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Vollständige Version anzeigen : Brevier für den geistig-politischen Partisanen



Waldgänger
13.03.2006, 15:25
Der Waldgänger-Brevier für den geistig-politischen Partisanen

Da schon diverse User um eine nähere Erklärung der Konzeption des "Waldgängers" gebeten haben, habe ich versucht den Standpunkt des Waldgängers in diesem Themenstrang grob zu umreißen und die wichtigsten Punkte anzusprechen.
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"Es ist zu einer neuen Konzeption der Macht gekommen, zu starken, unmittelbaren Ballungen.Dem standzuhalten bedarf es einer neuen Konzeption der Freiheit, die nichts zu schaffen haben kann mit den verblassten Begriffen, die sich heute an dieses Wort knüpfen.

Der historische Vorgang verläuft so, dass beide Mächte, sowohl Notwendigkeit wie Freiheit, auf ihn einwirken.Er entartet, wo eine der beiden Mächte fehlt.Welche von beiden Seiten gesehen wird, hängt nicht nur von der Lage, sondern vornehmlich vom Betrachter ab.Immer aber wird ihm die einge Gegenseite fühlbar sein.Er wird in seiner Freiheit durch das Notwendige begrenzt, doch gibt er durch eben diese Freiheit dem Notwendigen den Stil.

Das schafft den Unterschied, in dem Menschen und Völker der Zeit genügen oder an ihr zugrunde gehen.(...)Dass sie sich (die Welt) und zwar notwendig, verändert hat und noch verändert, wird nicht bestritten, doch damit verändert sich auch die Freiheit, zwar nicht ihrem Wesen, wohl aber in der Form.(...)Der Waldgang schafft innerhalb dieser Ordnung die Bewegung.(...)Er ist weder ein liberaler noch ein romantischer Akt, sondern der Spielraum kleiner Eliten, die sowohl wissen, was die Zeit verlangt, als auch noch etwas mehr.

Er muss dazu aus dem Rahmen der alten Mehrheitsvorstellungen heraustreten.(...)Wenn wir die Dinge unter diesem Winkel sehen, erscheint die Macht des Einzelnen inmitten der ranglosen Massen nicht so gering.
Man muss bedenken, dass dieser Einzelne fast immer noch von Nächsten umgeben ist, auf die er einwirkt und die sein Schicksal teilen wenn er fällt.
Auch diese Nächsten unterscheiden sich von den Mitgliedern der bürgerlichen Familie.(...)Es handelt sich um stärkere Bindungen.(...)

Es verbergen sich Wölfe in der grauen Herde, das heißt:
Naturen, die noch wissen, was Freiheit ist.Und diese Wölfe sind nicht nur in sich stark,sondern es ist auch die Gefahr gegeben, dass sie ihre Eigenschaften auf die Masse übertragen, wenn ein böser Morgen dämmert, sodass die Herde zum Rudel wird.Das ist der Albdruck der Machthaber."


(aus:"Der Waldgang")

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Wenn ein ganzes Volk sich zum Waldgang rüstet ist ein einziger und gewaltiger Sturm der Freiheit aufgebrochen, der von niemanden zum Halten gebracht werden kann.

mggelheimer
13.03.2006, 15:44
Ich bin der Meinung das es schwierig ist Jüngers Texte in Form eines kurzen Abrisses zu verstehen. Die ganz eigne Kunst der Formulierung macht es unabdingbar die Werke als ganzes zu lesen, bzw. einige Werke von Jünger gelesen zu haben, um solche Abrisse zu verstehen.
Wichtig ist beim "Waldgang" das dieser Essay 1951 entstanden ist, mit den Erfahrungen der Diktatur des dritten Reiches und in Hinblick auf die tendenzielle Freiheit der Brd.

Waldgänger
13.03.2006, 15:47
Ich bin der Meinung das es schwierig ist Jüngers Texte in Form eines kurzen Abrisses zu verstehen. Die ganz eigne Kunst der Formulierung macht es unabdingbar die Werke als ganzes zu lesen, bzw. einige Werke von Jünger gelesen zu haben, um solche Abrisse zu verstehen.
Wichtig ist beim "Waldgang" das dieser Essay 1951 entstanden ist, mit den Erfahrungen der Diktatur des dritten Reiches und in Hinblick auf die tendenzielle Freiheit der Brd.

Es wird aber ebenso festgestellt, dass die Liberaldemokratie totalitäre Tendenzen in sich trägt sowie zu einer Diktatur werden kann.Ich habe das ganze Werk gelesen und man kann sagen, obwohl es 1951 verfasst wurde, das es heute immer noch höchste Aktualität besitzt.

Difool
13.03.2006, 21:38
Ähm, als ganz sachliche Frage gemeint: hat Jünger diese Texte vor oder nach seinen LSD Experimenten niedergeschrieben ?

NimmerSatt
06.10.2006, 17:03
Ich habe das Buch gelesen, ein wirklich gelungenes Buch. Als Gretchen-Frage bleibt bei mir nur noch stehen: Ist die BRD eine dieser beschriebenen Diktaturen?

Wenn es so ist, dann ist die BRD noch ein Stück klüger als die beschriebene Diktatur. Indem sie die Menschen so erzieht, daß sie nicht glauben, daß sie in einer Diktatur leben, dadurch wird das große Polizeiaufkommen überflüßig. Auch das Verschwinden der Systemgegner ist für das System eher schädlich als nützlich. Ein "Nein" an einem Wahlplakat würden die Meisten man auf die Partei und nicht auf das System beziehen. Die von Ernst Jünger beschriebene Reihe von Blößen der Diktatur durch ihren Druck (Kapitel 6) exestieren kaum. Bei der Wahl kann man eine riesige Anzahl von Bejahungen zum System ankreuzen (CDU, SPD, FDP, Grüne, Linke.PDS usw.), aber nur eine nennenswerte Verneinung (NPD). Die Systemgegner stehen zwar unter Druck und werden abundzu zeitweilig verhaftet, doch nicht mit einem Strafmaß wie es für eine Diktatur üblich ist. Wenn die BRD eine Diktatur ist, dann ist sie eine sehr kluge.

Waldgänger
06.10.2006, 20:56
Ich habe das Buch gelesen, ein wirklich gelungenes Buch. Als Gretchen-Frage bleibt bei mir nur noch stehen: Ist die BRD eine dieser beschriebenen Diktaturen?

Wenn es so ist, dann ist die BRD noch ein Stück klüger als die beschriebene Diktatur. Indem sie die Menschen so erzieht, daß sie nicht glauben, daß sie in einer Diktatur leben, dadurch wird das große Polizeiaufkommen überflüßig. Auch das Verschwinden der Systemgegner ist für das System eher schädlich als nützlich. Ein "Nein" an einem Wahlplakat würden die Meisten man auf die Partei und nicht auf das System beziehen. Die von Ernst Jünger beschriebene Reihe von Blößen der Diktatur durch ihren Druck (Kapitel 6) exestieren kaum. Bei der Wahl kann man eine riesige Anzahl von Bejahungen zum System ankreuzen (CDU, SPD, FDP, Grüne, Linke.PDS usw.), aber nur eine nennenswerte Verneinung (NPD). Die Systemgegner stehen zwar unter Druck und werden abundzu zeitweilig verhaftet, doch nicht mit einem Strafmaß wie es für eine Diktatur üblich ist. Wenn die BRD eine Diktatur ist, dann ist sie eine sehr kluge.

Da hat jemand meinen alten Thread wieder ausgekramt und ein anständiges Buch gelesen, ersteinmal Hut ab. :] Ernst Jünger rechnet in "Der Waldgang" sowohl mit der NS-Diktatur, als auch mit der Scheindemokratie der DDR ab, das ist ersichtlich. Es kann jedoch ebenso angenommen werden, dass Jünger hiermit auch die BRD kritisiert. Man sollte nicht außer Acht lassen, dass das Buch 1951 geschrieben wurde, also gerademal sechs Jahre nach dem Krieg.

In seinen späteren Werken nimmt Jünger desweiteren indirekt auf die Bundesrepublik bezug. In seinem Roman "Eumeswil" schlidert er eine durch Geld und Nihilismus geprägte Fellachengesellschaft, die dem Einzelnen nicht mehr viel bietet. Der hochgepriesene Individualismus schlägt seltsamerweise in einen subtilen Kollektivlismus um, jeder möchte so sein wie die Masse, obwohl er die Möglichkeit hätt anders zu sein. Der Individualismus ist nur die Kehrseite des Kollektivismus und anderherum. Dem setzt Jünger den Waldgänger und später in Eumeswil den letzten Typus, den "Anarchen" (der sich vom Anarchisten unterscheidet) entgegen.

Jünger war der Ansicht, dass wir die Gesellschaft nicht ändern können, dass sie entweder immer wieder zu einer Tyrannis verkommt, oder von der Herrschaft des Geldes zerfressen wird. Der Anarch ist zwar ein Rebell gegen die herrschenden Gewalten, aber im Gegensatz zum Waldgänger möchte er nicht mehr verändern.
Der Anarch ist eine anarcho-nihilistische Person, wenn man es so nimmt. Der "späte Jünger" ab den 70er Jahren hat mit der Politik abgeschlossen und ist resigniert,
deswegen kann ich mich für den Anarchen nicht allzu sehr begeistern.

Aber zur NPD: Ich glaube nicht, dass Jünger die NPD als Alternative gesehen hätte.
Schon in den 20er Jahren war für ihn klar, dass jede parlamentarische Partei nur
ein Instrument des Bürgertums ist. Wenn Wahlen etwas ändern würden, würden
sie gar nicht stattfinden, wie (wenn ich mich nicht irre) Tucholsky es richtig formulierte.
Das Nein auf dem Wahlzettel kann hier symbolisch für die Nichtbeteiligung am
System verstanden werden. Das Nein des Rebellen im 'Waldgang' könnte unter
heutigen Umständen nur mit einem Durchstreichen des Wahlzettels verglichen werden. Fazit: Ernst Jünger sah (und würde heute sicherlich immer noch so denken) in der BRD keine freiheitliche Ordnung, sondern eine neue Zwangsherrschaft über den konkreten Einzelnen.

NimmerSatt
06.10.2006, 21:57
Da hat jemand meinen alten Thread wieder ausgekramt und ein anständiges Buch gelesen, ersteinmal Hut ab. :] Ernst Jünger rechnet in "Der Waldgang" sowohl mit der NS-Diktatur, als auch mit der Scheindemokratie der DDR ab, das ist ersichtlich. Es kann jedoch ebenso angenommen werden, dass Jünger hiermit auch die BRD kritisiert. Man sollte nicht außer Acht lassen, dass das Buch 1951 geschrieben wurde, also gerademal sechs Jahre nach dem Krieg.

Ich konnte mich während des Lesens nie von dem Gefühl befreien, daß Ernst Jünger bei jeder neuen Ausgabe (meine ist von 1998) nochmal etwas ergänzt hat, damit das Buch aktuell bleibt. So eine Vorraussicht habe ich das letzte mal bei Marx angetroffen, als er das Kapital beschrieb.




In seinen späteren Werken nimmt Jünger desweiteren indirekt auf die Bundesrepublik bezug. In seinem Roman "Eumeswil" schlidert er eine durch Geld und Nihilismus geprägte Fellachengesellschaft, die dem Einzelnen nicht mehr viel bietet. Der hochgepriesene Individualismus schlägt seltsamerweise in einen subtilen Kollektivlismus um, jeder möchte so sein wie die Masse, obwohl er die Möglichkeit hätt anders zu sein. Der Individualismus ist nur die Kehrseite des Kollektivismus und anderherum. Dem setzt Jünger den Waldgänger und später in Eumeswil den letzten Typus, den "Anarchen" (der sich vom Anarchisten unterscheidet) entgegen.

Jünger war der Ansicht, dass wir die Gesellschaft nicht ändern können, dass sie entweder immer wieder zu einer Tyrannis verkommt, oder von der Herrschaft des Geldes zerfressen wird. Der Anarch ist zwar ein Rebell gegen die herrschenden Gewalten, aber im Gegensatz zum Waldgänger möchte er nicht mehr verändern.
Der Anarch ist eine anarcho-nihilistische Person, wenn man es so nimmt. Der "späte Jünger" ab den 70er Jahren hat mit der Politik abgeschlossen und ist resigniert,
deswegen kann ich mich für den Anarchen nicht allzu sehr begeistern.

Die Verbitterung über die Politik, die im Anarchen endet ist wohl die natürliche Reaktion eines Waldgängers, wenn er mehrere Jahrzehnte in der BRD gelebt hat. Vom so kritisierten Nihilismus geht er selber in Nihilismus über, sehr interessant.




Aber zur NPD: Ich glaube nicht, dass Jünger die NPD als Alternative gesehen hätte.
Schon in den 20er Jahren war für ihn klar, dass jede parlamentarische Partei nur
ein Instrument des Bürgertums ist. Wenn Wahlen etwas ändern würden, würden
sie gar nicht stattfinden, wie (wenn ich mich nicht irre) Tucholsky es richtig formulierte.
Das Nein auf dem Wahlzettel kann hier symbolisch für die Nichtbeteiligung am
System verstanden werden. Das Nein des Rebellen im 'Waldgang' könnte unter
heutigen Umständen nur mit einem Durchstreichen des Wahlzettels verglichen werden. Fazit: Ernst Jünger sah (und würde heute sicherlich immer noch so denken) in der BRD keine freiheitliche Ordnung, sondern eine neue Zwangsherrschaft über den konkreten Einzelnen.

Ich stimme dieser Deutung von Ihnen zu Ernst Jünger zu, aber ich sehe die NPD als Versuchskaninchen. Sie wird der letzte Beweis dafür sein, daß wir in einer Plutokratie leben. Ich glaube, daß sie sobald sie sich der 5%-Hürde bundesweit nähert entweder verboten oder aufgekauft wird. Darum ist die NPD, außerdem ist sie sehr nah an meinen Positionen, eine Wahlalternative für mich. Ich bin einfach neugierig was passiert.

Noch einige Fragen:
Was haben Sie bei der letzten Wahl in Berlin gemacht?
Zählen ungültige Stimmen zur Wahlbeteiligung?
Leiten Sie Ihren Bolschewismus irgendwie von dem Buch "Der Waldgang" ab?
Wie macht man diese geilen Avatare?

Waldgänger
07.10.2006, 14:56
Ich konnte mich während des Lesens nie von dem Gefühl befreien, daß Ernst Jünger bei jeder neuen Ausgabe (meine ist von 1998) nochmal etwas ergänzt hat, damit das Buch aktuell bleibt. So eine Vorraussicht habe ich das letzte mal bei Marx angetroffen, als er das Kapital beschrieb.

Nein, ich glaube nicht, dass etwas ergänzt wurde. Das "Abenteuerliche Herz - Zweite Fassung" ist die einzige soweit mir bekannte "Ergänzung" eines Buches. "Das Abenteuerliche Herz - Erste Fassung" erschien 1929, hier war Jünger noch durch seine nationalrevolutionäre Einstellung beeinflusst und das Sehnen nach einem antibürgerlichen und rebellischen Leben ist hier Hauptteil des Buches. Die 2. Fassung ist fast schon als anderes Buch zu bezeichnen, diese erschien 1938, in dieser Zeit hat er sein Denken um einige Facetten verändert und erweitert. Von seiner früheren nationalstischen Position nimmt er Abstand.

Um in gewisser Weise die Entwicklung des Jünger'schen Denkens mitzubekommen und einige seiner Hauptansichten (die von Zeit zu Zeit varriierten) zu verstehen sollte jeder 'Jüngerianer' mindestens folgende Werke gelesen haben:

- 'In Stahlgewittern' (1920)
- 'Das Abenteuerliche Herz - Erste Fassung' (1929)
- 'Der Arbeiter - Herrschaft und Gestalt' (1932)
- 'Der Waldgang' (1951)
- 'Eumeswil' (1980)




Die Verbitterung über die Politik, die im Anarchen endet ist wohl die natürliche Reaktion eines Waldgängers, wenn er mehrere Jahrzehnte in der BRD gelebt hat. Vom so kritisierten Nihilismus geht er selber in Nihilismus über, sehr interessant.

Jünger bezeichnete den Anarchen als einen Grenzgänger zwischen Nihilismus und passiven Widerstand. Der Anarch leistet im Gegensatz zum Waldgänger keinen offenen Widerstand gegen die herrschenden Verhältnisse, er lässt sie einfach links liegen und flüchtet gänzlich in die 'Innerlichkeit'. Der Anarch ist ein Typus der sich jeder Herrschaft, egal ob positiv oder negativ widersetzt. Es spiegelt deutlich wieder, dass Jünger zu diesem Zeitpunkt den Schluß gezogen hatte, dass kein politisches System
die Menschen das Heil bringen würde und jede Regierungsform, mag sie noch so gut sein, immer eine Opposition hervorbringt.




Ich stimme dieser Deutung von Ihnen zu Ernst Jünger zu, aber ich sehe die NPD als Versuchskaninchen. Sie wird der letzte Beweis dafür sein, daß wir in einer Plutokratie leben. Ich glaube, daß sie sobald sie sich der 5%-Hürde bundesweit nähert entweder verboten oder aufgekauft wird. Darum ist die NPD, außerdem ist sie sehr nah an meinen Positionen, eine Wahlalternative für mich. Ich bin einfach neugierig was passiert.

Ich kann die Neugier verstehen, wer ist das nicht? Aber auf Grund der fehlenden
sozialistischen Inhalte ist die NPD für mich nicht wählbar. Außerdem teile ich Jünger
Ablehnung des Parlamentarismus.



Noch einige Fragen:
Was haben Sie bei der letzten Wahl in Berlin gemacht?
Zählen ungültige Stimmen zur Wahlbeteiligung?
Leiten Sie Ihren Bolschewismus irgendwie von dem Buch "Der Waldgang" ab?
Wie macht man diese geilen Avatare?

Was ich in der Wahlurne gemacht habe? Den Weg des WAldgangs beschritten...;)
Ungültige Stimmen zählen nicht zur Wahlbeteiligung, jeder Nichtwähler, der den Zettel nicht durchstreicht gibt der parlamentarischen Institution seine Stimme und zwar auf das Konto der jeweils regierenden Partei.

Ich würde mich nicht als Bolschewisten bezeichnen. Der Name 'Nationalbolschewismus' ist in den 1920er Jahren entstanden. Die 'Nationalrevolutionäre' - so betitelten sie sich selbst - wurden von der bürgerlichen Presse und den Braunhemden als 'Nationalbolschewisten' verschrieen. Die Angst vor dem Bolschewismus war damals sehr groß. Auch Ernst Jünger geriet in Verruf 'Nationalbolschewist' zu sein, vor allem nachdem er sein 1932 verfasste Großessay "Der Arbeiter" veröffentlichte, worin der Typus des Arbeiters als künftige planetarische Machtgestalt die Erde formen und das bürgerliche Zeitalter ablösen würde. Außerdem stand er in den späten 30er Jahren in engen Kontakt zu Ernst Niekischs Widerstandskreis. Jünger verblieb aber immer im Unkonkreten. Ernst Niekisch über seinen Freund Ernst Jünger:

*"Gelegentlich einer Gesellschaft bei Bronnen erzählte mir Jünger von seinem Buche, das er eben beendete, dem Arbeiter. Dieses Buch ist sicher eine der größten Leistungen Jüngers; hierin formt er den geistigen Gehalt der russischen Revolution und des Bolschewismus in deutsche Anschauungs- und Denkweise um. Ohne die russische Revolution wäre dies Buch nie möglich gewesen. Bevor ich meine Rußlandreise antrat, schrieb ich noch auf Grund der Korrekturfahnen einen Aufsatz im Widerstand darüber, in dem ich den Inhalt des Buches als "nationalbolschewistisch" kennzeichnete.

In den mannigfachen Gesprächen, die ich im weiteren Ablauf der Ereignisse mit Jünger hatte, blieb unverborgen, daß Jünger gegen den Nationalsozialismus von starker Abneigung war. Der pöbelhafte Geist der Bewegung vor allen Dingen war es, der ihn abstieß.

Im Jahre 1936 war ich in seiner Goslarer Wohnung und hielt dort eine geheime Versammlung ab. Nach meiner Verhaftung verhielt er sich vornehm. Er suchte nie die Fühlung mit meiner Frau und meinem Sohn zu verlieren, gab sich Mühe, etwas für mich zu tun, wobei er allerdings, der Lage der Sache entsprechend, schroff abgewiesen wurde, und bekannte sich in Offizierskreisen ausdrücklich zu mir. In seinen Marmorklippen und seinen Gärten und Straßen gab er seiner Abneigung gegen den Hitlerismus Ausdruck. Mit dem General von Stülpnagel, der nachher in die Katastrophe des 20. Juli 1944 verwickelt wurde, stand er auf vertrautem Fuße; nach dem 20. Juli wurde er aus der Armee, in welcher er, obwohl er schon 1933 als Hauptmann eingerückt war, nicht befördert wurde, entlassen.

Jünger beschreibt in der Form eines Tagebuches seine Pariser Erlebnisse in dem umfangreichen Werke Strahlungen; häufig gedenkt er meiner darin in der freundschaftlichsten Weise.

Vor dem Ende des Krieges erhielt Jünger das Kommando über den Volkssturm seiner Gegend und gebrauchte seine Befehlsgewalt dazu, 1945 seine Volkssturmmänner nach Hause zu schicken.

Nicht immer beachtet wurde, daß ein wesentliches Motiv der Jüngerschen Schöpfungen das Fluchtmotiv ist. ... Als um 1929 die Frage aufgeworfen wurde, welcher Front man sich zurechne, der bolschewistischen oder der faschistischen, weicht er in seinem Abenteuerlichen Herzen in die Innerlichkeit aus. Seinem Arbeiter fehlt die Parteinahme; hier ist nichts von Klassenkampfwillen und Klasenkampfgeist zu spüren.

Die Katastrophe der Marmorklippen ficht er nicht bis zum Ende durch; er besteigt mit seinem Bruder einen Nachen, der ihn über das Wasser trägt. Dem Entweder-Oder nach 1945 geht er abermals aus dem Wege; der Held seines Heliopolis, de Geer, verläßt die Stadt, die ihrem Untergang zutreibt, und enteilt in kosmische Räume. Sein Waldgänger ist schlechthin die Gestalt des Fliehenden, der ein Schlupfloch sucht, in dem er sich vor den Unheimlichkeiten des Leviathan verbergen möchte, und der im Geiste Jean Paul Sartres sich eine Existenz entwerfen will, die ihm den Genuß der absoluten Freiheit sichert.

Ihm steht das Recht zu, das zu tun: Er ist nicht nur ein großer Schriftsteller, darüber hinaus ist er zugleich ein außerordentlicher Mensch. Seine Vornehmheit beruht nicht auf einem gesellschaftlichen Privilegium, sondern unmittelbar auf dem inneren Gehalt seines Wesens; er gehört zu jenen seltenen Männern, die schlechthin keiner Niedrigkeit fähig sind. Wer in seinen Lebensbezirk tritt, trifft auf harte und klate Wahrhaftigkeit, eine nüchterne und strenge Sachlichkeit und vor allem auf menschliche Sauberkeit."

Ich leite aus Jüngers 'Waldgang' eine neue Form von antibürgerlicher Freiheit ab, die aber auch im konkreten Widerspruch zum Liberalismus und seiner Freiheitsaufassung steht. Ich habe versucht den Waldgänger zu politisieren und für die nationalrevolutionäre Sache im postmodernen Gewande einzubetten. Der Waldgänger löst den Arbeiter als Typus ab und wird in Form des politischen Partisanen zum neuen revolutionären Subjekt.

Die Flagge der russischen Nationalbolschewiken nurtze ich nur, weil ich mich als nationalrevolutionärer Sozialist dem Arbeitertum verpflichtet fühle und eine starke Abneigung gegen die Bourgeoisie habe, auch ein positiver Charakterzug Jüngers, den ich begrüße. :D Inhaltlich stehe ich den russischen NBlern nicht sehr nahe, meine Ansicht von Nationalismus und Sozialismus unterscheiden sich von ihnen sehr. Auch bezüglich der Demokratie gibt es Differenzen (ich favorisiere eine Räterepublik, sie wollen eine autokratische Hierachie). Jedes Volk muss seinen eigenen Weg zur nationalrevolutionären Ideal bzw. zum 'Nationalbolschewismus' oder 'Linksnationalismus' finden und gehen.

Achja, zum Avatar: Einfach per Zufall ein glückliches Foto machen und es vielleicht bisschen bearbeiten. ;) :D :cool2:


*(Ernst Niekisch, Gewagtes Leben – Begegnungen und Begebnisse, Kiepenheuer & Witsch 1958)

NimmerSatt
07.10.2006, 16:05
Ungültige Stimmen zählen nicht zur Wahlbeteiligung, jeder Nichtwähler, der den Zettel nicht durchstreicht gibt der parlamentarischen Institution seine Stimme und zwar auf das Konto der jeweils regierenden Partei.

Soweit komm ich mit, aber das sollte mir nochmal erklärt werden. Wieso würde jemand der nicht wählt, z.B. in Berlin der SPD und der Linke.PDS seine Stimme geben? Wo ist der Unterschied zu einer ungültigen Stimme abgeben?

Pandulf
07.10.2006, 23:17
Waldgänger schrieb:
In seinem Roman `Eumeswil`schildert er [Ernst Jünger] eine durch Geld und Nihilismus geprägte Fellachengesellschaft, die dem einzelnen nicht mehr viel zu bieten hat.

Treffender kann man den "Westen" nicht beschreiben :).

Gruss

pandulf

Klopperhorst
08.10.2006, 09:38
Soweit komm ich mit, aber das sollte mir nochmal erklärt werden. Wieso würde jemand der nicht wählt, z.B. in Berlin der SPD und der Linke.PDS seine Stimme geben? Wo ist der Unterschied zu einer ungültigen Stimme abgeben?

Weil sich die Parteien nur aus den gültigen Stimmen ihre Macht legitimieren. Selbst wenn nur noch 2 Leute wählen gehen, gibt es im schlimmsten Fall eine große Koalition.


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Nephtys
09.10.2006, 12:26
Man sollte einfach "den Waldgänger" lesen...ich persönlich finde seine Theorien zu Theoretisch:) aber Interessant allemal...und Zeitlos.

Klopperhorst
09.10.2006, 14:50
Man sollte einfach "den Waldgänger" lesen...ich persönlich finde seine Theorien zu Theoretisch:) aber Interessant allemal...und Zeitlos.


Habe gestern auch einen Waldgang gemacht. War sehr erfrischend.



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klartext
11.10.2006, 02:36
Man sollte einfach "den Waldgänger" lesen...ich persönlich finde seine Theorien zu Theoretisch:) aber Interessant allemal...und Zeitlos.
Jünger hat den entscheidenden Fehler, grundlegende Soziologie und Gruppendynamik entweder nicht gelesen oder nicht verstanden zu haben.
Der Mensch funktioniert immer noch nach den alten Regeln der Evolution. Der Zwang, die eigenen Gene, und nur diese, zu verbreiten, hat sich vom Induviduum auf die eigene Gruppe übertragen, aus diesem Urtrieb sind letztlich alle Nationen entstanden oder haben den Zusammenhalt von Ethnien wie den Juden, Zigeunern o.ä. über Jahrhunderte gesichert.
Insofern befinden wir uns in geschichtlicher Dimension in einem permanenten Wettlauf der erfolgreichsten Gruppe nach den Gesetzen von Darwin. Wenn wir jedoch meinen. dieser Ausleseprozess würde friedlich zu unseren Gunsten gewonnen werden können, haben wir uns getäuscht. Die Evolution, auch der Gruppen, ist wertfrei und kennt nur Sieger und Verlierer, aber keine Moral.
Die Gruppe, die man landläufig als abendländisch bezeichnet, kann also nur mit weniger Moral bei der Sicherung ihrer Existenz überleben. Unsere Gegner wissen das und haben ihre moralischen Massstäbe ihrem Ziel angepasst. Wir sollen das endlich auch tun, wenn wir überleben wollen.

arnd
19.02.2007, 00:25
Es wird aber ebenso festgestellt, dass die Liberaldemokratie totalitäre Tendenzen in sich trägt sowie zu einer Diktatur werden kann.Ich habe das ganze Werk gelesen und man kann sagen, obwohl es 1951 verfasst wurde, das es heute immer noch höchste Aktualität besitzt.

In Jüngers "Waldgang " ging es dem Autor um die Möglichkeiten des Einzelnen ,oder einiger Nicht angepasster ,eine Diktatur zu erschüttern. Er bezog sich auf das NS Regime und die damaligen kommunistischen Diktaturen.
(ich räume noch ein ,möglicherweise um die Ablehnung der Besatzungsmächte in Deutschland)
Ich denke man muß "Den Waldgang" in seine Entstehungszeit einordnen.

Eine liberale Demokratie hat keine totalitären Tendenzen. Allerdings ist die Bundesrepublik von heute zwar eine Demokratie ,aber keineswegs liberal.
--ein überbürokratisiertes System ist nie liberal--

Waldgänger
19.02.2007, 21:59
@arnd. Jüngers Kritik ist keine billige und offensichtliche. Richtigerweise lehnt er sowohl die faschistische als auch die stalinistische Diktatur ab. Unterschwellig zielt er jedoch ebenso auf die "demokratischen" Verhältnisse der damals noch jungen BRD. Mir fehlt derzeit das dazugehörige Zitat, aber die Kritik richtet sich gleichsam gegen die bürgerliche Demokratie.

arnd
19.02.2007, 23:32
@arnd. Jüngers Kritik ist keine billige und offensichtliche. Richtigerweise lehnt er sowohl die faschistische als auch die stalinistische Diktatur ab. Unterschwellig zielt er jedoch ebenso auf die "demokratischen" Verhältnisse der damals noch jungen BRD. Mir fehlt derzeit das dazugehörige Zitat, aber die Kritik richtet sich gleichsam gegen die bürgerliche Demokratie.

möglich,aber bis jetzt kenne ich noch keine späteren Werke von Jünger. Erst dann kann ich dies beurteilen.
Im Waldgang bezog sich seine Kritik,auf die damaligen totalitären Systeme und möglicherweise auf die Besatzungsmächte.