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Vollständige Version anzeigen : Wahrnehmung



Michael76
25.01.2015, 17:41
Der Begriff Wahrnehmung enthält das Wort "wahr".

Als wahr bezeichnen wir im allgemeinen etwas, das objektiv gültig ist, vereinfacht gesagt.

Bei der Wahr-Nehmung kommen wir schon ins Stottern, denn wir wissen, dass diese subjektiver Natur ist bzw. sein kann.

Das objektiv Gültige verschwimmt also bereits in dieser Begriffserweiterung.

Wir stehen auf einem freien Feld. Einige Meter vor uns steht ein Baum.

Wie nehmen ihn (überwiegend) grün wahr. Wegen der Blätter, die den meisten Raum des Baums in unserem Blickfeld einnehmen.

Nun entfernen wir uns von dem Baum, gehen immer weiter weg.

Das, was wir farblich am Baum wahrnehmen, verändert sich zunehmend.

Vielleicht wird es irgendwann ein Braun- und dann ein Grauton, mit dem wir den immer weiter entfernten Baum wahrnehmen.

Ist der Baum nun eher grün oder eher grau? Was ist seine tatsächliche Farbe?

Nun nehmen wir einen Hund, eine Katze, eine Maus.

Die nehmen den Baum wieder anders wahr.

Weshalb?

Weil unser Eindruck des Grünen (wenn wir in der Nähe des Baumes stehen)
durch ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren entsteht.
Licht, Winkel, unser Standpunkt, Größe und Form unserer Augenlinse.

Dann gibt es noch das Thema Rotgrünblindheit.

Aber: Ist der Baum bzw. seine Blätter nun grün oder grau oder so wie ihn Hund oder Katze oder Maus wahrnehmen?

Hat das Blatt am Baum überhaupt eine Farbe?

Oder ist unser subjektiver Farbeindruck nur eine virtuelle Illlusion?

Ist Farbe überhaupt etwas Materielles?

Gibt es, außerhalb des Materiellen überhaupt etwas?

Gibt es Materielles überhaupt?

Oder ist Materie auch eine Illusion des menschlichen Geistes?

Klopperhorst
25.01.2015, 18:59
»Die Welt ist meine Vorstellung:« – dies ist die
Wahrheit, welche in Beziehung auf jedes lebende und
erkennende Wesen gilt; wiewohl der Mensch allein
sie in das reflektirte abstrakte Bewußtseyn bringen
kann: und thut er dies wirklich; so ist die philosophische
Besonnenheit bei ihm eingetreten. Es wird ihm
dann deutlich und gewiß, daß er keine Sonne kennt
und keine Erde; sondern immer nur ein Auge, das eine
Sonne sieht, eine Hand, die eine Erde fühlt; daß die
Welt, welche ihn umgiebt, nur als Vorstellung daist,
d.h. durchweg nur in Beziehung auf ein Anderes, das
Vorstellende, welches er selbst ist. – Wenn irgendeine
Wahrheit a priori ausgesprochen werden kann, so ist
es diese: denn sie ist die Aussage derjenigen Form
aller möglichen und erdenklichen Erfahrung, welche
allgemeiner, als alle andern, als Zeit, Raum und Kausalität
ist: denn alle diese setzen jene eben schon voraus,
und wenn jede dieser Formen, welche alle wir als
so viele besondere Gestaltungen des Satzes vom
Grunde erkannt haben, nur für eine besondere Klasse
von Vorstellungen gilt; so ist dagegen das Zerfallen in
Objekt und Subjekt die gemeinsame Form aller jener
Klassen, ist diejenige Form, unter welcher allein irgend
eine Vorstellung, welcher Art sie auch sei, abstrakt
oder intuitiv, rein oder empirisch, nur überhaupt
möglich und denkbar ist. Keine Wahrheit ist
also gewisser, von allen andern unabhängiger und
eines Beweises weniger bedürftig, als diese, daß
Alles, was für die Erkenntniß daist, also die ganze
Welt, nur Objekt in Beziehung auf das Subjekt ist,
Anschauung des Anschauenden, mit Einem Wort,
Vorstellung.


(Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung)


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Makkabäus
02.02.2015, 19:48
Die Nerven müssen so trainiert werden, wie man die Wahrnehmung übt, und der Verstand wird weder schamrot noch leidet er Gewissensqualen, wenn eine wissenschaftliche, exakt gestellte Frage in den moralischen Bereich übergeht.

Sathington Willoughby
02.02.2015, 19:53
Es gibt viele Wahrheiten. Wen eine Wahrheit widerspruchsfrei läuft, kommt sie auch des Wortes Sinn nahe.
wenn ich es für wahr halte, dass Strom ungefährlich ist, werde ich schnell an die Grenzen dieser Wahrheit stoßen.
Ich würde an Stelle von Wahrheit lieber Weltbild sagen.