PDA

Vollständige Version anzeigen : Wahl- und Parteiensystem



cschmit4
21.12.2003, 13:55
Lasst uns doch mal einen thread eröffnen, mit dem wir die Grundlagen dessen legen, über das wir hier diskutieren.

Ich würde gerne Informationen aller Art zum bundesdeutschen Wahl- und Parteiensystem hier sammeln, damit jeder leicht und schnell nachschlagen kann und damit zukünftig auch wirklich kompetent hier seine Meinung kund tun kann.

In diesem Sinne....

l_osservatore_uno
21.12.2003, 14:57
Zitat

Ein paar Parteien, die ungeachtet formeller Unterschiede und Wahlkampfgeschrei, die gleiche prokapitalistische Wirtschaftspolitik betreiben, führen triviale Diskussionen über Nebensachen [...]

Gerade hier steht die vom Neobliberalismus beeinflußte Politik dem kommunistischen Einparteienstaat näher, als einer echten Demokratie [...]

Zitat Ende

(Noam Chomsky, Profit over People, Hamburg/Wien 2000)

cschmit4
21.12.2003, 17:14
Liegen Deiner Meinung nach dann die Gründe für eine solche eindimensionale Entwicklung des Parteienspektrums bereits im Parteiensystem verankert? Lässt das Wahlsystem zu wenig Spielraum für Andersdenkende? Oder gibt es in unserer Gesellschaft diese Andersdenkenden überhaupt nicht und wenn doch, tummeln sie sich nur in solchen halbanonymen Foren, geben verwegene Antworten auf rein sachlich gemeinte Fragen und schweben damit so weit über den Wolken der Allgemeinheit, dass sie für diese auf immer unerreichbar und damit auch unverstanden bleiben....?

l_osservatore_uno
21.12.2003, 17:22
Original von cschmit4
Liegen Deiner Meinung nach dann die Gründe für eine solche eindimensionale Entwicklung des Parteienspektrums bereits im Parteiensystem verankert? Lässt das Wahlsystem zu wenig Spielraum für Andersdenkende? Oder gibt es in unserer Gesellschaft diese Andersdenkenden überhaupt nicht und wenn doch, tummeln sie sich nur in solchen halbanonymen Foren, geben verwegene Antworten auf rein sachlich gemeinte Fragen und schweben damit so weit über den Wolken der Allgemeinheit, dass sie für diese auf immer unerreichbar und damit auch unverstanden bleiben....?

Zitat

Daher hat das neoliberale System ein wichtiges und notwendiges Nebenprodukt - ein entpolitisiertes, von Apathie und Zynismus befallenes Staatsbürgertum [...]

Zitat Ende

Oder sagen wir's mit von Arnim:

Der Staat ... als Beute der Parteien!

Und der chomsky'sche "Zynismus" weicht derzeit massenhaftem Fatalismus, man ergibt sich dem Schicksal, dem scheinbar unvermeidlichen.

Gruß

Enzo

cschmit4
22.12.2003, 14:17
Sicherlich hast Du mit einigen Deiner Zitate Treffer gelandet, wenn ich es auch tendenziell fragwürdig empfinde, sich nur in Zitaten zu äußern....

Was aber auf jeden Fall offen bleibt bei Deiner offenbaren Verurteilung des bestehenden Systems sind die Alternativen. Außerdem wüsste ich gerne, was denn zuerst da war: das System, die Gesellschaft, die Parteien, der Kapitalismus, der Konsum, der Wohlstand, die Politikverdrossenheit, die Apathie?

pavement
22.12.2003, 23:19
Sicherlich hast Du mit einigen Deiner Zitate Treffer gelandet, wenn ich es auch tendenziell fragwürdig empfinde, sich nur in Zitaten zu äußern....

zitate und anspielungen - darauf musst du dich in einer diskussion mit enzo einstellen; trotzdem viel spaß :D

l_osservatore_uno
23.12.2003, 03:07
Original von pavement

Sicherlich hast Du mit einigen Deiner Zitate Treffer gelandet, wenn ich es auch tendenziell fragwürdig empfinde, sich nur in Zitaten zu äußern....

zitate und anspielungen - darauf musst du dich in einer diskussion mit enzo einstellen; trotzdem viel spaß :D

... Dein Hegel-Zitat, frag' ich mich, ob Du's verstanden hast!

Sprichst Du von 'Anspielungen', so wird klar, dass Dir das 'Zwischenzeilenlesen' nicht gegeben ist.

Sei's drum; die Jahre ... werden 's richten! :D

Freundlichen Gruß!

Enzo

l_osservatore_uno
23.12.2003, 03:22
Original von cschmit4
Sicherlich hast Du mit einigen Deiner Zitate Treffer gelandet, wenn ich es auch tendenziell fragwürdig empfinde, sich nur in Zitaten zu äußern....

Was aber auf jeden Fall offen bleibt bei Deiner offenbaren Verurteilung des bestehenden Systems sind die Alternativen. Außerdem wüsste ich gerne, was denn zuerst da war: das System, die Gesellschaft, die Parteien, der Kapitalismus, der Konsum, der Wohlstand, die Politikverdrossenheit, die Apathie?

... diese Zitate beschreiben den aktuellen Zustand, in der sich DEMOKRATIE und GESELLSCHAFT befinden, ziemlich gut.

Nun zu Deiner ersten Frage, jener nach der Alternative:

Es scheint, als sei DEMOKRATIE alternativlos und ich kann mir eigentlich auch kein System vorstellen, das dem Individuum gerechter werden könnte.

Doch ich glaube auch dies - und ich zitiere (aufgepaßt ... :D Pavement) mich selbst:

"Politik ist wie ein Fluß, der ein rechtes, wie ein linkes Ufer braucht, um nicht, irgendwann, untief mäandernd, als Brackwasser stehenzubleiben."

Momentan ... ist nicht Brackwasser, momentan ... ist Morast!

Freundlichen Gruß!

Enzo

cschmit4
23.12.2003, 17:07
ok, ich werde versuchen, mich an die Zitate zu gewöhnen, zumal sie ja auch durchaus etwas zu sagen hatten.

Nun kommst Du allerdings selbst zu dem Schluss, dass die Demokratie alternativlos ist und dem Menschen am ehesten gerecht wird. Ich denke, dass die Demokratie durchaus Alternativen hätte, die aber aufgrund der doch eher minderbemittelten Art des Menschen erst Recht nicht durchführbar sind.

Da wir aber nun überein gekommen sind, dass wir uns wohl mit der Demokratie als Staatsform abfinden müssen, sollten wir nicht wie Du es hier m.E. nach machst, bei der Kritik der bestehenden Verhältnisse stehen bleiben, sondern nach Gründen und Verbesserungsmöglichkeiten suchen.

Die Demokratie braucht einen Bürger, der politisch interessiert ist (keinen, der alles mitentbestimmen will, da dies das System zu Zusammenbruch führen würde...). Nun ist es sicherlich so, dass das System dazu beigetragen hat, dass dieses doch so notwendige Interesse des Bürgers in Apathie umgeschlagen ist. Wie könnte dies wieder umgekehrt werden? Ist das überhaupt noch möglich oder ist der Bürger als solcher eben doch nur ein homo oeconomicus und ist gar nicht darauf aus, sich mehr für die Belange der Gesellschaft zu interessieren, als für die, die seinen unmittelbaren Nutzen beeinflussen. Und ist nicht auch das politische Systems als solches froh, dass es so vor sich hinarbeiten kann, ohne ständig auf interessierte Bürger zu treffen, die informiert und aufgeklärt werden wollen? An wem liegt es Deiner Meinung nach, diese Wand der jeweiligen Nutzenmaximierung und Aufwandsminimierung zu durchbrechen?

l_osservatore_uno
23.12.2003, 17:31
1. Bundestags- und Landtagswahlen zum selben Termin

2. Legislaturperiode: 6 Jahre

3. Wahlpflicht

zu 1.

Das Schielen auf anstehende Landtagswahlen entfiele; taktische Spiele würd's eher weniger geben.


zu 2.

Regierungsparteien wären eher in der Lage ihre Programme zu verwirklichen, auch unpopuläre Gesetze würden 'angestfreier' gemacht werden.


zu 3.

Stimmzettel sollte dabei dem Wähler die Möglichkeit geben, kundzutun, dass er eigentlich nichts an wählbaren Parteien und/oder potentiellen Abgeordneten auf dem Wahlzettel vorgefunden hat - er soll also deutlich machen können, dass er das jeweils Angebotene ablehnt. Wahlpflicht ... würde überdies die Ränder stärken, die Ufer eben. Beides zusammen wirkt vielleicht als Seismograph - die etablierte Politik, die herrschende 'politische Klasse' eben, würde sich möglicherweise früher zum Kurswechsel, oder auch nur zu Veränderungen entschließen können.

Gruß!

Enzo

cschmit4
23.12.2003, 17:43
Original von l_osservatore_uno
1. Bundestags- und Landtagswahlen zum selben Termin

Das erscheint mir tatsächlich aufgrund des enormen Aufwandes nicht praktikabel, wenn auch der Gedanke, der dieser Idee zugrundeliegt sicherlich richtig ist.


2. Legislaturperiode: 6 Jahre

Auch dieser Gedanke ist richtig, wenn auch dadurch die Kontrolle des Volkes gemindert wird. Aber wenn man auf die Wahlbeteiligungen schaut, legt das Volk auf diese Kontrolle ohnehin nicht allzu viel Wert. Deshalb würde ich vielleicht hier sogar noch weiter gehen und keine wiederholte Kandidatur zulassen. Somit würde sich kein Minister Gedanken um seine Wiederwahl machen.


3. Wahlpflicht

Das halte ich für den einzigen wirklich nicht guten Vorschlag, da er in meinem Augen undemokratisch ist. Außerdem wohl auch nicht durchführbar, was soll denn die Sanktion sein, wenn jemand nicht wählen geht? Nichtwahl ist für den politisch interessierten und informierten Bürger ebenfalls eine Kundgebung seiner Meinung und seines Willens. Das Problem bei uns liegt allerdings darin, dass die Nichtwähler aus politischem Desinteresse nicht an die Urne gehen.


zu 3.

Würde überdies die Ränder stärken, die Ufer eben. Beides zusammen wirkt vielleicht als Seismograph - die etablierte Politik, die herrschende 'politische Klasse' eben, würde sich möglicherweise früher zum Kurswechsel, oder auch nur zu Veränderungen entschließen können.

Sicherlich spricht nichts gegen Deine "Ufer". Doch habe ich bei uns zu oft den Eindruck, dass es sich bei den Rändern nicht um "Ufer", sondern um Abgründe handelt.

Alex
24.12.2003, 10:24
Original von l_osservatore_uno
1. Bundestags- und Landtagswahlen zum selben Termin

Eine Gute Idee, die allerdings durch den hohen Aufwand wohl nicht realisierbar ist.


2. Legislaturperiode: 6 Jahre

Ich würde das sogar noch ausweiten auf 8 Jahre.


3. Wahlpflicht

Glaube nicht das diese Maßnahme viel bringt. Es gibt 3 Gruppen von Nichtwählern:
1.diejenigen welche keine Ahnung haben und deshalb nicht wissen was zu tun ist
2. diejenigen welche einfach zu faul sind zur Urne zu gehen
3. diejenigen welche entäuscht sind über die Regierung und deshalb nicht wählen gehen.

Zumindest bei den ersten 2 ist es höchst fragwürdig ob ihre "Wahlmeinung" so positiv wäre.

l_osservatore_uno
24.12.2003, 10:50
zu 1.

Den 'hohen Aufwand' kann ich eigentlich nicht sehen, denn die Landtagswahlen kosten was sie kosten .... so oder so!

zu 2. Acht Jahre? Ich weiß nicht, das ist mir wieder zu nah an 12! :D


zu 3.

Wahlpflicht? Das ist nicht leicht und ich seh' ein; es widerspricht dem Demokratiegedanken.

Enzo

terraner
27.12.2003, 19:00
Original von cschmit4
.....Lässt das Wahlsystem zu wenig Spielraum für Andersdenkende?....?

Das kann man wohl sagen. Es ist eindeutig, dass unser bestehendes System versagt hat, da es alles zerstört - zuletzt den Menschen. Das Wahlsystem ist zweitrangig. Grundsätzliche Fehler zu erkennen ist oberste Priorität. Da hilft auch nicht die falsche Erkenntnis eines Friedman oder sonstiger (zum Teil Politiker), die meinen, dem Bürger müsse endlich offen gesagt werden, wo das Ziel ist - der Weg wäre ihm (dem Volk) egal.

Denn der Weg ist mir überhaupt nicht egal, lieber Herr Friedman und liebe Politiker !!!

pavement
27.12.2003, 19:17
Eine Gute Idee, die allerdings durch den hohen Aufwand wohl nicht realisierbar ist.

das würde dummerweise aber auch den sinn der trennung von bundesrat und bundesrat zerstören.

Kommissär
27.12.2003, 19:21
Original von l_osservatore_uno
1. Bundestags- und Landtagswahlen zum selben TerminIn der Schweiz werden Nationalrats- und Ständeratswahlen (Bundestags- und Landtagswahlen) am gleichen Termin durchgeführt. Möglicherweise klappt das, weil die Schweiz kleiner ist.


2. Legislaturperiode: 6 JahreIch finde 6 Jahre zu lange. Falls eine unfähige Regierung an der "Macht" ist, dann gute Nacht!


3. WahlpflichtFinde ich nicht gut, da wir ja in der Schweiz die direkte Demokratie haben, gibt es auch viele Abstimmungen im Jahr und es gibt Leute, die entweder Ja-Nein-Ja-Nein oder per Zufall ein Ja oder ein Nein hinschreiben. Solchen Leuten sollte man verbieten abstimmen zu gehen. Wenn man jetzt Wahlpflicht einführen würde, dann würden die Leute aus Frust nur Blödsinn auf dem Wahlzettel schreiben.

cschmit4
13.01.2004, 18:37
Es hat sich noch niemand zu dem Vorschlag der nicht möglichen Wiederwahl geäußert. Wäre damit nicht endlich der Weg offen für notwendige Reformen, vor denen sich unsere Politiker aufgrund der Angst, nicht wiedergewählt zu werden, so häufig drücken. Ich denke, den Menschen wäre so langsam mal die Wahrheit, auch wenn sie weh tun sollte, lieber, als ein ständiges Herumdrucksen.

Die Leute sehen ein, dass es nicht immer nur bergauf gehen kann, aber sie haben die Lügen von Seiten der Politiker satt, die ihnen nämlich genau dies immer wieder suggerieren.

Wenn nun einmal eine Regierung an der Macht wäre, die ohnehin keine Aussicht auf Wiederwahl hätte, könnte sie einiges tatkräftiger angehen, oder?!