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Vollständige Version anzeigen : Rechtsextreme und die Aufklärung



Student123
13.05.2006, 18:53
Ich habe eine ernsthafte Frage:

Wie ist das Verhältnis von Rechtsextremen und der Aufklärung? Der Anlass sind die Reaktionen und Zypries' Äußerung mit der Kirche und ihrem Arsch.
Mit Rechtsextremen meine ich jede Sorte von Rechtskonservativen, -liberalen, -nationalen, die nicht der Monarchie und dem Katholizismus anhängen.

Meine Erwartung wäre eigentlich, dass die beschriebenen Rechten zwar nicht beste Freunde der Aufklärung sind, sie aber doch stützen. Der Absolutheitsanspruch der Kirche, unbedingte Nächstenliebe, und eine geiwsse Internationalität sind ja wohl kaum vereinbar mit klassischer rechter (nicht christlich-konservativer) Ideologie.

Die Reaktionen in einem Strang hier im Forum stützen meine Erwartung nicht. Liegt es daran, dass der christliche Glaube als Marionette gegen die "Multikultis" genutzt wird? Man muss Europa ja nicht unbedingt als christliches Abendland beschreiben, wieso wird das aber so häufig gemacht? Um eine schöne Gegenkategorie zum Islam zu bilden?

Lucky punch
13.05.2006, 19:02
sicherlich wird unsere "abendländische Prägung" oft vorgeschoben, als Argument gegen die Islamisierung Europas.


ich bin trotzdem mit Leib und Seele Atheist

Siegfried
13.05.2006, 19:08
Ich habe eine ernsthafte Frage:

Wie ist das Verhältnis von Rechtsextremen und der Aufklärung? Der Anlass sind die Reaktionen und Zypries' Äußerung mit der Kirche und ihrem Arsch.
Mit Rechtsextremen meine ich jede Sorte von Rechtskonservativen, -liberalen, -nationalen, die nicht der Monarchie und dem Katholizismus anhängen.

Meine Erwartung wäre eigentlich, dass die beschriebenen Rechten zwar nicht beste Freunde der Aufklärung sind, sie aber doch stützen. Der Absolutheitsanspruch der Kirche, unbedingte Nächstenliebe, und eine geiwsse Internationalität sind ja wohl kaum vereinbar mit klassischer rechter (nicht christlich-konservativer) Ideologie.

Die Reaktionen in einem Strang hier im Forum stützen meine Erwartung nicht. Liegt es daran, dass der christliche Glaube als Marionette gegen die "Multikultis" genutzt wird? Man muss Europa ja nicht unbedingt als christliches Abendland beschreiben, wieso wird das aber so häufig gemacht? Um eine schöne Gegenkategorie zum Islam zu bilden?


Also ich bin ja nicht rechtsextrem. Da ich mich aber zum rechten Flügel zähle und weder Monarchist noch Katholik binn, werde ich trotzdem darauf antworten.
Die Aufklärung ist eine riesige Errungenschaft der Neuzeit, die einiges von dem Lügengeflecht der katholischen Kirche aufgedeckt hat. Ihren Vordenkern verdanken wir sehr viel!
Aber wir erkennen alle die Bedrohung durch den Islam und haben deshalb eine Art "priviligierte Partnerschaft" mit den christlich-konservativen Kräften!

Mario
13.05.2006, 20:12
Die deutsche Aufklärung ist ohne Zweifel eine Errungenschaft, doch zur damaligen Zeit galt es, ganz andere Probleme anzufechten als in der Gegenwart. Wir können es uns nicht leisten, uns hinter der Aufklärung zu verstecken, heute oft nur eine Fassade, hinter der die eigene Feigheit steht. So manches "aufgeklärtes" Individuum verdammt sich auf diese Weise zur politischen Unfähigkeit, ja Unmündigkeit.

Aufklärung aber, so Kant, sei der Ausgang des Menschen aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit.

Radikalität ist eine Herangehensweise, bei der man versucht, die Krankheit, zu bekämpfen, nicht nur die Symptome. Die Aufklärung darf uns nicht als Vorwand dienen, die Wurzel unserer Problematiken zu schonen, halben Aktivismus an den Tag zu legen. Parole: Ganz oder garnicht!

Waldgänger
13.05.2006, 20:34
Die deutsche Aufklärung ist ohne Zweifel eine Errungenschaft, doch zur damaligen Zeit galt es, ganz andere Probleme anzufechten als in der Gegenwart. Wir können es uns nicht leisten, uns hinter der Aufklärung zu verstecken, heute oft nur eine Fassade, hinter der die eigene Feigheit steht. So manches "aufgeklärtes" Individuum verdammt sich auf diese Weise zur politischen Unfähigkeit, ja Unmündigkeit.

Aufklärung aber, so Kant, sei der Ausgang des Menschen aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit.

Radikalität ist eine Herangehensweise, bei der man versucht, die Krankheit, zu bekämpfen, nicht nur die Symptome. Die Aufklärung darf uns nicht als Vorwand dienen, die Wurzel unserer Problematiken zu schonen, halben Aktivismus an den Tag zu legen. Parole: Ganz oder garnicht!

Ich fasse es nicht!Eine Errungenschaft???Der Aufstieg des liberalen Bürgertums mit seiner kapitalistischen Wirtschaftsform ist eine Errungenschaft gewesen?Vielleicht hätte es in dieser Form keinen Patriotismus gegeben, aber sicherlich hätte es auch ohne dem Bürgertum irgendeine nationale Bewegung gegeben.Die Französische Revolution als Beginn des modernen Zeitalters hat uns Individualismus gebracht und kann als Ausgangspunkt des Automatismus der späteren Totalitarismen gesehen werden.Damit möchte ich keinesfalls in die Vormoderne zurück, im Gegenteil.Ich toleriere auf keinen Fall die Fürsten- und Adelsherrschaft, aber ohne die Christianisierung Europas hätten sich solche egalitären "Menschenrechtsideale" erst gar nicht ausbreiten können.
Mit dem Einbruch des Christentums auf den einst paganistischen Kontinent Europa begann eine Epoche des geistigen Niedergangs.Natürlich ist es sinnlos sich der Zeit zu verschließen, aber was wir heutzutage brauchen ist ein "Polytheismus der Werte" der ein neues Wertesystem schafft welches sich aus einem Europa vor der christlichen Invasion speist und im gleichen Atemzug die Überwindung der Moderne zugunsten der Postmoderne ansteuert.

Mario
13.05.2006, 20:50
Die Aufklärung, an sich war in erster Linie eine Umstrukturierung des Denkens, die sich gegen christliche Kontrollmechanismen und eine geistige Versklavung des Menschen richtete. Der Kapitalismus, der sich in der französischen Revolution entwickelte, impliziert nicht, dass die Folgen der Aufklärung, die Konsequenz der "Vernunft" hätten diese sein müssen...
Ich streite nicht ab, dass die Aufklärung und gerade die französische Revolution uns im Endeffekt negative Folgen brachten, ganz im Gegenteil. Der Denkansatz aber, wenn du schon von möglichen Wendungen in der Geschichte bis zurück zur Christianisierung Europas fantasierst, hätte sich auch anders entwickeln können.

Nachtrag: Errungenschaften, die ich ansprach, sind vor allem die der Loslösung und kritischen Hinterfragung der Glaubensfesseln und der Kampf gegen das Feudalsystem. Den Liberalismus hingegen kann man schwerlich als Errungenschaft bezeichnen, da gebe ich dir vollkommen recht. Das wurde aus meinem Beitrag vielleicht nicht ersichtlich.

ernesto, die katze
13.05.2006, 21:00
[...]

Nachtrag: Errungenschaften, die ich ansprach, sind vor allem die der Loslösung und kritischen Hinterfragung der Glaubensfesseln und der Kampf gegen das Feudalsystem. [...] was soll daran schlecht gewesen sein?

Sauerländer
14.05.2006, 02:22
Ich habe eine ernsthafte Frage:
Wie ist das Verhältnis von Rechtsextremen und der Aufklärung? Der Anlass sind die Reaktionen und Zypries' Äußerung mit der Kirche und ihrem Arsch.
Mit Rechtsextremen meine ich jede Sorte von Rechtskonservativen, -liberalen, -nationalen, die nicht der Monarchie und dem Katholizismus anhängen.
Rechtsextremisten erkennt man innerhalb der Rechten daran, dass sie weder Monarchisten noch Katholiken sind?!


Meine Erwartung wäre eigentlich, dass die beschriebenen Rechten zwar nicht beste Freunde der Aufklärung sind, sie aber doch stützen. Der Absolutheitsanspruch der Kirche, unbedingte Nächstenliebe, und eine geiwsse Internationalität sind ja wohl kaum vereinbar mit klassischer rechter (nicht christlich-konservativer) Ideologie.

Was ist "klassisch rechte Ideologie"?

Salazar
14.05.2006, 14:25
was soll daran schlecht gewesen sein?

Frage ich mich auch. Eine klar strukturierte, hierarchisch organisierte GEsellschaft muss her. Nur so wird der Staat überflüssig und der Despotismus der Gesetze gebrochen. Ich verweise dazu auf meine Signatur. :]

Sauerländer
14.05.2006, 15:23
Frage ich mich auch. Eine klar strukturierte, hierarchisch organisierte GEsellschaft muss her. Nur so wird der Staat überflüssig und der Despotismus der Gesetze gebrochen. Ich verweise dazu auf meine Signatur. :]
Wobei "Hierarchie" hier nicht im Sinne der Gewaltmacht verstanden werden sollte. Der Höherberechtigte ist auch der Höherbepflichtete und gewinnt seine Legitimation aus seiner Aufgabe und Möglichkeit zu ihrer Erfüllung, nicht durch Geburtsrecht.

Zwischen einer solchen organischen Hierarchie und dem, was heute üblicherweise unter Hierarchie verstanden wird, liegen Welten.
Organische Hierarchie auf der Grundlage des heutige gängigen, massengesellschaftlichen Zentralstaatswesens scheint mir unmöglich - in dem Maße, wie das Gemeinwesen sich entorganisiert (= vermasst), bleiben nur a) Auflösung JEDER Hierarchie (=Kreuzung aus egalitärer und individualistischer Utopie, üblicherweise in Form des Anarchismus), an die die Frage zu richten ist, ob sie als anorganische Form aus sich selbst heraus und ohne Zwang auf Dauer zu bestehen in der Lage ist (was ich für zweifelhaft halte), und b) die realpolitische Aufgabe des Sinnanspruchs der Hierarchie, womit letztlich die Gewalt zum selbstrechtfertigenden Mittel des politischen Prozesses führt.

Wird Gesellschaft als organisch begriffen, so ist das Phänomen Moderne-Urbanisierung-Masse-Zentralisierung-"Autoritarismus" (letzten halte ich für fehlbetitelt, denn er setzt Autorität mit Gewalt gleich bzw lässt die Autorität in der Gewalt begründet sein) der Krebs, der den Organismus zugrunde richtet.
Die Metastasen sind mittlerweile überall - langfristig entziehen sie sich durch Zurunderichtung des Gesamtorganismus die eigene Existenzgrundlage, das jedoch ist ihr ureigenstes Wesen.
Möglicherweise bedarf es in der Tat einer besonders radikalen Variante der Chemotherapie, die die Gesellschaft (oder besser das wenige an ihr, was rettenswert ist) an die Schwelle des Todes führt, um sie von dort erschöpft, zerschmettert und ausgezehrt, jedoch wieder lebensfähig zurückzuholen, auf dass sie sich endlich wieder mit Hoffnung vom Krankenbett erheben möge.

Pandulf
16.05.2006, 20:57
Die "Aufklärung" war nur ein kümmerlicher Versuch der Wiederherstellung der Normalität.

Die Aufklärung hat zwar die weltliche Macht der christlichen Kirche gebrochen. Doch durch die Aufklärung wurden die Werte des Christentums, im Kern der Egalitarismus, lediglich säkularisiert. Daraus ist dann der Kommunismus, der Multikulturalismus etc. entstanden.

Richtig wäre es gewesen, den GESAMTEN christlichen Kanon auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen und wieder an die Antike anzuknüpfen. Weil dies nicht gelungen ist und wir immer noch die falschen Werte haben, scheitern auch die liberalen Versuche, durch die EU an die Antike wieder anzuknüpfen.

Nietzsche war der Ansicht, daß Europa verdammt sei, die "christlichen Werte" bis zur letzten Konsequenz, nämlich der Zivilisationsvernichtung durch den gleichmacherischen Nihilismus, durchzuleben.

Erst danach kann wieder etwas neues kommen.

Gruss

pandulf

Grüner Simon
16.05.2006, 21:05
Zum einen sollte erwähnt werden, dass wir keine aufgeklärte Gesellschaft sind. Kant würde sich im Grabe herumdrehen wenn sich unsere Gesellschaft als befreit von der selbstverschuldeten Unmündigkeit ansieht. Wir sind alle mündig??? Und ich bin ein Nazi.

Eine Gesellschaft kann auch nicht aufgeklärt sein und dies als absolvierte Leistung zum Dauerzustand ansehen. Eine aufgeklärte Gesellschaft muss sich immer wieder aufklären.

Odin
18.05.2006, 21:49
Die "Aufklärung" war nur ein kümmerlicher Versuch der Wiederherstellung der Normalität.

Die Aufklärung hat zwar die weltliche Macht der christlichen Kirche gebrochen. Doch durch die Aufklärung wurden die Werte des Christentums, im Kern der Egalitarismus, lediglich säkularisiert. Daraus ist dann der Kommunismus, der Multikulturalismus etc. entstanden.

Richtig wäre es gewesen, den GESAMTEN christlichen Kanon auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen und wieder an die Antike anzuknüpfen. Weil dies nicht gelungen ist und wir immer noch die falschen Werte haben, scheitern auch die liberalen Versuche, durch die EU an die Antike wieder anzuknüpfen.

Nietzsche war der Ansicht, daß Europa verdammt sei, die "christlichen Werte" bis zur letzten Konsequenz, nämlich der Zivilisationsvernichtung durch den gleichmacherischen Nihilismus, durchzuleben.

Erst danach kann wieder etwas neues kommen.

Gruss

pandulf


Weitgehend richtig. Allerdings ist die gesamte "Aufklärung" menschenfeindlicher Unsinn.

Unsere einzige Möglichkeit liegt in der Rückkehr zu unseren heidnischen Wurzeln.

Grüner Simon
22.05.2006, 21:06
Weitgehend richtig. Allerdings ist die gesamte "Aufklärung" menschenfeindlicher Unsinn.

Unsere einzige Möglichkeit liegt in der Rückkehr zu unseren heidnischen Wurzeln.

Das könnte man ja fast fanatisch nennen. Es gibt keine allgemeingültige Lösung im Feld der Weltanschaung. Letztendlich ist der Weg auf den Berg auch egal, solange er an die Spitze führt.

Will sagen, gewisse Grundwerte sollten zum Wohl der Gemeinschaft immer vorhanden sein, doch die Details sollte jedem selbst überlassen werden

twoxego
22.05.2006, 21:12
eine frage am rande:
wieviele unserer geschätzten rechten wissen wohl tatsächlcih was mit aufklärung eigentlich gemeint ist.
damit ist nicht jeder einzelne gemeint, eher so der durchschnitt.