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Vollständige Version anzeigen : Armut in Deutschland



Beatbox32
27.10.2003, 01:56
Hallo

eben lief in Phoenix eine Reportage über die Armut in Deutschland. Speziell über die Kinder, die in den betroffenen Familien leben.
Ein Thema, was viel zu sehr totgeschwiegen wird.

In Deutschland leben rund 1 Million Kinder in Armut. Und Armut heisst hier nicht, dass sie keine Playstation bekommen oder so etwas, nein es sind Kinder, deren Familien jeden Cent drei mal rumdrehen und noch nicht ein mal die Sicherung der Lebensmittel gewährleistet ist und sie deshalb auf soziale Verbände und Einrichtungen angewiesen sind. Und das im Wohlstandsland Deutschland.
Durch die Beschlüsse der Bundesregierung von Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe wird anch Schätzung der Experten diese Zahl auf mindestens 1,5 Millionen anwachsen.

Kinder aus sozial schwachen Familien werden gehänselt in der Schule, nicht akzeptiert in der Gemeinschaft, weil sie nicht den Normen der Gesellschaft entsprechen. Daraus folgt, dass die Kinder diese Hänselein ständig über sich ergehen lassen müssen. Dass sie dann keine Lust mehr haben zur Schule zu gehen kann ich voll und ganz nachvollziehen. An dem Punkt steigen dann viele in eine kriminelle Karriere ein. Durch die Abwesenheit in der Schule schaffen sie oft das Schuljahr nicht, haben Probleme usw. Dass dann manchmal noch nicht einmal ein Hauptschulabschluss erreicht wird verwundert mich nicht. Da hilft es auch nicht wenn man meinetwegen Geld inverstiert für neue Lehrmittel, mehr Lehrer etc. Nein, hier muss schon bei den Ursachen angefangen werden.
Und deswegen darf man den bedürftigen Familien nicht noch mehr das Geld aus der Tasche nehmen.

Deutschland ist was Forschung und Technik anbetrifft schon längst überholt von Staaten aus Fernost und der USA. Die Zukunft für die nächsten 20 oder 30 Jahre kann nur die Bildung der heutigen Kinder und Jugendlichen sein, erst Recht wegen der aktuellen demographischen Entwicklung. Sie müssen durch ihr Wissen Deutschland auf diesem Markt wieder konkurenzfähig machen.
Wenn diese schulische, geistige und physisch-psychische Entwicklung der Kinder durch Armut beeinträchtigt wird (was beweisen udn nachzuweisen ist) ist das am Ende, was die Zukunft unseres Landes angeht völlig kontraprodukiv.

Ich will den Staat nicht alleine dafür verantwortlich machen für die verschuldeten Familien oder Sozialhilfeempfänger. Sicher hat jeder seinen Beitrag selber dazu geleistet. Aber was in der Reportage auch erwähnt wurde, die Leute kriegen dann eine Arbeit vom Arbeitsamt, oder werden in einen Betrieb mit irgendeiner befristeten Stelle von ein paar Monaten gesteckt, die ihnen am Ende finanziell noch weniger bringt als vorher mit der Sozialhilfe. So schön das ganze auch für die Arbeitslosenstatistik ist, Probleme löst es nicht. Das nur als ein Beispiel.

Ich könnte diesen Beitrag noch weiterführen, was diese Situation für die Betroffenen noch für psychische Schäden hinterlässt usw., aber ich denke ich belasse es hierbei und würde mich über einige Anmerkungen freuen.

Grüße

Amida Temudschin
27.10.2003, 17:46
Da sieht man doch mal wieder, wie toll die soziale Marktwirtschaft ist.

opus111
28.10.2003, 13:41
Original von Amida Temudschin
Da sieht man doch mal wieder, wie toll die soziale Marktwirtschaft ist.

Nunja: Einmal unabhängig davon, ob wir pro oder contra soziale Marktwirtschaft optieren. Die Marktwirtschaft nach dem Vorbild der katholischen Soziallehre ist doch längst durch eine "neoliberalistische Marktwirtschaft" ersetzt worden.

Amida Temudschin
28.10.2003, 17:32
@Opus111: Mag schon sein, aber in Deutschland ist selbst der Neoliberalismus noch verhältnismäßig sozial. Wenn schon hier solche Zustände herrschen, wie sähe es dann erst aus, wenn wir uns tatsächlich die USA zum Vorbild nehmen, was einige Liberale und Konservative fordern?
Was ich eigentlich sagen will: Natürlich geht es der deutschen Bevölkerung ziemlich gut, auch im Vergleich mit anderen Industriestaaten, aber es könnte trotzdem besser sein. Muß man, nur weil es Anderen dreckiger geht, auf wahre Gerechtigkeit und einen wirklich sozialen Staat verzichten und weiterhin mit einem Kompromiß leben?

John Donne
29.10.2003, 10:16
@Amida: Was stellst Du Dir denn unter einem wirklich sozialen Staat vor? Und was unter wahrer Gerechtigkeit?

Grüße
John

kettnhnd
29.10.2003, 10:42
die kluft in diesem land zwischen arm und reich wird immer größer. und ich sehe kein ernsthaftes interesse der regierenden diese zu verkleinern.

-

Amida Temudschin
29.10.2003, 20:16
@Amida: Was stellst Du Dir denn unter einem wirklich sozialen Staat vor? Und was unter wahrer Gerechtigkeit?

zum sozialen Staat:
- kostenlose medizinische Versorgung
- keine Zwei-Klassen-Medizin
- kostenlose Hochschulbildung
- keine Privatuniversitäten
- kostenlose Kindergartenplätze
- kostenlose Altersheime
- wirkliche Hilfe für sozial Schwache

zur Gerechtigkeit:
Es wird immer gerne behauptet, der Kapitalismus sei gerecht, weil jeder die gleichen Chancen habe, Reichtum zu erwirtschaften (womit unterschwellig behauptet wird, daß automatisch jeder, der nicht wirtschaftlich erfolgreich ist, faul ist).

Diese Chancengleichheit ist jedoch in keiner Weise gegeben. Über den späteren Beruf entscheiden hauptsächlich der Ort, wo man aufgewachsen ist, und die eigenen Eltern. Für einen wirklich guten Job in der Wirtschaft braucht man nicht nur das nötige Bildungsniveau und die richtige (teure) Ausbildung, sondern vor allem Beziehungen. Wenn der Vater erfolgreicher Manager ist, werden seine Geschäftsfreunde schon für einen Ausbildungsplatz des Sohnes sorgen, selbst wenn es andere Bewerber mit besseren Qualifikationen gibt. So läuft es in jeder Branche ab. Ich bin mit einem Medizinstudenten befreundet, der seine Praktika bei den Golfpartnern seines Vaters ableistet und nicht darauf angewiesen ist, neben dem Studium zu arbeiten. Ein Kind von Sozialhilfeempfängern kann natürlich auch Arzt werden, nur muß es dafür ungleich härter arbeiten. Es kommt nicht so sehr auf die eigenen Fähigkeiten an, sondern eher darauf, von wem man protegiert wird. Einige haben es noch leichter und übernehmen einfach die Firma ihrer Eltern, ohne daß es wichtig wäre, ob sie dafür qualifiziert sind.

Ein anderer Punkt ist das Ungleichgewicht zwischen Managern und Arbeitern (womit ich auch Angestellte in niedrigeren Positionen meine). Manager erhalten Phantasiegehälter, während die Löhne der Arbeiter bei jeder Gelegenheit gekürzt werden und man noch die Dreistheit besitzt, ihnen zu sagen, daß das nötig wäre, um die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens zu erhalten. Wenn ein Manager eine Firma an die Wand fährt, kann er mit einer fetten Ablöse rechnen und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit gleich bei der nächsten Firma eingestellt, während der Arbeiter, egal ob er faul oder fleissig war, entlassen wird und damit aufgrund der heutigen Wirtschaftslage nahezu automatisch zum Langzeitarbeitslosen wird. Ein Manager hat schon ausgesorgt, sobald er seine Position erreicht hat, während ein Arbeiter sein ganzes Leben darum kämpfen muß, ein paar Krümel vom Wohlstand abzubekommen. Noch schöner sind Besitzer von Firmen und Großaktionäre, deren ganze Arbeit darin besteht, etwas zu besitzen. Da zeigt sich die Gerechtigkeit im Kapitalismus. Alle sind gleich, nur sind manche gleicher als andere.

John Donne
30.10.2003, 12:47
Original von Amida Temudschin
zum sozialen Staat:
- kostenlose medizinische Versorgung
- keine Zwei-Klassen-Medizin
- kostenlose Hochschulbildung
- keine Privatuniversitäten
- kostenlose Kindergartenplätze
- kostenlose Altersheime
- wirkliche Hilfe für sozial Schwache

zur Gerechtigkeit:
Es wird immer gerne behauptet, der Kapitalismus sei gerecht, weil jeder die gleichen Chancen habe, Reichtum zu erwirtschaften (womit unterschwellig behauptet wird, daß automatisch jeder, der nicht wirtschaftlich erfolgreich ist, faul ist).

Diese Chancengleichheit ist jedoch in keiner Weise gegeben. Über den späteren Beruf entscheiden hauptsächlich der Ort, wo man aufgewachsen ist, und die eigenen Eltern. Für einen wirklich guten Job in der Wirtschaft braucht man nicht nur das nötige Bildungsniveau und die richtige (teure) Ausbildung, sondern vor allem Beziehungen. Wenn der Vater erfolgreicher Manager ist, werden seine Geschäftsfreunde schon für einen Ausbildungsplatz des Sohnes sorgen, selbst wenn es andere Bewerber mit besseren Qualifikationen gibt. So läuft es in jeder Branche ab. Ich bin mit einem Medizinstudenten befreundet, der seine Praktika bei den Golfpartnern seines Vaters ableistet und nicht darauf angewiesen ist, neben dem Studium zu arbeiten. Ein Kind von Sozialhilfeempfängern kann natürlich auch Arzt werden, nur muß es dafür ungleich härter arbeiten. Es kommt nicht so sehr auf die eigenen Fähigkeiten an, sondern eher darauf, von wem man protegiert wird. Einige haben es noch leichter und übernehmen einfach die Firma ihrer Eltern, ohne daß es wichtig wäre, ob sie dafür qualifiziert sind.


Kostenlose medizinische Versorgung und Zweiklassenmedizin:
Richtig ist, daß wir de facto eine Zweiklassenmedizin haben. Richtig ist sicher auch, daß ein hoher medizinischer Mindeststandard für alle Bevölkerungsteile - also auch Einkommenslose und -schwache - höchst wünschenswert ist. Finanziert werden muß er trotzdem. Und gerade was die Kosten angeht, habe ich den Eindruck, daß in der Bevölkerung vielfach ein falsches Bild entsteht. In den Medien hört man ständig davon, daß neue Behandlungsmethoden entwickelt wurden und diese und jene Eingriffe nun durchgeführt werden können. Utopisch ist, daß die medial beschriebene Hightechmedizin für den Durchschnittsbürger mit angemessenen Krankenkassenbeiträgen bezahlbar ist. So kostet beispielsweise eine mehrstündige Bypassoperation schnell 30000,- Euro und mehr. Schon das heutige Gesundheitssystem ist nur finanzierbar, weil Mediziner (Regelstudienzeit 12 Semester, 3 Staatsexamina, üblicherweise Promotion) als einfache Krankenhausärzte weniger Geld bekommen als beispielsweise Oberstudienräte. Zudem waren ihre Arbeitszeiten vor dem Urteil des EuGH m.E. teilweise kriminell. Von dem miesen Verhältnis zwischen Einkommen und physischer und psychischer Belastung bei Krankenschwestern einmal ganz abgesehen. (Das Urteil ist sehr zu begrüßen, vereinfacht die finanzielle Lage im Gesundheitssystem aber leider nicht). Ich möchte hier keinesfalls alle Ärzte als durch das Gesundheitssystem ausgebeutet darstellen, aber ebenso wie es eine Zweiklassenmedizin bei den Patienten gibt, existiert sie auch bei den Ärzten. Der Schnitt ist da, wo die Liquidationsberechtigung für die Behandlung von Privatpatienten beginnt (und bei Praxen niedergelassener Ärzte zusätzlich: wo Privatpatienten in nenneswertem Umfang in der Praxis behandelt werden). Worauf ich hinaus möchte ist: Meiner Meinung nach würde eine kostenlose staatliche medizinische Versorgung die Qualität der Versorgung erheblich verschlechtern. Ein Blick über den Kanal ins Vereinigte Königreich mag da hilfreich sein. Dort stellt sich die Frage, die Philipp Mißfelder laut andachte, nämlich, ob 85jährigen ein neues Hüftgelenk bezahlt werden soll, nicht. Sie ist beantwortet - und zwar negativ. Meiner Meinung nach hat der Sozialstatistiker Prof. Dr. Walter Krämer in seinem Buch Wir kurieren uns zu Tode (http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3548356699/booksnewasin/028-8193102-7254940) leider völlig recht. Eine konkrete Lösung hat er auch nicht parat, aber sein Blick auf das Bestehende scheint mir schärfer als der aller, deren Stimmen ich zur aktuellen Gesundheitsreform vernommen habe.
Solange aber das Problem der Finanzierung nicht gelöst ist, werden Reiche, weil sie eben die Kosten bezahlen können und bezahlen, besser behandelt, zur Not in Privatkliniken. Deren Existenz wird man kaum unterbinden können, möchte man nicht massiv in die Privatautonomie eingreifen. Dasselbe gilt für Privatunversitäten, womit ich zum nächsten Punkt kommen möchte.

2. Ich bin auch für kostenlose Hochschulbildung und vor allem für gute Hochschulbildung. Und da liegt in der Bundesrepublik momentan einiges im Argen. Unter anderem ist dies begründet durch massive finanzielle Probleme der Länder, denen ja die Kultushoheit obliegt. An der Bildung sparen heißt für mich ganz sicher, am falschen Ende zu sparen (ich habe das in mehreren Beiträgen zu dem Thema dargelegt). Daß allerdings Leute auf die Idee kommen, private Hochschulen einzurichten, wird man kaum verbieten können.
Privatautonomie, also das Recht, privatrechtliche Verträge einzugehen, wird von unserem Rechtssystem zurecht als elementarer Bestandteil der Freiheit angesehen.
Kostenlose und vor allem deutlich mehr Kindergartenplätze kann ich nur befürworten.

3. Kapitalismus ist nicht soziale Marktwirtschaft. Im Kapitalismus herrscht ganz sicher keine Chancengleichheit. In der sozialen Marktwirtschaft auch nicht. Chancengleichheit ist auch nicht erstrebenswert. Erstrebenswert ist, daß jeder eine Chance bekommt - und das realisiert die soziale Marktwirtschaft am besten. Chancengleichheit ist deshalb keinesfalls erstrebenswert, weil die Menschen zwar gleich an Würde, aber eben nicht gleich sind. Es gibt Dumme und Schlaue, Starke und Schwache, Fleissige und Faule. Zur oben genannten Privatautonomie gehört in gewissem Umfang auch das Testierrecht, also das Recht, erworbenes Vermögen von einer Generation an die nächste weiterzugeben. Erworbenes Wissen darf sowieso weitergegeben werden. Klar ist, daß Erben finanziellen und geistigen Reichtums bessere Chancen im Leben haben werden. Ein Staat, der die Chancen gänzlich auszugleichen versucht, müßte neben diesen auch die natürliche Intelligenz und körperliche Begabung berücksichtigen und in der Folge massiv faschistisch vorgehen. Das muß als Lösung vehement abglehnt werden.
Daß also ein Kind von Sozialhilfeempfängern vermutlich härter arbeiten muß, um das Gleiche im Leben zu erreichen wie ein Kind begüterter Eltern, ist einer der Preise der Freiheit, auch wenn die Situation vielleicht ungerecht erscheint.

Grüße
John

Amida Temudschin
30.10.2003, 14:25
zur Finanzierung: Wenn diese Gesellschaft sich eine Klasse leisten kann, die den Großteil des Vermögens besitzt, kann sie sich auch stattdessen einen qualitativ hochwertigen Sozialstaat leisten. Soweit muß man aber garnicht gehen, es würde reichen, die Verwaltung zusammenzustreichen und die Diäten der Politiker massiv zu kürzen.

zur Privatautonomie: Ich habe nicht geschrieben ,daß ein sozialer Staat in dieser Staats- und Gesellschaftsform möglich wäre.

zur Chancengleichheit: Wie ich auch geschrieben habe, meine ich damit, daß nur die eigenen Fähigkeiten entscheidend für die Berufslaufbahn sein sollten, nicht die Herkunft. Auch wenn alle Menschen gleich sind, haben sie unterschiedliche Fähigkeiten. Jemand, der überdurchschnittlich intelligent ist, wird natürlich eine größere Auswahl an Karrieren haben. Ist er aber faul, verbaut er sich diese Chancen selbst. Heute ist aber so, daß man durchaus dumm und faul sein kann und trotzdem einen guten Job bekommt, wenn man das richtige Elternhaus hat. Genau das ist es, was ich kritisiere.

Siran
30.10.2003, 14:42
zur Finanzierung:

Das glaube ich nicht. Das würde vielleicht gehen, wenn man die Leute hier festhalten könnte. Nicht aber, wenn andere Länder dieser Klasse einen weit besseren Lebensstandard und eine bessere Behandlung zugesteht. Die meisten reicheren Leute sind ja durchaus bereit einen Teil für die Gesellschaft bezutragen. Z.B. durch wesentlich höhere Steuersätze. Wenn man aber anfängt, diese im Übermaß zu belasten, dann wird einfach folgendes passieren: Die Leute werden ihren Wohnsitz verlagern, in der EU kein größeres Problem mehr und ihre Steuern dann komplett einem Land übergeben, dass sie besser behandelt.

John Donne
30.10.2003, 20:01
Das sehe ich sehr änhlich wie Siran.

Und aus einem Staat, der seine Staats- und Gesellschaftsform ändert oder an massiv an der Privatautonomie rüttelt, würde ich vermutlich auswandern.

Grüße
John

Amida Temudschin
31.10.2003, 02:59
Wenn ihr das so seht, viel Spaß im Neoliberalismus und Turbokapitalismus.

John Donne
31.10.2003, 08:01
Ich bin kein Freund des Turbokapitalismus, aber was Liberalismus angeht, bin ich ein Freund von persönlicher Verantwortung. Ich sehe die Mischung zwischen Sozialstaat und persönlicher Verantwortung momentan zu sehr in Richtung Sozialstaat verschoben, was weder dem Sozialstaat, der prinzipiell eine wunderbare Errungenschaft ist, noch dem einzelnen Bürger gut tut. Das Ergebnis muß und soll nicht Turbokapitalismus sein.

Natürlich ist die von Dir eingangs besprochene Armut unter Kindern bzw. Familien ein wichtiges gesellschaftliches Problem. Generell ist Deutschland nicht gerade das Musterbeispiel eines kinderfreundlichen Landes. Solange Armut aber relativ definiert ist - und das ist sie -, wird es immer Arme geben. Ein wichtiger Ansatz, das Problem beispielsweise des Gehänseltwerdens zu lösen ist, die weitverbreite Ansicht, den sozialen Status eines Individuums fast ausschließlich finanziell zu bestimmen, zu durchbrechen: Man sollte nicht Designer- oder Markenklamotten tragen müssen, um in der Gesellschaft etwas zu gelten. Was absolute Armut angeht, so ist diese offiziell nahezu ausgerottet. Niemand, der sich legal in Deutschland aufhält und seine Rechte geltend macht, muß Hunger leiden. In Familien mag es traurigerweise so aussehen, daß dort teilweise das Geld, daß für elementare Lebenserhaltung gedacht ist, von den Eltern versoffen und verraucht wird (daß in sozial schwachen Schichten durchschnittlich mehr geraucht und getrunken wird, ist in zahlreichen Studien belegt). Das ist leider sehr traurig, aber hier einzugreifen ist nicht ganz ungefährlich. Man kann die Eltern, die ja erwachsene Menschen sind, schwer zwingen, ihr Geld sinnvoll auszugeben. Entbindet man sie von ihrer Vormundschaft und steckt die Kinder in ein Heim, kommen die Kinder oft vom Regen in die Traufe. Das zu lösen ist schwer...
Richtig ist natürlich, daß wer als Kind ungebildeter, überschuldeter Eltern auf die Welt kommt, selbst mir einer großen Hypothek ins Leben startet. Die Lösung kann aber nicht sein, verantwortungsvollen Eltern die Möglichlichkeit zu verweigern, einen Teil ihres Wissens und Vermögens an ihre Nachkommen weiterzugeben.
Was die Bildungsmisere angeht, stimme ich Dir in vollem Umfang zu.
Was den Staat angeht, sollte es schlicht mehr dafür sorgen, daß Kinder zumindest kein so großes Armutsrisiko mehr darstellen.

Grüße
John

houndstooth
02.11.2003, 03:14
Original von Amida Temudschin


zum sozialen Staat:
- kostenlose medizinische Versorgung
- keine Zwei-Klassen-Medizin
- kostenlose Hochschulbildung
- keine Privatuniversitäten
- kostenlose Kindergartenplätze
- kostenlose Altersheime
- wirkliche Hilfe für sozial Schwache
e.

Einen sozialen Staat muss man sich leisten koennen, d.h. es muessen Energie(Geld)ueberschuesse vorhanden sein. Auch die kommen nicht aus dem Nichts sondern mussten erst erarbeitet werden - von irgend jemand.

Das Wort "kostenlose Sozialleistungen " ist eine illusorische Erfindung parasitischer Utopisten: Kosten = 'Energieaufwand' . Wenn etwas 'kostenlos' waere, dann gaebe es das 'Etwas' garnicht , denn 'Etwas' existiert nur durch Energiespende.

Alle gelisteten 'kostenlosen' Services verschlingen enorme Energieaufwaende die von der Gesellschaft durch Arbeit erbracht werden = Energieaufwandskosten.

Derjenige der Energieformen abgibt , gibt sie nur dann ab, wenn er im Gegenzug eine andere Energieform erhaelt = Energiegleichheit die zur Erhaltung einer ueberlebensfaehigen Existenz absolute Voraussetzung ist.

Alle Energie die einer Gesellschaft zur Verfuegung steht, war/ist /wird einzig und allein nur durch Arbeit von Individuen geschaffen d.h. sie geben Energie ab .Dieser Abgabe muss eine Energiezunahme in anderer Form balancierend gegenueberstehen. Ist das nicht der Fall , implodiert der Staat an seiner negativen Energiebuchhaltung .

'Kostenlose' Energieempfaenger gefallen sich in der Wahnvorstellung, dass eigener Energiezugewinn , also eine Energieimbalance ,dauerhaft ohne Gegenleistung aufrecht zu erhalten sei, ohne sich darueber gewahr zu sein , dass diese Energiezugewinne rechtmaessigen Energieproduzenten vorenthalten wird , wirtschaftlichen Progress proportionell verlangsamen und die Lebensqualitaet aller vermindern.

Es ist nur eine Frage der Zeit und des Grades der Energieimbalance bevor solche sozialistische Unkonzepte flach auf die Nase umkippen.

Sozialismus = Unrealistische Traeumerei.

Bis dann...Heinz

houndstooth
02.11.2003, 03:15
Original von Amida Temudschin
Neoliberalismus und Turbokapitalismus.

Mit freundlichem Gruss

Bis dann...Heinz

houndstooth
02.11.2003, 03:45
Original von John Donne
bin ich ein Freund von persönlicher Verantwortung.
:]

Original von John Donne
Ich sehe die Mischung zwischen Sozialstaat und persönlicher Verantwortung momentan zu sehr in Richtung Sozialstaat verschoben, was weder dem Sozialstaat, der prinzipiell eine wunderbare Errungenschaft ist, noch dem einzelnen Bürger gut tut.
:] Nachweisbar!


Original von John Donne
Was absolute Armut angeht, so ist diese offiziell nahezu ausgerottet.
Was ist die Definition von 'absolute Armut'?

Original von John Donne
Niemand, der sich legal in Deutschland aufhält und seine Rechte geltend macht, muß Hunger leiden.
:]


Original von John Donne
In Familien mag es traurigerweise so aussehen, daß dort teilweise das Geld, daß für elementare Lebenserhaltung gedacht ist, von den Eltern versoffen und verraucht wird (daß in sozial schwachen Schichten durchschnittlich mehr geraucht und getrunken wird, ist in zahlreichen Studien belegt).
Abrutsch in 's Stereotypische?
Stereotypische Kategorisierung , i.e. ein Umstand fits all , wendet sich von Problemen ab , ohne Loesungsmodule anzubieten.


Original von John Donne
Die Lösung kann aber nicht sein, verantwortungsvollen Eltern die Möglichlichkeit zu verweigern, einen Teil ihres Wissens und Vermögens an ihre Nachkommen weiterzugeben.
Das wuerde an's Kriminelle grenzen.


Original von John Donne
Was den Staat angeht, sollte es schlicht mehr dafür sorgen, daß Kinder zumindest kein so großes Armutsrisiko mehr darstellen.
Eine fast schon heilige Pflicht, die aber nicht abgesondert sondern nur mit der dazugehoerigen , tragenden Infrastruktur erfuellt werden kann .

Mit freundlichem Gruss

Bis dann...Heinz

John Donne
02.11.2003, 12:36
Hallo Heinz,

also für Armut gibt es zwei verschiedene Definitionsansätze.
Der erste ist der absolute: Arm ist, wer sich alles Lebensnotwenige wie Wohnraum, Nahrung oder elementare Gesundheitfürsorge nicht leisten kann (Liste nicht vollständig). Demgegenüber gibt es die relative Armutsdefinition, die übrigens die am häufigsten angewandte ist. Hier gilt als Arm, wer weniger als 50% der Durchschnittsmenge monatlich an Geld zur Verfügung hat. Liegt also das Durchschnitteinkommen bei 2.800 Euro brutto, gelten alle mit einem Einkommen von weniger als 1.400 Euro als arm. Verdoppelte man nun auf einen Schlag alle Einkommen, bliebe der gleiche Prozentsatz relativ gesehen arm. Motivation dieser Definition ist, daß Konsum ein Faktor ist, gesellschaftliche Hierarchien herauszubilden und sich Armut dadurch auszeichnet, daß sie für Betroffene die Konsummöglichkeiten einschränkt. Man überlege sich dazu die Bedeutung des Adjektivs "exklusiv" im Zusammenhang mit Konsumgütern.
Beide Definitionen haben ihre Berechtigung, elementarer scheint mir aber dennoch die absolute zu sein.

Was das stereotypische angeht: Ich gebe zu, ich habe stark vereinfacht, vielleicht auch unverständlich. Was ich meine ist folgendes. Wenn Kinder in sozial schwachen (also vor allem einkommensschwachen) Familien aufwachsen, die beispielsweise von Sozialhilfe leben, können natürlich diese Kinder nichts dafür. Sozialhilfe ist aber vor allem zur Bekämpfung absoluter Armut (siehe oben) gedacht. Das schließt Kosten für Rauchwerk und Alkoholika wohl prinzipiell nicht mit ein. Daß Rauchen sehr teuer ist, wird niemand ernsthaft bestreiten. Wenn nun die sozialhilfebeziehenden Eltern jeder ein Päckchen Zigaretten am Tag rauchen, kostet dies die Familie schnell gut 180,- €/Monat (2 Personen x 3 Euro/Packung * 30 Packungen/(Person*Monat). Das bedeutet doch wohl, daß dieser Familie für andere, elementarere Bedürfnisse 180 € pro Monat weniger zur Verfügung stehen. Was ich schlicht behaupte ist, daß, falls Kinder in Deutschland hungern (Opfern von Menschenhandel und/oder illegaler Migration ausgenommen, das ist ein eigenes Kapitel), haben höchstwahrscheinlich ihre Eltern das ihnen zugeteilte Geld verantwortungslos ausgegeben. Ich bestreite nicht, daß absolute Kinderarmut in Deutschland ein Problem ist. Eine konkrete und überzeugende Lösung kann ich nicht anbieten, meiner Meinung nach muß sie aber zum Schutz der Kinder bei deren Erziehungsberechtigten ansetzen. Dies ist aber, wie im letzten Beitrag angesprochen, ein Schritt der massiv in deren Rechte eingreift und deshalb nicht ganz einfach sein wird. Ich bestreite allerdings, daß in sozial schwachen Familien das Einkommen bei Ausnutzung aller staatlichen Hilfen so gering ist, daß absolute Armut vorherrschen muß.

Grüße
John

Amida Temudschin
07.11.2003, 00:22
Das Wort "kostenlose Sozialleistungen " ist eine illusorische Erfindung parasitischer Utopisten: Kosten = 'Energieaufwand' . Wenn etwas 'kostenlos' waere, dann gaebe es das 'Etwas' garnicht , denn 'Etwas' existiert nur durch Energiespende.
Wenn ich kostenlos meinen Perso verlängern lasse, ist mir klar, daß ich über Steuern den Aufwand dafür finanziere, aber ich bezahle nicht konkret für diese Handlung.
Und die Illusion, der Kapitalismus sei gut für die Menschen, stammt von parasitären Großindustriellen.

'Kostenlose' Energieempfaenger gefallen sich in der Wahnvorstellung, dass eigener Energiezugewinn , also eine Energieimbalance ,dauerhaft ohne Gegenleistung aufrecht zu erhalten sei, ohne sich darueber gewahr zu sein , dass diese Energiezugewinne rechtmaessigen Energieproduzenten vorenthalten wird , wirtschaftlichen Progress proportionell verlangsamen und die Lebensqualitaet aller vermindern.
Erst schmeißt du mit physikalischen Definitionen um dich und dann kommst du mit etwas so subjektivem wie dem Recht?
Rechtmässig wäre es, wenn diejenigen, die etwas produzieren, tatsächlich gerechten Lohn dafür erhalten. Ein Fabrikbesitzer produziert nur scheinbar, da er nur seine Arbeiter ausbeutet, d.h. Mehrwert aus ihnen herauspresst.

Zur Armutsdefinition: Die Aussage, daß es immer Arme geben wird, ist falsch. Wenn man die Löhne nicht einfach verdoppelt, sondern umverteilt, muß niemand mehr arm sein.

pavement
07.11.2003, 00:24
Wenn ich kostenlos meinen Perso verlängern lasse, ist mir klar, daß ich über Steuern den Aufwand dafür finanziere, aber ich bezahle nicht konkret für diese Handlung.
Und die Illusion, der Kapitalismus sei gut für die Menschen, stammt von parasitären Großindustriellen.

nein, von adam smith - und der konnte es zu seiner zeit gar nicht besser wissen, da er die negativen auswirkungen des kapitalismus nicht mitbekam.

Amida Temudschin
07.11.2003, 15:39
nein, von adam smith - und der konnte es zu seiner zeit gar nicht besser wissen, da er die negativen auswirkungen des kapitalismus nicht mitbekam. Das ist klar, nur würde Smith etwas anderes schreiben, lebte er heute, während heutige Kapitalismusbefürworter entweder wirklich so realitätsfremd sind oder aber genau wissen, daß es im Kapitalismus immer Gewinner un Verlierer geben muß, dies jedoch nicht öffentlich zugeben.

pavement
07.11.2003, 16:29
das ist klar - marx hat übrigens auch immer sehr achtungsvoll über smith gesprochen, er verstand sich nicht als dessen gegensacher(wie es auf dem ersten blick erscheinen könnte; kapitalist vs. kommunist), sondern als ein weiterentwickler/verbesserer der ökonomie von smith.

Amida Temudschin
07.11.2003, 16:43
Einer der Gründe, warum viele Konservative, die ich kenne, "Das Kapital" durchaus als sehr gute Analyse des Kapitalismus ansehen, obwohl sie mit den Schlußfolgerungen nicht einverstanden sind.

Alex
07.11.2003, 17:45
Wie warscheinlich allen bekannt stellt der Kapitalismus einen Teufelskreislauf dar. Bsp.: Die Gesellschaftsform,Kapitalismus bedingt durch ihre Ökonomie der Rationalisierung zum Erreichen von höherem Profit, Arbeitslosigkeit.
Deshalb ist es unlogsich für den "Kampf" gegen die Arbeitslosigkeit, die ja ein Armutsfaktor insbesondere in Familien darstellt, Gelder auszugeben.
Es gibt daher 2 Möglichkeiten: Umbau der Gesellschaft, zu einer, die durch ihre Ökonomie keine Arbeitslosigkeit bedingt; oder völlige Streichung von Arbeitslosenhilfe/geld und Sozialhilfe. Lezteres führt ohne Zweifel zu amerikanischen Verhältnissen und zum schon angesprochenen Turbokapitalismus.
Beide Folgen sind jedoch nicht erstrebenwert, und deshalb auch auszuschließen. Es bleibt also Möglichkeit 1 , die da Sozialismus heißen könnte.

Nebukadnezar
07.11.2003, 17:58
Es gibt auch noch eine andere Möglichkeit. Nationalsozialismus :D

Der Zins muß weg!

pavement
07.11.2003, 18:07
Es gibt auch noch eine andere Möglichkeit. Nationalsozialismus

eine sehr sehr schlechte möglichkeit.

bei marx ging es um ein bessers leben für ALLE menschen, egal ob schwarz oder weiß, egal welcher abstammung.

da sehe ich doch einen gewissen wichtigen unterschied, den ich nicht missen möchte.

Amida Temudschin
07.11.2003, 19:44
Wie warscheinlich allen bekannt stellt der Kapitalismus einen Teufelskreislauf dar. Bsp.: Die Gesellschaftsform,Kapitalismus bedingt durch ihre Ökonomie der Rationalisierung zum Erreichen von höherem Profit, Arbeitslosigkeit.
Deshalb ist es unlogsich für den "Kampf" gegen die Arbeitslosigkeit, die ja ein Armutsfaktor insbesondere in Familien darstellt, Gelder auszugeben.
Es gibt daher 2 Möglichkeiten: Umbau der Gesellschaft, zu einer, die durch ihre Ökonomie keine Arbeitslosigkeit bedingt; oder völlige Streichung von Arbeitslosenhilfe/geld und Sozialhilfe. Lezteres führt ohne Zweifel zu amerikanischen Verhältnissen und zum schon angesprochenen Turbokapitalismus.
Beide Folgen sind jedoch nicht erstrebenwert, und deshalb auch auszuschließen. Es bleibt also Möglichkeit 1 , die da Sozialismus heißen könnte. Sehe ich genauso. Man kann nicht Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit fordern und gleichzeitig am Kapitalismus festhalten. Daß auch "nettere" Formen wie die soziale Marktwirtschaft zum Scheitern verurteilt sind, sieht man gerade heute.