzter, schaudererregender Eindruck: Das Dunkle war Erde, das Helle unsere lieben loten. Dann kamen die sechzehn Männer vom hinteren Grab und so wurde die Arbeit rasch beendet. Die Überdeckung der Leiber war wegen des schlechten Lichtes sehr unterschiedlich und betrug stellenweise nur wenige Zentimeter. Erschöpft von der harten Arbeit merkten wir erst spät, daß sich alle Bewacher unterdessen verzogen hatten. Noch einmal kam Furcht auf: Erwartete uns selbst das Schlimmste erst auf dem Heimweg? Wir verließen gemeinsam die Grabstätten, ohne uns Zeit für ein stilles Gedenken zu nehmen, es war schon gegen zwei Uhr früh. Im Wiesenbächlein wuschen wir unsere blutverschmierten Hände und gelangten, die Straße meidend, auf Umwegen, doch unbehelligt nach Hause. Von unseren Lieben wurden wir mit Tränen in den Augen umarmt, waren zuwenigst wir doch von größerem Unheil verschont geblieben.

Durch die Meierhofbesitzerin, Frau Ridlo, aus Groß-Otschehau, wurde später der Name des Entflohenen bekannt. Es war der Bezirkskommissar Schauer von der Bezirksbehörde in Podersam. Er wurde zwar verwundet, konnte aber doch entkommen. Frau Ridlo verband ihn und half ihm weiter, so daß er sich aus der Tschechei absetzen und nach Würzburg fliehen konnte.

Eine traurige Tatsache ist aber, daß bis heute noch nicht alle Namen der 67 Opfer erfaßt werden konnte. Es werden immer noch einige Korrekturen notwendig werden, um ein genaues Verzeichnis zusammenstellen zu können.
In der Podersamer Kirche soll eine Gedenktafel aus Marmor mit den Namen der Opfer vom Elementenwald angebracht werden.
Die tschechischen Massenmörder, allen voran der "Spravce" Karl Srb, sollten vor ein internationales Tribunal gestellt werden!

Die Namen und Adressen der Mörder sind inzwischen alle bekannt, auch die, der Rädelsführer, die uns am Turnplatz und in der Porzellanfabrik gefoltert, geschlagen und Hans Schmolik vor unseren Augen erschossen haben.

Wir wollen für die, die nach uns kommen, deutlich festhalten und uns selbst noch einmal vergegenwärtigen:

Keinen dieser 68 Männer traf eine Schuld, die ihren Tod auch nur im geringsten gerechtfertigt hätte, ob es nun ein Leiter einer Behörde, ein Bürgermeister, ein Geschäftsmann oder ein Arbeiter war, ja ob es gar nur der jugendliche Sohn war, dessen Vater eine wichtige gesellschaftliche Stellung inne hatte, und nur zufällig bei der Verhaftung des Vaters mitgenommen worden war.

Hinrichtung war bloße Willkür, sie lag einzig im Ermessen einiger primitiver Unmenschen in ihrem Machtwahn, die durch keinerlei administrative Weisungen zu solchen Ausschreitungen legitimiert waren.Es war rachelüsternes, kaltblütiges Hinmorden unbescholtener Landsleute!
Da die Opfer ja nur Deutsche waren, findet sich offiziell selbstverständlich kein Hinweis mehr auf das fürchterliche Geschehen. Es ist nicht bekannt, ob die sterblichen Überreste der Toten noch an Ort und Stelle ruhen.

(Abschrift aus: Heimatbrief Saazerland, Wir gedenken der schlimmen Ereignisse in den Tagen des Umsturzes, S.65-66)