Langemark
06.01.2004, 19:59
Die Möglichkeiten, die Geschichte und die Methoden der alliierten Infiltration des vor 50 Jahren gegründeten deutschen Weststaates zu verifizieren, verbessern sich stetig. Der Grund hierfür liegt nicht in einer offeneren Informationspolitik der BRD-Medien, sondern ergibt sich daraus, daß Geheimhaltungsfristen, die für entsprechende Dokumente in den Staaten der früheren Alliierten verfügt wurden, auslaufen und ehedem streng geheimes Material zugänglich wird.
Für die Desinformazija in den deutschen Medien steht angesichts dessen naturgemäß nicht einfach sachliche Auswertung solcher Funde auf dem Programm, die TV-Redakteure treiben andere Beweggründe um, wenn sie sich mit der Thematik der US-gesteuerten Verknechtung der Deutschen beschäftigen.
Üblich ist es, sich als deutscher Systemjournalist wie stets möglichst auf die Seite der "Befreier" zu stellen und das seit langem eingelullte Publikum nun auch hinsichtlich der Methoden des jetzt besser nachvollziehbaren „Aufbaus der deutschen Demokratie" zum Applaudieren zu bringen, ganz so, wie man andernorts Indios gelb-weiße Fähnchen in die Hände drückt, damit sie sich beim Papst für die Conquista bedanken können. In diesem Sinne strahlte der Westdeutsche Rundfunk am 26. Mai 1999 unter dem netten Titel „Germany made in USA" eine Dokumentation aus, die jetzt freigegebenes Material der National Archives der USA zur politisch-kulturellen Infiltration Nachkriegs-Westdeutschlands offenlegte und dazu damals höchst einflußreiche Personen befragte, die die entsprechenden Aktionen maßgeblich steuerten. Zieht man den unvermeidlichen Zungenschlag der Dokumentation ab, verbleiben außergewöhnlich aufschlußreiche Tatsachen und Äußerungen, die im folgenden wiedergegeben werden sollen.
Als Hauptakteur für die Maßnahmen, mit denen der amerikanische Geheimdienst die dauerhafte Einflußnahme der USA auf die Verhältnisse in Westdeutschland nach dem Krieg ins Werk setzte, wird der Anfang der 50er Jahre bei der CIA verantwortliche Abteilungschef für Internationale Organisationen Thomas W. Braden vorgestellt. Er war in den entscheidenden Jahren maßgeblich für geheime CIA-Operationen in Deutschland zuständig. Angesprochen auf die von ihm gesteuerte Einflußnahme in Deutschland, bekennt er als Pensionär inzwischen freimütig: „Ich bin froh, daß die CIA unmoralisch war" und verweist bei diesem Bekenntnis insbesondere auf Geldzahlungen an deutsche Politiker aller Lager, an Geldzahlungen, die verpflichten.
Den Anfang nimmt das Unternehmen, im westlichen Restdeutschland den politischen und geistigen Einfluß Amerikas CIA-inspiriert einzupflanzen, in der Wall Street. Dort sitzt der Anwalt Frank Wiesner, der zum Chef einer streng geheimen Abteilung innerhalb der CIA ernannt wird, zuständig für verdeckte psychologische Operationen in Europa, nachdem bereits einem Kollegen, dem ehemaligen Wall-Street-Anwalt John McCloy 1949 wenige Wochen nach Gründung der BRD das Amt des Hochkommissars der USA in Deutschland übertragen worden war. 1952 läuft dann der psychologische Operationsplan für Deutschland an, Deckname „Pocket Book". Die Koordination der psychologischen Kriegsführung des Kalten Krieges, in die die Pläne mit Deutschland bis zu einem gewissen Ausmaß eingebettet sind, liegt in Washington. Das für die Ausführung innerhalb der CIA zuständige Office of Policy erhält die damals nicht eben geringfügige Ausstattung von 100 Mio. US-Dollar.
McCloys Aufgabe war übergeordnet. Nach dem Autor einer kürzlich erschienenen Biographie McCloys, die Einzelheiten bisher unbekannter verdeckter Operationen der CIA in Deutschland enthalten soll (Kai Bird, The Chairman), war McCloy aufgetragen worden, einen lebensfähigen deutschen Staat aufzubauen, die Teilung aufrechtzuerhalten, die BRD in die NATO zu integrieren und „Deutschland als Abbild Amerikas zu errichten". Zur Veranschaulichung, wie der US-Geheimdienst vorzugehen hatte, zeigte die Sendung eine jetzt freigegebene, streng geheime Dienstanweisung der US-Regierung an die CIA vom Juni 1953, in der es u. a. heißt: „Falls ratsam, bilden Sie Untergrundbewegungen aus Abtrünnigen, um Organisationen zu spalten, die feindliche Ideologien verbreiten, ehe sich diese zu einer Bedrohung... entwickeln." Diese Ausrichtung hatte zur Folge, daß auch nicht immer beabsichtigte Folgewirkungen eintraten. Anfang der 50er Jahre sollen verdeckte Operationen des US-Geheimdienstes zu beinahe fatalen Fehlern geführt haben wie im Falle der ,League of Young Germans', einer in Guerilla-Taktik ausgebildeten, mit Gewehren ausgerüsteten und amerikanisch finanzierten Organisation. Von diesem speziellen Unternehmen, das vom militärischen Geheimdienst der USA initiiert war, wußte McCloy nach heutigen Erkenntnissen wohl nicht in Einzelheiten. Der Geheimdienst rekrutierte junge „rechtsextreme" Deutsche, die eine Untergrundorganisation aufbauen sollten, die u. a. bei einem damals für möglich gehaltenen Eindringen der Sowjets Sabotageakte verüben sollte. Unglücklicherwiese erstellte diese Hilfsorganisation der Amerikaner auch eine Liste von SPD-Mitgliedern und eine Schwarze Liste von Politikern dieser Partei, die bei einem Sowjeteinmarsch liquidiert werden sollten, weil man ihnen zutraute, sich mit den Sowjets zu verbünden.
Um im Rahmen der 'Reeducation' die Deutschen von preußisch-deutschen Relikten zu befreien, wurde die USIA (United States Information Agency) in Stellung gebracht, die im US-Strategieplan für „öffentliche Diplomatie" zuständig war. Ihre Aufgabe bestand darin, Amerika als Vorbild für die deutsche Zukunft zu präsentieren. Dem diente die Einrichtung der Amerika-Häuser, die seinerzeit größte Wirkung in der Massenbeeinflussung besaßen. Ein auch hierfür abgestellter, führender Infiltrant der Kultur war Hans Tuch, der 1938 als Jugendlicher mit der Familie Deutschland Richtung USA verlassen hatte und nach der Besetzung als Tom Tuc zurückkehrte. Langjährig hatte er u. a. die Intendanz der Voice of America (Auslandssender der USA) inne. Tuc(h) zeigt sich noch heute tief befriedigt über den Umstand, daß es ihm vergönnt war, „belastete" deutsche Künstler (z. B. den Dirigenten Wilhelm Furtwängler) in ihrem Wirken durch andere Größen zu ersetzen, die sich im Dunstkreis der CIA wohlfühlten, wie György („Georg") Solti, ein Sir, den mit Tuc auch persönliche Freundschaft verband und der sich den Deutschen versöhnlich zeigte. Eine sehr bedeutende Rolle bestätigt Tuc auch der US-gesteuerten Errichtung des Soziologischen Instituts an der Universität Frankfurt und dem Einsatz von Horkheimer, Adorno und Theo Wilder.
Erwähnenswert bei der amerikanischen Kulturoffensive ist gleichfalls die Gründung des „Kongresses für kulturelle Freiheit" im Juni 1950, die laut dem CIA-Abteilungsleiter Braden von Anfang an und während ihres ganzen Aufbaus CIA-finanziert war. Organisiert von dem Amerikaner polnisch-jüdischer Herkunft Melvin J. Lasky (*1920), diente diese wichtige und dauernde Institution als „neues Forum der demokratischen, nichtkommunistischen Linken". Parallel lief die Herausgabe der seinerzeit als Kulturereignis gefeierten, scharf antikommunistischen Zeitschrift Der Monat - Internationale Zeitschrift für Politik und geistiges Leben durch Lasky. Er ließ darin Linke, „Rechte", Liberale und Konservative zu Wort kommen. Lasky räumt heute ein, daß bereits hinter der Gründung der Zeitschrift die Überlegung stand, die Intellektuellen und Wortführer Westdeutschlands zu gewinnen, um Neutralitätsbestrebungen wirksam zu verhindern. Der Pluralismus, mit dem Der Monat (Auflage 30 000) aufwartete, hatte allerdings einen Paten: die Zeitschrift war wie das gleichfalls von Lasky in London herausgegebene Periodikum Encounter nach jetzt allgemeinem Bekenntnis der Beteiligten CIA-finanziert. Über die dunkle Geldquelle sickerte bereits in den 60er Jahren etwas durch, was damals zwar nicht bewiesen werden konnte, dem Renommee des Blattes nach Laskys Einschätzung aber nicht guttat.
Die Politik gegenüber Nachkriegsdeutschland wurde nach Darstellung der Sendung entgegen allgemeiner Annahme nicht vom US-Außenministerium bestimmt oder abgestimmt, sondern weitgehend höchst indirekt durch die amerikanischen Gewerkschaftsverbände AFL (American Federation of Labour) und CIO abgewickelt - also private, nichtstaatliche Institutionen -, hinter denen die CIA und Tom Braden standen. Erreicht werden sollte in einem ersten Schritt die Kontrolle über die deutsche Arbeiterschaft, die nach dem Krieg zu 40 % gewerkschaftlich organisiert war und nach amerikanischen Erkenntnissen einen hohen Anteil an Kommunisten aufwies. In einem zweiten Schritt sollte dann eine weitergehende Einflußnahme auf Personen und die weiteren gesamtpolitischen Verhältnisse erfolgen. Ex-CIA-Abteilungsleiter Braden: „Wir nutzten die (Gewerkschafts-) Komitees, die sie (die amerikanischen Gewerkschaftsfunktionäre gemeinsam mit deutschen Funktionären) errichtet hatten, um unseren Einfluß auszubauen... Dafür stellten wir reichlich Geld zur Verfügung."
Der Geheimbund zwischen CIA und den US-Gewerkschaften ist maßgeblich mit dem Wirken des Gewerkschaftsführers und „Superagenten" Jay Lovestone (Sohn eines polnischen Rabbis namens Liebstein) verbunden, der sich vom Chef der Kommunistischen Partei der USA in den 20er Jahren zu einem fanatischen Antikommunisten der 40er Jahre entwickelt hatte. Er war der Top-Verbindungsmann nach Deutschland, sein Führungsoffizier Tom Braden. Lovestone unterstützte mit vielen Aktivitäten und viel Geld den Aufbau einer „freien Gewerkschaftsbewegung" in Deutschland. Anfang der 50er Jahre hatte er viele persönliche Kontakte mit deutschen Gewerkschaftsfunktionären, Verbindungen, die gut dokumentiert sind und jetzt offenliegen. Über Lovestones Rolle berichtete in der Sendung der Churchill- und Roosevelt-Biograph Ted Morgan, der Lovestones Wirken in einer neu erschienenen Biographie nachgegangen ist (Ted Morgan, A Covert Life: Jay Lovestone Communist, Anti-Communist, and Spymaster, Verlag Random House, 416 S., geb., ISBN 0679444009, US-$ 29,95).
Der Führungsoffizier Braden teilt heute mit, Lovestone seien von der CIA anfangs 200 000, später 1 Mio. US-Dollar pro Jahr für seine Aktivitäten zur Verfügung gestellt worden. Damit ließ sich einiges anfangen: die National Archives enthalten einwandfreie Verwendungsnachweise in Form von Briefwechseln, die z. B. Zuwendungen an die Gewerkschaft ÖTV oder an die Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands dokumentieren. Benötigten deutsche Gewerkschaftsstellen ein Auto, ging es um die Kostenübernahme für die Anmietung eines Büros oder Gehalt für eine Sekretärin, war Lovestone behilflich. Braden stolz: „Die CIA konnte damals nach Belieben handeln und Geld ausgeben. Unser Geheimdienst war einer der ersten multinationalen Konzerne." Auch Verlagshäuser in Deutschland wurden finanziell gefördert, „interessante Veröffentlichungen gesponsert".
Durch Dokumente nachgewiesen ist nun auch der vielfältige Einfluß der CIA in die Spitzen der deutschen Politik. Lovestone unterstützte konservative Politiker, hatte Einfluß auf die SPD-Führung und direkt auf die Besetzung des DGB-Vorstandes. Beispielhaft belegt wurde dies in der Sendung mit Material über den Vorgang der Berufung eines DGB-Vorstandsmitglieds in den 50er Jahren. Das verlief so: Am 5. November 1956 traf sich Lovestones engster Mitarbeiter Irving Brown im Washingtoner Hay-Adams-Hotel mit dem für Internationale Beziehungen zuständigen SPD-Vorstandsmitglied Fritz Heine. Vier Tage später meldet Heine aus Deutschland schriftlich Vollzug: der SPD-Politiker Willi Richter ist nach Absprache mit den Amerikanern als DGB-Vorstandsmitglied installiert. Willy Brandt selbst war Geldempfänger der CIA, was Ex-Abteilungsleiter Braden ausdrücklich bestätigt (es gibt Briefe von Brandt zu diesen Vorgängen, die in den National Archives jetzt eingesehen werden können, aber jeder deutsche Politiker „mit demokratischen Absichten" habe Unterstützung erhalten können.
Geld der CIA floß auch, als 1952 als Auftakt für die europäische Einbindung Deutschlands im Bundestag die Ratifizierung des 1951 abgeschlossenen Vertrages über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl -EGKS- (der auf einem Plan des französischen Außenministers Schuman beruhte) anstand. Abgeordnete wurden geschmiert, die Öffentlichkeit hintergründig positiv eingestimmt. Ein damals streng geheimer Rechenschaftsbericht der CIA vom 1. August 1952 gibt Auskunft: „CIA also influenced the successful ratification of the Schuman Plan by the Bundestag and its popular acceptance by the West German people." Ex-CIA-Abteilungsleiter Braden hierzu: „So ist sie, die CIA! Waren deutsche Politiker, die für den Schuman-Plan stimmen sollten, in Geldnöten, sollten sie es von der CIA bekommen."
Das Fazit des für die geheimen CIA-Operationen zuständigen Mannes, Thomas W. Braden, im Jahr 1999: "Jeder, der damals für die CIA gearbeitet hat und heute auf Deutschland blickt, kann stolz sein, mitgeholfen zu haben ..."
Für die Desinformazija in den deutschen Medien steht angesichts dessen naturgemäß nicht einfach sachliche Auswertung solcher Funde auf dem Programm, die TV-Redakteure treiben andere Beweggründe um, wenn sie sich mit der Thematik der US-gesteuerten Verknechtung der Deutschen beschäftigen.
Üblich ist es, sich als deutscher Systemjournalist wie stets möglichst auf die Seite der "Befreier" zu stellen und das seit langem eingelullte Publikum nun auch hinsichtlich der Methoden des jetzt besser nachvollziehbaren „Aufbaus der deutschen Demokratie" zum Applaudieren zu bringen, ganz so, wie man andernorts Indios gelb-weiße Fähnchen in die Hände drückt, damit sie sich beim Papst für die Conquista bedanken können. In diesem Sinne strahlte der Westdeutsche Rundfunk am 26. Mai 1999 unter dem netten Titel „Germany made in USA" eine Dokumentation aus, die jetzt freigegebenes Material der National Archives der USA zur politisch-kulturellen Infiltration Nachkriegs-Westdeutschlands offenlegte und dazu damals höchst einflußreiche Personen befragte, die die entsprechenden Aktionen maßgeblich steuerten. Zieht man den unvermeidlichen Zungenschlag der Dokumentation ab, verbleiben außergewöhnlich aufschlußreiche Tatsachen und Äußerungen, die im folgenden wiedergegeben werden sollen.
Als Hauptakteur für die Maßnahmen, mit denen der amerikanische Geheimdienst die dauerhafte Einflußnahme der USA auf die Verhältnisse in Westdeutschland nach dem Krieg ins Werk setzte, wird der Anfang der 50er Jahre bei der CIA verantwortliche Abteilungschef für Internationale Organisationen Thomas W. Braden vorgestellt. Er war in den entscheidenden Jahren maßgeblich für geheime CIA-Operationen in Deutschland zuständig. Angesprochen auf die von ihm gesteuerte Einflußnahme in Deutschland, bekennt er als Pensionär inzwischen freimütig: „Ich bin froh, daß die CIA unmoralisch war" und verweist bei diesem Bekenntnis insbesondere auf Geldzahlungen an deutsche Politiker aller Lager, an Geldzahlungen, die verpflichten.
Den Anfang nimmt das Unternehmen, im westlichen Restdeutschland den politischen und geistigen Einfluß Amerikas CIA-inspiriert einzupflanzen, in der Wall Street. Dort sitzt der Anwalt Frank Wiesner, der zum Chef einer streng geheimen Abteilung innerhalb der CIA ernannt wird, zuständig für verdeckte psychologische Operationen in Europa, nachdem bereits einem Kollegen, dem ehemaligen Wall-Street-Anwalt John McCloy 1949 wenige Wochen nach Gründung der BRD das Amt des Hochkommissars der USA in Deutschland übertragen worden war. 1952 läuft dann der psychologische Operationsplan für Deutschland an, Deckname „Pocket Book". Die Koordination der psychologischen Kriegsführung des Kalten Krieges, in die die Pläne mit Deutschland bis zu einem gewissen Ausmaß eingebettet sind, liegt in Washington. Das für die Ausführung innerhalb der CIA zuständige Office of Policy erhält die damals nicht eben geringfügige Ausstattung von 100 Mio. US-Dollar.
McCloys Aufgabe war übergeordnet. Nach dem Autor einer kürzlich erschienenen Biographie McCloys, die Einzelheiten bisher unbekannter verdeckter Operationen der CIA in Deutschland enthalten soll (Kai Bird, The Chairman), war McCloy aufgetragen worden, einen lebensfähigen deutschen Staat aufzubauen, die Teilung aufrechtzuerhalten, die BRD in die NATO zu integrieren und „Deutschland als Abbild Amerikas zu errichten". Zur Veranschaulichung, wie der US-Geheimdienst vorzugehen hatte, zeigte die Sendung eine jetzt freigegebene, streng geheime Dienstanweisung der US-Regierung an die CIA vom Juni 1953, in der es u. a. heißt: „Falls ratsam, bilden Sie Untergrundbewegungen aus Abtrünnigen, um Organisationen zu spalten, die feindliche Ideologien verbreiten, ehe sich diese zu einer Bedrohung... entwickeln." Diese Ausrichtung hatte zur Folge, daß auch nicht immer beabsichtigte Folgewirkungen eintraten. Anfang der 50er Jahre sollen verdeckte Operationen des US-Geheimdienstes zu beinahe fatalen Fehlern geführt haben wie im Falle der ,League of Young Germans', einer in Guerilla-Taktik ausgebildeten, mit Gewehren ausgerüsteten und amerikanisch finanzierten Organisation. Von diesem speziellen Unternehmen, das vom militärischen Geheimdienst der USA initiiert war, wußte McCloy nach heutigen Erkenntnissen wohl nicht in Einzelheiten. Der Geheimdienst rekrutierte junge „rechtsextreme" Deutsche, die eine Untergrundorganisation aufbauen sollten, die u. a. bei einem damals für möglich gehaltenen Eindringen der Sowjets Sabotageakte verüben sollte. Unglücklicherwiese erstellte diese Hilfsorganisation der Amerikaner auch eine Liste von SPD-Mitgliedern und eine Schwarze Liste von Politikern dieser Partei, die bei einem Sowjeteinmarsch liquidiert werden sollten, weil man ihnen zutraute, sich mit den Sowjets zu verbünden.
Um im Rahmen der 'Reeducation' die Deutschen von preußisch-deutschen Relikten zu befreien, wurde die USIA (United States Information Agency) in Stellung gebracht, die im US-Strategieplan für „öffentliche Diplomatie" zuständig war. Ihre Aufgabe bestand darin, Amerika als Vorbild für die deutsche Zukunft zu präsentieren. Dem diente die Einrichtung der Amerika-Häuser, die seinerzeit größte Wirkung in der Massenbeeinflussung besaßen. Ein auch hierfür abgestellter, führender Infiltrant der Kultur war Hans Tuch, der 1938 als Jugendlicher mit der Familie Deutschland Richtung USA verlassen hatte und nach der Besetzung als Tom Tuc zurückkehrte. Langjährig hatte er u. a. die Intendanz der Voice of America (Auslandssender der USA) inne. Tuc(h) zeigt sich noch heute tief befriedigt über den Umstand, daß es ihm vergönnt war, „belastete" deutsche Künstler (z. B. den Dirigenten Wilhelm Furtwängler) in ihrem Wirken durch andere Größen zu ersetzen, die sich im Dunstkreis der CIA wohlfühlten, wie György („Georg") Solti, ein Sir, den mit Tuc auch persönliche Freundschaft verband und der sich den Deutschen versöhnlich zeigte. Eine sehr bedeutende Rolle bestätigt Tuc auch der US-gesteuerten Errichtung des Soziologischen Instituts an der Universität Frankfurt und dem Einsatz von Horkheimer, Adorno und Theo Wilder.
Erwähnenswert bei der amerikanischen Kulturoffensive ist gleichfalls die Gründung des „Kongresses für kulturelle Freiheit" im Juni 1950, die laut dem CIA-Abteilungsleiter Braden von Anfang an und während ihres ganzen Aufbaus CIA-finanziert war. Organisiert von dem Amerikaner polnisch-jüdischer Herkunft Melvin J. Lasky (*1920), diente diese wichtige und dauernde Institution als „neues Forum der demokratischen, nichtkommunistischen Linken". Parallel lief die Herausgabe der seinerzeit als Kulturereignis gefeierten, scharf antikommunistischen Zeitschrift Der Monat - Internationale Zeitschrift für Politik und geistiges Leben durch Lasky. Er ließ darin Linke, „Rechte", Liberale und Konservative zu Wort kommen. Lasky räumt heute ein, daß bereits hinter der Gründung der Zeitschrift die Überlegung stand, die Intellektuellen und Wortführer Westdeutschlands zu gewinnen, um Neutralitätsbestrebungen wirksam zu verhindern. Der Pluralismus, mit dem Der Monat (Auflage 30 000) aufwartete, hatte allerdings einen Paten: die Zeitschrift war wie das gleichfalls von Lasky in London herausgegebene Periodikum Encounter nach jetzt allgemeinem Bekenntnis der Beteiligten CIA-finanziert. Über die dunkle Geldquelle sickerte bereits in den 60er Jahren etwas durch, was damals zwar nicht bewiesen werden konnte, dem Renommee des Blattes nach Laskys Einschätzung aber nicht guttat.
Die Politik gegenüber Nachkriegsdeutschland wurde nach Darstellung der Sendung entgegen allgemeiner Annahme nicht vom US-Außenministerium bestimmt oder abgestimmt, sondern weitgehend höchst indirekt durch die amerikanischen Gewerkschaftsverbände AFL (American Federation of Labour) und CIO abgewickelt - also private, nichtstaatliche Institutionen -, hinter denen die CIA und Tom Braden standen. Erreicht werden sollte in einem ersten Schritt die Kontrolle über die deutsche Arbeiterschaft, die nach dem Krieg zu 40 % gewerkschaftlich organisiert war und nach amerikanischen Erkenntnissen einen hohen Anteil an Kommunisten aufwies. In einem zweiten Schritt sollte dann eine weitergehende Einflußnahme auf Personen und die weiteren gesamtpolitischen Verhältnisse erfolgen. Ex-CIA-Abteilungsleiter Braden: „Wir nutzten die (Gewerkschafts-) Komitees, die sie (die amerikanischen Gewerkschaftsfunktionäre gemeinsam mit deutschen Funktionären) errichtet hatten, um unseren Einfluß auszubauen... Dafür stellten wir reichlich Geld zur Verfügung."
Der Geheimbund zwischen CIA und den US-Gewerkschaften ist maßgeblich mit dem Wirken des Gewerkschaftsführers und „Superagenten" Jay Lovestone (Sohn eines polnischen Rabbis namens Liebstein) verbunden, der sich vom Chef der Kommunistischen Partei der USA in den 20er Jahren zu einem fanatischen Antikommunisten der 40er Jahre entwickelt hatte. Er war der Top-Verbindungsmann nach Deutschland, sein Führungsoffizier Tom Braden. Lovestone unterstützte mit vielen Aktivitäten und viel Geld den Aufbau einer „freien Gewerkschaftsbewegung" in Deutschland. Anfang der 50er Jahre hatte er viele persönliche Kontakte mit deutschen Gewerkschaftsfunktionären, Verbindungen, die gut dokumentiert sind und jetzt offenliegen. Über Lovestones Rolle berichtete in der Sendung der Churchill- und Roosevelt-Biograph Ted Morgan, der Lovestones Wirken in einer neu erschienenen Biographie nachgegangen ist (Ted Morgan, A Covert Life: Jay Lovestone Communist, Anti-Communist, and Spymaster, Verlag Random House, 416 S., geb., ISBN 0679444009, US-$ 29,95).
Der Führungsoffizier Braden teilt heute mit, Lovestone seien von der CIA anfangs 200 000, später 1 Mio. US-Dollar pro Jahr für seine Aktivitäten zur Verfügung gestellt worden. Damit ließ sich einiges anfangen: die National Archives enthalten einwandfreie Verwendungsnachweise in Form von Briefwechseln, die z. B. Zuwendungen an die Gewerkschaft ÖTV oder an die Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands dokumentieren. Benötigten deutsche Gewerkschaftsstellen ein Auto, ging es um die Kostenübernahme für die Anmietung eines Büros oder Gehalt für eine Sekretärin, war Lovestone behilflich. Braden stolz: „Die CIA konnte damals nach Belieben handeln und Geld ausgeben. Unser Geheimdienst war einer der ersten multinationalen Konzerne." Auch Verlagshäuser in Deutschland wurden finanziell gefördert, „interessante Veröffentlichungen gesponsert".
Durch Dokumente nachgewiesen ist nun auch der vielfältige Einfluß der CIA in die Spitzen der deutschen Politik. Lovestone unterstützte konservative Politiker, hatte Einfluß auf die SPD-Führung und direkt auf die Besetzung des DGB-Vorstandes. Beispielhaft belegt wurde dies in der Sendung mit Material über den Vorgang der Berufung eines DGB-Vorstandsmitglieds in den 50er Jahren. Das verlief so: Am 5. November 1956 traf sich Lovestones engster Mitarbeiter Irving Brown im Washingtoner Hay-Adams-Hotel mit dem für Internationale Beziehungen zuständigen SPD-Vorstandsmitglied Fritz Heine. Vier Tage später meldet Heine aus Deutschland schriftlich Vollzug: der SPD-Politiker Willi Richter ist nach Absprache mit den Amerikanern als DGB-Vorstandsmitglied installiert. Willy Brandt selbst war Geldempfänger der CIA, was Ex-Abteilungsleiter Braden ausdrücklich bestätigt (es gibt Briefe von Brandt zu diesen Vorgängen, die in den National Archives jetzt eingesehen werden können, aber jeder deutsche Politiker „mit demokratischen Absichten" habe Unterstützung erhalten können.
Geld der CIA floß auch, als 1952 als Auftakt für die europäische Einbindung Deutschlands im Bundestag die Ratifizierung des 1951 abgeschlossenen Vertrages über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl -EGKS- (der auf einem Plan des französischen Außenministers Schuman beruhte) anstand. Abgeordnete wurden geschmiert, die Öffentlichkeit hintergründig positiv eingestimmt. Ein damals streng geheimer Rechenschaftsbericht der CIA vom 1. August 1952 gibt Auskunft: „CIA also influenced the successful ratification of the Schuman Plan by the Bundestag and its popular acceptance by the West German people." Ex-CIA-Abteilungsleiter Braden hierzu: „So ist sie, die CIA! Waren deutsche Politiker, die für den Schuman-Plan stimmen sollten, in Geldnöten, sollten sie es von der CIA bekommen."
Das Fazit des für die geheimen CIA-Operationen zuständigen Mannes, Thomas W. Braden, im Jahr 1999: "Jeder, der damals für die CIA gearbeitet hat und heute auf Deutschland blickt, kann stolz sein, mitgeholfen zu haben ..."