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Vollständige Version anzeigen : Greenpeace und Kernenergie



Mark Mallokent
07.12.2005, 13:28
Wenn es zwei Dinge auf der Welt gibt, die nicht zueinander passen, etwa so wie Feuer und Wasser, Himmel und Hölle, Gut und Böse, dann sind es Greenpeace und Kernenergie. Dachte ich. Bis ich auf folgenden Eintrag bei der "Achse des Guten" stieß. Hier kann man lesen, was Oliver Hartwich auf der Klimakonferenz in Montreal wiederfuhr:

Hier der Link:http://www.achgut.de/dadgd/view_article.php?aid=1438&ref=0

Ich sollte allerdings reich entschädigt werden, denn im Anschluss daran gab es gleich das nächste Side Event, diesmal organisiert von der European Nuclear Society (ENS) und der North American Young Generation in Nuclear. Dies sind Zusammenschlüsse von unter 35-jährigen Beschäftigten in der Kernenergie, also eine Art Mischung aus BINGO und DONGO (BIDONGO?). Geladen waren wir jedenfalls zum angesichts der Organisatoren wenig überraschenden Thema „Let’s take a fresh look at nuclear as part of the solution“. Hauptredner des Abends war Patrick Moore, promovierter Umweltwissenschaftler und einer der Mitbegründer von Greenpeace. Gleich zu Beginn gab Dr. Moore einen Einblick in sein bewegtes Leben in Bildern: Pat Moore in einem Schlauchboot vor einem sowjetischen Walfangschiff, Pat Moore beim Protest gegen Atomwaffentests, Pat Moore als er bei einer Robbenschutzaktion von der Polizei verhaftet wurde (der Robbe hatte es zwar nichts gebracht, aber das Foto ging für Greenpeace um die Welt). Insgesamt sieben Jahre war er im Vorstand von Greenpeace, davon zwei Jahre als Präsident. Pat Moore erzählt mit einer Mischung aus Stolz und Selbstironie von seiner Sturm- und Drangphase als Umweltaktivist.


Doch dann der Bruch: Nach 15 Jahren bei Greenpeace verließ er die Organisation im Jahr 1986. Was war passiert? Moore schildert es so: Jahrelang habe er immer gegen etwas protestiert: Gegen den Walfang, gegen Pestizide, gegen Kernenergie, gegen Atomtests, gegen Supertanker, eigentlich gegen alles. Doch dann hörte er Anfang der 1980er Jahre zum ersten Mal etwas von dem Begriff der ‚nachhaltigen Entwicklung’. Damals war dieser Begriff kaum gebräuchlich und heute wird er oft von Ökoaktivisten für ihre Zwecke instrumentalisiert. Pat Moore aber, ganz Wissenschaftler, verstand ihn eigentlich ganz wörtlich: Natürlich müsse sich die Menschheit weiterentwickeln, nur eben so, dass die Natur dabei keinen Schaden nimmt. „Man kommt einfach nicht um die Tatsache herum,“ sagt Dr. Moore, „dass auf diesem Planeten sechs Milliarden Menschen leben, die jeden Morgen aufwachen und Essen, Energie und Rohstoffe brauchen. Und manche von ihnen, nämlich in den armen Ländern, haben von all dem noch viel zu wenig. Es geht also nicht darum, Verzicht zu predigen, sondern Wege zu finden, wie man auf vernünftige Art und Weise diese Bedürfnisse befriedigt.“ Bei so viel Einsicht in ökonomische und ökologische Vernunft war der Austritt aus Greenpeace da nur folgerichtig.


„Als ich austrat“, sagt Moore, „war aus Greenpeace eine internationale Organisation mit Geschäftsstellen in 21 Ländern und einem riesigen Budget geworden. Gleichzeitig wandelte sich die ehrliche Sorge um die Umwelt zu einer Ersatzreligion. Ich wollte aber ernsthaft nach praktikablen und pragmatischen Lösungen suchen.“ Und das tat er dann auch, wobei er es sich mit seinen früheren Mitstreitern ordentlich verscherzte. „Öko-Judas“ ist da noch einer der harmloseren Ausdrücke, mit denen er mittlerweile beschimpft wird.


Aber Moore sagt, dass er eigentlich all seinen ursprünglichen Überzeugungen treu geblieben ist. Mit einer Ausnahme: Kernenergie. Die hält er inzwischen für einen auf lange Zeit unverzichtbaren Bestandteil des Energiemixes – gerade auch angesichts des Klimawandels, den Moore zwar nicht bestreitet, aber auch Bedenken gegen den Mainstream des sogenannten Klimakonsenses hat. „Konsens,“ sagt Moore, „hat mit Wissenschaftlichkeit nichts zu tun. Es gibt keinen Konsens in der Wissenschaft. Konsens ist ein Begriff aus der Soziologie.“ Er habe keinen Zweifel daran, dass der Planet derzeit wärmer würde, was am Ende einer langen Kaltzeit aber auch nicht weiter verwunderlich sei. Wieviel aber der Mensch zu diesem Effekt beitrage, sei eine nach wie vor offene Frage. Davon abgesehen sei eine Erwärmung auch nicht unbedingt nur negativ zu beurteilen: „Wenn die Gletscher verschwinden, kommen die Bäume zurück und mit ihnen die Bären und die Pflanzen: Was ist besser: Ein großer Eisblock oder ein Tal voller Biodiversität?“ fragt er.


Trotzdem plädiert Moore, wenn auch nur aus Vorsichtsgründen, für eine Rückkehr zur Kernenergie: „Die Wissenschaft hat nachgewiesen, dass Kernenergie heute sicher und umweltverträglich ist. Und es ist völlig unrealistisch, dass Kohle und Kernenergie beide gleichzeitig abgeschaltet und durch alternative Energien ersetzt werden können. Deswegen ist Kernenergie die derzeit beste Option.“ Seinen früheren Greenpeace-Kollegen hält er vor, sie seien durch ihre ideologische Fixierung auf Solar- und Windenergie die größten Hindernisse für effektive Treibhausgasreduktionen. Und um die anwesenden Aktivisten, die sich vor Erregung kaum noch auf ihren Sitzen halten konnten, erst recht auf die Palme zu bringen, erwähnt Moore auch noch, dass selbst beim schwersten bisherigen Unfall in Tschernobyl, der auch nur aufgrund der mangelnden Standards der sowjetischen Kerntechnik passieren konnte, weniger als fünfzig Menschen starben. „Aber 45.000 Menschen sterben jedes Jahr auf Amerikas Straßen: Verbieten wird deswegen das Autofahren?“ fragt Moore.


Nach weiteren Randbemerkungen (gegen die Hockeystick-Kurve, für die Biotechnologie, für die Freiheit, für die Globalisierung, gegen Ökoimperialismus, gegen Subventionen für alternative Energien) hat er dann auch die Letzten der anwesenden Ökoaktivisten gegen sich aufgebracht. Rebecca Harms, die grüne Europaabgeordnete, gibt denn auch am Ende ein langes Statement ab, in dem sie die Gefährlichkeit der Kernenergie betont. Tschernobyl habe doch gravierende Folgen gehabt, meint Frau Harms. Schließlich sei am Ende sogar die Sowjetunion zusammengebrochen. „Aber ist das etwa eine negative Folge?“ (für die Altlinke Frau Harms vielleicht) kontert Moore und erntet Gelächter. Auf ähnlichem Niveau verharren auch die übrigen Aktivisten, bis am Ende ein Vertreter der kanadischen Energiewirtschaft entnervt die Frage stellt, ob man mit Umweltaktivisten überhaupt noch diskutieren könne. „Nein,“ sagt Moore, „wenn man einmal diesen quasi-religiösen Glauben entwickelt hat, ist man für die Vernunft fast verloren. Aber es gehe darum, einer jungen Generation von Umweltschützern zu zeigen, dass es jenseits der Ideologie pragmatische Lösungen für die globalen Probleme gibt.“

Cthulhu
07.12.2005, 19:51
Sehr interessant. Ein Ökospinner wird zu einem vernünftigen Menschen, der die Kernenergie fördern will. Wieso geschieht dies nicht bei unseren Politikern?

LuckyLuke
07.12.2005, 20:04
„Nein,“ sagt Moore, „wenn man einmal diesen quasi-religiösen Glauben entwickelt hat, ist man für die Vernunft fast verloren. Aber es gehe darum, einer jungen Generation von Umweltschützern zu zeigen, dass es jenseits der Ideologie pragmatische Lösungen für die globalen Probleme gibt.“In diesem Punkt stehen die Öko-Religiösen auf verlorenem Posten. Insbesondere für die Schwellenländer ist Atomstrom zur Absicherung der Grundlast eine zu günstige Alternative, insbesondere, wenn keine Wasserkraft im ausreichenden Maße zur Verfügung steht.

Und da diese Staaten im Allgemeinen auch zumeist unter einem mittelschwerem Demokratiedefizit leiden, gibt es für Greenpeace statt Erfolgen wohl eher einen Knüppel zwischen die Augen.

AndyH
18.12.2005, 13:11
Sehr interessant. Ein Ökospinner wird zu einem vernünftigen Menschen, der die Kernenergie fördern will. Wieso geschieht dies nicht bei unseren Politikern?
Patrik Moore ist ein promovierter Wissenschaftler. Er hat vielleicht seine Kenntnisse benutzt.
Im Bundestag sitzen Juristen, Beamte und Berufspolitiker im Mehrzahl.
Eine Frau Merkel alleine macht noch keine Wissenschaftlerversammlung daraus.

houndstooth
19.01.2006, 02:46
... ein Vertreter der kanadischen Energiewirtschaft entnervt die Frage stellt, ob man mit Umweltaktivisten überhaupt noch diskutieren könne.


„Nein,“ sagt Moore, „wenn man einmal diesen quasi-religiösen Glauben entwickelt hat, ist man für die Vernunft fast verloren.



That sums it all up -in a nutshell .


Aber es gehe darum, einer jungen Generation von Umweltschützern zu zeigen, dass es jenseits der Ideologie pragmatische Lösungen für die globalen Probleme gibt.

Womit Pat auch durchaus recht hat. Allerdings bezieht er seinen paycheque auch nicht von der IPCC .

Und wieviel Atomkraftwerke will China in den naechsten Jahren bauen? Waren es 15 oder 16? Auch Canada will sich zunehmend auf Atomkraft konzentrieren.

Die stetige Vermehrung von Atomkraftwerken ist nicht aufzuhalten.

Mit freundlichem Gruss ... Heinz

Freigeist
19.01.2006, 23:38
Patrik Moore ist ein promovierter Wissenschaftler. Er hat vielleicht seine Kenntnisse benutzt.
Im Bundestag sitzen Juristen, Beamte und Berufspolitiker im Mehrzahl.
Eine Frau Merkel alleine macht noch keine Wissenschaftlerversammlung daraus.

Wenn ein ehemaliger Grüner - in maßgeblicher Position zumal - zu einer solchen Einsicht gelangt, hat das natürlich dreimal so viel Gewicht als wenn ein Erzkonservativer diese -Meinung , die er stets hatte - vertritt!

twoxego
20.01.2006, 13:44
Aber Moore sagt, dass er eigentlich all seinen ursprünglichen Überzeugungen treu geblieben ist. Mit einer Ausnahme: Kernenergie.na bitte.

der mensch ist halt lernfähig.
mir selbst geht es ähnlich.
viele anliegen von greenpeace halte ich für vernüntig einiges jedoch auch für blanken unsinn.

was die kernenergie anbetrifft, bin ich noch nicht auf moore's level.
ich habe mir einfach noch keine endgültige meinung gebildet und werde es vielleicht auch
nie tun.
jedesmal wenn gegner oder befürworter kompetente meinungen zum
thema abgeben, denke ich: ......ja , der man hat recht.

diese vereinigung junger lobbiisten der kernenergie ist natürlich ein witz.
jedesmal wenn die erscheinen, muss ich automatisch an diesen atomspoot
aus brooks' " geschichte der menschheit " denken und krieg mich vor lachen kaum ein.


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