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Vollständige Version anzeigen : Demokratie: Konkurrenz um kluge Lösungen statt Glaubensbekenntnisse?



Königsberger
02.10.2006, 22:48
Hallo zusammen.

Mein Name ist Stefan und ich bin neu hier.

Ich weiß nicht, ob es üblich ist, gleich zu Beginn seiner Foren-Mitgliedschaft Themen vorzuschlagen.

Bezugnehmend auf die Umfrage, ob eine Revolution in Deutschland noch möglich sei

http://www.politikforen.de/showthread.php?t=30547

(welche ich sehr interessant fand, bei der ich aber vermisste, dass nicht einer der Diskussionsteilnehmer eine Beteiligung an dem demokratischen Prozess in Erwägung zog, wenn nicht passiv durch Wählen seiner bevorzugten Partei, dann doch erst recht aktiv durch das Gründen von Vereinen oder Parteien oder durch Beitritt in eine Partei und Veränderung ihres politischen Kurses)

und auf die doch wohl einigermaßen gut gelaufene östereichische Bundestagswahl, zu welcher es auch einen Thread gab

http://www.politikforen.de/showthread.php?t=30904 ,

möchte ich gerne nachfragen inwieweit es wohl möglich sein könnte, dass sich die deutsche Gesellschaft dahingehend verändert, dass der größte Teil der Bürger sich aktiv und hoffnungsfroh am gesellschaftlichen Gestaltungsprozess beteiligt, in dem Bewußtsein, dass auch die Interessen der gesammten Gesellschaft auf lange und mittelfristige Sicht seine eigenen Interessen sind.

Dies soll eine ernstgemeinte Frage sein und nicht rein suggestiv kritisierend wirken. Dazu bin ich selbst bisher politisch zu passiv.

Einen weiteren Gedankenanstoß bekam ich durch ein Zitat eines vor einiger Zeit ums Leben gekommenen deutschen Politikers:

"Die Historiker werden später schreiben: Zu Beginn des dritten Jahrtausends prägte eine Welle des erwachenden Selbstbewusstseins der Menschen die Völker und Staaten Europas. Ein mündliches Volk von Demokraten nach dem anderen zwang die politische Klasse, sich an Haupt und Gliedern zu erneuern.

Ein Volk nach dem anderen wählte jede Regierung gnadenlos ab, die Versprechen nicht einlöste und Erwartungen nicht erfüllte. Die Zeit der Glaubenskriege, in der jede Wahl als ideologischer Richtungskrieg und Lagerwahlkampf geführt worden war, fand ihr Ende.

Nachkriegszeit, Kalter Krieg, europäische Teilung und die Nachwehen ihres überraschenden Endes fanden ihren Abschluss in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts. Seitdem konkurrieren Demokraten um kluge Lösungen statt Glaubensbekenntnisse. Eine neue Zeit brauch an. Und das war gut so."

--------Jürgen W. Möllemann----
http://www.aktienboard.com/vb/archive/index.php/t-44903.html

Danke schon mal für eure hoffentlich erfolgende Beteiligung.

hbert33
03.10.2006, 00:35
... ich gerne nachfragen inwieweit es wohl möglich sein könnte, dass sich die deutsche Gesellschaft dahingehend verändert, dass der größte Teil der Bürger sich aktiv und hoffnungsfroh am gesellschaftlichen Gestaltungsprozess beteiligt, ...

Der Erste Teil klinngt doch sehr erstrebenswert.
Wenn ich das "wieweit" mal als ein "wie" interpretieren darf lautet meine Antwort:

Durch bessere politische Bildung der Menschen und eine Medienlandschaft, die nicht auf Negativschlagzeilen aus ist.



in dem Bewußtsein, dass auch die Interessen der gesammten Gesellschaft auf lange und mittelfristige Sicht seine eigenen Interessen sind.

Den zweiten Teil sehe ich nicht als Notwendigkeit für den ersten, und glaube auch nicht dass er stimmt. Nach meiner Auffassung sollte in der Demokratie jeder selbst entscheiden, was für ihn das Beste ist und sein wird. Vielleicht gibt es durch Bildung eine Annäherung dieser Interessen, aber ich denke eine Beteiligung in der Politik macht erst recht Sinn, wenn die anderen nicht meine Interessen verfolgen.

mfg - hbert

Königsberger
03.10.2006, 01:29
Den zweiten Teil sehe ich nicht als Notwendigkeit für den ersten, und glaube auch nicht dass er stimmt. Nach meiner Auffassung sollte in der Demokratie jeder selbst entscheiden, was für ihn das Beste ist und sein wird. Vielleicht gibt es durch Bildung eine Annäherung dieser Interessen, aber ich denke eine Beteiligung in der Politik macht erst recht Sinn, wenn die anderen nicht meine Interessen verfolgen.

mfg - hbert

Ich dachte bei diesen Interessen eher an ganz grundsätzliche Dinge, wie den Erhalt einer offenen und diskursfähigen Gesellschaft, wobei ich denke, dass es dort auch Einwände geben mag, da sich nicht jeder in dieser Gesellschaft vollkommen frei fühlt und ich natürlich auch in diesem System sozialisiert wurde und von daher nicht ganz vorurteilsfrei über dieses System urteilen kann. Zudem gibt es wohl tatsächlich die Einflußnahme etablierter Parteien auf die populäre Medienlandschaft, welche in großem Maße meinungsbildend wirken. Trotzdem ist es eventuell nur eine Frage der intensieven und dauerhaften Anstrengung, dass auch eine sich neu etablierende Interessengruppe mit der Zeit an Einfluss gewinnt. Solch eine Möglichkeit halte ich in anderen Systemen, beispielsweise China, für weniger gegeben, um es vorsichtig auszudrücken.
Deshalb meine ich z.B. mit diesen allgemeinen Interessen auch, dass man nicht in eine Diktatur abrutscht.

Dass es in der politischen Realität eher darum geht, durch Einflussnahme auf die Gesellschaft, seine ganz persönlichen Ziele zu verwirklichen, halte ich eher für einen Umstand den man in Kauf nehmen muss, da er sich nicht vermeiden lässt. Nicht jedoch für den Sinn der Demokratie. Hier unterscheiden sich unser beider Ansichten möglicherweise.
Gerade aber durch die parlamentarischen Reglementierungen und die Dezentralisierung der Machtorgane, das hat man ja in der Schule begebracht bekommen, wird ein allzu einseitiges Durchsetzen von Interessen und ein rechtsstaatswiedrieges Vorgehen einzelner Gruppen verhindert. Und im Idealfall sollte es zu einer Symbiose der verschiedenen Interessen im größtmöglichen Umfang kommen. So habe ich das jedenfalls bisher verstanden.

Danke für die Antwort schon mal.