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Vollständige Version anzeigen : Literatur - Gedichte



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Klaus E. Daniel
23.05.2003, 17:02
Ich fange mal ein neues Thema an, das draußen zwar abgekündigt ist, aber nicht erfüllt:


Als sie sich 8 Jahre kannten
(man darf sagen: sie kannten sich gut),
kam ihre Liebe plötzlich abhanden.
Wie anderen Leuten Stock und Hut.

Sie waren traurig, betrugen sich heiter,
versuchten Küsse als ob nichts sei.
und sahen sich an und wußten nicht weiter.
Da weinte sie schließlich. Und er stand dabei.

Vom Fenster konnte man Schiffen winken.
Er sagte, es wäre schon Viertel nach Vier
und Zeit, irgendwo Kaffee zu trinken. -
Nebenan übte ein Mensch Klavier.

Sie gingen ins kleinste Café am Ort
und rührten in ihren Tassen.
Am Abend saßen sie immer noch dort.
Sie saßen allein, und sprachen kein Wort
und konnten es einfach nicht fassen.

Erich Kästner



Jeder ist eingeladen, aber bitte deutsche Gedichte, die euch gefallen.

K.E.D.

Edit: vergessene Buchstaben

Mithrandir
23.05.2003, 17:34
Eines meiner Lieblingsgedichte:

Conrad Ferdinand Meyer: Der römische Brunnen

Aufsteigt der Strahl und fallend gießt
Er voll der Marmorschale Rund,
Die, sich verschleiernd, überfließt
In einer zweiten Schale Grund;
Die zweite gibt, sie wird zu reich,
Der dritten wallend ihre Flut,
Und jede nimmt und gibt zugleich
Und strömt und ruht.

Klaus E. Daniel
24.05.2003, 11:08
Herbsttag

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
Und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Allen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

Rainer Maria Rilke

schwede
24.05.2003, 11:11
Ein Mensch, der sich ein Schnitzel briet,
Bemerkte, daß es ihm mißriet.
Doch da er es ja selbst gebraten,
Tat er, als wär es ihm geraten.
Und um sich nicht zu strafen Lügen,
Ißt ers mit herzlichem Vergnügen.

Eugen Roth, der mal wieder unter Beweis stellt, dass auch das Leben Komik zeigen kann.

Klaus E. Daniel
24.05.2003, 11:22
Bravo, schwede !

K.E.D.

Chocobo
24.05.2003, 11:24
Original von Klaus E. Daniel
Ich fange mal ein neues Thema an, das draußen zwar abgekündigt ist, aber nicht erfüllt:


Als sie sich 8 Jahre kannten
(man darf sagen: sie kannten sich gut),
kam ihre Liebe plötzlich abhanden.
Wie anderen Leuten Stock und Hut.

Sie waren traurig, betrugen sich heiter,
versuchten Küsse als ob nichts sei.
und sahen sich an und wußten nicht weiter.
Da weinte sie schließlich. Und er stand dabei.

Vom Fenster konnte man Schiffen winken.
Er sagte, es wäre schon Viertel nach Vier
und Zeit, irgendwo Kaffee zu trinken. -
Nebenan übte ein Mensch Klavier.

Sie gingen ins kleinste Café am Ort
und rührten in ihren Tassen.
Am Abend saßen sie immer noch dort.
Sie saßen allein, und sprachen kein Wort
und konnten es einfach nicht fassen.

Erich Kästner



Jeder ist eingeladen, aber bitte deutsche Gedichte, die euch gefallen.

K.E.D.

Edit: vergessene Buchstaben
Wer schleicht so spät durch Nacht und Wind, an den Häusern vorbei, die verdunkelt sind ?
Es ist der Luftschutzwart mit der Tasche, in der leise gluckert, die Labeflasche.

Na ja, denk Dir Dein Teil, KED.
:)

Klaus E. Daniel
24.05.2003, 11:54
Ich denke durchaus. mein Lieber ..

Aber jetzt etwas für den schweden:


Was bringt den Doktor um sein Brot?
a: die Gesundheit, b: der Tod.
Darum hält der Arzt, auf daß er lebe,
uns zwischen beiden in der Schwebe.

Eugen Roth


Es gibt da noch anderes hübsches aus dem "Wunderdoktor" oder seinen -Heiteren Geschichten-. Aber er ist, bedingt durch die Länge seiner Verse, für mich sehr schwer abzutippen.

Soweit ich mich erinnere, ist er knapp dem KZ entronnen.

schwede
24.05.2003, 11:57
Werter Herr Daniel,

wenn ich heute dazu komme, werde ich einmal nach Roth im Internet suchen. Das Schnitzel habe ich aus dem Kopf getippt, und einen Band seiner Gedichte habe ich leider nicht hier.

Sein Gedicht zum Zahnarzt wäre auch schön, wenn ich es denn finde.

Viele Grüsse,

Jan

Klaus E. Daniel
24.05.2003, 12:04
schwede, bei amazon nachsehen. Da gab es mal alle Bände, die ich schnellstens erworben habe. Paperback in Kassette, leider.

Gruß zum Sonntag

Klaus E. Daniel

schwede
24.05.2003, 12:09
Werter Herr Daniel,

sobald mein Geldbeutel es zulässt, jederzeit :)

Auch von mir den Sonntag einleitende Grüsse,

Jan

Klaus E. Daniel
25.05.2003, 12:16
Der Zahnarzt

Nicht immer sind bequeme Stühle
Ein Ruheplatz für die Gefühle
Wir säßen lieber in den Nesseln
Als auf den wohlbekannten Sesseln.
Vor denen, sauber und vernickelt
Der Zahnarzt seine Kunst entwickelt.
Er lächelt ganz empörend herzlos
Und sagt, es sei fast beinah schmerzlos.
Doch leider, unterhalb der Plombe,
stößt er auf eine Katakombe.
Die, wie er mit dem Häkchen spürt.
In unbekannte Tiefen führt.
Behaglich schnurrend mit dem Rädchen
Dringt er bis zum Nervenfädchen.
Jetzt zeige, Mensch, den Seelenadel !
Der Zahnarzt prüft die feine Nadel.
Mit der er er alsbald dir beweist.
Das du voll Schmerz im Innern seist.
Du aber hast ihm zu beweisen,
Das du im Äußern fest wie Eisen.
Nachdem ihr dieses euch bewiesen,
Geht er daran, den Zahn zu schließen.
Hat er sein Werk mit Gold bekrönt,
Sind mit der Welt wir neu versöhnt
Und zeigen, noch im Aug die Träne,
Ihr furchtlos wiederum die Zähne:
Die wir - ein Prahlhans, wers verschweigt-
Dem Zahnarzt zitternd nur gezeigt.

Eugen Roth "Der Wunderdoktor"

Was ein Segen, daß die Zahnmedizin etwas weiter gekommen ist.

schwede
25.05.2003, 12:26
Herr Daniel,

Sie sind ein As!

Auswendig hätte ich mich nicht getraut, es zu posten, und gefunden habe ich es nicht.

Ich bringe ein wenig Moderne hinein, wenn es Recht ist, und poste Sarah Kirsch:

Im Sommer


Dünnbesiedelt das Land.
Trotz riesiger Felder und Maschinen
Liegen die Dörfer schläfrig
In Buchsbaumgärten; die Katzen
Trifft selten ein Steinwurf.

Im August fallen Sterne.
Im September bläst man die Jagd an.
Noch fliegt die Graugans, spaziert der Storch
Durch unvergiftete Wiesen. Ach, die Wolken
Wie Berge fliegen sie über die Wälder.

Wenn man hier keine Zeitung hält
Ist die Welt in Ordnung.
In Pflaumenmuskesseln
Spiegelt sich schön das eigne Gesicht und
Feuerrot leuchten die Felder.

Freundliche Grüsse,

Jan

Klaus E. Daniel
25.05.2003, 12:43
schwede,

habe ich doch für Sie mühsam abgetippt. Zum Sonntag.

Gruß

Klaus E. Daniel

Klaus E. Daniel
26.05.2003, 09:13
Wenn du einen Schneck behauchst, kriecht er ins Gehäuse,
wenn du ihn in Cognac tauchst, sieht er weiße Mäuse.


Joachim Ringelnatz

Mithrandir
26.05.2003, 13:21
Christian Morgenstern
Die Korfsche Uhr

Korf erfindet eine Uhr,
die mit zwei Paar Zeigern kreist,
und damit nach vorn nicht nur,
sondern auch nach rückwärts weist.

Zeigt sie zwei, - somit auch zehn;
zeigt sie drei, - somit auch neun;
und man braucht nur hinzusehn,
um die Zeit nicht mehr zu scheun.

Denn auf dieser Uhr von Korfen,
mit dem janushaften Lauf,
(dazu ward sie so entworfen):
hebt die Zeit sich selber auf.

Nemesis
26.05.2003, 15:30
In Fontanes W.d.d.M.B. gefunden:

Und daß dem Netze dieser Spreekanäle
Nichts von dem Zauber von Venedig fehle,
Durchfurcht das endlos wirre Flußrevier
In seinem Boot der Spreewalds-Gondolier.

++++++++++++++++++++++++

»Wo liegt Schloß Köpenick?«
An der Spree;
Wasser und Wald in Fern und Näh’,
Die Müggelberge, der Müggelsee.

++++++++++++++++++++++++

Es rührt kein Blatt sich, alles schläft und träumt,
Nur jezuweilen knistert's in den Föhren,
Die Nadel fällt – es ruht der Wald.

Scherenberg

++++++++++++++++++++++++

Glatt ist der See, stumm liegt die Flut,
So still, als ob sie schliefe,
Der Abend ruht wie dunkles Blut
Rings auf der finstern Tiefe;
Die Binsen im Kreise nur leise
Flüstern verstohlenerweise.

Schnezler

++++++++++++++++++++++++

Gestern noch auf stolzen Rossen,
Heute durch die Brust geschossen,
Morgen in das kühle Grab.

++++++++++++++++++++++++

...zähl ich doch beispielsweise folgende Strophe zu den gelungensten Schilderungen einer herbstlichen Landschaftsstimmung:

Es sauste der Herbstwind durch Felder und Busch,
Der Regen die Blätter vom Schlehdorn wusch,
Es flohen die Schwalben von dannen,
Es zogen die Störche weit über das Meer,
Da ward es im Lande öd und leer,
Und die traurigen Tage begannen.

(Schmidt von Werneuchen)

Klaus E. Daniel
27.05.2003, 10:43
Liebeslied

Wie soll ich meine Seele halten,
daß sie nicht an deine rührt?
Wie soll ich sie hinheben
über dich
zu andern Dingen?
Ach gerne möcht ich sie
bei irgendwas Verlorenem
im Dunkel unterbringen
an einer fremden stillen Stelle,
die nicht weiterschwingt,
wenn deine Tiefen schwingen.
Doch alles,
was uns anrührt,
dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,
der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.
Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Geiger hat uns in der Hand?
Oh - süßes Lied …

Rainer Maria Rilke

Nemesis
27.05.2003, 12:50
Ebenfalls den Wanderungen von T. Fontane entnommen


Es war am 19. August 1813 – so entnehm ich alten, durch Friedrich Tietz* veröffentlichten Aufzeichnungen –, als an den Straßenecken Berlins und zugleich in der »Vossischen« und »Spenerschen Zeitung« folgende Bekanntmachung erschien:


Preußischer Frühling im Januar 1859

Noch ist es lang hin bis zum Frühlingsgrün,
Bis zu Blütenduft und Blumenblühn,
Bis zum Jubel der kleinen Waldvögelein,
Bis zum Fluge der Schwalben im Sonnenschein.
Und dennoch aus fernem, aus warmem Land,
Wohin der Winter den Flücht'gen verbannt
Ist heimgekehrt ein verfrühter Gast,
Ein allbekannter, zu erneuter Hast.
Er sucht sich die höchsten Giebel wohl aus
Und baut dort sein Nest auf der Menschen Haus,
Und wo er es tut, tönt's ihm entgegen:
»Willkommen! Du bringst dem Hause Segen!«
Wer mag noch fragen zu dieser Stund,
Welchen Gast wir meinen? Des Volkes Mund
Ruft jubelnd aus: »Nun ist er da!
Der Storch ist gekommen! Viktoria!«
Und alle schaun herzfreudigen Blicks
Hinauf zur erwählten Stätte des Glücks,
Zum Königspalast, des höchste Spitze
Der schwarzweiße Vogel erwählt zum Sitze.
Der Adler daneben dehnt majestätisch
Die Fittiche aus und spricht gravitätisch:
»Weil du, mein beflügelter Herr Kumpan,
Am Preußenland so was Braves getan,
So will ich dich ehren fortan als Freund
Und hoff, wir sehn uns hier oft noch vereint!«
Der Storch beugt sein langbeschnäbeltes Haupt
Und spricht: »Wenn's gnädigst mir ist erlaubt,
So bring ich alljährlich, was heut ich gebracht.«
Da hat der preußische Adler gelacht:
»Herr Vogel-Bruder, ich halt dich beim Wort!
Vermehre du fleißig der Preußen Hort;
Der Storch bringt den Segen, ihn hütet der Aar,
Und Gott schützt das Haus jetzt und immerdar!«

So haben die beiden Luftsegler da oben
Es abgesprochen – wir können's nur loben.
Und drinnen im Haus singt ins Land hinein
Sein erstes Lied unser Prinzlein klein. –

»Gott laß dich wachsen, du kleiner Mann,
Bis du reichst zum Großen Fritze hinan!«

Klaus E. Daniel
28.05.2003, 12:40
Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt,
behaart und mit böser Visage.
Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt,
die Welt asphaltiert und aufgestockt
bis zur dreißigsten Etage.

Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn,
in zentralgeheizten Räumen.
Da sitzen sie nun am Telefon,
und es herrscht genau derselbe Ton
wie seinerzeit auf den Bäumen.

Sie hören weit, sie sehen fern.
Sie sind mit dem Weltall in Fühlung.
Sie putzen die Zähne, sie atmen modern.
Die Erde ist ein gebildeter Stern
mit sehr viel Wasserspülung.

Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr.
Sie jagen und züchten Mikroben.
Sie versehn die Natur mit allem Komfort.
Sie fliegen steil in den Himmel empor
und bleiben zwei Wochen oben.

Was ihre Verdauung übrigläßt,
das verarbeiten sie zu Watte.
Sie spalten Atome. Sie heilen Inzest.
Und sie stellen durch Stiluntersuchungen fest,
daß Cäsar Plattfüße hatte.

So haben sie nun mit dem Kopf und dem Mund
den Fortschritt der Menschheit geschaffen.
Doch davon mal abgesehen und
bei Lichte betrachtet sind sie im Grund
noch immer die alten Affen.

Erich Kästner

Klaus E. Daniel
29.05.2003, 12:41
Berlin

wenn die Brücken, wenn die Bogen
von der Steppe aufgesogen
und die Burg im Sand verrinnt,
wenn die Häuser leer geworden,
wenn die Heere und die Horden
über unseren Gräbern sind,

eines kann man nicht vertreiben:
dieser Steine Male bleiben
Löwen noch im Wüstensand,
wenn die Mauern niederbrechen,
werden noch die Trümmer sprechen
von dem großen Abendland.

Gottfried Benn



Und nicht nur diese, sondern auch die im verlorenen Osten.

K.E.D

Nemesis
29.05.2003, 16:16
Planet Erde
von
J. Hintze


Wer gibt uns das Recht zu urteilen,
über Dinge, die wir nicht verstehen,
während wir immer nur verweilen
bei den Fehlern, die wir selbst begehen.
Warum halten wir uns für so wichtig,
daß wir die Welt einteilen in falsch und richtig?
Warum maßen wir uns an,
zu glauben, daß nur die Menschheit Sieger sein kann?
Wir haben immer noch nicht verstanden,
daß wir einst ein Paradies fanden
und eine Hölle hinterlassen,
wenn wir den Absprung verpassen.
Wenn wir weiter diesen Weg einschlagen,
ohne vorher nach den Folgen zu fragen.
Wenn wir den Planeten mit Füßen treten
und uns weiter selbst anbeten.......
Wird diese Erde nicht mehr lang bestehen
und die Menschheit, die wird untergehen!

Klaus E. Daniel
30.05.2003, 10:00
Die Philister, die Beschränkten,
diese geistig Eingeengten
darfst Du nie und nimmer necken.
Aber weite, kluge Herzen
wissen stets in unsren Scherzen
Lieb und Freundschaft zu entdecken.

Heinrich Heine

Nemesis
30.05.2003, 10:20
GLEICH UND GLEICH

Ein Blumenglöckchen
Vom Boden hervor
War früh gesprosset
In lieblichem Flor;
Da kam ein Bienchen
Und naschte fein -
Die müssen wohl beide
Für einander sein.

Johann Wolfgang von Goethe

Klaus E. Daniel
30.05.2003, 10:38
Ein Mensch erblickt das Licht der Welt,
doch irgendwann hat sich herausgestellt,
nach manchem mühevoll verbrachten Jahr,
daß das sein einz’ger Lichtblick war.

Eugen Roth





Ich halte das "ß" für falsch, aber es steht nun mal da.

K.E.D.

2mal edit, nicht mein Tag.

Nemesis
30.05.2003, 11:19
ROBERT GERNHARDT

SONETT VON DEM JUNGEN AMERIKA
UND DEN ALTEN EUROPÄERN


Der am’rikan’sche Aar spreizt seine Schwingen
zu jugendfrohem Flug ins Land des Bösen.
Das gute Öl vom Saddam zu erlösen:
Jetzt oder nie muss dieser Streich gelingen!

Ach, dass wir abseits stehn bei diesem Ringen!
Wir alten Europäer sehn entgeistert,
wie tolldreist junges Volk solch Wagnis meistert:
Lasst mich davon ein altes Liedlein singen!

Sternbanner hoch! Kampfhelme gut verschlossen.
USA marschiern mit heißem Jünglingstritt.
Die Rache winkt. Und die wird kalt genossen.

Zwar macht der Feind beim Kriegsspiel nicht recht mit –
doch dass ein Krieg wird, ward mit Gott beschlossen:
Wenn keiner schießt, wird halt zurückgeschossen.

Klaus E. Daniel
31.05.2003, 11:40
Weil nun die Nacht kommt bleib' ich bei dir.
Was ich dir sein kann gebe ich dir!
Frage mich niemals woher wohin -
nimm meine Liebe, nimm mich ganz hin!
Sei eine Nachtlang zärtlich zu mir,
Denn eine Nacht nur bleib' ich bei dir.

Wolfgang Borchert (1921 - 1947)



Bekannt aus dem Stück: "Draußen vor der Tür", ein Jungvollendeter, an TBC gestorbener.Nur ein Kriegsopfer

Nemesis
31.05.2003, 12:14
Sie war ein Blümlein hübsch und fein,
Hell aufgeblüht im Sonnenschein.
Er war ein junger Schmetterling,
Der selig an der Blume hing.
Oft kam ein Bienlein mit Gebrumm
Und nascht und säuselt da herum.
Oft kroch ein Käfer kribbelkrab
Am hübschen Blümlein auf und ab.
Ach Gott, wie das dem Schmetterling
So schmerzlich durch die Seele ging.
Doch was am meisten ihn entsetzt,
Das Allerschlimmste kam zuletzt
Ein alter Esel fraß die ganze
Von ihm so heiß geliebte Pflanze.

Wilhelm Busch

Klaus E. Daniel
31.05.2003, 20:49
Aus jeder Fíndung kann man das Beste für sich herausholen. Aber Borchert kann man nicht so übergehen, Nemesis.

Gruß (ich bin müde und klinke mich für heute aus)

K.E.D.

Nemesis
31.05.2003, 22:07
Original von Klaus E. Daniel
Aus jeder Fíndung kann man das Beste für sich herausholen. Aber Borchert kann man nicht so übergehen, Nemesis.Ich bin mit Borchert bisher in keinster Weise in Berührung gekommen und kann ihn daher nicht im geringsten Beurteilen ohne vorher Nachforschungen anzustellen. Deshalb muß ich den leichten Tadel von mir weisen, auch wenn Unwissenheit i.d.R. nicht vor Strafe schützt.

MFG
alexia

Klaus E. Daniel
01.06.2003, 12:09
Mit 17 sagte ich: Ich bin fast zwanzig.
Mit 39 gab ich an: Ich bin noch keine vierzig.
Mit 57 sage ich: Ich bin gut fünfzig.
Mit 80 werde ich angeben: Ich bin erst zwanzig mal vier.

Petrus Ceelen (*1943), belgischer Geistlicher und Psychotherapeut

Klaus E. Daniel
01.06.2003, 12:14
Rat, Nemesis, für Sie: Besorgen Sie sich "Draußen vor der Tür". Dann können wir mal per PN uns unterhalten

Gruß

Klaus E. Daniel

Edit: Namen. Peinlich, peinlich !

Nemesis
01.06.2003, 12:55
Original von Klaus E. Daniel
Rat, Nemisis, für Sie: Besorgen Sie sich "Draußen vor der Tür". Dann können wir mal per PN uns unterhaltenScheint interessant zu sein. Ich werde ihrem Rat folgen und mir dieses Buch zulegen. :)

Klaus E. Daniel
02.06.2003, 11:34
Hilf mir



Du siehst, der Wind hat sich gedreht,
Die falschen Freunde fortgeweht,
Und ihre Treue und ihre Versprechen.
Auf einmal ist es bitterkalt,
Und wieder brauch‘ ich deinen Halt,
Um nicht zu zweifeln, um nicht zu zerbrechen!

Hilf mir, grade zu steh‘n,
Hilf mir, die Wahrheit zu seh‘n,
Hilf mir, mich gegen den Strom zu dreh‘n,
Hilf mir, den schweren, den graden Weg zu geh‘n!
In einer Welt, in einer Zeit,
Wo Falschheit und Verlogenheit
Eitel blüh‘n und gedeih‘n an allen Enden,
Wo jeder eilig sein Wort bricht,
Im Augenblick, da er es spricht,
Um rasch den Mantel mit dem Wind zu wenden.

Du, die in meine Seele siehst,
Mich wie ein offenes Buch liest,
Die dunklen Seiten kennst in meinem Leben,
All meine Geheimnisse weißt,
Die du mir Rat und Klugheit leihst,
Wenn du mich liebst, hilf mir, nicht aufzugeben.




Reinhard Mey

Nemesis
02.06.2003, 12:05
ebenfalls von Reinhard Mey:



Verzeih

Ich habe meinen Weg verlor'n, ich habe mich verirrt,
vor lauter Lichtern nicht gesehn, daß es dunkel um mich wird.
Ich hab mich verstrickt, ich hab mich verfangen,
allein komm' ich nicht mehr frei.
Hilf mir, wieder zu dir zu gelangen.
Verzeih, bitte verzeih!

Ich habe dir Unrecht getan, ich habe dich verletzt,
ich habe so viel falsch gemacht, es tut mir so leid und jetzt,
jetzt steh ich vor dir und suche und ringe
Erklärungen herbei.
Doch alles, was ich 'rausbringe ist:
Verzeih, bitte verzeih!

Verzeih das Unverzeihliche, auch wenn nicht ein guter Grund für mich spricht.
Vergib das Unentschuldbare. Bitte, verlaß mich nicht.

Ich habe nichts, ich kann nichts mehr, bin gar nichts ohne dich.
Ich bin ganz unten, bin ganz wehrlos, ganz am Boden bin ich.
Ich habe nichts, um das Blatt zu wenden,
keinen Trick, keine Schönfärberei.
Ich bitte dich mit leeren Händen:
Verzeih, bitte verzeih!

Klaus E. Daniel
03.06.2003, 13:48
Weltlauf

Hat man viel, so wird man bald
Noch viel mehr dazu bekommen.
Wer nur wenig hat, dem wird
Auch das Wenige genommen.

Wenn du aber gar nichts hast,
Ach, so lasse dich begraben -
Denn ein Recht zum Leben, Lump,
Haben nur die, die etwas haben.

Heinrich Heine

Nemesis
03.06.2003, 15:34
Nur kein Ehrenamt

von Eugen Röller

Willst Du froh und glücklich leben,
laß kein Ehrenamt Dir geben.
Willst Du nicht zu früh ins Grab,
lehne jedes Amt glatt ab!

So ein Amt bringt niemals Ehre,
denn der Klatschsucht scharfe Schere
schneidet boshaft Dir - schnippschnapp -
Deine Ehre vielfach ab!

Viele Mühen, Sorgen, Plagen,
wieviel Ärger mußt Du tragen,
gibst viel Geld aus, opferst Zeit
- und der Lohn? Undankbarkeit!

Selbst Dein Ruf geht Dir verloren,
wirst beschmutzt vor Tür und Toren,
und es macht ihn oberfaul,
jedes ungewaschne Maul!

Ohne Amt lebst Du so friedlich,
und so ruhig und gemütlich,
wirst geachtet weit und breit!
Drum rat ich Dir im Treuen:

Willst Du Weib und Kind erfreuen,
soll Dein Kopf Dir nicht mehr brummen,
laß das Amt den andren Dummen.

Wäre mir das deutlich früher klar gewesen, so währe mir so manches erspart geblieben.

Klaus E. Daniel
04.06.2003, 10:33
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
Ein Birnbaum in seinem Garten stand,
Und kam die goldene Herbsteszeit
Und die Birnen leuchteten weit und breit,
Da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl,
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
Und kam in Pantinen ein Junge daher,
So rief er: »Junge, wiste 'ne Beer?«
Und kam ein Mädel, so rief er: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick hebb 'ne Birn.«

So ging es viel Jahre, bis lobesam
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
Er fühlte sein Ende. 's war Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und breit,
Da sagte von Ribbeck: »Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab.«
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
Trugen von Ribbeck sie hinaus,
Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
Sangen »Jesus meine Zuversicht«,
Und die Kinder klagten, das Herze schwer:
»He is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?«

Nemesis
04.06.2003, 12:24
Ich und Du

Wir träumten voneinander
Und sind davon erwacht.
Wir leben, um uns zu lieben,
Und sinken zurück in die Nacht.

Du tratst aus meinem Traume,
Aus deinem trat ich hervor,
Wir sterben, wenn sich Eines
Im andern ganz verlor.

Auf einer Lilie zittern
Zwei Tropfen, rein und rund,
Zerfließen in Eins und rollen
Hinab in des Kelches Grund.

Friedrich Hebbel

Klaus E. Daniel
04.06.2003, 13:23
Von Katzen

Vergangnen Maitag brachte meine Katze
Zur Welt sechs allerliebste kleine Kätzchen,
Maikätzchen, alle weiß mit schwarzen Schwänzchen.
Fürwahr, es war ein zierlich Wochenbettchen!
Die Köchin aber - Köchinnen sind grausam,
Und Menschlichkeit wächst nicht in einer Küche -,
Die wollte von den sechsen fünf ertränken,
Fünf weiße, schwarzgeschwänzte Maienkätzchen
Ermorden wollte dies verruchte Weib.
Ich half ihr heim! - Der Himmel segne
Mir meine Menschlichkeit! Die lieben Kätzchen,
Sie wuchsen auf und schritten binnen kurzem
Erhobnen Schwanzes über Hof und Herd;
Ja, wie die Köchin auch ingrimmig dreinsah,
Sie wuchsen auf, und nachts vor ihrem Fenster
Probierten sie die allerliebsten Stimmchen.
Ich aber, wie ich sie so wachsen sahe,
Ich pries mich selbst und meine Menschlichkeit. -
Ein Jahr ist um, und Katzen sind die Kätzchen,
Und Maitag ist's! - Wie soll ich es beschreiben,
Das Schauspiel, das sich jetzt vor mir entfaltet!
Mein ganzes Haus, vom Keller bis zum Giebel,
Ein jeder Winkel ist ein Wochenbettchen!
Hier liegt das eine, dort das andre Kätzchen,
In Schränken, Körben, unter Tisch und Treppen,
Die Alte gar - nein, es ist unaussprechlich -
Liegt in der Köchin jungfräulichem Bette!
Und jede, jede von den sieben Katzen
Hat sieben, denkt euch! sieben junge Kätzchen,
Maikätzchen, alle weiß mit schwarzen Schwänzchen!
Die Köchin rast, ich kann der blinden Wut
Nicht Schranken setzen dieses Frauenzimmers;
Ersäufen will sie alle neunundvierzig!
Mir selber! ach, mir läuft der Kopf davon -
O Menschlichkeit, wie soll ich dich bewahren!
Was fang ich an mit sechsundfunfzig Katzen!

Nemesis
04.06.2003, 14:33
An eine Katze

Mein edler Freund, ich bitte sehr:
Komm doch her,
Sitz neben mir und schau mich dann
Mit deinen lieben Augen an,
Mit Augen voller Glanz und Gold;
Dein Blick, er ist so treu und hold.
Dein wundervolles weiches Fell,
Schwarz und hell,
So seidig, üppig, voller Pracht,
Wie Wolkenhimmel in der Nacht
Belohnt die Hand, die dich liebkost,
Mit freundlicherem Glück und Trost.
Die Hunde freunden gern sich an
Mit jedermann.
Doch du, von lauterer Natur,
Liebst deine wahren Freunde nur,
Berührst mit deiner Pfote mich -
Ja, Lieber, ich verstehe dich.
Was geht wohl vor in deinem Geist -
Ach, wer weiß?
Wenig nur ist uns bekannt
Trotz unsrem Freundschaftsband.
Vielleicht ist's dem Menschen
nur vergönnt,
Daß er das Leben besser kennt.

Algernon Charles Swinburne


Sie ist der gute Geist in meiner Welt;
Sie richtet, herrscht
und sie flößt Leben ein
Den Dingen allen, die ihr Reich enthält;
Sie scheint ein Gott,
scheint eine Fee zu sein.

unbekannt

Klaus E. Daniel
05.06.2003, 10:01
Threnen des Vatterlandes/ Anno 1636

Wir sindt doch nuhmer gantz/ ja mehr den gantz verheret!
Der frechen völcker schaar/ die rasende posaun
Das vom blutt fette schwerdt/ die donnernde Carthaun
Hatt aller schweis/ vnd fleis/ vnd vorraht auff gezehret.
Die türme stehn in glutt/ die Kirch ist vmbgekehret.
Das Rahthaus ligt im graus/ die starcken sind zerhawn.
Die Jungfrawn sindt geschändt/ vnd wo wir hin nur schawn
Ist fewer/ pest/ vnd todt der hertz vndt geist durchfehret.
Hier durch die schantz vnd Stadt/ rint alzeit frisches blutt.
Dreymall sindt schon sechs jahr als vnser ströme flutt
Von so viel leichen schwer/ sich langsam fortgedrungen.
Doch schweig ich noch von dem was ärger als der todt.
Was grimmer den die pest/ vndt glutt vndt hungers noth

Gryphius: Threnen des Vatterlandes


Für nicht ganz sattelfeste: es geht um den 30jährigen Krieg.

Nemesis
05.06.2003, 10:28
Da das oben aufgeführte Gedicht nicht einfach zu lesen ist, stelle ich mal eine etwas angepaßte Version bereit:



Tränen des Vaterlands

Wir sind doch nunmehr ganz, ja mehr denn ganz verheeret!
Der frechen Völker Schar, die rasende Posaun
Das vom Blut fette Schwert, die donnernde Karthaun
Hat aller Schweiß, und Fleiß, und Vorrat aufgezehret.
Die Türme stehn in Glut, die Kirch' ist umgekehret.
Das Rathaus liegt im Graus, die Starken sind zerhaun,
Die Jungfern sind geschänd't, und wo wir hin nur schaun
Ist Feuer, Pest, und Tod, der Herz und Geist durchfähret.

Hier durch die Schanz und Stadt rinnt allzeit frisches Blut.
Dreimal sind schon sechs Jahr, als unser Ströme Flut
Von Leichen fast verstopft, sich langsam fort gedrungen .

Doch schweig ich noch von dem, was ärger als der Tod,
Was grimmer denn die Pest, und Glut und Hungersnot,
Dass auch der Seelen Schatz so vielen abgezwungen.

Andreas Gryphius

Andreas Gryphius wuchs im Dreißigjährigen Krieg auf.
Er war zwei Jahre alt, als er begann,
er war zweiunddreißig Jahre alt, als der Krieg endete...

Klaus E. Daniel
05.06.2003, 10:55
Danke Nemesis, für die Übertragung. Und vor allem für die Nachsätze. die wichtig sind. Hätte mir auch einfallen müssen.

Ich wollte nur mal die alte Sprache bringen, die auch noch zu dieser Zeit, also lange nach Martin Luther lebte.

Wir haben dien furchtbaren Krieg kulturell noch lange nicht überlebt. Vom Kulturstaat zum Bettelland.

K.E.D.

Nemesis
05.06.2003, 11:27
Der Friedensheld

Ganz unverhofft, an einem Hügel,
Sind sich begegnet Fuchs und Igel.
"Halt", rief der Fuchs, "du Bösewicht!
Kennst du des Königs Order nicht?

Ist nicht der Friede längst verkündigt,
Und weißt du nicht, daß jeder sündigt,
der immer noch gerüstet geht? -
Im Namen seiner Majestät,

Geh her und übergib dein Fell!"
Der Igel sprach: "Nur nicht so schnell!
Laß dir erst deine Zähne brechen,
Dann wollen wir uns weiter sprechen."

Und alsogleich macht er sich rund,
Schließt seinen dichten Stachelbund
Und trotzt getrost der ganzen Welt,
Bewaffnet, doch als Friedensheld.

Wilhelm Busch

Klaus E. Daniel
05.06.2003, 17:38
Es sagte der alte Menschenfresser und KLEINMÄDCHEN-Deflorierer. der große Steuermann:

"Alle Kriege, die dem Fortschritt dienen, sind gerecht, und alle Kriege, die den Fortschritt behindern, sind ungerecht."


Mao Tse-tung, 26.12.1893 bis 9.9.1976, chinesischer Politiker (KPCh),
Vorsitzender der VR China (Staatsoberhaupt) (1954 bis 1959).



Nun. er als Herrscher über ein Milliardenvolk, mußte es ja wissen ?...

K.E.D.

Nemesis
05.06.2003, 18:01
*falscher Strang*

Klaus E. Daniel
05.06.2003, 20:20
Warum. Stammt von ihm.

K.E.D.

Nemesis
05.06.2003, 20:24
Original von Klaus E. Daniel
Warum. Stammt von ihm.

K.E.D.Sollte eigentlich bedeuten, daß ich versehentlich meinen Beitrag im falschen Strang veröffentlicht und deshalb hier gelöscht hatte.

Zufälliger Weise trifft das aber auch auf ihren vorherigen Beitrag zu, weil wir uns hier im Gedichte-Strang befinden. ;)

Klaus E. Daniel
06.06.2003, 10:17
Bitte um Entschuldigung.

Gruß

K.E.D.

Nemesis
07.06.2003, 14:12
Die polyglotte Katze

Die Katze sitzt vorm Mauseloch,
in das die Maus vor kurzem kroch,
und denkt: »Da wart nicht lang ich,
die Maus, die fang ich!«

Die Maus jedoch spricht in dem Bau:
»Ich bin zwar klein, doch bin ich schlau!
Ich rühr mich nicht von hinnen,
ich bleibe drinnen!«

Da plötzlich hört sie — statt »miau« —
ein laut vernehmliches »wau-wau«
und lacht: »Die arme Katze,
der Hund, der hatse!

Jetzt muß sie aber schleunigst flitzen,
anstatt vor meinem Loch zu sitzen!«
Doch leider — nun, man ahnt's bereits —
war das ein Irrtum ihrerseits.

Denn als die Maus vors Loch hintritt —
es war nur ein ganz kleiner Schritt —
wird sie durch Katzenpfotenkraft
hinweggerafft! —

Danach wäscht sich die Katze die Pfote
und spricht mit der ihr eignen Note:
»Wie nützlich ist es dann und wann,
wenn man 'ne fremde Sprache kann...!«

Heinz Erhardt

Nemesis
08.06.2003, 12:13
IM GARTEN

Die hohen Himbeerwände
Trennten dich und mich,
Doch im Laubwerk unsre Hände
Fanden von selber sich.

Die Hecke konnt' es nicht wehren,
Wie hoch sie immer stund:
Ich reichte dir die Beeren,
Und du reichtest mir deinen Mund.

Ach, schrittest du durch den Garten
Noch einmal im raschen Gang,
Wie gerne wollt' ich warten,
Warten stundenlang.

Theodor Fontane

Klaus E. Daniel
08.06.2003, 12:50
Es gibt keinen Punkt,
an dem wir stehen bleiben könnten
und sagen:

Jetzt haben wir's.
So muß es sein.
So werden wir es immer machen!

Wir sind immer unterwegs.

Es gibt keinen Punkt,
an dem wir stehen bleiben könnten
und sagen:

Jetzt haben wir's.
So muß es sein.
So werden wir es immer machen!

Wir sind immer unterwegs.

Ingeborg Bachmann

Nemesis
08.06.2003, 14:01
Am Liepnitzsee

Leuchtend glühet im Abendglanz
Rings um den See der Buchen Kranz.

Ferne der Großstadt keuchender Last
hältst du, Natur, mich liebend umfaßt.

Schweigt nun, ihr Sorgen! Gehet zur Ruh!
Laubdach des Waldes, decke mich zu!

Abend, du milder, lulle mich ein;
Laß mich im Traum ein Kind wieder sein!

Laß mich rasten auf schwellendem Moos,
Wie einst vor Zeiten in Mütterchens Schoß,

Daß ich beruhigt, im Herzen das Glück,
Kehr' in den Kampf ums Dasein zurück!

Paul Wernicke - Berlin

Klaus E. Daniel
09.06.2003, 12:42
Wunder der Liebe

Glosse.

Mondbeglänzte Zaubernacht,
Die den Sinn gefangen hält,
Wundervolle Märchenwelt,
Steig' auf in der alten Pracht!

Liebe läßt sich suchen, finden,
Niemals lernen, oder lehren,
Wer da will die Flamm' entzünden
Ohne selbst zu verzehren,
Muß sich reinigen der Sünden.
Alles schläft, weil er noch wacht,
Wann der Stern der Liebe lacht,
Goldne Augen auf ihn blicken,
Schaut er trunken von Entzücken
Mondbeglänzte Zaubernacht.

Aber nie darf er erschrecken,
Wenn sich Wolken dunkel jagen,
Finsterniß die Sterne decken,
Kaum der Mond es noch will wagen,
Einen Schimmer zu erwecken.
Ewig steht der Liebe Zelt,
Von dem eignen Licht erhellt,


Tieck: Wunder der Liebe

Klaus E. Daniel
10.06.2003, 12:03
Es sitzt ein Vogel auf dem Leim,
Er flattert sehr und kann nicht heim.
Ein schwarzer Kater schleicht herzu,
Die Krallen scharf, die Augen gluh.
Am Baum hinauf und immer höher
Kommt er dem armen Vogel näher.

Der Vogel denkt: Weil das so ist
Und weil mich doch der Kater frißt,
So will ich keine Zeit verlieren,
Will noch ein wenig quinquilieren
Und lustig pfeifen wie zuvor.
Der Vogel, scheint mir, hat Humor.
W. Busch

Klaus E. Daniel
14.06.2003, 15:53
Mich düngt, hier muß wieder etwas rein.


Verfall

Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten,
Folg ich der Vögel wundervollen Flügen,
Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen,
Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.

Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten
Träum ich nach ihren helleren Geschicken
Und fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken.
So folg ich über Wolken ihren Fahrten.

Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern.
Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen.
Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern,

Indes wie blasser Kinder Todesreigen
Um dunkle Brunnenränder, die verwittern,
Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen.

Banned
15.06.2003, 13:31
Im Hinterhaus, im Fliesensaal
Über Urgroßmutters Tisch' und Bänke,
Über die alten Schatullen und Schränke
Wandelt der zitternde Mondenstrahl.
Vom Wald kommt der Wind
Und fährt an die Scheiben;
Und geschwind, geschwind
Schwatzt er ein Wort,
Und dann wieder fort
Zum Wald über Föhren und Eiben.

Da wird auch das alte verzauberte Holz
Da drinnen lebendig;
Wie sonst im Walde will es stolz
Die Kronen schütteln unbändig,
Mit den Ästen greifen hinaus in die Nacht,
Mit dem Sturm sich schaukeln in brausender Jagd,
Mit den Blättern in Übermut rauschen,
Beim Tanz im Flug
Durch Wolkenzug
Mit dem Mondlicht silberne Blicke tauschen.

Da müht sich der Lehnstuhl, die Arme zu recken,
Den Rokokofuß will das Kanapee strecken,
In der Kommode die Schubfächer drängen
Und wollen die rostigen Schlösser sprengen;
Der Eichschrank unter dem kleinen Troß
Steht da, ein finsterer Koloß.
Traumhaft regt er die Klauen an,
Ihm zuckt's in der verlornen Krone;
Doch bricht er nicht den schweren Bann. -
Und draußen pfeift ihm der Wind zum Hohne
Und fährt an die Läden und rüttelt mit Macht,
Bläst durch die Ritzen, grunzt und lacht,
Schmeißt die Fledermäuse, die kleinen Gespenster,
Klitschend gegen die rasselnden Fenster.
Die glupen dumm neugierig hinein -
Da drinn' steht voll der Mondenschein.

Aber droben im Haus
Im behaglichen Zimmer
Beim Sturmgebraus
Saßen und schwatzten die Alten noch immer,
Nicht hörend, wie drunten die Saaltür sprang,
Wie ein Klang war erwacht
Aus der einsamen Nacht,
Der schollernd drang
Über Trepp' und Gang,
Daß drin in der Kammer die Kinder mit Schrecken
Auffuhren und schlüpften unter die Decken.


Theodor Storm

Dies Gedicht, daher, weil mein Opa mir vorhin erzählte, dass er ihn "live" bei einer Vorlesung auf Wangerooge gesehen hat. Es war in einem HJ-Zeltlager.

Klaus E. Daniel
15.06.2003, 13:33
Herr Seydlitz auf dem Falben

Herr Seydlitz auf dem Falben
Sprengt an die Front heran,
Sein Aug' ist allenthalben,
Er mustert Roß und Mann,
Er reitet auf und nieder
Und blickt so lustig drein,
Da wissen's alle Glieder:
Heut wird ein Tanzen sein.

Noch weit sind die Franzosen;
Doch Seydlitz will zu Ball,
Die gelben Lederhosen,
Sie sitzen drum so prall;
Schwarz glänzen Hut und Krempe,
Im Sonnenschein zumal,
Und gar die blanke Plempe
Blitzt selbst wie Sonnenstrahl.

Sie brechen auf von Halle,
Die Tänzer allbereit,
Bis Gotha hin zu Balle
Ist freilich etwas weit.
Doch Seydlitz, vorwärts trabend,
Spricht: »Kinder, wohlgemut!

Ich denk', ein lust'ger Abend
Macht alles wieder gut.«

Die Nacht ist eingebrochen;
Zu Gotha, auf dem Schloß,
Welch Tanzen da und Kochen
In Saal und Erdgeschoß,
Die Tafel trägt das Beste
An Wein und Wild und Fisch -
Da, ungebetne Gäste
Führt Seydlitz an den Tisch.

Die Witz- und Wortspieljäger
Sind fort mit einem Satz,
Die Schwert- und Stulpenträger,
Sie nehmen hurtig Platz;
Herr Seydlitz bricht beim Zechen
Den Flaschen all' den Hals,
Man weiß, das Hälsebrechen
Verstund er allenfalls.

Getrunken und gegessen
Hat jeder, was ihm scheint,
Dann heißt es: »Aufgesessen
Und wieder nach dem Feind!«
Der möchte sich verschnaufen
Und hält bei Roßbach an,

Doch nur, um fortzulaufen
Mit neuen Kräften dann. -

Das waren Seydlitz' Späße;
Bei Zorndorf galt es Zorn,
Als ob's im Namen säße,
Nahm man sich da aufs Korn;
Das slawische Gelichter -
Herr Seydlitz hoffte traun
Noch menschliche Gesichter
Aus ihnen zuzuhaun.

Des Krieges Blutvergeuden,
Die Fürsten kriegten's satt;
Nur Seydlitz wenig Freuden
An ihrem Frieden hat;
Oft jagt er drum vom Morgen
Bis in die Nacht hinein,
Es können dann die Sorgen
So schnell nicht hinterdrein.

Er kam nicht hoch zu Jahren,
Früh trat herein der Tod:
Könnt' er zu Rosse fahren,
Da hätt's noch keine Not;
Doch auf dem Lager, balde
Hat ihn der Tod besiegt.

Fontane: Herr Seydlitz auf dem Falben



Entschuldigung, es ist etwas lang, ich hatte es bei Fontane nicht vermutet.

<--
17.06.2003, 18:43
Ernst Jandl - Vermeide dein Leben

du bist ein mensch, verwandt der ratte.
leugne gott.
beginne nichts, damit du nichts beenden mußt.
du hast dich nicht begonnen - du wurdest begonnen.
du verendest, ob du willst oder nicht.
glück ist: sich und die mutter bei der geburt zu töten.
eins nur suche: deinen baldigen schmerzfreien tod.
hilferufe beantworte durch taubheit.
benütze dein denken zum vergessen von allem.
liebe streiche aus deinem wörterbuch.
atme dich zu tode.

Klaus E. Daniel
18.06.2003, 11:30
Das ästhetische Wiesel

Ein Wiesel
saß auf einem Kiesel
inmitten Bachgeriesel.
Wißt ihr
weshalb?
Das Mondkalb
verriet es mir
im stillen:
Das raffinier-
te Tier
tat's um des Reimes willen.

Morgenstern



:-:

Klaus E. Daniel
21.06.2003, 11:47
Geschlecht stirbt.
Sippen sterben.
Du selbst stirbst wie sie.
Doch eins weiß ich, das ewig lebt:
Der Toten Tatenruhm.


Edda, 9. bis 13. Jh

<--
07.07.2003, 19:08
Lied des Selbstmörders

von Rainer Maria Rilke



Also noch einen Augenblick.
Daß sie mir immer wieder den Strick
zerschneiden.
Neulich war ich so gut bereit
Und es war schon ein wenig Ewigkeit
In meinen Eingeweiden.

Ich weiß, das Leben ist gar und gut
Und die Welt ist ein voller Topf,
aber mir geht es nicht ins Blut,
Mir steigt es nur zu Kopf.


Halten Sie mir den Löffel her,
diesen Löffel Leben.
Nein, ich will und ich will nicht mehr,
Laßt mich mich übergeben.

Andere nährt es, mich macht es krank;
begreift, daß man's verschmäht.
Mindestens ein Jahrtausend lang
Brauch ich jetzt Diät.

Klaus E. Daniel
11.07.2003, 10:51
Ein Pflasterstein,
Der war einmal
Und wurde viel beschritten.
Er schrie: ”Ich bin ein Mineral
Und muß mir ein für allemal
Dergleichen streng verbitten!“
Jedoch den Menschen fiel’s nicht ein,
Mit ihm sich zu befassen,
Denn Pflasterstein bleibt Pflasterstein
Und muß sich treten lassen.

Joachim Ringelnatz

Klaus E. Daniel
12.07.2003, 11:25
Überall ist Wunderland.
Überall ist Leben.
Bei meiner Tante im
Strumpfenband
Wie irgendwo daneben.
(Überall)

Joachim Ringelnatz

Klaus E. Daniel
14.07.2003, 11:50
Ein Gedicht von Hanns Dieter Hüsch *1925 in Moers, mit seiner Kunstfigur "Hagenbuch":




"Hagenbuch
Hat jetzt zugegeben
Daß er vor wenigen Tagen damit begonnen habe
Sich zu verabschieden
Um sich allerlei Kummer
Und einige Mühsal zu ersparen
Habe er die Stadt in Quartiere aufgeteilt
Und sei dann von außen nach innen vorgegangen
So daß er jetzt schon erklären könne
Daß er den Stadtrand schon hinter sich gebracht
Es sei auch alles viel leichter und schneller gegangen
Als er sich das Verabschieden immer vorgestellt habe
Menschen die er nicht angetroffen
Habe er einen Zettel unter die Tür geschoben
Mit den Worten:
Danke und viel Glück
Oder er habe dem Nachbarn schöne Grüße bestellt
Menschen die zwar die Tür geöffnet
Sich aber dann nicht mit ihm einlassen wollten
Habe er Glück und Ausdauer gewünscht
Den meisten aber
Habe er nochmal die Hand geben können
Dabei habe er jedesmal
Wohl über hunderttausendmal gesagt
Es war schön Sie zu treffen
Sie haben mir sehr geholfen".

Hüsch ist sehr krank.

Klaus E. Daniel
16.07.2003, 11:37
An die Herren Amtsgenossen

Nur unter uns! - Ganz leise!
Beileib' verratet's nicht:
Es ist nicht alles weise,
Was ein Professor spricht!
Es bleibe dieses Reimnis
Gestrenges Amtsgeheimnis!

Felix Dahn *)



* hatte ich auch nicht vermutet.

Klaus E. Daniel
19.07.2003, 12:30
-Doppelpostig.

Klaus E. Daniel
02.08.2003, 12:05
Ich aber, ich bitte um Entschuldigung dafür, daß ich eine Sprache schreibe anstelle von schlichten Zeichen, die fähig wären, Liebe zu erwecken.

Jean Cocteau

Klaus E. Daniel
02.08.2003, 14:37
Halten

Halten - das heißt
Nicht weiter - nicht näher - nicht einen Schritt
oder heißt Schritthalten
ein Versprechen - mein Wort
oder Rückschau

Halten - dich
mich zurück - den Atem an - mich an dich
dich fest
aber nicht
dir etwas vorenthalten

Halten - dich in den Armen
in Gedanken - im Traum - im Wachen
Dich hochhalten
gegen das Dunkel
des Abends - der Zeit - der Angst

Halten - dein Haar mit zwei Fingern
deine Schultern - dein Knie - deinen Fuß
Sonst nichts mehr halten
keinen Trumpf - keine Reden
keinen Stecken und Stab
und keine Münze im Mund

Erich Fried

Klaus E. Daniel
22.08.2003, 12:10
Hiermit erkläre ich öffentlich meinen Rücktritt vom Erwachsensein.

Ich habe beschlossen, die Bedürfnisse einer Sechsjährigen zu leben.
Ich möchte zu McDonalds gehen und denken, es handle sich um ein Viersternerestaurant.
Ich möchte kleine Stöckchen über eine frische Lehmpfütze segeln lassen und kleine Wellen mit Steinchen machen.
Ich möchte denken, daß Smarties besser sind als Geld, weil man sie essen kann.
Ich möchte unter einer großen Eiche liegen und an einem heißen Sommertag mit meinen Freunden einen Limonadenverkauf betreiben.

Ich möchte zu einer Zeit zurückkehren, als das Leben einfach war.
Als alles, was ich kannte, Farben, Rechentafeln und einfache Schlaflieder waren, was mich nicht gestört hat, weil ich nicht wußte, was ich nicht wußte, und darüber auch nicht besorgt war.
Was ist mit der Zeit geschehen, zu der wir glaubten, das Schlimmste, was uns passieren könnte, wäre, daß uns jemand unser Springseil wegnimmt und uns als Letzten in die Handballmannschaft wählt?
Ich möchte wieder einfach leben.

Ich möchte nicht, daß meine Tage aus Computerabstürzen, Bergen von Akten und deprimierenden Nachrichten bestehen.
Ich möchte an die Kraft eines Lächelns, einer Umarmung, eines netten Wortes glauben, an Wahrheit, Frieden, Träume, und an die Kraft, die davon ausgeht, im Liegen Rauschgoldengeln in den frischen Schnee zu formen.
Ich möchte wieder sechs sein.

Aus dem Internet.

Und ich mache es doch (noch) nicht. Jedenfalls, solange ich noch sehen kann.

KED

Klaus E. Daniel
25.08.2003, 11:39
Zur Beichte ging mit frommen Blick,
der junge Bauer Dominik.
Jedoch der Pater Quadrian
im Beichtstuhl war ein strenger Mann.
Und wer zu ihm zur Beichte kam
und den er ins Examen nahm,
dem stellte er gar viele Fragen,
wenn er nicht wollte alles sagen.
Und selbst wenn er nichts hatt' verbrochen,
er wurde nicht gleich losgesprochen.
Zu Dominik sprach er: "Mein Kind,
ich weiß, daß alle sündhaft sind.
Doch du, du hast es arg getrieben,
weil dich fast alle Mädchen lieben.
Drum sag' mir deine Sünden an -
du unglücksel'ger, junger Mann."
Da sprach der Bauernbursch verschämt:
"Wenn ihr mir's nur nicht übelnehmt,
dann will ich euch ja nichts verhehlen,
von Eurer Köchin was erzählen.
Ich ging einst abends spät zu ihr
und klopfte an die Küchentür,
da kam sie freudevoll heraus,
wir gingen in das Gartenhaus
und saßen dort auf jener Bank, die Ihr gemacht,
wohl eine ganze lange Nacht.
Ihr wißt schon, unter'm Apfelbaum,
wir saßen dort als wie im Traum.
Und endlich kam die Trennungsstunde
und auch ein Kuß von ihrem Munde.
Denn wie es ja gewöhnlich ist,
beim Abschied wird doch stets geküßt,
doch Eure Köchin, die war dumm,
die fiel beim Küssen langsam um.
Dann aber hielt sie mich noch lange,
herrje, mir wurde schon ganz bange,
ich wußte gar nicht, was sie wollte
und was ich mit ihr machen sollte."
"Wie", rief der Pater voller Beben,
"die Köchin hat sich dir ergeben
und du hast dort in jener Nacht
dein Bubenstück an ihr vollbracht?
So höre nun was ich dir sage:
Du darfst mir jetzt durch 100 Tage
kein Fleisch und auch kein Bier genießen
und nicht ein einzig Mädchen küssen.
Ist dann vorüber diese Zeit
und hast du alles tief bereut,
durch strenges Fasten und durch Beten,
dann sollst du wieder vor mich treten."
Der Bauernsohn ging traurig fort
und dachte oft an dieses Wort:
"Du darfst kein Fleisch, kein Bier genießen
und nicht ein einzig Mädchen küssen."
Und qualvoll strich die Zeit dahin.
So stand er meist mit trüben Sinn
ganz einsam an dem Klostergarten
und wollte auf den Nachbarn warten.
Da kam zu ihm die Priorin
und sprach mit liebevollem Sinn:
"Dominik, ihr seid ein lustiger Geselle,
kommt, geht mit mir in meine Zelle.
Kommt, ich verriegele die Tür
und ihr bleibt heute Nacht bei mir."
"Ich darf kein Fleisch, kein Bier genießen
und nicht ein einzig Mädchen küssen."
Da sprach das Nönnlein: "Kommt nur rein,
ich hab' kein Bier, ich geb' euch Wein,
und wenn ihr dürft kein Mädchen küssen -
nun ja, ihr müßt doch selber wissen,
ich bin kein Mädchen, nicht mein Bester,(?)
ich bin doch eine heil'ge Schwester."
Und das begriff der Bursche schon,
denn unser junger Bauernsohn
der war doch auch von Fleisch und Bein,
er dachte sich - ein Gläschen Wein
und eine hübsche Nonne küssen,
das könntest du doch auch genießen. -
Kurzum, er machte was sie wollte,
und sie, sie machte, was sie sollte.
Sie schlichen sich zur Zelle beide
und leerten da den Kelch der Freude
bis auf den letzten Tropfen aus,
des morgens ließ sie ihn heraus.
Nun dachte Dominik mit Zagen,
was wird der gute Pater sagen.
Die 100 Tage war'n vorbei
und Dominik ging wortgetreu
zum zweitenmal mit frommen Sinn
zur Beichte zum Herrn Pater hin.
Und als der Pater ihn gefragt:
"Hast du gelebt, wie ich gesagt?"
Sprach Dominik: "Ihr müßt verzeih'n,
ich trank kein Bier, ich trank nur Wein,
und hab' mit wahrer Götterwonne,
bei einer jungen Klosternonne
fast eine ganze lange Nacht,
in Lust und Liebe zugebracht!"
Der Pater fiel beinah' vom Stuhl:
"Du bist verdammt zum Höllenpfuhl,
wie kannst du so die Kirche lästern,
die Nonnen sind doch Christi Schwestern,
die Nonnen sind Gottes Töchterlein,
du mußt ein Kind des Teufels sein."
Da rief der Bauernbursch voll Lust:
"Ach, hätt' ich das doch gleich gewußt,
wenn die Nonnen Christi Schwestern sind,
dann bin ich ja ein gutes Kind,
was hung're ich mich da so mager -
da ist ja Christus gar mein Schwager,
und sind sie Gottes Töchterlein,
dann wird mir Gott schon selbst verzeih'n -
dann brauch' ich euch nicht mehr Herr Pater -
dann ist ja Gott mein Schwiegervater!"

Gefunden von Ingrid Lepp

Klaus E. Daniel
28.08.2003, 09:54
Was haltet Ihr davon:


Da gab's ein Gerede, man weiß nicht wie,
das nennt man eine Akademie
(Goethe, Seance)
Da gibt's viel Gerede, Geschwafel, Lament
das nennt man dann ein Parlament!

Willy Meurer
(*1934), deutsch-kanadischer Kaufmann, Aphoristiker und Publizist, M.H.R. (Member of the Human Race), Toronto

Klaus E. Daniel
30.08.2003, 12:26
Es ist ein neues lyrisches Buch von Günter Grass erschienen, aus dem ich demnächst manchmal zitieren werde. Grass halte ich als Lyriker besser als ein Literat.

Jetzt aus zwei Buchen.



Die Stämme glatt und nah.
daß gerad ein Luftzug
die Haut noch streichelt.
Erst im Geäst sind sie behende,
nackt winterlich verzweigt
vor leergeräumten Himmel.
.
.
.
Zwei Buchen tanzen auf der Stelle.

Wer ist schon mal bewußt durch einen Buchenwald gelaufen. den Wald der "Gotik"?

Mithrandir
30.08.2003, 14:32
Kleine Aster

Ein ersoffener Bierfahrer wurde auf den Tisch gestemmt.
Irgendeiner hatte ihm eine dunkelhelllila Aster
zwischen die Zähne geklemmt.
Als ich von der Brust aus
unter der Haut
mit einem langen Messer
Zunge und Gaumen herausschnitt,
muss ich sie angestoßen haben, denn sie glitt
in das nebenliegende Gehirn.
Ich packte sie ihm in die Brusthöhle
zwischen die Holzwolle,
als man zunähte.
Trinke dich satt in deiner Vase!
Ruhe sanft,
kleine Aster!

Gottfried Benn

Klaus E. Daniel
31.08.2003, 12:47
Dunkel war's, der Mond schien helle,
Schnee lag auf der grünen Flur,
als ein Auto blitzeschnelle
langsam um die Ecke fuhr.
Drinnen saßen stehend Leute,
schweigend ins Gespräch vertieft,
als ein totgeschossner Hase
auf der Sandbank Schlittschuh lief.

Auf einer roten Bank,
die blau angestrichen war,
saß ein blondgelockter Jüngling
mit kohlrabenschwarzem Haar.
Neben ihm ´ne alte Schrulle,
die kaum erst sechzehn war.
Diese aß ´ne Butterstulle,
die mit Schmalz bestrichen war.

Droben auf dem Apfelbaume,
der sehr süße Birnen trug,
hing des Frühlings letzte Pflaume
und an Nüssen noch genug.

Eine Kuh, die saß im Schwalbennest
mit sieben jungen Ziegen,
die feierten ihr Jubelfest
und fingen an zu fliegen.
Der Esel zog Pantoffel an,
ist übers Haus geflogen,
und wenn das nicht die Wahrheit ist,
so ist es doch gelogen.

Joachim Ringelnatz
(1883 - 1934).

Klaus E. Daniel
31.08.2003, 12:57
Intermezzo

Wo ich bin, mich rings umdunkelt
Finsternis, so dumpf und dicht,
seit mir nicht mehr leuchtend funkelt,
Liebste, deiner Augen Licht.
Mir erloschen ist der süßen
Liebessterne goldne Pracht,
Abgrund gähnt zu meinen Füßen -
nimm mich auf, uralte Nacht!

Heinrich Heine

Klaus E. Daniel
02.09.2003, 15:31
Der Führer wird euch erzählen: Der Krieg
Dauert vier Wochen. Wenn der
Herbst kommt
Werdet ihr zurück sein. Aber
Der Herbst wird kommen und
gehen
Und wieder kommen und gehen viele Male ...

Bertolt Brecht (aus 1936)

Klaus E. Daniel
05.09.2003, 12:37
Ein Mensch erblickt das Licht der Welt,
doch irgendwann hat sich herausgestellt,
nach manchem mühevoll verbrachten Jahr,
daß das sein einz’ger Lichtblick war.

Eugen Roth

Klaus E. Daniel
06.09.2003, 12:09
An der "übergrossen Zahl der Beiträge folgere ich



Worüber man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.
(Tractatus logico-philosophicus)

Ludwig Wittgenstein, 29.4.1951, österreichischer
Philosoph.

Ruediger
07.09.2003, 22:03
Eigendlich der Refrain eines Liedes.
Es passt so gut in unsere Zeit. Aber da die Menschen immer schon die gleichen Fehler gemacht haben, sind solche Weisheiten Zeitlos.

Die weißen Tauben sind müde

Sie fliegen lange schon nicht mehr

Sie haben viel zu schwere Flügel

Und ihre Schnäbel sind längst leer

Jedoch die Falken fliegen weiter

Sie sind so stark wie nie vorher

Und ihre Flügel werden breiter

Und täglich kommen immer mehr

Nur weiße Tauben fliegen nicht mehr



Der Name des Sängers war Hans Hartz
Gruß, Rüdiger

Klaus E. Daniel
08.09.2003, 14:45
Folgenschwere Verwechslung

Der Hinz und der Kunz
sind rechte Toren.
Lauschen offenen Munds,
statt mit offenen Ohren!

Erich Kästner

<--
08.09.2003, 16:34
Original von Ruediger
Eigendlich der Refrain eines Liedes.
Es passt so gut in unsere Zeit. Aber da die Menschen immer schon die gleichen Fehler gemacht haben, sind solche Weisheiten Zeitlos.

Die weißen Tauben sind müde

Sie fliegen lange schon nicht mehr

Sie haben viel zu schwere Flügel

Und ihre Schnäbel sind längst leer

Jedoch die Falken fliegen weiter

Sie sind so stark wie nie vorher

Und ihre Flügel werden breiter

Und täglich kommen immer mehr

Nur weiße Tauben fliegen nicht mehr



Der Name des Sängers war Hans Hartz

Ich bin ja auch echt für Frieden und so und ich fände es sehr schön, wenn die Welt friedlich wäre, aber ich frage mich, ob es einen Unterschied macht, wer gerade stark ist. In Bezug auf das Gedicht ob die Tauben oder die Falken stark sind. ;(

Klaus
10.09.2003, 13:39
__________________________________________________ ____
Ich bin ja auch echt für Frieden und so und ich fände es sehr schön, wenn die Welt friedlich wäre, aber ich frage mich, ob es einen Unterschied macht, wer gerade stark ist. In Bezug auf das Gedicht ob die Tauben oder die Falken stark sind.
__________________________________________________ ____

Ich denke, dass es für die Menschen beispielsweise im Irak durchaus einen spürbaren Unterschied macht, ob die Tauben oder die Falken stark sind.

Klaus E. Daniel
10.09.2003, 17:32
Es ist nicht meine Sprache, aber habe es im Grunde amüsant gefunden, als ich es meinem Zettelkasten anvertraute:



Eine Firmenorganisation ist wie ein Baum voller Affen, alle auf verschiedenen Zweigen auf verschiedenen Ebenen, einige klettern rauf, einige albern herum, andere sind schlicht müßig. Die Affen zuoberst sehen hinunter und sehen einen Baum voller lächelnder Gesichter. Die Affen zuunterst schauen hinauf und sehen nichts als Arschlöcher.

Corporate Organization

A corporate organization is like a tree full of monkeys, all on different limbs at different levels, some climbing up, some fooling around, some simply just idling. The monkeys on top look down and see a tree full of smiling faces. The monkeys on the bottom look up and see nothing but assholes.

Verfasser unbekannt

Klaus E. Daniel
21.09.2003, 12:59
Der Mensch möchte Fisch sein und Vogel,
die Schlange hätte gerne Schwingen,
der Hund ist ein fehlgeleiteter Löwe,
der Ingenieur wäre lieber Dichter,
die Fliege übt den Flug der Schwalbe,
der Dichter eifert nach der Fliege,
nur die Katze will nichts als Katze sein.

Pablo Neruda
(1904 - 1973), chilenischer Lyriker, Literaturnobelpreis 1971

Klaus E. Daniel
23.09.2003, 10:31
Während Goethe Hunde nicht ausstehen konnte, Schopenhauer:




Daß mir der Hund das Liebste ist,
sagst Du oh Mensch sei Sünde,
doch der Hund bleibt mir im Sturme treu,
der Mensch nicht mal im Winde.

Arthur Schopenhauer

Klaus E. Daniel
28.09.2003, 13:46
Einst werden sie sagen

Einst werden sie sagen: der alte Zuck.
Der lebte in wendischen Zeiten.
Oft gings ihm herrlich, oft war er im Druck -
Bald im Wolkenflug, bald in Schneckenzug -
So schweift er im Engen und Weiten -
Sah die Welt von verschiedenen Seiten.
Auch war er, so heißt es. recht häufig bezecht.
Ja, sag ich im Grabe, da habt ihr recht.

Die Welt, wird man sagen, war damals noch dumm.
Und ohne methodische Leitung.
Man schlug sich um Rohstoff und Märkte herum,
Man brachte einander zu Tausenden um,
Und keiner wußte so richtig herum -
Das erfuhr man erst aus der Zeitung.

Carl Zuckmeier, aus dem Nachlaß, wohl meistgespieltes Schauspiel nach dem Kriege "Des Teufels General". Vor dem Kriege in die USA unter Verlust von allem. Nach dem Kriege in der Schweiz. Freund von Theodor Heuß.



Die Einrückung der 2 Zeilen "Auch war er .. läßt sich nicht darstellen.

KED

Der Schakal
30.09.2003, 21:55
O ihr Wissenden
wusstet ihr, dass Hunger die Augen glänzen lässt
dass Durst sie trübt
O ihr Wissenden
wusstet ihr, dass man seine Mutter tot sehen und keine
Tränen haben kann
O ihr Wissenden
wusstet ihr, dass man morgens sterben will und abends
Angst hat
O ihr Wissenden
wusstet ihr, dass ein Tag länger dauert als ein Jahr
eine Minute länger als ein Leben
O ihr Wissenden
wusstet ihr, dass Beine zerbrechlicher sind als Augen
Nerven härter als Knochen
das Herz widerstandsfähiger als Stahl
Wusstet ihr, dass die Steine am Weg nicht weinen,
dass es nur ein Wort für Entsetzen gibt
nur ein Wort für Angst
Wusstet ihr, dass das Leiden keine Schranke kennt
der Schrecken keine Grenze

Wusstet ihr es
ihr Wissenden

Klaus E. Daniel
02.10.2003, 11:24
Der Werwolf

Ein Werwolf eines Nachts entwich
von Weib und Kind und sich begab
an eines Dorfschullehrers Grab
und bat ihn: "Bitte, beuge mich!"

Der Dorfschulmeister stieg hinauf
auf seines Blechschilds Messingknauf
und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
geduldig kreuzte vor dem Toten:

"Der Werwolf", sprach der gute Mann,
des Werwolfs, Genetiv sodann,
dem Wemwolf, Dativ wie mans nennt.
den Wenwolf, - damit hats ein End."

Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,
er rollte seine Augenbälle.
"Indessen", bat er, "füge doch
zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!"

Der Dorfschulmeister aber mußte
gestehn, daß er er von ihr nichts wußte.
Zwar Wölfe gäbe es in großer Schar,
doch "Wer" gäbe es nur im Singular.

Der Wolf erhob sich tränenblind -
er hatte ja noch Weib und Kind !!
Doch da er kein Gelehrter eben,
schied er dankend und ergeben.

Christian Morgenstern
(1871 - 1914)

Klaus E. Daniel
05.10.2003, 14:33
Schade, daß du gehen mußt



Schade, daß du gehen mußt, lang vor deiner Zeit,
So wie ich die Dinge seh‘, tut‘s dir selbst schon leid.
Einfach so hinauszugeh‘n, hast du mal bedacht,
Was dein Fortgeh‘n uns, mein Freund, für einen Kummer macht.

Hier liegt deine Pfeife noch und dein Tabakstopf,
Daß du nicht mehr rauchen sollst, geht nicht in meinen Kopf.
Hier steht noch dein Birnenschnaps, den ich mir jetzt eingieß‘,
Dir zum Gruß der keinen Schluck im Glas verkommen ließ.

Schade, daß du gehen mußt, ausgerechnet heut‘,
Dabei hättest du dich so an dem Bild erfreut.
Wie die Freunde um dich steh‘n, und wie sie verstört
Witzchen machen, damit man keinen sich schneuzen hört.

Allen hast du das vererbt, was bei dir rumstand,
Deine Schätze eingetauscht für eine handvoll Sand.
Geige, Bücher, Bilder, Kram und dein Lieblingsglas.
Bloß das Erben macht uns heut‘ doch keinen rechten Spaß.

Schade, daß du gehen mußt vor der Erdbeer-Zeit.
Auch dein Most vom vor‘gen Jahr wäre bald so weit.
Du, der heute den noch siehst, der uns‘re Wege lenkt.
Frag‘ ihn unverbindlich mal, was er sich dabei denkt.

Sicher geht es dir bei ihm eher recht als schlecht.
Sicher sucht er grade wen, der dort mit ihm zecht.
Hoch auf deiner Wolkenbank bei Tabak und Wein,
Leg zwischen zwei Flaschen mal ein Wort für uns mit ein.

Reinhard Mey

pavement
06.10.2003, 02:12
Da regen sich die Menschen auf, weil ich
mit einem Mädchen geh, das sich vom Strich
ernährt und meine Wenigkeit dazu.
Ich hab die kleine Kröte schrecklich gern,
bürste ihr die Kleider, putz ihr auch die Schuh,
damit die Offiziers und Kammerherrn
sich wie im Himmel fühlen,
in dem Bordell, in dem wir beide wohnen.

Ich bleibe immer vornehm und diskret
und warte, bis die Kundschaft wieder geht,
dann zähl ich schnell die blanken Taler nach,
und wehe dir Margot,
wenn einer fehlt ...
Zuweilen wird auch einer abgekehlt,
weil er sich heimlich drücken wollte
aus dem Bordell, in dem wir beide wohnen.

Mitunter nag ich auch am Hungertuch
bei meinem fetten Schwan, weil der Besuch
ins Stocken kam. Natürlich hat sie Schuld
und muß gleich Wäsche, Schmuck und Seidenkleid
versetzen gehen. Mein Gott, die schöne Huld
hört auf, hat man kein Geld zur rechten Zeit,
Ich muß ihr oft den Arsch versohlen
in dem Bordell, in dem wir beide wohnen.

Dann gibt sie endlich Ruh und lacht und läßt ein Fürzchen
und lockert schnell ihr enges Miederchen
und nennt mich "Lieber Schatz" und löst ihr Schürzchen
Dann schlafen wir. Und beim Erwachen
legt sich die dicke Sau mit ihrer ganzen Last auf mich
Ah, daß sie das Kind nicht tötet, das sie trägt.
Ich werde glatt wie ein Gedankenstrich.
Dann macht sie's mir, daß mir die Ohren sausen
in dem Bordell, in dem wir beide hausen.

Jetzt merkt es euch, ihr Herren, wenn ihr für eine Nacht
ein Mädchen sucht, das alles mit euch macht,
dann seid ihr uns willkommen
in dem Bordell, in dem wir beide wohnen.

francois villon, übersetzt von paul zech, nachgedichtet von klaus kinski.

Klaus E. Daniel
12.10.2003, 15:21
Das Fest ist jetzt zu Ende.
Unsere Spieler, wie ich euch sagte, waren Geister
Und sind aufgelöst in Luft, in dünne Luft.
Wie dieses Scheines lockrer Bau
So werden die wolkenhohen Türme, die Paläste,
Die hehren Tempel, selbst der große Ball.
Ja, was nur Teil hat, untergehn,
Und, wie dieses leere Schaugepräng erblaßt,
Spurlos verschwinden.
Wir sind solcher Stoff wie der zum Träumen,
Unser kleines Leben umfaßt ein Schlaf,-
Ich bin gereizt, Herr
Habt Geduld mit mir. Mein alter Kopf ist schwindlicht.
Seid wegen meiner Schwäche nicht besorgt.

William Shakespeare

Klaus E. Daniel
18.10.2003, 18:22
Sorry, Poor Old Germany

Auf den Müll, Ihr Bücher! die ihr
Lang schon nicht mehr up to date
Dick und deutsch im Bücherschrank hier
Zwischen meinen paperbacks steht!
Deine Räuber sind längst killer,
Wilhelm Tell greift zur emm-pee.
Sorry for you, Freddy Schiller,
Sorry, poor old Germany!

Auch der Götz hat nachgelassen:
Wenn der heute flucht und schwört,
Bringt er's nur noch zu 'nem blassen
Ordinär'n four-letter word.
Werther ersäuft seine Nöte,
Faust sitzt in der Psychiatrie.
Sorry for you, Johnny Goethe,
Sorry, poor old Germany!

Mann, könntest Du die Urenkel
Des Ribbek auf Ribbek im Havelland seh'n!
Da öffnen sich Dir die Senkel,
Mein lieber Theo Fontane!
Ribbeks Birnbaum ist längst Asche,
Und der gutmüt'ge einstige Kinderfreund
Füllt als dealer sich die Tasche:
"Come here, baby! Willst'n joint?"

Weiß nicht, was soll es bedeuten,
Deine Worte sterben aus,
Sind nicht mehr in bei den Leuten,
Jetzt spricht alles wie die Mickymaus.
Loreley rettet alleine
Haar-Spray-Werbung im tee-vee.
Sorry for you, Henry Heine,
Sorry, poor old Germany!

Schade für uns, wie ich meine.
Sorry, dear old Germany!

Aufklärer
19.10.2003, 17:55
Im deutschen November

Dies ist der Herbst: der - bricht dir noch das Herz!
Fliege fort! fliege fort! -
Die Sonne schleicht zum Berg
Und steigt und steigt
und ruht bei jedem Schritt.
Was ward die Welt so welk!
Auf müd gespannten Fäden spielt
Der Wind sein Lied.
Die Hoffnung floh -
Er klagt ihr nach.

Dies ist der Herbst: der - bricht dir noch das Herz.
Fliege fort! fliege fort!
Oh Frucht des Baums,
Du zitterst, fällst?
Welch ein Geheimnis lehrte dich
Die Nacht,
Daß eis'ger Schauder deine Wange,
Die purpur-Wange deckt? -

Du schweigst, antwortest nicht?
Wer redet noch? - -

Dies ist der Herbst: der - bricht dir noch das Herz.
Fliege fort! fliege fort! -
"Ich bin nicht schön
- so spricht die Sternenblume -
Doch Menschen lieb' ich
Und Menschen tröst' ich -
sie sollen jetzt noch Blumen sehn,
nach mir sich bücken
ach! und mich brechen -
in ihrem Auge glänzet dann
Erinnerung auf,
Erinnerung an Schöneres als ich: -
- ich seh's, ich seh's - und sterbe so. -

Dies ist der Herbst: der - bricht dir noch das Herz!
Fliege fort! fliege fort!

Aufklärer
19.10.2003, 17:58
1. Ich bin ein deutscher Knabe
Und hab' die Heimat lieb,
Wo Gott in allen Gauen
Den Gnadenbrief uns schrieb;
Der Täler und der Auen Pracht,
Die zieht mich an mit Zaubermacht.
Ich bin ein deutscher Knabe
Und hab' die Heimat lieb.
Hal li, hal li, hal li, hal li o, hal li o!

2. Ich bin ein deutscher Knabe
Und liebe Lust und Scherz;
Ins heit're Land der Deutschen
Paßt nicht ein finst'res Herz,
Paßt nicht zum deutschen Jubelsang
Und nicht zum Herdenglockenklang.
Ich bin ein deutscher Knabe
Und liebe Lust und Scherz;
Hal li, hal li, hal li, hal li o, hal li o!


3. Ich bin ein deutscher Knabe,
Bin allen Menschen gut,
Es liegt die Herzensgüte
Ja schon im deutschen Blut.
Wie wäre sonst von nah und fern
Im deutschen Lande man sonst gern?
Ich bin ein deutscher Knabe,
Bin allen Menschen gut,
Hal li, hal li, hal li, hal li o, hal li o!

Dieses Lied diente als Vorbild für einige spätere Gedichte.

Aufklärer
19.10.2003, 18:05
Die schlesischen Weber

Im düstern Auge keine Träne
Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:
Deutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch -
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten
In Winterskälte und Hungersnöten;
Wir haben vergebens gehofft und geharrt,
Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt -
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,
Den unser Elend nicht konnte erweichen
Der den letzten Groschen von uns erpreßt
Und uns wie Hunde erschiessen läßt -
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem falschen Vaterlande,
Wir nur gedeihen Schmach und Schande,
Wo jede Blume früh geknickt,
Wo Fäulnis und Moder den Wurm erquickt -
Wir weben, wir weben!

Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,
Wir weben emsig Tag und Nacht -
Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch,
Wir weben, wir weben!

Klaus E. Daniel
19.10.2003, 18:13
Sie, ausgerechnet Sie, wollen von Heine etwas verstehen.

Nun denn.

pavement
20.10.2003, 01:03
lol, jetzt reichts - aufklärer zitiert heinrich heine, einen meiner lieblingsdichter. wo soll das noch hinführen.

hier noch ein vierzeiler vom frühen goethe:

erinnerung

Willst du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen,
Denn das Glück ist immer da.

pavement
20.10.2003, 01:04
und was muss ich sehen? nietzsche wird auch noch von ihm zietiert.

Aufklärer
20.10.2003, 01:56
:rolleyes: mhh na ja.. Addi hat soweit ich weiß keine Gedichte verfasst... :D

pavement
20.10.2003, 02:04
und wenn man mal "mein kampf" gelesen hat, dann kann man gott nur dafür danken, dass dieser miserable literat nicht auch noch gedichte geschrieben hat.

Klaus E. Daniel
20.10.2003, 14:39
Postkartenmaler, verhinderter Architekt.

Aber das gehört hier eigentlich nicht rein.

KED

pavement
20.10.2003, 18:33
Brecht nannte ihn den "Anstreicher.

Klaus E. Daniel
21.10.2003, 10:24
Bevor ich mit den Wölfen heule,
Werd‘ ich lieber harzig, warzig grau,
Verwandele ich mich in eine Eule
Oder vielleicht in eine graue Sau.
Ich laufe nicht mit dem Rudel,
Ich schwimme nicht mit im Strudel,
Ich hab‘ noch nie auf Befehl gebellt.
Ich lasse mich nicht verhunzen,
Ich will nach Belieben grunzen,
Im Alleingang, wie es mir gefällt!
Ich will in keinem Haufen raufen,
Laß mich mit keinem Verein ein!

Rechnet nicht mit mir beim Fahnenschwenken,
Ganz gleich, welcher Farbe sie auch sein‘n.
Ich bin noch imstand‘, allein zu denken,
Und verkneif‘ mir das Parolenschrei‘n.
Und mir fehlt, um öde Phrasen,
Abgedroschen, aufgeblasen,
Nachzubeten jede Spur von Lust.
Und es paßt, was ich mir denke,
Auch wenn ich mich sehr beschränke,
Nicht auf einen Knopf an meiner Brust!
Ich will in keinem Haufen raufen,
Laß mich mit keinem Verein ein!

Bevor ich trommle und im Marschtakt singe
Und blökend mit den Schafen mitmarschier‘,
Gescheh‘n noch viele ungescheh‘ne Dinge,
Wenn ich mir je gefall‘ als Herdentier.
Und so nehm‘ ich zur Devise
Keine andere als diese:
Wo schon zwei sind, kann kein dritter sein.
Ich sing‘ weiter ad libitum,
Ich marschier‘ verkehrt herum,
Und ich lieb‘ dich weiterhin allein!
Ich will in keinem Haufen raufen,
Laß mich mit keinem Verein ein!
Erinnert euch daran: Sie waren zwölfe:
Den dreizehnten, den haben sie eiskalt
Verraten und verhökert an die Wölfe.
Man merke: Im Verein wird keiner alt!
Worum es geht, ist mir schnuppe:
Mehr als zwei sind eine Gruppe.
Jeder dritte hat ein andres Ziel,
Der nagelt mit Engelsmiene
Beiden ein Ei auf die Schiene!
Nein, bei drei‘n ist stets einer zuviel!
Ich will in keinem Haufen raufen,
Laß mich mit keinem Verein ein!"

Reinhard Mey

pavement
22.10.2003, 01:50
Über den Weihern und über den Talen,
Den Bergen, den Wäldern, den Wolken, der Flut,
Jenseits des Äthers, des Sonne in Glut,
Jenseits der Sphären, wo Sterne erstrahlen

Bewegst, du mein Geist, dich in Leichtigkeit
Und, wie einer träumt auf dem Rücken der Wogen,
Kommst froh durch unmeßbare Tiefen gezogen
In unsagbarer Lust du und Männlichkeit.

O flihe nur ferne der fauligen Schäume
Und wasche in oberen Lüften dich blank
Und trinke wie reinen und göttlichen Trank
Das lichthelle Feuer der leuchtenden Räume!

Glücklich wer hinter Verdrusse und Leid,
Die schwer auf das Dunstmeer des Daseins sich schmiegen,
Mit kräftigem Flügel kann steigen und fliegen
Zu den Gärten des Lichts und der Heiterkeit –

Der, dem Gedanken sich schwerelos schwingen
Frei wie die Lerchen ins Morgenlicht
- Der hoch überm Leben versteht, was spricht
Aus der Blumen Kelch und den schweigenden Dingen!

baudelaire, charles - aufschwung

Nebukadnezar
04.11.2003, 22:23
Schönes Gedicht pavement!:top:

Hier eins für die Opfer der Verteibung:

Grau fiel der Tag
in den Schoß der Nacht

Der Tod,

der durch die Himmel fuhr,
ging schlafen,

das Tagewerk ist mehr als vollbracht.

Den Jungen auf dem Eis des Haffes hatte er vergessen.
Er schrie vielleicht nicht laut genug

im Sterben,
in der Qual.
Die blonden Haare blutverklebt
und steifgefroren
um den Kopf gezackt,
ein irrer Heil'genschein.

Erst hat er noch gerufen,

im Fieberwahn
gerufen nach der Mutter.

Dann schrie er.

Er schrie bis an die Nacht und lang
und viel, viel länger
als Christus am Kreuz.

Umsonst!

Dann kam mit gellem Schrei
über das Leichentuch des Haffes jach
der Nord gefahren
und brandete im Gischt des weißen Schnee's ihn ein.

Er lag ganz nah dem schwarzen Maul im Eis,
das seine Mutter und den alten Ohm verschlang,
nach kleiner Weile nur noch stiller Hügel.

Er hatte keinen Kindersarg
aus feinen, weißgestrichenen Hölzern;
er hatte auch kein Totenhemd
mit Stickerein
auch waren seine Hände nicht gefaltet
wie man es so zu halten pflegt
mit Kruzifix und Rosenkranz!

Die letzte Ölung,
auf den Lippen schmelzend,
war der Schnee.

Der Tauwind, später,
brachte ihn zu seiner Mutter
auf den Grund des Haffes.

pavement
04.11.2003, 23:32
man ist manchmal versucht zu sagen, manche vermeintlichen gedichte würden nur aus platitüden bestehen.

Klaus E. Daniel
05.11.2003, 10:54
Wer nicht gelitten,
hat nur halb gelebt,
wer nicht gefehlt,
hat wohl auch nicht gestrebt,
wer nie geweint,
hat halb auch nur gelacht,
wer nie gezweifelt,
hat wohl kaum gedacht.

Robert Burns


Na. pavement, immernoch dieser Meinung?
Gruß
KED

pavement
05.11.2003, 12:37
nur manche gedichte - nicht alle.

aber vor allem gedichte, bei denen nicht mal der autor angegeben wird.

Wuschäl
08.11.2003, 22:02
Hab nicht alles durchgelesen, deshalb weiß ich ned, obs schon irgendwo stand, aba mein Lieblingsgedicht is:

Das letzte Kapitel

(Erich Kästner, geschrieben 1930)

Am 12. Juli des Jahres 2003
lief folgender Funkspruch rund um die Erde:
daß ein Bombengeschwader der Luftpolizei
die gesamte Menschheit ausrotten werde.

Die Weltregierung, so wurde erklärt, stelle fest,
daß der Plan, endgültig Frieden zu stiften,
sich gar nicht anders verwirklichen läßt,
als alle Beteiligten zu vergiften.

Zu fliehen, wurde erklärt, habe keinen Zweck.
Nicht eine Seele dürfe am Leben bleiben.
Das neue Giftgas krieche in jedes Versteck.
Man habe nicht einmal nötig, sich selbst zu entleiben.

Am 13. Juli flogen von Boston eintausend
mit Gas und Bazillen beladene Flugzeuge fort
und vollbrachten, rund um den Globus sausend,
den von der Weltregierung befohlenen Mord.

Die Menschen krochen winselnd unter die Betten.
Sie stürzten in ihre Keller und in den Wald.
Das Gift hing gelb wie Wolken über den Städten.
Millionen Leichen lagen auf dem Asphalt.

Jeder dachte, er könne dem Tod entgehen.
Keiner entging dem Tod, und die Welt wurde leer.
Das Gift war überall. Es schlich wie auf Zehen.
Es lief die Wüsten entlang. Und es schwamm übers Meer.

Die Menschen lagen gebündelt wie faulende Garben.
Andre hingen wie Puppen zum Fenster heraus.
Die Tiere im Zoo schrien schrecklich, bevor sie starben.
Und langsam löschten die großen Hochöfen aus.

Dampfer schwankten im Meer, beladen mit Toten.
Und weder Weinen noch Lachen war mehr auf der Welt.
Die Flugzeuge irrten, mit tausend toten Piloten,
unter dem Himmel und sanken brennend ins Feld.

Jetzt hatte die Menschheit endlich erreicht, was sie wollte.
Zwar war die Methode nicht ausgesprochen human.
Die Erde war aber endlich still und zufrieden und rollte,
völlig beruhigt, ihre bekannte elliptische Bahn.

Sehr schön und mal zum Nachdenken, finde ich!

Klaus E. Daniel
09.11.2003, 13:56
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge zieh'n.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.
Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang,
und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein großer Gesang.

Rainer Maria Rilke

Klaus E. Daniel
10.11.2003, 11:23
Eigentlich kein Gedicht, aber ich habe es doch hierhergetan:
_________________________________________________


Das Leben ist eine Komödie für den Reichen,
ein Spiel für den Narren,
ein Traum für den Waisen,
ein Trauerspiel für den Armen.

Jiddisch

Klaus E. Daniel
11.11.2003, 17:03
Berlin

wenn die Brücken, wenn die Bogen
von der Steppe aufgesogen
und die Burg im Sand verrinnt,
wenn die Häuser leer geworden,
wenn die Heere und die Horden
über unseren Gräbern sind,

eines kann man nicht vertreiben:
dieser Steine Male bleiben
Löwen noch im Wüstensand,
wenn die Mauern niederbrechen,
werden noch die Trümmer sprechen
von dem großen Abendland.

Gottfried Benn

Klaus E. Daniel
14.11.2003, 11:31
Zwischen den Toten stehen wir,
von Leben zu Leben gehen wir,
doch hoch über Leben und Tod gezogen
wölbt sich der Liebe einender Bogen.

Martin Walser

H.P.Lovecraft
25.11.2003, 12:41
Selige Sehnsucht

Sag es niemand,nur den Weisen,
Weil die Menge gleich verhoehnet:
Das Lebendge will ich preisen,
Das nach Flammentod sich sehnet.

In der Liebesnaechte Kuehlung,
Die dich zeugte, wo du zeugtest,
Ueberfaellt dich fremde Fuehlung,
Wenn die stille Kerze leuchtet.

Nicht mehr bleibest du umfangen
In der Finsternis Beschattung,
Und dich reisset neu Verlangen
Auf zu hoeherer Begattung.

Keine Ferne macht dich schwierig,
Kommst geflogen und gebannt,
Und zuletzt, des Lichts begierig,
Bist du Schmetterling verbrannt.

Und so lang du das nicht hast,
Dieses: Stirb und Werde!
Bist du nur ein trueber Gast
Auf der dunklen Erde.

J.W. Goethe

H.P.Lovecraft
25.11.2003, 12:42
Der Mond

Und grämt dich, Edler, noch ein Wort
Der kleinen Neidgesellen?
Der hohe Mond, er leuchtet dort,
Und lässt die Hunde bellen
Und schweigt und wandelt fort,
Was Nacht ist, aufzuhellen.



Der Augenblick

Warum denn währt des Lebens Glück
Nur einen Augenblick?
Die zarteste der Freuden
Stirbt wie der Schmetterling,
Der, hangend an der Blume,
Verging, verging.

Wir ahnen, wie geniessen kaum
Des Lebens kurzen Traum.
Nur im unselgem Leiden
Wird unser Herzeleid
In einer bangen Stunde
Zur Ewigkeit.

Johann Gottfried Herder

pavement
05.12.2003, 14:28
An den Salomon

Daß unter Tausenden ein weiser Mann
Kein gutes Weibchen finden kann,
Das wundert mich recht sehr.
Doch wundert mich noch mehr,
Daß unter Tausenden ein weiser Mann
Nicht eine gut sich machen kann.



Hänschen Schlau

„Es ist doch sonderbar bestellt“,
Sprach Hänschen Schlau zu Vetter Fritzen,
„Daß nur die Reichen in der Welt
Das meiste Geld besitzen.“


Lessing

H.P.Lovecraft
10.12.2003, 09:54
Betrachtung der Zeit

Mein sind die Jahre nicht,
Die mir die Zeit genommen;
Mein sind die Jahre nicht,
Die etwa möchten kommen;

Der Augenblick ist mein,
Und nehm ich den in acht
So ist der mein,
Der Jahr und Ewigkeit gemacht.

Andreas Gryphius

(2. Oktober 1616 - 16. Juli 1664)

H.P.Lovecraft
10.12.2003, 09:55
Die schamhafte Zeit
Sie sei sonst, wie sie will, die Zeit,
So liebt sie doch Verschämlichkeit:
Sie kann die Wahrheit nackt nicht leiden,
Drum ist sie emsig, sie zu kleiden.

Friedrich von Logau (1604-1655)

H.P.Lovecraft
10.12.2003, 09:56
Trost
Weißt du, was in dieser Welt
Mir am meisten wohlgefällt?
Daß die Zeit sich selbst verzehret
Und die Welt nicht ewig währet.

Friedrich von Logau (1604-1655)

H.P.Lovecraft
10.12.2003, 09:56
Mein Leben

Mein Leben, ein Leben ist es kaum,
Ich gehe dahin als wie im Traum.
Wie Schatten huschen die Mensch hin,
Ein Schatten dazwischen ich selber bin.
Und im Herzen tiefe Müdigkeit -
Alles sagt mir: Es ist Zeit ...

Theodor Fontane
(1819-1898 )

H.P.Lovecraft
10.12.2003, 11:24
Zur Rechtsgelehrsamkeit kann ich mich nicht bequemen.

Ich kann es Euch so sehr nicht übel nehmen.
Es erben sich Gesetz’ und Rechte
Wie eine ew’ge Krankheit fort.
Vom Rechte, das mit uns geboren ist,
Von dem ist leider! Nie die Frage.



Mein Abscheu wird durch euch vermehrt.
Fast möcht’ ich nun Theologie studieren.
Was diese Wissenschaft betrifft,
Es ist so schwer, den falschen Weg zu meiden,
Es liegt in ihr so viel verborgenes Gift,
Und von der Arzenei ist’s kaum zu unterscheiden.


Der Philosoph, der tritt herein
Und beweißt euch, es müßt’ so sein:
Das Erst’ wär so, das Zweite so,
Und drum das Dritt’ und Vierte so,
Und wenn das Erst’ und Zweit’ nicht wär’,
Das Dritt’ und Viert’ wär’ nimmermehr.
Grau, teurer Freund, ist alle Theorie,
Und grün des Lebens goldner Baum.


Verzeiht, ich halt’ Euch auf mit vielen Fragen.
Wollt Ihr mir von der Medizin
Nicht auch ein kräftig Wörtchen sagen?
Der Geist der Medizin ist leicht zu fassen;
Ihr durchstudiert die groß’ und kleine Welt,
Um es am Ende gehn zu lassen,
Wie’s Gott gefällt.


Kann Euch nicht eben ganz verstehen.
Das wird nächstens schon besser gehen.
Wer will was Lebendiges erkennen und beschreiben,
Sucht erst den Geist heraus zu treiben,
Dann hat er die Teile in seiner Hand,
Fehlt leider! Nur das geistige Band.

aus Goethe`s Faust

Klaus E. Daniel
10.12.2003, 16:45
Ich bin im Augenblick zu krank - hätte gerne mitgemacht. Tut mir leid.

KED

H.P.Lovecraft
12.12.2003, 13:55
Macht nichts KED - erhol dich erstmal!
Gute Besserung wünsche ich.
Lovecraft

Delbrück
26.12.2003, 15:56
Für unsere Schweiz-Connection hier im Forum: :D

Im Hochland fiel der erste Schuß -
Im Hochland wider die Pfaffen!
Da kam, die fallen wird und muß,
Ja, die Lawine kam in Schuß -
Drei Länder in den Waffen!
Schon kann die Schweiz vom Siegen ruhn:
Das Urgebirg und die Nagelfluhn
Zittern vor Lust bis zum Kerne!

[...]

Sie rollt - sie springt - o Lombardei,
Bald fühlst auch du ihr Wälzen!
Ungarn und Polen macht sie frei,
Durch Deutschland dröhnen wird ihr Schrei,
Und kein Bannstrahl kann sie schmelzen!
Einzig in der Freiheit Wehn
Mild und leis wird sie zergehn,
Des alten Zorns Lawine!

Ja, fest am Zorne halten wir,
Fest bis zu jener Frühe!
Die Träne springt ins Auge mir,
In meinem Herzen singt's: »Mourir,
Mourir pour la patrie!«
Glück auf, das ist ein glorreich Jahr,
Das ist ein stolzer Februar -
»Allons enfants« - »Mourir, mourir,
Mourir pour la patrie!«

London, 25. Februar 1848

Komplett: http://gutenberg.spiegel.de/freiligr/gedichte/hochland.htm

H.P.Lovecraft
05.01.2004, 11:53
Betrachtung der Zeit

Mein sind die Jahre nicht,
Die mir die Zeit genommen;
Mein sind die Jahre nicht,
Die etwa möchten kommen;

Der Augenblick ist mein,
Und nehm ich den in acht
So ist der mein,
Der Jahr und Ewigkeit gemacht.

Andreas Gryphius

(2. Oktober 1616 - 16. Juli 1664)

Luciérnaga
08.01.2004, 18:19
Selten habt ihr mich verstanden,
Selten auch verstand ich euch,
Nur wenn wir im Kot uns fanden,
So verstanden wir uns gleich

Heinrich Heine

Bewährt sich des öfteren, nicht wahr? :D

H.P.Lovecraft
14.01.2004, 09:36
Auswanderungslied
Unsre Fürsten hatten viel versprochen,
Doch das Halten schien nicht ihre Pflicht.
Haben wir denn nun soviel verbrochen,
daß sie hielten ihr Versprechen nicht?


Schlimmer wird es jetzt von Tag zu Tage,
Schweigen ist nur unser einzig Recht:
Untertanen ziemet keine Klage,
Und gehorchen muß dem Herrn der Knecht.


Unsre Brüder werden ausgewiesen,
Mehr als alles Recht gilt Polizei.
Heute trifft es jenen, morgen diesen,
Jeder, jeder Deutsch' ist vogelfrei.


Deutsche Freiheit lebet nur im Liede,
Deutsches Recht, es ist ein Märchen nur.
Deutschlands Wohlfahrt ist ein langer Friede -
Voll von lauter Willkür und Zensur.


Darum ziehn wir aus dem Vaterlande,
Kehren nun und nimmermehr zurück,
Suchen Freiheit uns am fremden Strande -
Freiheit ist nur Leben, ist nur Glück.

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben

H.P.Lovecraft
14.01.2004, 09:38
Die Alten und die Jungen

"Unverständlich sind uns die Jungen",
wird von den Alten beständig gesungen;
meinerseits möchte‘ ich’s damit halten:
"Unverständlich sind mir die Alten."
Dieses Am-Ruder-bleiben-Wollen
In allen Stücken und allen Rollen,
dieses Sich-unentbehrlich-Vermeinen
samt ihrer "Augen stillem Weinen",
als wäre der Welt ein Weh getan –
ach, ich kann es nicht verstahn.
Ob unsere Jungen, in ihrem Erdreisten,
wirklich was Besseres schaffen und leisten,
ob dem Parnasse sie näher gekommen
oder bloß einen Maulwurfshügel erklommen,
ob sie mit anderen Neusittenverfechtern,
die Menschheit bessern oder verschlechtern,
ob sie Frieden sä’n oder Sturm entfachen,
ob sie Himmel oder Hölle machen –
eins läßt sie stehn auf siegreichem Grunde:
sie haben den Tag, sie haben die Stunde;
der Mohr kann gehen, neu Spiel hebt an,
sie beherrschen die Szene, sie sind dran.


Theodor Fontane

Polly
14.01.2004, 09:59
Lethe


Jüngst im Traume sah ich auf den Fluten
Einen Nachen ohne Ruder ziehn,
Strom und Himmel stand in matten Gluten
Wie bei Tages Nahen oder Fliehn.

Sassen Knaben drin mit Lotoskränzen,
Mädchen beugten über Bord sich schlank,
Kreisend durch die Reihe sah ich glänzen
Eine Schale, draus ein jedes trank.

Jetzt erscholl ein Lied voll süsser Wehmut,
Das die Schar der Kranzgenossen sang -
Ich erkannte deines Nackens Demut,
Deine Stimme, die den Chor durchdrang.

In die Welle taucht ich. Bis zum Marke
Schaudert ich, wie seltsam kühl sie war.
Ich erreicht' die leise ziehnde Barke,
Drängte mich in die geweihte Schar.

Und die Reihe war an dir zu trinken,
Und die volle Schale hobest du,
Sprachst zu mir mit trautem Augenwinken:
"Herz, ich trinke dir Vergessen zu!"

Dir entriss in trotzgem Liebesdrange
Ich die Schale, warf sie in die Flut,
Sie versank, und siehe, deine Wange
Färbte sich mit einem Schein von Blut.

Flehend küsst ich dich in wildem Harme,
Die den bleichen Mund mir willig bot,
Da zerrannst du lächelnd mir im Arme
Und ich wusst es wieder - du bist tot.

C.F. Meyer

Polly
14.01.2004, 10:32
Die toten Freunde


Das Boot stösst ab von den Leuchten des Gestads.
Durch rollende Wellen dreht sich der Schwung des Rads.
Schwarz qualmt des Rohres Rauch. ... Heut hab ich schlecht,
Das heisst mit lauter jungem Volk gezecht -


Du, der gestürzt ist mit zerschossener Stirn,
Und du, verschwunden auf einer Gletscherfirn,
Und du, verlodert wie schwüler Blitzesschein,
Meine toten Freunde, saget, gedenkt ihr mein?


Wogen zischen um Boot und Räderschlag,
Dazwischen jubelt ein dumpfes Zechgelag,
In den Fluten braust ein sturmgedämpfter Chor,
Becher läuten aus tiefer Nacht empor.

Klaus E. Daniel
18.01.2004, 16:49
(an viele)

Ihr kennt sie, die Leidenschaft,
die uns verbindet:
Helfen, helfen, mit einer Kraft,
die alles überwindet

Christan Morgenstern

Großadmiral
18.01.2004, 17:01
Herbst des Lebens

Die Sonne wirft ihr goldenes Licht
Auf die immer kahler werdende Welt.

Die Blätter fallen und färben sich
Auch ich veränder' mich.

Mein Leben geht dem Ende zu
Dann endlich bin ich in ewiger Ruh'.
Nicht nur Ich, sondern auch Ihr
Entkommt niemals des Teufels Gier.

Nur die Blätter...
sie erleben jeden Frühling.

Autor: Ich

Der Schakal
18.01.2004, 17:05
@ Admiral :top: :top:

Respekt !!!!!! :klatsch:

Falls du das selbst geschrieben hast.:klatsch:


:top: :klatsch: :respekt: :respekt: :respekt: :respekt: :klatsch: :top:

Großadmiral
18.01.2004, 17:05
Danke!

Klaus E. Daniel
18.01.2004, 18:42
"Mein achtel Lorbeerblatt"


Dem einen sitzt meine Nase zu weit links im Gesicht,
Zu weit rechts erscheint sie dem anderen und das gefällt ihm nicht.
Und flugs ergreift das Wort der Dritte
Und der bemerkt alsdann:
Sie sitzt zu sehr in der Mitte
Und ich sollt‘ was ändern daran.
Und ich bedenk‘, was ein jeder zu sagen hat,
Und schweig‘ fein still,
Und setz‘ mich auf mein achtel Lorbeerblatt
Und mache, was ich will.

Die einen hör‘ ich sagen,
Ich sei der alte nicht mehr,
Und wieder andere sich beklagen,
Daß ich noch der alte wär‘.
Dann sagt ein Musikkritiker,
Dem‘s an Argumenten gebricht:
„Sie war‘n doch früher einmal dicker“.
Da widersprech‘ ich ihm nicht.
Und ich bedenk‘, was ein jeder zu sagen hat,
Und schweig‘ fein still,
Und setz‘ mich auf mein achtel Lorbeerblatt
Und mache, was ich will.

Am Hungertuch zu nagen,
Ist des Künstlers schönstes Los.
Im Gegenteil, so prunkvoll,
Wie ein Papst sein,
Macht ihn groß.
Das alles sei Hose wie Jacke.
Ob Schulden, ob Geld auf der Bank!
Hauptsache, er hat ‘ne Macke
Und nicht alle Tassen im Schrank.
Und ich bedenk‘, was ein jeder zu sagen hat,
Und schweig‘ fein still,
Und setz‘ mich auf mein achtel Lorbeerblatt
Und mache, was ich will.
Dem einen ist meine Hose
Schon längst zu abgenutzt,
Dem anderen wieder bin ich
Zu prächtig rausgeputzt.
Der Dritte hat was gegen Westen
Und einen Rat für mich bereit:
Ich gefiele ihm am allerbesten
Im langen Abendkleid.
Und ich bedenk‘, was ein jeder zu sagen hat,
Und schweig‘ fein still,
Und setz‘ mich auf mein achtel Lorbeerblatt
Und mache, was ich will.

Mit großer Freude sägen
Die einen an meinem Ast,
Die andern sind noch beim Überlegen,
Was ihnen an mir nicht paßt,
Doch was immer ich tuen würde,
Ihre Gunst hätt‘ ich schon verpatzt,
Also tu‘ ich, was ein Baum tun würde,
Wenn ein Schwein sich an ihm kratzt.
Und ich bedenk‘, was ein jeder zu sagen hat,
Und schweig‘ fein still,
Und setz‘ mich auf mein achtel Lorbeerblatt
Und mache, was ich will.

Es gibt noch ein paar Leute,
Und an die hab‘ ich gedacht,
Für die hab‘ ich meine Lieder
So gut es geht gemacht,
Die beim großen Kesseltreiben
Nicht unter den Treibern sind.
Solang‘ mir ein paar Freunde bleiben,
Hängt meine Fahne nicht im Wind.
Und ich scher‘ mich den Teufel um Goliath,
Und schweig‘ fein still.
Habt Dank für das achtel Lorbeerblatt,
Auf dem ich tun kann, was ich will.


Reinhard Mey

Bakunin
18.01.2004, 21:31
Friedrich Nietzsche - Vereinsamt
Die Krähen schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein, -
Wohl dem, der jetzt noch - Heimat hat!
Nun stehst du starr,
Schaust rückwärts, ach! wie lange schon!
Was bist du Narr
Vor Winters in die Welt entflohn?

Die Welt - ein Tor
Zu tausend Wüsten stumm und kalt!
Wer das verlor,
Was du verlorst, macht nirgends Halt.

Nun stehst du bleich,
Zur Winter-Wanderschaft verflucht,
Dem Rauche gleich,
Der stets nach kältern Himmeln sucht.

Flieg, Vogel, schnarr
Dein Lied im Wüstenvogel-Ton! -
Versteck, du Narr,
Dein blutend Herz in Eis und Hohn!

Die Krähen schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schein, -
Weh dem, der keine Heimat hat!

Klaus E. Daniel
19.01.2004, 10:49
Ich bin Klempner von Beruf.
Ein dreifach Hoch dem, der dies‘ gold‘ne Handwerk schuf.
Denn auch in den größten Nöten
Gibt es immer was zu löten.
Immer wieder gibt es Pannen
An WC‘s und Badewannen:
Ich bin Klempner von Beruf.

Neulich hab‘ ich einen Boiler installiert,
Der hat gut und gern zwei Tage funktioniert.
Dann war er drei Tage alt
Und das heiße Wasser kalt.
Na, da hab‘ ich gar nicht lange repariert,
Sondern sofort einen neuen installiert.
Und da fragt mich doch der Kunde noch nachher,
Ob denn reparieren nicht doch preiswerter wär‘.
Da antwort‘ ich blitzeschnell:
„Ihr uraltes Modell
Stellt die Firma heute schon gar nicht mehr her,
Und Ersatzteile gibt‘s schon längst nicht mehr.“

Ich bin Klempner von Beruf.
Ein dreifach Hoch dem, der dies‘ gold‘ne Handwerk schuf.
Selbst in schweren Wirtschaftskrisen
Find‘ ich Rohre hinter Fliesen,
Ist ein Abfluß abzudichten,
Und ein Unglück anzurichten:
Ich bin Klempner von Beruf.

Gestern mittag hat ein Kunde angeklopft,
Bei ihm sei wohl ein Abwasserrohr verstopft.
Ich erneu‘re rasch die Dichtung,
Und dann stimmt auch schon die Richtung,
Wenn man einen Stopfen in die Röhre pfropft,
Kann es sein, daß der Rücklaufkrümmer tropft.
Doch wahrscheinlich hat ein Doppelflansch geklemmt,
Darum hab‘ ich gleich die Mauer aufgestemmt
Und das Halbrundstück durchstochen
Und die Wohnungswand durchbrochen
Und die Nachbarwohnung auch noch überschwemmt.
Es gibt nichts, was einen Klempner hemmt.
Ich bin Klempner von Beruf.
Ein dreifach Hoch dem, der dies‘ gold‘ne Handwerk schuf.
Immer werden Hähne tropfen,
Werden Waschbecken verstopfen.
Immer gibt es was zu schweißen,
Abzubau‘n und einzureißen:
Ich bin Klempner von Beruf.

Letzte Pfingsten war es, glaub‘ ich, um halb acht,
Da rief ein Mann an, völlig aufgebracht:
Bei ihm sei ein Rohr gebrochen,
Er selbst naß bis auf die Knochen,
Und das sprudelt und das gluckert und das kracht.
„Prima“, sagte ich: „das wird sofort gemacht.“
An einem nebligen Novembertag
Bracht‘ ich ihm erstmal den Kostenvoranschlag.
Noch muß er zum Keller schwimmen
Und zur Nacht sein Dach erklimmen,
Denn vor Juni tu‘ ich keinen Hammerschlag.
So hat jeder seine Sorgen heutzutag‘.

Ich bin Klempner von Beruf.
Ein dreifach Hoch dem, der dies‘ gold‘ne Handwerk schuf.
Es gibt immer ein paar Muffen
Abzuhau‘n und krumm zu buffen,
Es gibt immer was zu plantschen,
An den Hähnen zu verflanschen:
Ich bin Klempner von Beruf.

Am Freitag kam eine Reklamation,
Ein Kunde rügte die Installation,
Immer, wenn er Wasser zapfe,
Sammle Erdgas sich im Napfe,
Und klinge zufällig das Telefon,
Gab es manche heftige Detonation.
Ich löste das Problem höchst elegant,
Indem ich Telefon und Hahn verband.
Wenn es jetzt im Hörer tutet,
Wird die Küche überflutet
Und durch diesen Kunstgriff meisterlicher Hand,
Ist jetzt jede Explosionsgefahr gebannt.

Ich bin Klempner von Beruf.
Ein dreifach Hoch dem, der dies‘ gold‘ne Handwerk schuf.
Denn in Villen, Hütten, Lauben,
Gibt es Muttern zu verschrauben,
Selbst auf Schlössern, alten, stolzen,
Gibt es Schellen zu verbolzen:
Ich bin Klempner von Beruf.

Gründlichsein ist jeden Klempners Pflicht.
Donnerstag war eine Leitung nicht ganz dicht.
Mit dem Anzieh‘n einer Mutter
Ist das längst noch nicht in Butter,
Denn, wenn dabei eine Bogenschelle bricht,
Reduziert sich oft die Druckmanschette nicht.
Folglich habe ich vom Keller bis zum Dach
Alle Rohre neu verlegt und hab‘ danach
Auch den Kühlschrank noch erneuert,
Was die Sache zwar verteuert,
Aber dafür sagt mir auch kein Kunde nach,
Daß ich bei der Arbeit halbe Arbeit mach‘.

Ich bin Klempner von Beruf.
Ein dreifach Hoch dem, der dies‘ gold‘ne Handwerk schuf.
Linker Hand die Werkzeugtasche,
Zwanz‘ger Schlüssel, Thermosflasche,
Rechter Hand meine Rohrzange,
So wird mir so schnell nicht bange:
Ich bin Klempner von Beruf.
Und braucht man keine Klempner mehr,
Na, dann werd‘ ich halt Installateur.

Reinhard Mey

Siehe auch Asphorismen.

H.P.Lovecraft
19.01.2004, 10:52
Meine Toten

Wer eine ernste Fahrt beginnt,
Der Segen Not und frischer Wind,
Er schaut verlangend in die Weite
Nach eines treuen Auges Brand,
Nach einem warmen Druck der Hand,
Nach einem Wort, das ihn geleite.

Ein ernstes Wagen heb' ich an,
So tret ich denn zu euch hinan,
Ihr meine stillen strengen Toten;
Ich bin erwacht an eurer Gruft,
Aus Wasser, Feuer, Erde, Luft
Hat eure Stimme mir geboten.

Wenn die Natur in Hader lag
Und durch die Wolkenwirbel brach
Ein Funke jener tausend Sonnen, —
Sprecht aus dem Elemente Streit
ihr nicht von einer Ewigkeit
Und unerschöpften Lichtes Bronnen?

Am Hange schlich ich, krank und matt,
Da habt ihr mir das welke Blatt
Mit Warnungsflüstern zugetragen,
Gelächelt aus der Welle Kreis,
Habt aus des Angers starrem Eis
Die Blumenaugen aufgeschlagen.

Was meine Adern muß durchziehn,
Sah ich's nicht flammen und verglühn,
An eurem Schreine nicht erkalten?
Vom Auge hauchtet ihr den Schein,
Ihr meine Richter, die allein
In treuer Hand die Wage halten.

Kalt ist der Druck von eurer Hand,
Erloschen eures Blickes Brand,
Und euer Laut der Öde Odem,
Doch keine andre Rechte drückt
So traut, so hat kein Aug' geblickt,
So spricht kein Wort, wie Grabesbrodem!

Ich fasse eures Kreuzes Stab
Und beuge meine Stirn hinab
Zu eurem Gräberhauch, dem stillen;
Zumeist geliebt, zuerst gegrüßt,
Laßt, lauter wie der Äther fließt,
Mir Wahrheit in die Seele quillen.

Annette von Droste-Hülshoff

Großadmiral
19.01.2004, 14:49
Ist das hier nur so ein Thema, wo man Gedichte stellen darf?

Klaus E. Daniel
19.01.2004, 15:08
JA !

KED

Großadmiral
19.01.2004, 17:14
Na dann, werde ich mich mal umsehen, vielleicht finde ich ein schönes!
;)

Der Schakal
19.01.2004, 17:58
O ihr Wissenden
wusstet ihr, dass Hunger die Augen glänzen lässt
dass Durst sie trübt

O ihr Wissenden
wusstet ihr, dass man seine Mutter tot sehen und keine
Tränen haben kann

O ihr Wissenden
wusstet ihr, dass man morgens sterben will und abends
Angst hat

O ihr Wissenden
wusstet ihr, dass ein Tag länger dauert als ein Jahr
eine Minute länger als ein Leben

O ihr Wissenden
wusstet ihr, dass Beine zerbrechlicher sind als Augen
Nerven härter als Knochen
das Herz widerstandsfähiger als Stahl
Wusstet ihr, dass die Steine am Weg nicht weinen,
dass es nur ein Wort für Entsetzen gibt
nur ein Wort für Angst
Wusstet ihr, dass das Leiden keine Schranke kennt
der Schrecken keine Grenze

Wusstet ihr es
ihr Wissenden

Großadmiral
19.01.2004, 18:03
Ich liebe dich, du Seele, die da irrt
im Tal des Lebens nach dem rechten Glücke,
ich liebe dich, die manch ein Wahn verwirrt,
der manch ein Traum zerbrach in Staub und Stücke.

Ich liebe deine armen wunden Schwingen,
die ungestoßen in mir möchten wohnen;
ich möchte dich mit Güte ganz durchdringen,
ich möchte dich in allen Tiefen schonen.

Christian Morgenstern

Klaus E. Daniel
20.01.2004, 09:06
Der Brief, den du geschrieben,
er macht mich gar nicht bang;
du willst mich nicht mehr lieben,
aber dein Brief ist lang.

Zwölf Seiten, eng und zierlich!
Ein kleines Manuskript!
Man schreibt nicht so ausführlich,
wenn man den Abschied gibt.

Heinrich Heine

H.P.Lovecraft
20.01.2004, 11:56
Under der linden von
Walter von der Vogelweide


Under der linden
an der heide,
dâ unser zweier bette was,
dâ muget ir vinden
schône beide
gebrochen bluomen unde gras.
vor dem walde in einem tal,
tandaradei,
schône sanc diu nahtegal.


Ich kam gegangen
zuo der ouwe:
dô was mîn friedel komen ê.
dâ wart ich empfangen
hêre frouwe
daz ich bin sælic iemer mê.
kust er mich? wol tûsentstunt:
tandaradei,
seht wie rôt mir ist der munt.


Dô hete er gemachet
alsô rîche
von bluomen eine bettestat.
des wirt noch gelachet
inneclîche,
kumt iemen an daz selbe pfat.
bî den rôsen er wol mac
tandaradei,
merken wâ mirz houbet lac.


Daz er bî mir læge,
wesse ez iemen
(nu enwelle got!), so schamte ich mich.
wes er mit mir pflæge,
niemer niemen
bevinde daz wan er und ich
und ein kleinez vogellîn:
tandaradei,
daz mac wol getriuwe sîn.


Ungefähre Übersetzung:

Unter den Linden auf der Heide,
wo unser gemeinsames Bett war,
könnt ihr es sehen:
gebrochene Blumen und gedrücktes Gras
vor dem Wald in einem Tal -
Tandaradei -
schön hat die Nachtigall gesungen.

Ich kam zu der Wiese
da kam auch mein Liebster hin
da wurde ich zur Frau gemacht
daß mir Hören und Sehen verging
Küßte er mich? Wohl tausendmal!
Tandaradei!
Seht wie rot mein Mund geworden ist.

Da hatte er ganz toll
ein Bett aus Blumen gebaut,
erst wurde (nur) gelacht, sehr verliebt...
käme jemand an diesen Pfad,
könnte er wohl bei den Rosen merken,
Tandaradei!
was wir getrieben haben.

Wie er bei mir lag, wüßt' es jemand,
- um Gottes Willen - ich schämte mich,
was er mit mir angestellt hat, niemals,
niemals sag ich's, das bleibt unter uns
und die kleine Vögelei -
Tandaradei -
die wird wohl verschwiegen bleiben

Großadmiral
20.01.2004, 17:15
Tränen, die sagen,
ich brauche Dich.
Tränen, die bitten,
verlaß mich nicht.
Tränen, die über die Wangen rinnen,
weil ich Dich so sehr vermisse!
Tränen, aus Enttäuschung geweint.
Tränen über Worte,
die nicht so gemeint.
Tränen der Hoffnung,
dass es doch noch eine Chance gibt.
Doch würden all diese Tränen
nicht geweint,
hätte ich es mit Dir
auch nie ehrlich gemeint.
Ich liebe Dich!

Autor:
unbekannt

Klaus E. Daniel
21.01.2004, 10:12
Wenn du mich lustig machst ...

Wenn du mich lustig machst
dann denk ich manchmal:
Jetzt könnt ich sterben
dann blieb ich glücklich
bis an mein End.
Wenn du dann alt bist
und du an mich denkst
seh ich wie heut aus
und hast ein Liebchen
das ist noch jung.

Heinrich Heine

H.P.Lovecraft
21.01.2004, 10:24
Heinrich Heine:

Adam der Erste

Du schicktest mit dem Flammenschwert
Den himmlischen Gendarmen,
Und jagtest mich aus dem Paradies,
Ganz ohne Recht und Erbarmen!

Ich ziehe fort mit meiner Frau
Nach andren Erdenländern;
Doch daß ich genossen des Wissens Frucht,
Das kannst du nicht mehr ändern.

Du kannst nicht ändern, daß ich weiß,
Wie sehr du klein und nichtig,
Und machst du dich auch noch so sehr
Durch Tod und Donnern wichtig.

O Gott! wie erbärmlich ist doch dies
Consilium-abeundi!
Das nenne ich einen Magnifikus
Der Welt, ein Lumen-Mundi!

Vermissen werde ich nimmermehr
Die paradiesischen Räume;
Das war kein wahres Paradies -
Es gab dort verbotene Bäume.

Ich will mein volles Freiheitsrecht!
Find ich die gringste Beschränknis,
Verwandelt sich mir das Paradies
In Hölle und Gefängnis.


Ein Interessanter Blick auf die Bibelgeschichte nicht wahr?

Klaus E. Daniel
21.01.2004, 11:08
Das trunkene Lied

O Mensch! Gib Acht!
Was spricht die tiefe Mitternacht?
"Ich schlief, ich schlief -,
"Aus tiefem Traum bin ich erwacht: -
"Die Welt ist tief,
"Und tiefer als der Tag gedacht.
"Tief ist ihr Weh -,
"Lust - tiefer noch als Herzeleid:
"Weh spricht: Vergeh!
"Doch alle Lust will Ewigkeit -,
"- will tiefe, tiefe Ewigkeit!"

Aus: ALSO SPRACH ZARATHUSTRA

Klaus E. Daniel
24.01.2004, 13:57
Ecce Homo

Ja! Ich weiß, woher ich stamme!
Ungesättigt gleich der Flamme
Glühe und verzehr' ich mich.
Licht wird alles, was ich fasse,
Kohle alles, was ich lasse:
Flamme bin ich sicherlich.

H.P.Lovecraft
26.01.2004, 09:25
Ich
Die Ehre hat mich nie gesucht;
sie hätte mich auch nie gefunden.
Wählt man, in zugezählten Stunden,
ein prächtig Feierkleid zur Flucht?
Auch Schätze hab ich nie begehrt.
Was hilft es sie auf kurzen Wegen
für Diebe mehr als sich zu hegen,
wo man das wenigste verzehrt?

Wie lange währt's, so bin ich hin,
und einer Nachwelt untern Füßen?
Was braucht sie wen sie tritt zu wissen?
Weiß ich nur, wer ich bin.

Lessing

Klaus E. Daniel
30.01.2004, 16:28
»Jegliche Wahrheit hängt
von ihrer Definition ab.«

(Ivana Winklerová)

Man könnte es auch zu "Philosophie" ernennen, aber lassen es vorerst dabei.

Klaus E. Daniel
01.02.2004, 13:41
Eine bezaubernde junge Dame (une très jolie jeune femme) fand jeden Morgen in ihrer Post (dans son courrier) glühende Liebesbriefe des großen Talleyrand. Eines Tages antwortete sie ihm: »Mein Herr! Ich habe mich Ihrer Eingesandte bedienet, um mir damit mein rosiges Ärschgen auszuputzen.«3 Daraufhin erhielt sie postwendend den folgenden Vierzeiler zur Antwort:


»O kleines Blatt, beneidet schier,
auf denn, fahrt Eure4 Schicksalsbahn.
Doch im Vorüberziehn, hört Ihr,
sagt mich bei der Nachbarin an.

H.P.Lovecraft
02.02.2004, 12:57
Es geht bei gedämpfter Trommeln Klang;
Wie weit noch die Stätte ! der Weg wie lang!
O wär er zur ruh und alles vorbei!
Ich glaub, es bricht mir das Herz entzwei!

Ich hab in der Welt nur ihn geliebt,
Nur ihn, dem jetzt man den Tod doch gibt!
Bei klingendem Spiele wird paradiert,
Dazu, dazu bin auch ich kommandiert.

Nun schaut er auf zum letzten Mal
In Gottes Sonne freudigen Strahl;
Nun binden sie ihm die Augen zu –
Dir schenke Gott die ewige Ruh!

Es haben dann neun wohl angelegt ;
Acht Kugeln haben vorbeigefegt.
Sie zitterten alle vor Jammer und Schmerz –
Ich aber, ich traf ihn mitten in das Herz.


Der Soldat
Hans Christian Andersen
Deutsche Übersetzung: Adelbert von Chamisso

H.P.Lovecraft
03.02.2004, 09:22
Hier eines meiner liebsten Gedichte:

Der goldene Tod.
Kein Wind im Segel, die See liegt still -
kein Fisch doch, der sich fangen will!
So ziehen die Netze sie wieder herein
und murren, schelten und fluchen drein.
Da neben dem Kutter wird's heller und licht
wie weißliches Haar, wie ein Greisengesicht,
und ein triefendes Haupt taucht auf aus der Flut:
»Ei, drollige Menschlein, ich mein's mit euch gut -

Ich gönn' euch von meiner Herde ja viel,
doch heut ist mein Jüngster als Fisch beim Spiel,
den mußt' ich doch hüten, ich alter Neck,
drum jagt ich sie all miteinander weg -
doch schickt ihr den Jungen mir wieder nach Haus,
so werft nur noch einmal das Fangzeug aus:
Der schönste ist mein Söhnchen klein,
das übrige mag euer eigen sein!«

Hei, flogen die Netze jetzt wieder in See!
Ho, kaum, daß ihr' Lasten sie brachten zur Höh'!
Wie lebende Wellen, so fort und fort
von köstlichen Fischen, so quoll's über Bord.
Und patscht und schnappt und zappelt und springt -
und bei den Fischern, da tollt's und singt.
Nun plötzlich blitzt es - seht: es rollt
ein Fisch über Bord von lauterem Gold!

Eine jede Schuppe ein Geldesstück!
Wie edelsteinen, so funkelt's im Blick!
Die Kiemen sind aus rotem Rubin,
Perlen die Flossen überziehn,
mit eitel Demanten besetzt, so ruht
auf seinem Häuptlein ein Krönchen gut,
und fürnehm wispert's vom Schnäuzlein her:
»Ich bin Prinz Neck, laßt mich ins Meer!«

Den Fang ins Meer? Sie rühren ihn an,
die Fischer, und tasten und stieren ihn an.
»Laßt mich ins Meer!« Sie hören nicht drauf.
»Laßt mich ins Meer!« Sie lachen nur auf.
Sie wägen das goldene Prinzlein ab,
sie schätzen's und klauben ihm Münzlein ab -
Wie wiegt das voll, wie gleißt das hold!
Sie denken nichts weiter, - sie denken nur Gold.

Und seht: ein Goldschein überfliegt
jetzt alles, was von Fisch da liegt,
und wandelt's, daß es klirrt und rollt:
Seht a l l die Fische werden Gold!
Sinkt das Schiff von blitzender Last?
»Schaufelt, was die Schaufel faßt!«...
Wie lustiges Feuerwerk sprüht das umher -
dann rauscht über alles zusammen das Meer.

von Ferdinand Avenarius

Klaus E. Daniel
08.02.2004, 13:08
Man wird nicht besser mit den Jahren -
wie sollt’ es auch? Man wird bequem
und bringt, um sich die Reu’ zu sparen,
die Fehler all’ in ein System.

Theodor Fontane

H.P.Lovecraft
09.02.2004, 11:52
Anders sein und anders scheinen,
Anders reden, anders meinen,
Alles loben, alles tragen,
Allen heucheln, stets behagen,
Allem Winde Segel geben,
Bös’ und Gutem dienstbar leben,
Alles Tun und alles Dichten
bloß auf eignen Nutzen richten:
Wer sich dessen will befleißen,
kann politisch heuer heißen.

Friedrich Freiherr von Logau

Klaus E. Daniel
12.02.2004, 10:32
H.P.Lovecraft,

danke für Ihre vorzügliche Arbeit.
Überlaßt aber nicht alles ihm. Ich bin durch meine Finger gehandicapt.

KED

H.P.Lovecraft
13.02.2004, 16:09
KED:Vielen Dank! Ein solches Lob aus Ihrem Munde erfreut und bestätigt doch sehr!




Einer DER Klassiker:

Die Bürgschaft
Friedrich Schiller
Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich
Damon, den Dolch im Gewande:
Ihn schlugen die Häscher in Bande,
»Was wolltest du mit dem Dolche? sprich!«
Entgegnet ihm finster der Wüterich.
»Die Stadt vom Tyrannen befreien!«
»Das sollst du am Kreuze bereuen.«


»Ich bin«, spricht jener, »zu sterben bereit
Und bitte nicht um mein Leben:
Doch willst du Gnade mir geben,
Ich flehe dich um drei Tage Zeit,
Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit;
Ich lasse den Freund dir als Bürgen,
Ihn magst du, entrinn' ich, erwürgen.«


Da lächelt der König mit arger List
Und spricht nach kurzem Bedenken:
»Drei Tage will ich dir schenken;
Doch wisse, wenn sie verstrichen, die Frist,
Eh' du zurück mir gegeben bist,
So muß er statt deiner erblassen,
Doch dir ist die Strafe erlassen.«


Und er kommt zum Freunde: »Der König gebeut,
Daß ich am Kreuz mit dem Leben
Bezahle das frevelnde Streben.
Doch will er mir gönnen drei Tage Zeit,
Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit;
So bleib du dem König zum Pfande,
Bis ich komme zu lösen die Bande.«


Und schweigend umarmt ihn der treue Freund
Und liefert sich aus dem Tyrannen;
Der andere ziehet von dannen.
Und ehe das dritte Morgenrot scheint,
Hat er schnell mit dem Gatten die Schwester vereint,
Eilt heim mit sorgender Seele,
Damit er die Frist nicht verfehle.


Da gießt unendlicher Regen herab,
Von den Bergen stürzen die Quellen,
Und die Bäche, die Ströme schwellen.
Und er kommt ans Ufer mit wanderndem Stab,
Da reißet die Brücke der Strudel herab,
Und donnernd sprengen die Wogen
Dem Gewölbes krachenden Bogen.


Und trostlos irrt er an Ufers Rand:
Wie weit er auch spähet und blicket
Und die Stimme, die rufende, schicket.
Da stößet kein Nachen vom sichern Strand,
Der ihn setze an das gewünschte Land,
Kein Schiffer lenket die Fähre,
Und der wilde Strom wird zum Meere.


Da sinkt er ans Ufer und weint und fleht,
Die Hände zum Zeus erhoben:
»O hemme des Stromes Toben!
Es eilen die Stunden, im Mittag steht
Die Sonne, und wenn sie niedergeht
Und ich kann die Stadt nicht erreichen,
So muß der Freund mir erbleichen.«


Doch wachsend erneut sich des Stromes Wut,
Und Welle auf Welle zerrinnet,
Und Stunde an Stunde ertrinnet.
Da treibt ihn die Angst, da faßt er sich Mut
Und wirft sich hinein in die brausende Flut
Und teilt mit gewaltigen Armen
Den Strom, und ein Gott hat Erbarmen.


Und gewinnt das Ufer und eilet fort
Und danket dem rettenden Gotte;
Da stürzet die raubende Rotte
Hervor aus des Waldes nächtlichem Ort,
Den Pfad ihm sperrend, und schnaubert Mord
Und hemmet des Wanderers Eile
Mit drohend geschwungener Keule.


»Was wollt ihr?« ruft er vor Schrecken bleich,
»Ich habe nichts als mein Leben,
Das muß ich dem Könige geben!«
Und entreißt die Keule dem nächsten gleich:
»Um des Freundes willen erbarmet euch!«
Und drei mit gewaltigen Streichen
Erlegt er, die andern entweichen.


Und die Sonne versendet glühenden Brand,
Und von der unendlichen Mühe
Ermattet sinken die Kniee.
»O hast du mich gnädig aus Räubershand,
Aus dem Strom mich gerettet ans heilige Land,
Und soll hier verschmachtend verderben,
Und der Freund mir, der liebende, sterben!«


Und horch! da sprudelt es silberhell,
Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen,
Und stille hält er, zu lauschen;
Und sieh, aus dem Felsen, geschwätzig, schnell,
Springt murmelnd hervor ein lebendiger Quell,
Und freudig bückt er sich nieder
Und erfrischet die brennenden Glieder.


Und die Sonne blickt durch der Zweige Grün
Und malt auf den glänzenden Matten
Der Bäume gigantische Schatten;
Und zwei Wanderer sieht er die Straße ziehn,
Will eilenden Laufes vorüber fliehn,
Da hört er die Worte sie sagen:
»Jetzt wird er ans Kreuz geschlagen.«


Und die Angst beflügelt den eilenden Fuß,
Ihn jagen der Sorge Qualen;
Da schimmern in Abendrots Strahlen
Von ferne die Zinnen von Syrakus,
Und entgegen kommt ihm Philostratus,
Des Hauses redlicher Hüter,
Der erkennet entsetzt den Gebieter:


»Zurück! du rettest den Freund nicht mehr,
So rette das eigene Leben!
Den Tod erleidet er eben.
Von Stunde zu Stunde gewartet' er
Mit hoffender Seele der Wiederkehr,
Ihm konnte den mutigen Glauben
Der Hohn des Tyrannen nicht rauben.«


»Und ist es zu spät, und kann ich ihm nicht,
Ein Retter, willkommen erscheinen,
So soll mich der Tod ihm vereinen.
Des rühme der blut'ge Tyrann sich nicht,
Daß der Freund dem Freunde gebrochen die Pflicht,
Er schlachte der Opfer zweie
Und glaube an Liebe und Treue!«


Und die Sonne geht unter, da steht er am Tor,
Und sieht das Kreuz schon erhöhet,
Das die Menge gaffend umstehet;
An dem Seile schon zieht man den Freund empor,
Da zertrennt er gewaltig den dichter Chor:
»Mich, Henker«, ruft er, »erwürget!
Da bin ich, für den er gebürget!«


Und Erstaunen ergreifet das Volk umher,
In den Armen liegen sich beide
Und weinen vor Schmerzen und Freude.
Da sieht man kein Augen tränenleer,
Und zum Könige bringt man die Wundermär';
Der fühlt ein menschliches Rühren,
Läßt schnell vor den Thron sie führen,


Und blicket sie lange verwundert an.
Drauf spricht er: »Es ist euch gelungen,
Ihr habt das Herz mir bezwungen;
Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn -
So nehmet auch mich zum Genossen an:
Ich sei, gewährt mir die Bitte,
In eurem Bunde der dritte!

Großadmiral
14.02.2004, 17:34
Angst
Angst davor, dir zu vertrauen.
Angst davor, in deine Augen zu schauen.
Angst vor meiner Sehnsucht.
Angst davor, dass du mich hasst.
Angst davor, dass du gehst.
Zu viel Angst, die zwischen uns steht.

Autor: Ich

pavement
14.02.2004, 17:58
bist du dir sicher, dass das "damon" heißt? in meiner schiller-ausgabe steht "möros".

pavement
14.02.2004, 17:59
beim googeln stoß ich nur auf "damon". komisch.

Großadmiral
14.02.2004, 18:31
du mich pave?

Editiert: Schon gut, habs selbst heruasgefunden.

pavement
14.02.2004, 19:10
nein, ich meine eigentlich schillers "bürgschaft".

Klaus E. Daniel
15.02.2004, 21:39
Fein, pavement,
schon länger vermißt !

Klaus (E. Daniel)

H.P.Lovecraft
16.02.2004, 16:34
Du siehst, wohin du siehst nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reist jener morgen ein:
Wo itzund Städte stehn, wird eine Wiese sein
Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden:


Was itzund prächtig blüht, soll bald zertreten werden.
Was itzt so pocht und trotzt ist Morgen Asch und Bein
Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
Itzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.


Der hohen Taten Ruhm muß wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch bestehn?
Ach! was ist alles dies, was wir für köstlich achten,


Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind;
Als eine Wiesenblum, die man nicht wiederfind't.
Noch will was ewig ist kein einig Mensch betrachten!

Andreas Gryphius
Es ist alles eitel

H.P.Lovecraft
16.02.2004, 16:37
Zwei Wünsche.

Ach, zwei Wünsche wünscht' ich immer
Leider immer noch vergebens.
Und doch sind's die innig-frommsten,
Schönsten meines ganzes Lebens!
Daß ich alle, alle Menschen
Könnt' mit gleicher Lieb' umfassen,
Und daß Ein'ge ich von ihnen
Morgen dürfte hängen lassen.


Adolf Glaßbrenner
----------------------------------------------------------------------------------------
Wie wahr, wie wahr!!!

Klaus E. Daniel
22.02.2004, 16:32
leuchtet weiß und kalt.
Der Himmel ist einsam und ungeheuer.
Dohlen kreisen über dem Weiher
Und Jäger steigen nieder vom Wald.

Ein Schweigen in schwarzen Wipfeln wohnt.
Ein Feuerschein huscht aus den Hütten.
Bisweilen schellt sehr fern ein Schlitten
Und langsam steigt der graue Mond.

Ein Wild verblutet sanft am Rain
Und Raben plätschern in blutigen Gossen.
Das Rohr bebt gelb und aufgeschossen.
Frost, Rauch, ein Schritt im leeren Hain.

Trakl

Klaus E. Daniel
22.02.2004, 16:49
Ein Gott vermags. Wie aber, sag mir, soll
ein Mann ihm folgen durch die schmale Leier?
Sein Sinn ist Zwiespalt. An der Kreuzung zweier
Herzwege steht kein Tempel für Apoll.

Gesang, wie du ihn lehrst, ist nicht Begehr,
nicht Werbung um ein endlich noch Erreichtes;
Gesang ist Dasein. Für den Gott ein Leichtes.
Wann aber sind wir? Und wann wendet er

an unser Sein die Erde und die Sterne?
Dies ists nicht, Jüngling, daß du liebst, wenn auch
die Stimme dann den Mund dir aufstößt, - lerne

vergessen, daß du aufsangst. Das verrinnt.
In Wahrheit singen, ist ein andrer Hauch.
Ein Hauch um nichts. Ein Wehn im Gott. Ein Wind.

Rilke

Großadmiral
22.02.2004, 16:50
Ich ging im Walde
So vor mich hin,
Und nichts zu suchen,
Das war mein Sinn.
Im Schatten sah ich
Ein Blümlein stehn,
Wie Sterne blinkend,
Wie Äuglein schön.

Ich wollt es brechen,
Da sagt' es fein:
Soll ich zum Welken
Gebrochen sein?

Mit allen Wurzeln
Hob ich es aus,
Und trugs zum Garten
Am hübschen Haus.

Ich pflanzt es wieder
Am kühlen Ort;
Nun zweigt und blüht es
Mir immer fort.


(Johann Wolfgang von Goethe)

Bakunin
22.02.2004, 19:54
Heinrich Heine
Belsazar
Die Mitternacht zog näher schon;
In stummer Ruh lag Babylon.

Nur oben in des Königs Schloß,
Da flackerts, da lärmt des Königs Troß.

Dort oben in dem Königssaal
Belsatzar hielt sein Königsmahl.

Die Knechte saßen in schimmernden Reihn,
Und leerten die Becher mit funkelndem Wein.

Es klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht;
So klang es dem störrigen Könige recht.

Des Königs Wangen leuchten Glut;
Im Wein erwuchs im kecker Mut,

Und blindlings reißt der Mut ihn fort;
Und er lästert die Gottheit mit sündigem Wort.

Und er brüstet sich frech, und lästert wild;
Der Knechtenschar ihm Beifall brüllt.

Der König rief mit stolzem Blick;
Der Diener eilt und kehrt zurück.

Er trug viel gülden Gerät auf dem Haupt;
Das war aus dem Tempel Jehovas geraubt.

Und der König ergriff mit frevler Hand
Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand.

Und er leert ihn hastig bis auf den Grund,
und rufet laut mit schäumendem Mund:

Jehovah! dir künd ich auf ewig Hohn -
Ich bin der König von Babylon!

Doch kaum das grause Wort verklang,
Dem König wards heimlich im Busen bang.

Das gellende Lachen verstummte zumal;
Es wurde leichenstill im Saal.

Und sieh! und sieh! an weißer Wand
Da kams hervor wie Menschenhand;

Und schrieb, und schrieb an weißer Wand
Buchstaben von Feuer, und schrieb und schwand.

Der König stieren Blicks da saß,
Mit schlotternden Knien und totenblaß.

Die Knechtenschar saß kalt durchgraut,
Und saß gar still, gab keinen Laut.

Die Magier kamen, doch keiner verstand
Zu deuten die Flammenschrift an der Wand.

Belsatzar ward aber in selbiger Nacht
Von seinen Knechten umgebracht.

Klaus E. Daniel
23.02.2004, 12:01
In meiner Erinnrung erblühen
Die Bilder, die längst verwittert -
Was ist in deiner Stimme,
Das mich so tief erschüttert?

Sag nicht, daß du mich liebst!
Ich weiß, das Schönste auf Erden,
Der Frühling und die Liebe,
Es muß zuschanden werden.

Sag nicht, daß du mich liebst!
Und küsse nur und schweige,
Und lächle, wenn ich dir morgen
Die welken Rosen zeige.

Heine

H.P.Lovecraft
26.02.2004, 11:20
Der Mensch ist bald vergessen
Achim von Arnim

Der Mensch ist bald vergessen
der Mensch vergißt so bald,
der Mensch hat nichts besessen,
er sterbt jung oder alt.


Der Mensch ist bald vergessen,
nur Gott vergißt uns nicht,
hat unser Herz ermessen,
wenn es in Schmerzen bricht.


Wir steigen im Gebete
zu ihm wie aus dem Tod,
sein Hauch, der uns durchwehte,
tat unserm Herzen not.

H.P.Lovecraft
26.02.2004, 11:21
Einerlei
Achim Friedrich Ludwig von Arnim

Ihr Mund ist stets derselbe,
Sein Kuß mir immer neu,
Ihr Auge noch dasselbe,
Sein freier Blick mir treu;


O du liebes Einerlei,
Wie wird aus dir so mancherlei!

Klaus E. Daniel
26.02.2004, 15:27
:top:

KED

Klaus E. Daniel
28.02.2004, 13:52
Zeit

So wandelt sie, im ewig gleichen Kreise
Die Zeit nach ihrer alten Weise,
Auf ihrem Wege taub und blind,
Das unbefangne Menschenkind
Erwartet stets vom nächsten Augenblick
Ein unverhofftes seltsam neues Glück.
Die Sonne geht und kehret wieder,
Kommt Mond und sinkt die Nacht hernieder,
Die Stunden die Wochen abwärts leiten,
Die Wochen bringen die Jahreszeiten.
Von aussen nichts sich je erneut,
In Dir trägst du die wechselnde Zeit,
In Dir nur Glück und Begebenheit.

Tieck

Klaus E. Daniel
29.02.2004, 11:31
Liebe

O reiche Armuth! Gebend, seliges Empfangen!
In Zagheit Muth! in Freiheit doch gefangen.
In Stummheit Sprache,
Schüchtern bei Tage,
Siegend mit zaghaftem Bangen.

Lebendiger Tod, im Einen sel'ges Leben
Schwelgend in Noth, im Widerstand ergeben,
Genießend schmachten,
Nie satt betrachten
Leben im Traum und doppelt Leben.

K v. Günderode

Klaus E. Daniel
01.03.2004, 10:59
Lob der Faulheit

Faulheit, jetzo will ich dir
Auch ein kleines Loblied bringen. -
O - - wie - - sau - - er - - wird es mir, - -
Dich - - nach Würden - - zu besingen!
Doch, ich will mein Bestes tun,
Nach der Arbeit ist gut ruhn.

Höchstes Gut! wer dich nur hat,
Dessen ungestörtes Leben - -
Ach! - - ich - - gähn' - - ich - - werde matt - -
Nun - - so - - magst du - - mirs vergeben,
Daß ich dich nicht singen kann;
Du verhinderst mich ja dran.

Lessing

H.P.Lovecraft
02.03.2004, 10:16
Grabinschrift
Ferdinand Sauter

Viel genossen, viel gelitten,
und das Glück lag in der Mitten;
viel empfunden, nichts erworben,
froh gelebt und leicht gestorben.
Frag nicht nach der Zahl der Jahre,
kein Kalender ist die Bahre,
und der Mensch im Leichentuch
bleibt ein zugeklapptes Buch,
Darum, Wand'rer, ziehe weiter,
denn Verwesung stimmt nicht heiter!

H.P.Lovecraft
02.03.2004, 10:19
Es ist Nacht
Christian Morgenstern


Es ist Nacht,
und mein Herz kommt zu dir,
hält's nicht aus,
hält's nicht aus mehr bei mir.
Legt sich dir auf die Brust,
wie ein Stein,
sinkt hinein,
zu dem deinen hinein.

Dort erst,
dort erst kommt es zur Ruh,
liegt am Grund
seines ewigen Du.

H.P.Lovecraft
02.03.2004, 10:23
Immer mehr.


»Ich möchte sie wohl sehen,
Ach, nur ein einzig Mal!«
Da ich sie nun gesehen,
Möcht' ich sie wieder sehen
Noch viele tausend Mal.

»Ihr Händchen möcht ich drücken,
Ach, nur ein einzig Mal!«
Da ich es nun gedrücket,
Möcht' ich es wieder drücken
Noch hunderttausend Mal.

»O könnt' ich die doch küssen,
Ach, nur ein einzig Mal!«
Da ich sie nun geküsset,
Möcht' ich sie wieder küssen
Noch Millionen Mal

Johann Peter Eckermann

Klaus E. Daniel
02.03.2004, 11:06
:klatsch:

H.P.Lovecraft
02.03.2004, 12:46
Traumgekrönt
Rainer Maria Rilke

Das war der Tag der weißen Chrysanthemem,
Mir bangte fast vor seiner Pracht...
Und dann, dann kamst du mir die Seele nehmen
Tief in der Nacht.
Mir war so bang, und du kamst lieb und leise,
Ich hatte grad im Traum an dich gedacht.
Du kamst, und leis' wie eine Märchenweise
Erklang die Nacht.

H.P.Lovecraft
02.03.2004, 12:53
Der Kuß

Du Kleine, willst du gehen?
Du bist ein Kind!
Wie wolltest du verstehen,
Was Küsse sind?

Du warst vor wenig Wochen
Ein Knöspchen bloß;
Nun tut, kaum ausgebrochen,
Das Röslein groß!

Weil deine Wange röter
Als Apfel blüht,
Der Augen Blau wie Äther
Im Frühling glüht;

Weil deinen Schleier hebet,
Ich weiß nicht was,
Das auf und nieder bebet:
Das meinst du, das?

Weil kraus wie Rebenringel
Dein Haupthaar wallt,
Und hell wie eine Klingel
Dein Stimmchen schallt;

Weil leicht, und wie gewehet,
Ohn Unterlaß
Dein schlanker Wuchs sich drehet:
Das meinst du, das?

Ich sahe voll Gedanken
Durch junges Grün
In blauer Luft die blanken
Gewölkchen ziehn;

Da warfst du mich, du Bübin,
Mit feuchtem Strauß,
Und flohst wie eine Diebin
Ins Gartenhaus.

Nun sitz und schrei im Winkel,
Und ungeküßt,
Bis du den Mädchendünkel
Rein abgebüßt!

Ach gar zu rührend bittet
Dein Lächeln mich!
So komm, doch fein gesittet,
Und sträube dich!

Klaus E. Daniel
02.03.2004, 17:47
Mein Vaterland

Treue Liebe bis zum Grabe
Schwör' ich dir mit Herz und Hand:
Was ich bin und was ich habe,
Dank' ich dir, mein Vaterland.

Nicht in Worten nur und Liedern
Ist mein Herz zum Dank bereit;
Mit der That will ich's erwiedern
Dir in Noth, in Kampf und Streit.

In der Freude wie im Leide
Ruf' ich's Freund' und Feinden zu:
Ewig sind vereint wir beide,
Und mein Trost, mein Glück bist du.
Treue Liebe bis zum Grabe
Schwör' ich dir mit Herz und Hand:
Was ich bin und was ich habe,
Dank' ich dir, mein Vaterland.

Hoffmann von Fallersleben: Mein Vaterland

Leider wurde es beschmutzt.

Klaus E. Daniel

Ulfberth
02.03.2004, 21:54
Inwiefern???

Gruß

Henning

Klaus E. Daniel
02.03.2004, 22:56
Die Frage durfte nicht kmmen;

denken Sie an H.. und HC.

KED

Ulfberth
02.03.2004, 23:05
Nun, ich dachte zuerst an Frank Rennicke, der dieses Lied u.a. auch in seinem Repertoire hat ohne es in Melodie und Text geändert zu haben.

Wenn Sie diesen Umstand mit "beschmutzt" gemeint hätten, so hätten wir DARUM gestritten.

:)

Gruß

Henning

H.P.Lovecraft
03.03.2004, 10:31
Würde der Frauen.
Ehret die Frauen! sie flechten und weben
Himmlische Rosen ins irdische Leben,
Flechten der Liebe beglückendes Band,
Und in der Grazie züchtigem Schleier
Nähren sie wachsam das ewige Feuer
Schöner Gefühle mit heiliger Hand.
Ewig aus der Wahrheit Schranken
Schweift des Mannes wilde Kraft;
Unstät treiben die Gedanken
Auf dem Meer der Leidenschaft;
Gierig greift er in die Ferne,
Nimmer wird sein Herz gestillt;
Rastlos durch entlegne Sterne
Jagt er seines Traumes Bild.

Aber mit zauberisch fesselndem Blicke
Winken die Frauen den Flüchtling zurücke,
Warnend zurück in der Gegenwart Spur.
In der Mutter bescheidener Hütte
Sind sie geblieben mit schamhafter Sitte,
Treue Töchter der frommen Natur.

Feindlich ist des Mannes Streben,
Mit zermalmender Gewalt
Geht der wilde durch das Leben,
Ohne Rast und Aufenthalt.
Was er schuf, zerstört er wieder,
Nimmer ruht der Wünsche Streit,
Nimmer, wie das Haupt der Hyder
Ewig fällt und sich erneut.

Aber, zufrieden mit stillerem Ruhme,
Brechen die Frauen des Augenblicks Blume,
Nähren sie sorgsam mit liebendem Fleiß,
Freier in ihrem gebundenen Wirken,
Reicher, als er, in des Wissens Bezirken
Und in der Dichtung unendlichem Kreis.

Streng und stolz, sich selbst genügend,
Kennt des Mannes kalte Brust,
Herzlich an ein Herz sich schmiegend,
Nicht der Liebe Götterlust,
Kennet nicht den Tausch der Seelen,
Nicht in Thränen schmilzt er hin;
Selbst des Lebens Kämpfe stählen
Härter seinen harten Sinn.

Aber, wie leise vom Zephyr erschüttert,
Schnell die äolische Harfe erzittert,
Also die fühlende Seele der Fraun.
Zärtlich geängstet vom Bilde der Qualen,
Wallet der liebende Busen, es strahlen
Perlend die Augen von himmlischem Thau.

In der Männer Herrschgebiete
Gilt der Stärke trotzig Recht;
Mit dem Schwert beweist der Scythe,
Und der Perser wird zum Knecht.
Es befehden sich im Grimme
Die Begierden wild und roh,
Und der Eris rauhe Stimme
Waltet, wo die Charis floh.

Aber mit sanft überredender Bitte
Führen die Frauen den Scepter der Sitte,
Löschen die Zwietracht, die tobend entglüht,
Lehren die Kräfte, die feindlich sich hassen,
Sich in der lieblichen Form zu umfassen,
Und vereinen, was ewig sich flieht.


Schiller

H.P.Lovecraft
03.03.2004, 10:39
Das folgende Gedicht erzählte mir mein Großvater zum ersten Male, da ich grade sprechen gelernt hatte und von da an bis zu seinem Tode wohl an die 1000 Mal. Zu seiner größten Freude sprach ich es eines Tages für ihn zu Ende - ohne es jemals gelesen zu haben:

Der Schatzgräber
Arm am Beutel, krank am Herzen
Schleppt' ich meine langen Tage.
Armut ist die größte Plage,
Reichtum ist das höchste Gut!
Und, zu enden meine Schmerzen,
Ging ich, einen Schatz zu graben.
Meine Seele sollst du haben!
Schrieb ich hin mit eignem Blut.

Und so zog ich Kreis' um Kreise,
Stellte wunderbare Flammen,
Kraut und Knochenwerk zusammen:
Die Beschwörung war vollbracht.
Und auf die gelernte Weise
Grub ich nach dem alten Schatze
Auf dem angezeigten Platze;
Schwarz und stürmisch war die Nacht.

Und ich sah ein Licht von weiten,
Und es kam gleich einem Sterne
Hinten aus der fernsten Ferne,
Eben als es zwölfe schlug.
Und da galt kein Vorbereiten;
Heller ward's mit einem Male
Von dem Glanz der vollen Schale,
Die ein schöner Knabe trug.

Holde Augen sah ich blinken
Unter dichtem Blumenkranze;
In des Trankes Himmelsglanze
Trat er in den Kreis herein.
Und er hieß mich freundlich trinken;
Und ich dacht': es kann der Knabe
Mit der schönen lichten Gabe
Wahrlich nicht der Böse sein.

Trinke Mut des reinen Lebens!
Dann verstehst du die Belehrung,
Kommst mit ängstlicher Beschwörung
Nicht zurück an diesen Ort.
Grabe hier nicht mehr vergebens!
Tages Arbeit, Abends Gäste!
Saure Wochen, frohe Feste!
Sei dein künftig Zauberwort.

Johann Wolfgang von Goethe


Den weisen Rat dieser Zeilen sollte jeder sich wohl zu Herzen nehmen.

Klaus E. Daniel
03.03.2004, 11:01
An die Königin Luise von Preußen

Sonett

Erwäg ich, wie in jenen Schreckenstagen,
Still deine Brust verschlossen, was sie litt,
Wie du das Unglück, mit der Grazie Tritt,
Auf jungen Schultern herrlich hast getragen,

Wie von des Kriegs zerrißnem Schlachtenwagen
Selbst oft die Schar der Männer zu dir schritt,
Wie, trotz der Wunde, die dein Herz durchschnitt,
Du stets der Hoffnung Fahn uns vorgetragen:

O Herrscherin, die Zeit dann möcht ich segnen!
Wir sahn dich Anmut endlos niederregnen,
Wie groß du warst, das ahndeten wir nicht!

Dein Haupt scheint wie von Strahlen mir umschimmert;
Du bist der Stern, der voller Pracht erst flimmert,
Wenn er durch finstre Wetterwolken bricht!

Kleist



Der durch Goethe in den Selbstmord getrieben wurde: das muß auch eimal geschrieben werden..

H.P.Lovecraft
03.03.2004, 11:33
Wisset nur, daß Dichterworte,
Um des Paradieses Pforte
Immer leise klopfend schweben,
Sich erbittend ewges Leben.

Johann Wolfgang von Goethe

H.P.Lovecraft
04.03.2004, 17:53
An die Schöne
Sie trug ein Band in Haaren,
Das flatterte durch die Luft,
Am Busen barg sie Rosen,
Die spendeten würzigen Duft.

Vom Busen gib mir die Rosen,
Oder gib mir das Band im Haar,
Oder gib mir die Haare selber,
Oder gib mir den Busen gar!

Vom Bande flicht mir Fesseln,
Von Rosen den bräutlichen Kranz,
Ein Ringlein winde von Haaren,
Aber schenke dein Herz mir ganz!


August von Platen
(eigentlich: Karl August Georg Maximilian Graf von Platen-Hallermünde)

Klaus E. Daniel
06.03.2004, 13:36
Erdgeist

Greife wacker nach der Sünde;
Aus der Sünde wächst Genuß.
Ach, du gleichest einem Kinde,
Dem man alles zeigen muß.

Meide nicht die ird'schen Schätze:
Wo sie liegen, nimm sie mit.
Hat die Welt doch nur Gesetze,
Daß man sie mit Füßen tritt.

Glücklich, wer geschickt und heiter
Über frische Gräber hopst.
Tanzend auf der Galgenleiter
Hat sich keiner noch gemopst.

Wedekind

Klaus E. Daniel
07.03.2004, 12:48
Schloß Eger

Lärmend, im Schloß zu Eger,
Über dem Ungarwein,
Sitzen die Würdenträger
Herzogs Wallenstein:
Tertschka, des Feldherrn Schwager,
Illo und Kinsky dazu,
Ihre Heimat das Lager,
Und die Schlacht ihre Ruh.

Lustig flackern die Kerzen;
Aber der Tertschka spricht:
»Ist mir's Nacht im Herzen
Oder vorm Gesicht?
Diese Lichter leuchten
Wie in dunkler Gruft,
Und die Wände, die feuchten,
Hauchen Grabesluft.«

Feurig funkelt der Unger;
Aber der Kinsky spricht:
»Draußen bei Frost und Hunger
Schüttelte so mich's nicht,
Hielte lieber bei Lützen
Wieder in Qualm und Rauch;
Wolle Gott uns schützen,
Oder - der Teufel auch.«

Illo nur, Herz wie Kehle
Hält er bei Laune sich,
Dicht ist seine Seele
Gegen Hieb und Stich,
Trägt ein Büffelkoller
Wie sein Körper traun,
Lustiger und toller
War er nie zu schaun.

Und vom Trunke heiser
Ruft er jetzt und lacht:
»Das erst ist der Kaiser,
Wer den Kaiser macht;
Eid und Treue brechen,
Taten wir's allein?
Hoch der König der Tschechen,
Herzog Wallenstein!« -

Burg- und Schloßbewohner
Ruhen ... Da sieh, in Stahl,
Buttlersche Dragoner
Dringen in den Saal;
Buttler selbst, im Helme,
Tritt an den Illo: »Sprich,
Seid ihr Schurken und Schelme
Oder gut kaiserlich?! «

Hei, da fahren die Klingen
Wie von selber heraus,
Von dem Pfeifen und Schwingen
Löschen die Lichter aus;
Weiter geht es im Dunkeln,
Nein, im Dunkeln nicht:
Ihrer Augen Funkeln
Gibt das rechte Licht.

Tertschka fällt; daneben
Kinsky mit Fluch und Schwur;
Mehr um Tod wie Leben
Ficht selbst Illo nur,
Schlägt blindhin in Scherben
Schädel und Flaschen jetzt,
Wie ein Eber im Sterben
Noch die Hauer wetzt.

Licht und Fackel kommen,
Geben düstren Schein:
Ineinander verschwommen
Blinken Blut und Wein;
Überall im Saale
Leichen in buntem Gemisch,
Stumm, vor seinem Mahle,
Sitzt der Tod am Tisch.

Buttler aber, wie Wetter,
Donnert jetzt: »Laßt sie ruhn!
Das sind erst die Blätter,
An die Wurzel nun.«
Bald in Schlosses Ferne
Hört man's krachen und schrei'n; -
Schau nicht in die Sterne,
Rette dich, Wallenstein!

,

H.P.Lovecraft
08.03.2004, 09:27
Der Friede

Der Friede stürzt ins Land
Gleich einem Schaf, von Wölfen angerissen.
Er trägt ein grau Gewand,
Zerflattert und zersplissen.

Sein Antlitz ist zerfressen,
Sein Auge ohne Glanz.
Er hat vergessen
Den eignen Namen ganz.

Gleich einem alten Kind
(Gealtert früh in Harmen)
Steht er im Abendwind
Und bettelt um Erbarmen.

Es glänzt sein blondes Haar,
Der Sonne doch ein Teilchen.
Er bietet lächelnd dar
Ein welkes Herz und welke Veilchen.

Alfred Henschke
(Klabund)

H.P.Lovecraft
08.03.2004, 09:30
Johann Kleinfercher
Nur kein Hochmut!

Gottes Sonne leuchtet allen

Mit der klaren Himmelsglut

Und für jeden ist entfallen

Irgend ein beglückend Gut.

Wolle, wo du nicht kannst schauen,

Nicht auch uns der Blindheit zeih'n,

Reiße, wo du nicht kannst bauen,

Nicht die kleinste Ranke ein!

Gärtner
08.03.2004, 13:15
Ich habe ja die längste Zeit Erich Fried richtig schrecklich gefunden ("altlinker Narr"), bis ich später bemerkte, daß der Mann sich auch auf lyrischem Felde betätigt hat. So hat er Reihe von Liebesgedichten verfaßt, die mich, je älter ich werde (ob´s daran liegt?), immer mehr ansprechen.

Z.B dies:

worte

wenn meinen worten die silben ausfallen vor müdigkeit
und dann die dummen fehler beginnen
wenn ich einschlafen will
und nicht mehr wach sein zur täglichen trauer
um das was geschieht in der welt
und was ich nicht verhindern kann
beginnt da und dort ein wort sich zu putzen und leise zu summen
und ein halber gedanke kämmt sich und sucht einen andern
der vielleicht eben noch an etwas gewürgt hat
was er nicht schlucken konnte
doch jetzt sich umsieht
und den halben gedanken an der hand nimmt und sagt zu ihm:

komm

und dann fliegen einige von den müden worten
und einige schreibfehler die über sich selber lachen
mit oder ohne die halben und ganzen gedanken
aus dem ganzen elend über fluß und häuser und straßen
immer wieder hinüber zur selben stelle
und morgens wenn du die stufen hinuntergehst zur tür
und stehenbleibst und aufmerksam wirst und hinsiehst
kannst du sie sitzen sehen oder auch flattern hören ein wenig
verfroren und vielleicht noch ein wenig verloren
und immer ganz dumm vor glück daß sie wirklich bei dir sind

H.P.Lovecraft
08.03.2004, 13:40
Hochzeitlied
Stand ein junges Veilchen auf der Weiden,
Lieb und herzig, in sich, und bescheiden;
Und ein wackrer Jüngling über Land
Kam hin, da das Veilchen stand.

Und er sah das Veilchen auf der Weiden
Lieb und herzig, in sich, und bescheiden,
Sah es an mit Liebe und mit Lust,
Wünscht es sich an seine Brust.

Heute wird das Blümchen ihm gegeben,
Daß ers trag an seiner Brust durchs Leben!
Und ein Kreis von edlen Menschen steht
Ernst, und feiert mit Gebet.

Seid denn glücklich! Gott mit euch, Ihr beide!
Seine »Sonn' am Himmel« schein euch Freude;
Und, in eurer Freud', in eurem Schmerz,
Seine »beßre« euch ins Herz!

Matthias Claudius

Klaus E. Daniel
08.03.2004, 21:22
Gnadenort

Den Eichbaum traf der Blitz aus schwarzen Lüften,
Und schlug in tausend Splitter ihn, der wilde.
Fünfhundert Jahr zurück: In Waldesgrüften
Umschloß Marien er im grünen Schilde.
Die Dirne, lebensrot, mit derben Hüften,
Kniet schluchzend vor dem Muttergottesbilde,
Indess' der Junker lachend in den Klüften
Jagt Seit' der blassen Herrin, Frau Wulffhilde.


Großmutter wird nun täglich immer schlimmer,
Doch zögert noch der Allesüberwinder.
Dicht vor dem Spiegel stehn im Nebenzimmer
Mamachen und drei hübsche blonde Kinder,
Und proben emsig, wie der schwarze Flimmer
So reizend putzt als Kleid, als Hut nicht minder.
Großmutter stirbt - es konnte nimmer grimmer
Der Damen Trauer sein, das sieht ein Blinder.

Liliencron

H.P.Lovecraft
09.03.2004, 09:46
An die Geliebte
Eduard Mörike(1830)

Wenn ich, von deinem Anschaun tief gestillt,
Mich stumm an deinem heilgen Wert vergnüge,
dann hör ich recht die leisen Atemzüge
Des Engels, welcher sich in dir verhüllt.

Und ein erstaunt, ein fragend Lächeln quillt
Auf meinen Mund, ob mich kein Traum betrüge,
Daß nun in dir, zu ewiger Genüge,
Mein kühnster Wunsch, mein einzger, sich erfüllt?

Von Tiefe dann zu Tiefen stürzt mein Sinn,
Ich höre aus der Gottheit nächtger Ferne
Die Quellen des Geschicks melodisch rauschen.

Betäubt kehr ich den Blick nach oben hin,
Zum Himmel auf - da lächeln alle Sterne;
Ich kniee, ihrem Lichtgesang zu lauschen.

H.P.Lovecraft
09.03.2004, 09:48
Begegnung
Eduard Mörike

Was doch heut nacht ein Sturm gewesen,
Bis erst der Morgen sich geregt!
Wie hat der ungebetne Besen
Kamin und Gassen ausgefegt!


Da kommt ein Maedchen schon die Strassen,
Das halb verschuechtert um sich sieht;
Wie Rosen, die der Wind zerblasen,
So unstet ihr Gesichtchen glueht.


Ein schoener Bursch tritt ihr entgegen,
Er will ihr voll Entzuecken nahn:
Wie sehn sich freudig und verlegen
Die ungewohnten Schelme an!


Er scheint zu fragen, ob das Liebchen
Die Zoepfe schon zurecht gemacht,
Die heute Nacht im offnen Stuebchen
Ein Sturm in Unordnung gebracht.


Der Bursche traeumt noch von den Kuessen,
Die ihm das suesse Kind getauscht,
Er steht, von Anmut hingerissen,
Derweil sie um die Ecke rauscht.

Bakunin
10.03.2004, 00:10
Der Kanonensong (Bertolt Brecht)

John war darunter und Jim war dabei
Und Georgie ist Sergeant geworden
Doch die Armee, sie fragt keinen, wer er sei
Und sie marschieren hinauf nach dem Norden.

Soldaten wohnen
Auf den Kanonen
Vom Cap bis Couch Behar.
Wenn es mal regnete
Und es begegnete
Ihnen 'ne neue Rasse
'ne braune oder blasse
Da machen sie vielleicht daraus ihr Beefsteak Tartar.


Johnnie war der Whisky zu warm
und Jimmy hatte nie genug Decken.
Aber Georgie nahm sie beide beim Arm
und sagte die Armee wird schon nicht verrecken.

Soldaten wohnen
Auf den Kanonen
Vom Cap bis Couch Behar.
Wenn es mal regnete
Und es begegnete
Ihnen 'ne neue Rasse
'ne braune oder blasse
Da machen sie vielleicht daraus ihr Beefsteak Tartar.


John ist gestorben und Jim ist tot
Und Georgie ist vermißt und verdorben
Aber Blut ist immer noch rot
Und für die Armee wird jetzt wieder geworben!

Soldaten wohnen
Auf den Kanonen
Vom Cap bis Couch Behar
Wenn es mal regnete
Und es begegnete
Ihnen 'ne neue Rasse
'ne braune oder blasse
Da machen sie vielleicht daraus ihr Beefsteak Tartar

Klaus E. Daniel
10.03.2004, 10:41
Der Krieg ist das Gebiet der Gefahr, es ist also Mut vor allen Dingen
die erste Eigenschaft des Kriegers.

(Vom Kriege, 1. Teil, 1. Buch, 3. Kapitel)

Carl Philipp Gottfried von Clausewitz, preuß. General und -theoretiker.

H.P.Lovecraft
10.03.2004, 12:13
@ KED: Habe hier ein Gedicht gefunden, welches Ihnen wohl gefallen wird. Könnte es sein, dass Sie sich im Thread vertan haben?
**********


An Schillers Nachruhm.
In stiller Nacht, beim düstern Lampenscheine
Hast du oft tief dein sinnend' Haupt gesenkt;
Hoch wiegt dein Nachruhm nun mit Stolz das Seine,
Weil mit dem Höchsten du die Kunst beschenkt.
In fremden Sprachen deinen Geist verkündend,
Fragt er die Welt; ob je ein Dichter sang,
Der, seinen Ruf durch höheres Recht begründend,
Die Liebe seiner Nation errang?
Dir ist des Ruhmes seltner Doppelorden;
Bewunderung und Lieb' zugleich geworden!

Wer hat wie du fürs deutsche Volk geschrieben?
Hat Jüngling, Mann und Greis gleich hoch entzückt?
Wer Völker lehrt, verdient, daß sie ihn lieben,
Wer Glück bereitet, sei auch selbst beglückt.
Warst du es auch? und konntest du es werden?
Ragt Sehnsucht nicht aus deinem Lied empor?
Lebt ein Gemüt, das rein beglückt auf Erden?
Der Weise lügt es oft, es wähnt's der Tor;
Doch was das Leben auch an dir verbrochen,
Du hast dich durch Unsterblichkeit gerochen!

Dein Name lebt, dem frechen Tod zum Hohne,
Der stets der Welt zu früh das Beßre raubt.
Schon rüstet Deutschland sich, die Marmorkrone
Zu drücken auf dein ew'ges Dichterhaupt.
Ein Monument wird einst der Nachwelt lehren,
(Nicht wie du schriebst, dies kündet nur dein Lied,)
Daß Deutschland seltne Männer weiß zu ehren,
Und für der Dichtkunst Hoheit noch entglüht.
Der Himmel kann dir höhren Lohn noch bieten!
Die Erde tat, was sie vermag hienieden.

Ferdinand Raimund

Ich bin der Schuldige, bitte um Entschuldigung !

KED

H.P.Lovecraft
11.03.2004, 09:42
Bierbaum Otto Julius
Oft in der stillen Nacht.

Oft in der stillen Nacht,
wenn zag der Atem geht
und sichelblank der Mond
am schwarzen Himmel steht,

wenn alles ruhig ist
und kein Begehren schreit,
führt meine Seele mich
in Kindeslande weit.

Dann seh' ich, wie ich schritt
unfest mit Füßen klein,
und seh' mein Kindesaug'
und seh' die Hände mein

und höre meinen Mund,
wie lauter klar er sprach
und senke meinen Kopf
und denk' mein Leben nach:

Bist du, bist du allweg
gegangen also rein,
wie du gegangen bist
auf Kindes Füßen klein?

Hast du, hast du allweg
gesprochen also klar,
wie einsten deines Munds
lautleise Stimme war?

Sahst du, sahst du allweg
so klar ins Angesicht
der Sonne, wie dereinst
der Kindesaugen Licht?

Ich blicke, Sichel, auf
zu deiner weißen Pracht;
tief, tief bin ich betrübt
oft in der stillen Nacht.

H.P.Lovecraft
11.03.2004, 10:47
Der zärtliche Mann

Die ihr so eifersüchtig seid,
Und nichts als Unbeständigkeit,
Den Männern vorzurücken pfleget!
O Weiber, überwindet euch,
Lest dies Gedicht und seid zugleich
Beschämt, und ewig widerleget.
Wir Männer sind es ganz allein,
Die einmal nur, doch ewig lieben;
Uns ist die Treu ins Blut geschrieben.
Beweist es! hör ich alle schrein.
Recht gut! Es soll bewiesen sein.

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Ein liebes Weib ward krank, wovon? Von vieler Galle?
Die alte Spötterei! Kein Kluger glaubt sie mehr.
Nein, nein, die Weiber siechten alle,
Wenn diese Übel schädlich wär.
Genug, sie ward sehr krank. Der Mann wendt alles an,
Was man von Männern fordern kann;
Eilt, ihr zu rechter Zeit die Pulver einzuschütten;
Er läßt für seine Frau in allen Kirchen bitten,
Und gibt noch mehr dafür, als sonst gebräuchlich war:
Und doch vermehrt sich die Gefahr.
Er ächzt, er weint und schreit, er will mit ihr verderben.
»Ach Engel«, spricht die Frau, »stell deine Klagen ein!
Ich werde mit Vergnügen sterben,
Versprich mir nur, nicht noch einmal zu frein.«
Er schwört, sich keine mehr zu wählen.
»Dein Schatten«, ruft er, »soll mich quälen,
Wenn mich ein zweites Weib besiegt.«
Er schwört. Nun stirbt sein Weib vergnügt.

Wer kann den Kummer wohl beschreiben,
Der unsern Witwer überfällt?
Er weiß vor Jammer kaum zu bleiben;
Zu eng ist ihm sein Haus, zu klein ist ihm die Welt.
Er opfert seiner Frau die allertreusten Klagen,
Bleibt ohne Speis und Trank, sucht keine Lagerstatt;
Er klagt, und ist des Lebens satt.
Indes befiehlt die Zeit, sie in das Grab zu tragen.
Man legt der Seligen ihr schwarzes Brautkleid an;
Der Witwer tritt betränt an ihren Sarg hinan.
»Was?« fängt er plötzlich an zu fluchen,
»Was, Henker, was soll dieses sein?
Für eine tote Frau ein Brautkleid auszusuchen?
Gesetzt, ich wollte wieder frein:
So müßt ich ja ein neues machen lassen.«

Ihr Leute kränkt ihn nicht, geht, holt ein ander Kleid,
Und laßt dem armen Witwer Zeit;
Er wird sich mit der Zeit schon fassen.


Christian Fürchtegott Gellert

H.P.Lovecraft
12.03.2004, 13:11
Kleines Glück.

Sie geht in aller Frühe,
noch eh die Dämmrung schwand,
den Weg zur Tagesmühe
im ärmlichen Gewand.

Die dunklen Nebel feuchten
noch in der Straße dicht,
sonst sähe man beleuchten
ein Lächeln ihr Gesicht.

Die Götter mögen wissen,
warum sie heimlich lacht -
es weiß es nur das Kissen,
was ihr geträumt heut nacht.

Klaus E. Daniel
14.03.2004, 13:47
Liebe denkt in süssen Tönen,
Denn Gedanken stehn zu fern,
Nur in Tönen mag sie gern
Alles, was sie will, verschönen.

Wenn im tiefen Schmerz verloren
Alle Geister in mir klagen,
Und gerührt die Freunde fragen:
»Welch ein Leid ist dir geboren?«
Kann ich keine Antwort sagen,
Ob sich Freuden wollen finden,
Leiden in mein Herz gewöhnen,
Geister, die sich liebend binden
Kann kein Wort niemals verkünden,
Liebe denkt in süssen Tönen.

Warum hat Gesangessüsse
Immer sich von mir geschieden?
Zornig hat sie mich vermieden,
Wie ich auch die Holde grüße.
So geschieht es, daß ich büße,
Schweigen ist mir vorgeschrieben,
Und ich sagte doch so gern
Was dem Herzen sei sein Lieben,

Tiek

Gärtner
15.03.2004, 01:23
(Zunächst: Sehe nur ich Lovecrafts Beiträge in Elefantengröße...?)

Aber zur Sache:

Abiturfahrt 1984. In Ostia Antica hatte uns unser Deutschlehrer, ein begnadeter Rezitator, in die gut erhaltene Ruine des Theaters geführt. Er hieß uns, auf den Sitzreihen ganz oben Platz zu nehmen, um die verblüffende Akkustik um so mehr genießen zu können. Dann trat er unten ins Halbrund, stieß den rechten Arm mit geballter Faust in den Himmel und begann:

Bedecke deinen Himmel, Zeus,
Mit Wolkendunst
Und übe, dem Knaben gleich,
Der Disteln köpft,
An Eichen dich und Bergeshöhn!
Mußt mir meine Erde
Doch lassen stehn
Und meine Hütte, die du nicht gebaut,
Und meinen Herd,
Um dessen Glut Du mich beneidest.

Ich kenne nichts Ärmeres
Unter der Sonn als euch, Götter!
Ihr nähret kümmerlich
Von Opfersteuern
Und Gebetshauch
Eure Majestät
Und darbtet, wären
Nicht Kinder und Bettler
Hoffnungsvolle Toren.

Da ich ein Kind war,
Nicht wußte, wo aus noch ein,
Kehrt ich mein verirrtes Auge
Zur Sonne, als wenn drüber wär
Ein Ohr, zu hören meine Klage,
Ein Herz wie meins,
Sich des Bedrängten zu erbarmen.

Wer half mir
Wider der Titanen Übermut?
Wer rettete vom Tode mich,
Von Sklaverei?
Hast du nicht alles selbst vollendet,
Heilig glühend Herz?
Und glühtest jung und gut,
Betrogen, Rettungsdank
Dem Schlafenden da droben?

Ich dich ehren? Wofür?
Hast du die Schmerzen gelindert
Je des Beladenen?
Hast du die Tränen gestillet
Je des Geängsteten?
Hat nicht mich zum Manne geschmiedet
Die allmächtige Zeit
Und das ewige Schicksal,
Meine Herrn und deine?

Wähntest du etwa,
Ich sollte das Leben hassen,
In Wüsten fliehen,
Weil nicht alle Blütenträume reiften?

Hier sitz ich, forme Menschen
Nach meinem Bilde,
Ein Geschlecht, das mir gleich sei,
Zu leiden, zu weinen,
Zu genießen und zu freuen sich,
Und dein nicht zu achten,
Wie ich!

Nie mehr hat mich Goethes "Prometheus" so ergriffen wie damals...

RoWiSch
15.03.2004, 09:02
Mit Kirchengeschichte was hab ich zu schaffen ?
Ich sehe weiter nichts als Pfaffen;...
Glaubt nicht, daß ich fasele, daß ich dichte ;
Seht hin und findet mir andre Gestalt!
Es ist die ganze Kirchengeschichte
Mischmasch von Irrtum und von Gewalt.
Den deutschen Mannen gereicht´s zum Ruhm,
Daß Sie gehaßt das Christentum,
Bis Herren Karolus´ leidigem Degen
Die edlen Sachsen unterlegen.
Doch haben Sie lange genug gerungen,
Bis endlich die Pfaffen Sie bezwungen
Und Sie sich unters Joch geduckt;
Doch haben Sie immer einmal gemuckt.

Johann Wolfgang von Goethe

Ob ich Christlich bin ? :lachanfal

Siran
15.03.2004, 09:03
RoWiSch, ändere bitte mal den Titel. Beim Momentanen bekommen ich Bauchschmerzen...

kettnhnd
15.03.2004, 09:05
jo, es heisst nämlich 'göhte'

muahahaha

RoWiSch
15.03.2004, 09:05
RoWiSch, ändere bitte mal den Titel. Beim Momentanen bekommen ich Bauchschmerzen...

Nur Geduld.

RoWiSch
15.03.2004, 09:09
jo, es heisst nämlich 'göhte'

muahahaha

ö oder oe wat solls.

RoWiSch
15.03.2004, 09:13
Mein Versteck

der Himmel grau -
die Stadt scheint trüb -
hat mich nicht lieb -
genau -
die Welt stürzt ein -
der Schmerz zu groß -
lässt mich nicht loß -
und ich will bloß -
alleine sein -
allein mit Dir -
mit Dir allein -
allein sein -
jetzt und hier -
Angesicht zu Angesicht -
mein Versteck bist Du.

:heulsuse:

Der Autor ist mir unbekannt.

RoWiSch
15.03.2004, 09:20
Dieses Thema sollte eigentlich keines werden sondern gehört zu Literatur und Gedichte.
Da hab ich mich wohl irgendwo verklickt.

Sorry.

RoWiSch
15.03.2004, 09:21
Vieleicht kann die Moderation da was machen.

Danke

Siran
15.03.2004, 09:22
Sag das doch gleich, oder noch besser, schreib uns doch einfach ne PN. *g*

Klaus E. Daniel
16.03.2004, 11:23
Knüppel aus dem Sack

Von allen Wünschen in der Welt
Nur Einer mir anjetzt gefällt,
Nur: Knüppel aus dem Sack!
Und gäbe Gott mir Wunschesmacht,
Ich dächte nur bei Tag und Nacht,
Nur: Knüppel aus dem Sack!

Dann braucht' ich weder Gut noch Gold,
Ich machte mir die Welt schon hold
Mit: Knüppel aus dem Sack!
Ich wär' ein Sieger, wär' ein Held,
Der erst' und beste Mann der Welt
Mit: Knüppel aus dem Sack!

Ich schaffte Freiheit, Recht und Ruh
Und frohes Leben noch dazu
Beim: Knüppel aus dem Sack!
Und wollt' ich selbst recht lustig sein,
So ließ' ich tanzen Groß und Klein
Beim: Knüppel aus dem Sack!

O Märchen, würdest du doch wahr
Nur Einen einz'gen Tag im Jahr,
O Knüppel aus dem Sack!

Ich gäbe drum, ich weiß nicht was,
Und schlüge drein ohn' Unterlaß:
Frisch: Knüppel aus dem Sack
Auf's Lumpenpack!
Auf's Hundepack!

Hoffmann von Fallersleben

H.P.Lovecraft
16.03.2004, 13:23
Beschränkung
Eduard Bauernfeld

Kannst du das Schönste nicht erringen,
so mag das Gute dir gelingen.
Ist nicht der große Garten dein,
wird doch ein Blümchen für dich sein.

Nach Großem drängt's dich in die Seele?
Daß sie im Kleinen nur nicht fehle!
Tu heute recht - so ziemt es dir;
der Tag kommt, der dich lohnt dafür!

So geht es Tag für Tag; doch eben
aus Tagen, Freund, besteht das Leben.
Gar viele sind, die das vergessen:
Man muß es nicht nach Jahren messen.

Gärtner
16.03.2004, 13:49
Mir hat immer das Gedicht "Omnis mundi creatura" (Der Name der Rose) von Alanus ab insulis / Alain de Ville (1120-1202) gefallen. Hier auf Latein und Deutsch:


1 Omnis mundi creatura
quasi liber et pictura
nobis est, et speculum.
Nostrae vitae, nostrae mortis,
nostri status, nostrae sortis
fidele signaculum.
Die Geschöpfe dieser Erde
sind ein Buch und ein Gemälde
und ein Spiegel unsres Seins.
Unserm Leben, unserm Sterben,
unsrer Lage, unserm Lose
können sie ein Zeichen sein.

2 Nostrum statum pingit rosa,
nostri status decens glosa,
nostrae vitae lectio.
Quae dum primo floret,
defloratus flos effloret
vespertino senio.
Unsern Zustand zeigt die Rose,
klar beschreibt sie unsre Lage,
unser Leben stellt sie dar.
Die am frühen Morgen blühet,
kaum erblüht verblüht die Blüte,
wenn am Abend alles welkt.

3 Ergo spirans flos exspirat
in pallorem dum delirat,
oriendo moriens.
Simul vetus et novella,
simul senex et puella
rosa marcet oriens.
Taufrisch siecht dahin die Blüte,
wenn sie blaß in Fieberschauern
im Erblühen schon vergeht.
Alt und jung zur gleichen Stunde,
Greis und Kind in gleichem Maße,
welkt die Rose im Erblühn.

4 Sic aetatis ver humanae
juventutis primo mane
reflorescit paululum.
Mane tamen hoc excludit
vitae vesper, dum concludit
vitale crepusculum.
Cujus decor dum perorat
ejus decus mox deflorat
aetas in qua defluit.
Auch des Menschen Lebensfrühling
und der Jugend erster Morgen
blüht für eine kurze Zeit.
Doch im Lebensabend endet
dieser Morgen, und bald naht sich
jedes Lebens Dämmerung.
Noch eh' aller Glanz entfaltet
ist die Schönheit schon vorüber,
und die Zeit fließt drüber hin.

5 Fit flos fenum, gemma lutum,
homo cinis, dum tributum
homo morti tribuit.
Cujus vita cujus esse, poena, labor et
necesse
vitam morte claudere.
Blume wird zu Heu, zu Kote
wird die Perle, und als Asche
zahlt der Mensch dem Tod Tribut.
Unabwendbar ist sein Leben
und sein Sein nur Qual und Mühe,
und das Leben schließt im Tod.

6 Sic mors vitam, risum luctus,
umbra diem, portum fluctus,
mane claudit vespere.
In nos primum dat insultum
poena mortis gerens vultum,
labor mortis histrio.
Auf den Morgen folgt der Abend,
auf das Lachen folgt die Trauer,
auf das Leben folgt der Tod.
Unsres Daseins erste Qualen
tragen schon des Todes Züge,
und die Mühe kündet Tod.

7 Nos proponit in laborem,
nos assumit in dolorem;
mortis est conclusio.
Ergo clausum sub hac lege,
statum tuum, homo, lege,
tuum esse respice.
Uns den Mühen auszusetzen
und den Schmerzen hinzugeben
ist des Todes Forderung.
Unter dies Gesetz gezwungen,
Mensch erkenne deine Lage
und bedenke, was du bist.

8 Quid fuisti nasciturus;
quid sis praesens, quid futurus,
diligenter inspice.
Was du warest neugeboren,
was du bist, und was du sein wirst
oh, beachte es genau.

9 Luge poenam, culpam plange,
motus fraena, factum frange,
pone supercilia.
Weine über Schuld und Strafe,
halte still, nichts übereile,
lege jeden Hochmut ab.

10 Mentis rector et auriga
mentem rege, fluxus riga,
ne fluant in devia.
Lenker, Steuermann des Geistes,
lenke unsern Sinn und sorge,
daß sein Weg nicht irre geht.

Klaus E. Daniel
17.03.2004, 15:05
Auf Flügeln des Gesanges

Auf Flügeln des Gesanges,
Herzliebchen, trag ich dich fort,
Fort nach den Fluren des Ganges,
Dort weiß ich den schönsten Ort.

Dort liegt ein rotblühender Garten
Im stillen Mondenschein;
Die Lotosblumen erwarten
Ihr trautes Schwesterlein.

Die Veilchen kichern und kosen,
Und schaun nach den Sternen empor;
Heimlich erzählen die Rosen
Sich duftende Märchen ins Ohr.

Es hüpfen herbei und lauschen
Die frommen, klugen Gazell'n;
Und in der Ferne rauschen
Des heiligen Stromes Well'n.

Dort wollen wir niedersinken
Unter dem Palmenbaum,
Und Liebe und Ruhe trinken
Und träumen seligen Traum.

Heine

Luciérnaga
17.03.2004, 15:39
Ludwig Tieck (1773-1853)

Wunder der Liebe


Glosse

Mondbeglänzte Zaubernacht,
Die den Sinn gefangen hält,
Wundervolle Märchenwelt,
Steig‘ auf in der alten Pracht!


Liebe läßt sich suchen, finden,
Niemals lernen, oder lehren,
Wer da will die Flamm‘ entzünden
Ohne selbst sich zu verzehren,
Muß sich reinigen der Sünden.
Alles schläft, weil er noch wacht,
Wann der Stern der Liebe lacht,
Goldne Augen auf ihn blicken,
Schaut er trunken von Entzücken
Mondbeglänzte Zaubernacht.


Aber nie darf er erschrecken,
Wenn sich Wolken dunkel jagen,
Finsterniß die Sterne decken,
Kaum der Mond es noch will wagen,
Einen Schimmer zu erwecken.
Ewig steht der Liebe Zelt,
Von dem eignen Licht erhellt,
Aber Muth nur kann zerbrechen,
Was die Furcht will ewig schwächen,
Die den Sinn gefangen hält.


Keiner Liebe hat gefunden,
Dem ein trüber Ernst beschieden,
Flüchtig sind die goldnen Stunden,
Welche immer den vermieden,
Den die bleiche Sorg‘ umwunden:
Wer die Schlange an sich hält,
Dem ist Schatten vorgestellt,
Alles was die Dichter sangen,
Nennt der Arme, eingefangen,
Wundervolle Märchenwelt.


Herz im Glauben auferblühend
Fühlt alsbald die goldnen Scheine,
Die es lieblich in sich ziehend
Macht zu eigen sich und seine,
In der schönsten Flamme glühend.
Ist das Opfer angefacht,
Wird’s dem Himmel dargebracht,
Hat dich Liebe angenommen,
Auf dem Altar hell entglommen
Steig‘ auf in der alten Pracht.

Klaus E. Daniel
18.03.2004, 11:25
Luciérnaga,

hatten wir schon.
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Nacht

Im Windsgeräusch, in stiller Nacht
Geht dort ein Wandersmann,
Er seufzt und weint und schleicht so sacht,
Und ruft die Sterne an:

Mein Busen pocht, mein Herz ist schwer,
In stiller Einsamkeit,
Mir unbekannt, wohin, woher,
Durchwandl' ich Freud' und Leid;

Ihr kleinen goldnen Sterne,
Ihr bleibt mir ewig ferne,
Ferne, ferne,
Und ach! ich vertraut' euch so gerne.

Da klingt es plötzlich um ihn her,
Und heller wird die Nacht.
Schon fühlt er nicht sein Herz so schwer;
Er dünkt sich neu erwacht:

O Mensch, du bist uns fern und nah,
Doch einsam bist du nicht,
Vertrau' uns nur, dein Auge sah
Oft unser stilles Licht:

Wir kleinen goldnen Sterne
Sind dir nicht ewig ferne;
Gerne, gerne,
Gedenken ja deiner die Sterne.

Tieck

Kommissär
19.03.2004, 12:34
Frage an den Themenstarter oder auch an die Forengemeinschaft:
Wie deutsch muss bzw. kann ein deutsches Gedicht sein? Ich spreche von Berndeutsch, welches eine alemannische Sprache ist.

oktober
19.03.2004, 12:38
Frage an den Themenstarter oder auch an die Forengemeinschaft:
Wie deutsch muss bzw. kann ein deutsches Gedicht sein? Ich spreche von Berndeutsch, welches eine alemannische Sprache ist.

Grüezi baerlach,

würde mal sagen, wenn man es verstehen kann, wenn man der deutschen Sprache mächtig ist, so ist das ausreichend. ;)

Klaus E. Daniel
19.03.2004, 16:56
Ich habe nichts dagegen, gute Schriftkerne in das deutsche hereinzuziehen. Ich bin sogar sicher, welche zu finden.

Hier beschränke ich mich auf deutsche Traditionen, besseres - gibt es allemal.

KED

Luciérnaga
19.03.2004, 17:01
Luciérnaga,


hatten wir schon.


Asche über mein Haupt. Man möge es mir verzeihen... ;)

Klaus E. Daniel
19.03.2004, 17:16
Luciérnaga,

Nichts draus machen.

KED :-:

Klaus E. Daniel
21.03.2004, 13:17
Die Schwierigkeit liegt darin, daß wir als Menschen nicht nur Probleme lösen, sondern auch Probleme schaffen. (Edward Teller)

Wer sich zu wichtig für kleine Arbeiten hält, ist oft zu klein für wichtige Arbeiten. (Jaques Tati)

Liebe und Klugheit sind nicht füreinander gemacht: Wächst die Liebe, so schwindet die Klugheit. (François Duc de La Rochefoucauld)

Der Körper ist der Übersetzer der Seele ins sichtbare. (Christian Morgenstern)

Solange unsere Sicherheit kein Kind der Vernunft sein kann, muß sie eine Tochter des Schreckens sein. (Winston Churchill)

Ein Urteil läßt sich widerlegen, ein Vorurteil nie. (Marie von Ebner-Eschenbach)

Die Phönizier haben das Geld erfunden - aber warum so wenig? (Johann Nepomuk Nestroy)

Der Wert der Ideale steigt. Wenigstens behaupten das diejenigen, die ihre Ideale erfolgreich verkauft haben. (Gabriel Laub)

Lieber von den Richtigen kritisiert als von den Falschen gelobt werden. (Gerhard Kocher)

Nur ungewöhnliche Kraft darf nach Ungewöhnlichem streben. (Theodor Körner)

Quelle: aus dem Internet; besseres fiel mir nicht ein. Das nächste mal gibt es wieder ein Gedicht.

:-:
KED

Cicero
21.03.2004, 14:43
Die zwei schönsten deutschen Gedichte (für mich):
Die Glocke von Schiller und der Zauberlehrling von Goethe



Von Schiller:


Fest gemauert in der Erden
Steht die Form, aus Lehm gebrannt.
Heute muß die Glocke werden.
Frisch Gesellen, seid zur Hand.
Von der Stirne heiß
Rinnen muß der Schweiß,
Soll das Werk den Meister loben,
Doch der Segen kommt von oben.

Zum Werke, das wir ernst bereiten,
Geziemt sich wohl ein ernstes Wort;
Wenn gute Reden sie begleiten,
Dann fließt die Arbeit munter fort.
So laßt uns jetzt mit Fleiß betrachten,
Was durch die schwache Kraft entspringt,
Den schlechten Mann muß man verachten,
Der nie bedacht, was er vollbringt.
Das ist's ja, was den Menschen zieret,
Und dazu ward ihm der Verstand,
Daß er im innern Herzen spüret,
Was er erschafft mit seiner Hand.

Nehmet Holz vom Fichtenstamme,
Doch recht trocken laßt es sein,
Daß die eingepreßte Flamme
Schlage zu dem Schwalch hinein.
Kocht des Kupfers Brei,
Schnell das Zinn herbei,
Daß die zähe Glockenspeise
Fließe nach der rechten Weise.

Was in des Dammes tiefer Grube
Die Hand mit Feuers Hülfe baut,
Hoch auf des Turmes Glockenstube
Da wird es von uns zeugen laut.
Noch dauern wird's in späten Tagen
Und rühren vieler Menschen Ohr
Und wird mit dem Betrübten klagen
Und stimmen zu der Andacht Chor.
Was unten tief dem Erdensohne
Das wechselnde Verhängnis bringt,
Das schlägt an die metallne Krone,
Die es erbaulich weiterklingt.

Weiße Blasen seh ich springen,
Wohl! Die Massen sind im Fluß.
Laßt's mit Aschensalz durchdringen,
Das befördert schnell den Guß.
Auch von Schaume rein
Muß die Mischung sein,
Daß vom reinlichen Metalle
Rein und voll die Stimme schalle.

Denn mit der Freude Feierklange
Begrüßt sie das geliebte Kind
Auf seines Lebens erstem Gange,
Den es in Schlafes Arm beginnt;
Ihm ruhen noch im Zeitenschoße
Die schwarzen und die heitern Lose,
Der Mutterliebe zarte Sorgen
Bewachen seinen goldnen Morgen.-
Die Jahre fliehen pfeilgeschwind.
Vom Mädchen reißt sich stolz der Knabe,
Er stürmt ins Leben wild hinaus,
Durchmißt die Welt am Wanderstabe.
Fremd kehrt er heim ins Vaterhaus,
Und herrlich, in der Jugend Prangen,
Wie ein Gebild aus Himmelshöhn,
Mit züchtigen, verschämten Wangen
Sieht er die Jungfrau vor sich stehn.
Da faßt ein namenloses Sehnen
Des Jünglings Herz, er irrt allein,
Aus seinen Augen brechen Tränen,
Er flieht der Brüder wilder Reihn.
Errötend folgt er ihren Spuren
Und ist von ihrem Gruß beglückt,
Das Schönste sucht er auf den Fluren,
Womit er seine Liebe schmückt.
O! zarte Sehnsucht, süßes Hoffen,
Der ersten Liebe goldne Zeit,
Das Auge sieht den Himmel offen,
Es schwelgt das Herz in Seligkeit.
O! daß sie ewig grünen bliebe,
Die schöne Zeit der jungen Liebe!

Wie sich schon die Pfeifen bräunen!
Dieses Stäbchen tauch ich ein,
Sehn wir's überglast erscheinen,
Wird's zum Gusse zeitig sein.
Jetzt, Gesellen, frisch!
Prüft mir das Gemisch,
Ob das Spröde mit dem Weichen
Sich vereint zum guten Zeichen.

Denn wo das Strenge mit dem Zarten,
Wo Starkes sich und Mildes paarten,
Da gibt es einen guten Klang.
Drum prüfe, wer sich ewig bindet,
Ob sich das Herz zum Herzen findet!
Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.
Lieblich in der Bräute Locken
Spielt der jungfräuliche Kranz,
Wenn die hellen Kirchenglocken
Laden zu des Festes Glanz.
Ach! des Lebens schönste Feier
Endigt auch den Lebensmai,
Mit dem Gürtel, mit dem Schleier
Reißt der schöne Wahn entzwei.
Die Leidenschaft flieht!
Die Liebe muß bleiben,
Die Blume verblüht,
Die Frucht muß treiben.
Der Mann muß hinaus
Ins feindliche Leben,
Muß wirken und streben
Und pflanzen und schaffen,
Erlisten, erraffen,
Muß wetten und wagen,
Das Glück zu erjagen.
Da strömet herbei die unendliche Gabe,
Es füllt sich der Speicher mit köstlicher Habe,
Die Räume wachsen, es dehnt sich das Haus.
Und drinnen waltet
Die züchtige Hausfrau,
Die Mutter der Kinder,
Und herrschet weise
Im häuslichen Kreise,
Und lehret die Mädchen
Und wehret den Knaben,
Und reget ohn Ende
Die fleißigen Hände,
Und mehrt den Gewinn
Mit ordnendem Sinn.
Und füllet mit Schätzen die duftenden Laden,
Und dreht um die schnurrende Spindel den Faden,
Und sammelt im reinlich geglätteten Schrein
Die schimmernde Wolle, den schneeigten Lein,
Und füget zum Guten den Glanz und den Schimmer,
Und ruhet nimmer.

Und der Vater mit frohem Blick
Von des Hauses weitschauendem Giebel
Überzählet sein blühendes Glück,
Siehet der Pfosten ragende Bäume
Und der Scheunen gefüllte Räume
Und die Speicher, vom Segen gebogen,
Und des Kornes bewegte Wogen,
Rühmt sich mit stolzem Mund:
Fest, wie der Erde Grund,
Gegen des Unglücks Macht
Steht mit des Hauses Pracht!
Doch mit des Geschickes Mächten
Ist kein ewger Bund zu flechten,
Und das Unglück schreitet schnell.

Wohl! nun kann der Guß beginnen,
Schön gezacket ist der Bruch.
Doch bevor wir's lassen rinnen,
Betet einen frommen Spruch!
Stoßt den Zapfen aus!
Gott bewahr das Haus!
Rauchend in des Henkels Bogen
Schießt's mit feuerbraunen Wogen.

Wohtätig ist des Feuers Macht,
Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht,
Und was er bildet, was er schafft,
Das dankt er dieser Himmelskraft,
Doch furchtbar wird die Himmelskraft,
Wenn sie der Fessel sich entrafft,
Einhertritt auf der eignen Spur
Die freie Tochter der Natur.
Wehe, wenn sie losgelassen
Wachsend ohne Widerstand
Durch die volkbelebten Gassen
Wälzt den ungeheuren Brand!
Denn die Elemente hassen
Das Gebild der Menschenhand.
Aus der Wolke
Quillt der Segen,
Strömt der Regen,
Aus der Wolke, ohne Wahl,
Zuckt der Strahl!
Hört ihr's wimmern hoch vom Turm?
Das ist Sturm!
Rot wie Blut
Ist der Himmel,
Das ist nicht des Tages Glut!
Welch Getümmel
Straßen auf!
Dampf wallt auf!
Flackernd steigt die Feuersäule,
Durch der Straße lange Zeile
Wächst es fort mit Windeseile,
Kochend wie aus Ofens Rachen
Glühn die Lüfte, Balken krachen,
Pfosten stürzen, Fenster klirren,
Kinder jammern, Mütter irren,
Tiere wimmern
Unter Trümmern,
Alles rennet, rettet, flüchtet,
Taghell ist die Nacht gelichtet,
Durch der Hände lange Kette
Um die Wette
Fliegt der Eimer, hoch im Bogen
Sprützen Quellen, Wasserwogen.
Heulend kommt der Sturm geflogen,
Der die Flamme brausend sucht.
Prasselnd in die dürre Frucht
Fällt sie in des Speichers Räume,
In der Sparren dürre Bäume,
Und als wollte sie im Wehen
Mit sich fort der Erde Wucht
Reißen, in gewaltger Flucht,
Wächst sie in des Himmels Höhen
Riesengroß!
Hoffnungslos
Weicht der Mensch der Götterstärke,
Müßig sieht er seine Werke
Und bewundernd untergehn.

Leergebrannt
Ist die Stätte,
Wilder Stürme rauhes Bette,
In den öden Fensterhöhlen
Wohnt das Grauen,
Und des Himmels Wolken schauen
Hoch hinein.

Einen Blick
Nach den Grabe
Seiner Habe
Sendet noch der Mensch zurück -
Greift fröhlich dann zum Wanderstabe.
Was Feuers Wut ihm auch geraubt,
Ein süßer Trost ist ihm geblieben,
Er zählt die Häupter seiner Lieben,
Und sieh! ihm fehlt kein teures Haupt.

In die Erd ist's aufgenommen,
Glücklich ist die Form gefüllt,
Wird's auch schön zutage kommen,
Daß es Fleiß und Kunst vergilt?
Wenn der Guß mißlang?
Wenn die Form zersprang?
Ach! vielleicht indem wir hoffen,
Hat uns Unheil schon getroffen.

Dem dunkeln Schoß der heilgen Erde
Vertrauen wir der Hände Tat,
Vertraut der Sämann seine Saat
Und hofft, daß sie entkeimen werde
Zum Segen, nach des Himmels Rat.
Noch köstlicheren Samen bergen
Wir trauernd in der Erde Schoß
Und hoffen, daß er aus den Särgen
Erblühen soll zu schönerm Los.

Von dem Dome,
Schwer und bang,
Tönt die Glocke
Grabgesang.
Ernst begleiten ihre Trauerschläge
Einen Wandrer auf dem letzten Wege.

Ach! die Gattin ist's, die teure,
Ach! es ist die treue Mutter,
Die der schwarze Fürst der Schatten
Wegführt aus dem Arm des Gatten,
Aus der zarten Kinder Schar,
Die sie blühend ihm gebar,
Die sie an der treuen Brust
Wachsen sah mit Mutterlust -
Ach! des Hauses zarte Bande
Sind gelöst auf immerdar,
Denn sie wohnt im Schattenlande,
Die des Hauses Mutter war,
Denn es fehlt ihr treues Walten,
Ihre Sorge wacht nicht mehr,
An verwaister Stätte schalten
Wird die Fremde, liebeleer.

Bis die Glocke sich verkühlet,
Laßt die strenge Arbeit ruhn,
Wie im Laub der Vogel spielet,
Mag sich jeder gütlich tun.
Winkt der Sterne Licht,
Ledig aller Pflicht
Hört der Pursch die Vesper schlagen,
Meister muß sich immer plagen.

Munter fördert seine Schritte
Fern im wilden Forst der Wandrer
Nach der lieben Heimathütte.
Blökend ziehen
Heim die Schafe,
Und der Rinder
Breitgestirnte, glatte Scharen
Kommen brüllend,
Die gewohnten Ställe füllend.
Schwer herein
Schwankt der Wagen,
Kornbeladen,
Bunt von Farben
Auf den Garben
Liegt der Kranz,
Und das junge Volk der Schnitter
Fliegt zum Tanz.
Markt und Straße werden stiller,
Um des Lichts gesellge Flamme
Sammeln sich die Hausbewohner,
Und das Stadttor schließt sich knarrend.
Schwarz bedecket
Sich die Erde,
Doch den sichern Bürger schrecket
Nicht die Nacht,
Die den Bösen gräßlich wecket,
Denn das Auge des Gesetzes wacht.

Heilge Ordnung, segenreiche
Himmelstochter, die das Gleiche
Frei und leicht und freudig bindet,
Die der Städte Bau begründet,
Die herein von den Gefilden
Rief den ungesellgen Wilden,
Eintrat in der Menschen Hütten,
Sie gewöhnt zu sanften Sitten
Und das teuerste der Bande
Wob, den Trieb zum Vaterlande!

Tausend fleißge Hände regen,
helfen sich in munterm Bund,
Und in feurigem Bewegen
Werden alle Kräfte kund.
Meister rührt sich und Geselle
In der Freiheit heilgem Schutz.
Jeder freut sich seiner Stelle,
Bietet dem Verächter Trutz.
Arbeit ist des Bürgers Zierde,
Segen ist der Mühe Preis,
Ehrt den König seine Würde,
Ehret uns der Hände Fleiß.

Holder Friede,
Süße Eintracht,
Weilet, weilet
Freundlich über dieser Stadt!
Möge nie der Tag erscheinen,
Wo des rauhen Krieges Horden
Dieses stille Tal durchtoben,
Wo der Himmel,
Den des Abends sanfte Röte
Lieblich malt,
Von der Dörfer, von der Städte
Wildem Brande schrecklich strahlt!

Nun zerbrecht mir das Gebäude,
Seine Absicht hat's erfüllt,
Daß sich Herz und Auge weide
An dem wohlgelungnen Bild.
Schwingt den Hammer, schwingt,
Bis der Mantel springt,
Wenn die Glock soll auferstehen,
Muß die Form in Stücke gehen.

Der Meister kann die Form zerbrechen
Mit weiser Hand, zur rechten Zeit,
Doch wehe, wenn in Flammenbächen
Das glühnde Erz sich selbst befreit!
Blindwütend mit des Donners Krachen
Zersprengt es das geborstne Haus,
Und wie aus offnem Höllenrachen
Speit es Verderben zündend aus;
Wo rohe Kräfte sinnlos walten,
Da kann sich kein Gebild gestalten,
Wenn sich die Völker selbst befrein,
Da kann die Wohlfahrt nicht gedeihn.

Weh, wenn sich in dem Schoß der Städte
Der Feuerzunder still gehäuft,
Das Volk, zerreißend seine Kette,
Zur Eigenhilfe schrecklich greift!
Da zerret an der Glocken Strängen
Der Aufruhr, daß sie heulend schallt
Und, nur geweiht zu Friedensklängen,
Die Losung anstimmt zur Gewalt.

Freiheit und Gleichheit! hört man schallen,
Der ruhge Bürger greift zur Wehr,
Die Straßen füllen sich, die Hallen,
Und Würgerbanden ziehn umher,
Da werden Weiber zu Hyänen
Und treiben mit Entsetzen Scherz,
Noch zuckend, mit des Panthers Zähnen,
Zerreißen sie des Feindes Herz.
Nichts Heiliges ist mehr, es lösen
Sich alle Bande frommer Scheu,
Der Gute räumt den Platz dem Bösen,
Und alle Laster walten frei.
Gefährlich ist's, den Leu zu wecken,
Verderblich ist des Tigers Zahn,
Jedoch der schrecklichste der Schrecken,
Das ist der Mensch in seinem Wahn.
Weh denen, die dem Ewigblinden
Des Lichtes Himmelsfackel leihn!
Sie strahlt ihm nicht, sie kann nur zünden
Und äschert Städt und Länder ein.

Freude hat mir Gott gegeben!
Sehet! Wie ein goldner Stern
Aus der Hülse, blank und eben,
Schält sich der metallne Kern.
Von dem Helm zum Kranz
Spielt's wie Sonnenglanz,
Auch des Wappens nette Schilder
Loben den erfahrnen Bilder.

Herein! herein!
Gesellen alle, schließt den Reihen,
Daß wir die Glocke taufend weihen,
Concordia soll ihr Name sein,
Zur Eintracht, zu herzinnigem Vereine
Versammle sich die liebende Gemeine.

Und dies sei fortan ihr Beruf,
Wozu der Meister sie erschuf!
Hoch überm niedern Erdenleben
Soll sie im blauen Himmelszelt
Die Nachbarin des Donners schweben
Und grenzen an die Sternenwelt,
Soll eine Stimme sein von oben,
Wie der Gestirne helle Schar,
Die ihren Schöpfer wandelnd loben
Und führen das bekränzte Jahr.
Nur ewigen und ernsten Dingen
Sei ihr metallner Mund geweiht,
Und stündlich mit den schnellen Schwingen
Berühr im Fluge sie die Zeit,
Dem Schicksal leihe sie die Zunge,
Selbst herzlos, ohne Mitgefühl,
Begleite sie mit ihrem Schwunge
Des Lebens wechselvolles Spiel.
Und wie der Klang im Ohr vergehet,
Der mächtig tönend ihr erschallt,
So lehre sie, daß nichts bestehet,
Daß alles Irdische verhallt.

Jetzo mit der Kraft des Stranges
Wiegt die Glock mir aus der Gruft,
Daß sie in das Reich des Klanges
Steige, in die Himmelsluft.
Ziehet, ziehet, hebt!
Sie bewegt sich, schwebt,
Freude dieser Stadt bedeute,
Friede sei ihr erst Geläute.


Und von Goethe:


Hat der alte Hexenmeister
Sich doch einmal wegbegeben!
Und nun sollen seine Geister
Auch nach meinem Willen leben.
Seine Wort und Werke
Merkt ich und den Brauch,
Und mit Geistesstärke
Tu ich Wunder auch.


Walle! walle
Manche Strecke,
Daß, zum Zwecke,
Wasser fließe
Und mit reichem, vollem Schwalle
Zu dem Bade sich ergieße.

Und nun komm, du alter Besen,
Nimm die schlechten Lumpenhüllen!
Bist schon lange Knecht gewesen:
Nun erfülle meinen Willen!
Auf zwei Beinen stehe,
Oben sei ein Kopf,
Eile nun und gehe
Mit dem Wassertopf!


Walle! walle
Manche Strecke,
Daß, zum Zwecke,
Wasser fließe
Und mit reichem, vollem Schwalle
Zu dem Bade sich ergieße.

Seht, er läuft zum Ufer nieder!
Wahrlich! ist schon an dem Flusse,
Und mit Blitzesschnelle wieder
Ist er hier mit raschem Gusse.
Schon zum zweiten Male!
Wie das Becken schwillt!
Wie sich jede Schale
Voll mit Wasser füllt!


Stehe! stehe!
Denn wir haben
Deiner Gaben
Vollgemessen! -
Ach, ich merk es! Wehe! wehe!
Hab ich doch das Wort vergessen!

Ach, das Wort, worauf am Ende
Er das wird, was er gewesen!
Ach, er läuft und bringt behende!
Wärst du doch der alte Besen!
Immer neue Güsse
Bringt er schnell herein,
Ach, und hundert Flüsse
Stürzen auf mich ein!


Nein, nicht länger
Kann ichs lassen:
Will ihn fassen!
Das ist Tücke!
Ach, nun wird mir immer bänger!
Welche Miene! welche Blicke!

O, du Ausgeburt der Hölle!
Soll das ganze Haus ersaufen?
Seh ich über jede Schwelle
Doch schon Wasserströme laufen.
Ein verruchter Besen,
Der nicht hören will!
Stock, der du gewesen,
Steh doch wieder still!


Willst am Ende
Gar nicht lassen?
Will dich fassen,
Will dich halten
Und das alte Holz behende
Mit dem scharfen Beile spalten!

Seht, da kommt er schleppend wieder!
Wie ich mich nur auf dich werfe,
Gleich, o Kobold, liegst du nieder;
Krachend trifft die glatte Schärfe.
Wahrlich! brav getroffen!
Seht, er ist entzwei!
Und nun kann ich hoffen,
Und ich atme frei!


Wehe! wehe!
Beide Teile
Stehn in Eile
Schon als Knechte
Völlig fertig in die Höhe!
Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!

Und sie laufen! Naß und nässer
Wirds im Saal und auf den Stufen:
Welch entsetzliches Gewässer!
Herr und Meister, hör mich rufen! -
Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister,
Werd ich nun nicht los.


"In die Ecke,
Besen! Besen!
Seids gewesen!
Denn als Geister
Ruft euch nur, zu seinem Zwecke,
Erst hervor der alte Meister."

Cicero
21.03.2004, 16:33
Auch der Erlkönig von Goethe ist nicht von Pappe:


Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind.
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.

Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?
Siehst Vater, du den Erlkönig nicht!
Den Erlenkönig mit Kron' und Schweif?
Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.

Du liebes Kind, komm geh' mit mir!
Gar schöne Spiele, spiel ich mit dir,
Manch bunte Blumen sind an dem Strand,
Meine Mutter hat manch gülden Gewand.

Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Was Erlenkönig mir leise verspricht?
Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind,
In dürren Blättern säuselt der Wind.

Willst feiner Knabe du mit mir geh'n?
Meine Töchter sollen dich warten schön,
Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn
Und wiegen und tanzen und singen dich ein.

Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Erlkönigs Töchter am düsteren Ort?
Mein Sohn, mein Sohn, ich seh'es genau:
Es scheinen die alten Weiden so grau.

Ich lieb dich, mich reizt deine schöne Gestalt,
Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt!
Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an,
Erlkönig hat mir ein Leids getan.

Dem Vater grauset's, er reitet geschwind,
Er hält in den Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Mühe und Not,
In seinen Armen das Kind war tot.


Nur so 'ne Frage am Rande: War der Erlkönig schwul????

Edit: ;)

Klaus E. Daniel
22.03.2004, 11:08
Von Ewigkeit zu Ewigkeit

Nimm hin mich, Leben, ich bin dein! Wie hoch die Fluth auch gehe,
Ich zage nicht vor deinen Mühn und nicht vor deinem Wehe;
Du führst die Menschheit an ihr Ziel durch alle Wandelungen,
Und dem nur winkt der Siegespreis, der tapfer mitgerungen;
Doch eine Stunde jedes Tags dem drängenden Gewühle,
Das rastlos um uns tobt und braust, wie eine Riesenmühle,
Ja, eine will ich ihm entfliehn, dass ich in stiller Weihe
Der grossen Hymne der Natur das Ohr voll Andacht leihe!

Adolf Friedrich Graf von Schack

Der Schöpfung nie begriffne Herrlichkeit
Entfacht noch stündlich den Prometheusfunken
Und doch ist ihre goldne Blüthezeit
Schon längst ins Grab der Ewigkeit gesunken.
Denn jene Welt der Sagenpoesie
Ist nicht nur Traum, ist Wirklichkeit gewesen,
Und wem das Schicksal Seherkraft verlieh,
Kann das noch heute aus den Sternen lesen.

Wer zählt die Sprossen, die zertrümmert sind
Aus jener gotterbauten Himmelsleiter?
Die Sonne glüht und kühlend weht der Wind
Und unaufhaltsam rollt das Rad sich weiter.
Die leuchtend kreisen durch das dunkle All,
Erhaben gross ist noch die Zahl der Welten;
Und kommt allnächtlich eine auch zum Fall,
Was kann dem Meere wohl ein Tropfen gelten?

Doch wem sich das Geheimniss der Natur
Nicht unterm Sternenzelt mag offenbaren,
Der wandle mit mir durch die Erdenflur,
So wie sie war vor hunderttausend Jahren.
Noch stritt kein Jason um das goldne Vliess,
Die Menschheit knechtete kein Triumphator,
Doch endlos dehnte sich ein Paradies
Vom Nordpol bis hinunter zum Aequator.

Wo heute sich durch eisumstarrten Belt
Die Walfischfahrer ihre Strasse bahnen,
Erhub sich ehmals eine Inselwelt,
Beblüht von üppig wuchernden Bananen.
Und lächelnd kränzte sich die Meeresfee
Mit bunten Perlenmuscheln und Korallen,
Wo längst verweht vom Wüstenkörnerschnee
Die Isistempel in sich selbst zerfallen.

Nicht trübte schon den funkelnden Azur
Der Riesen******* schmutzigfeuchter Brodem,
Denn unentweiht noch träumte die Natur

Und jeder Windhauch war ein Gottesodem.
Kein Erdgeborner fühlte sich entbrannt
Nach fremden Wundern einer fremden Zone
Und brach mit seiner frevlen Menschenhand
Sich Stein auf Stein aus Gottes Schöpfungskrone.

Doch jede Zeit singt sich ihr eignes Lied
Und jenes Lied ist lange schon verklungen;
Die Melodie, die heut die Welt durchzieht,
Verhöhnt die alten Ueberlieferungen.
Die Menschheit hat sich zum Titanenkampf
Mit ihrer Mutter, der Natur, gerüstet
Und denkt nur noch mit Eisen, Blut und Dampf,
Weil sie's dem Schöpfer gleich zu thun gelüset.

Erloschen ist der kindlichfromme Zug
Aus ihres Angesichts versteinten Mienen,
Und unbekümmert um den alten Fluch,
Zwingt sie die Elemente ihr zu dienen.
Im Bergschooss gräbt nach Schätzen sie umher
Und macht den Feuergeist sich zum Vertrauten,
Die Weltumsegler schickt sie übers Meer
Und in die Luft die kühnen Aeronauten.

Ja, bis gen Himmel, den der Herr sich schuf,
Auf dass er würdig seine Schöpfung kröne,
Erhebt sich schon der schicksalsschwangre Ruf
Der staubentsprossenen Gigantensöhne.
Denn hier auf diesem engen Erdenkreis
Ist kaum ein Fels noch für sie zu verschieben,
Der Steppensand nur und das Gletschereis
Ist unentweiht vor ihrer Wuth geblieben.

Doch drückt sie auch das auferlegte Joch
Und seufzt sie auch um Tage, die verwehten,
Ein Prachtjuwel blieb unsre Erde doch
Im Kronendiademe der Planeten!
Denn unbekümmert um die Weltenuhr
Lässt sie die tausendfältgen Kräfte sprühen
Und nach dem heilgen Rathschluss der Natur
Die Quellen springen und die Blumen blühen.

Wie herrlich steigt der erste Frühlingstag
Doch immer noch vom Himmel zu ihr nieder!
Und schreitet erst der Sommer durch den Haag,
Dann fühlt sie ihre ganze Jugend wieder.
Und stehst du dann, umwallt von all dem Duft,
Dann lacht die Flur und ihre Ströme blitzen
Und fernher schimmern durch die blaue Luft
Die ewig eisgezackten Gletscherspitzen.

Da horch! Ein leiser Hauch im Blätterdach,
Und durch die Wipfel geht ein seltsam Rauschen;
Wie Stimmen flüstert's durch das Laubgemach,
Und andachtsvoll musst du den Tönen lauschen.
Das ist der Wind, der ruhlos durch die Welt
Dahinrollt auf den nie erschauten Gleisen,
Der nun im Bergwald seinen Einzug hält
Und dir erzählt von seinen weiten Reisen.

Erst ist, vergleichbar einem wilden Schwan,
Er majestätisch durch die Luff gezogen
Und stieg dann nieder in den Ocean
Und spielte mit den grüngewellten Wogen.
Doch bald verlockte ihn der nahe Strand
Und hinter sich liess er das Meergebrause
Und ging mit Riesenschritten übers Land
Und hielt dann Rast in einer Felsenklause.

Da lag denn nun tief unter ihm die Welt
Idyllisch da im Sommersonnengolde
Und athmete gen Himmel, duftgeschwellt,
Wie eine farbenprächtge Blüthendolde.
Und Meereswellenschaum und Gottesluft,
Dazu die paradiesischen Gefilde,
Verwoben lieblich sich im Sonnenduft
Zu einem nie geschauten Wunderbilde.

Dir aber schwillt das Herz vor hoher Lust
Bei solcher windgetragnen Himmelskunde,
Und das Gefühl der übervollen Brust

Arno Holz

Klaus E. Daniel
22.03.2004, 11:20
Godzilla,

Sie haben das Gedicht vom Erlkönig nicht verstanden - tut mir leid.

KED

Cicero
22.03.2004, 14:04
Godzilla,

Sie haben das Gedicht vom Erlkönig nicht verstanden - tut mir leid.

KED


Das war ein Scherz!!! Wir mussten den in der Schule sogar interpretieren, ich weiß also ziemlich genau worum es da geht.

H.P.Lovecraft
22.03.2004, 16:44
Morgenstern Christian

Sieh nicht was andere tun,
der andern sind so viel.
Du kommst nur in ein Spiel,
das nimmermehr wird ruhn.
Geh einfach Deinen Pfad,
laß nichts sonst Führer sein,
so gehst du recht und grad
und gingst du ganz allein.

Klaus E. Daniel
23.03.2004, 09:55
Mondschaf steht auf weiter Flur.
Es harrt und harrt der großen Schur.
Das Mondschaf.

Das Mondschaf rupft sich einen Halm
und geht dann heim auf seine Alm.
Das Mondschaf.

Das Mondschaf spricht zu sich im Traum:
»Ich bin des Weltalls dunkler Raum.«
Das Mondschaf.

Das Mondschaf liegt am Morgen tot.
Sein Leib ist weiß, die Sonn ist rot.

Morgenstern

H.P.Lovecraft
24.03.2004, 09:14
Totengräberhochzeit
Robert Hamerling

Hei, was tönt so eigen?
Klarinett und Geigen
mitten in der Nacht,
wo die Toten ruhen
in den dunklen Truhen,
um das Häuschen an dem Friedhof,
bei der Sterne Wacht?
Lustiges Gefiedel
schallt die ganze Nacht.

Klarinett und Geigen -
hei, wer tanzt den Reigen
bei der Sterne Wacht?
Wie das klingt und sauset,
wie das walzt und brauset,
in dein Häuschen an dem Friedhof
mitten in der Nacht:
Totengräberhochzeit
wird da heut gemacht.

Geigenklang und Flöten,
lustige Trompeten
klingen drein so laut!
Heißa, laßt sie ruhen
draußen in den Truhen
um das Häuschen an dem Friedhof,
mondesglanzumgraut!
Drinnen tanzt im Reigen
Bräutigam und Braut.

Mitternacht! - Die Toten
stehen auf in Rotten,
viele tausend schier!
klappern, schwirren, lärmen,
möchten da sich wärmen.
Bis zum Häuschen an dem Friedhof
treten sie herfür,
gucken durch die Fenster,
tanzen um die Tür.

»Wundersüsses Leben!«
seufzen sie im Schweben,
»wie so frisch, so rot!«
Schwingen sich im Kreise,
singen ihre Weise,
Todes Fackel, Hymens Fackel
ineinanderloht.
Drinnen tollt das Leben,
draußen tanzt der Tod.

Beide sich im Kreise
bald nach einer Weise
schwingen in der Nacht. -
Jetzt die Toten ruhen,
mit durchtanzten Schuhen
aus dem Häuschen an dem Friedhof
zieht der Reigen sacht.
Auf den Gräbern funkelt
Morgentau voll Pracht.

Klaus E. Daniel
24.03.2004, 09:47
Der Zwölf-Elf

Der Zwölf-Elf hebt die linke Hand:
Da schlägt es Mitternacht im Land.

Es lauscht der Teich mit offnem Mund.
Ganz leise heult der Schluchtenhund.

Die Dommel reckt sich auf im Rohr
Der Moosfrosch lugt aus seinem Moor.

Der Schneck horcht auf in seinem Haus.
Desgleichen die Kartoffelmaus.

Das Irrlicht selbst macht Halt und Rast
auf einem windgebrochnen Ast.

Sophie, die Maid, hat ein Gesicht:
Das Mondschaf geht zum Hochgericht.

Die Galgenbrüder wehn im Wind.
Im fernen Dorfe schreit ein Kind.

Zwei Maulwürf küssen sich zur Stund
als Neuvermählte auf den Mund.

Hingegen tief im finstern Wald
ein Nachtmahr seine Fäuste ballt:

Dieweil ein später Wanderstrumpf
sich nicht verlief in Teich und Sumpf.

Der Rabe Ralf ruft schaurig: 'Kra!
Das End ist da! Das End ist da!'

Der Zwölf-Elf senkt die linke Hand:
Und wieder schläft das ganze Land.

Morgenstern

Klaus E. Daniel
25.03.2004, 11:02
Die Trichter

Zwei Trichter wandeln durch die Nacht.
Durch ihres Rumpfs verengten Schacht
fließt weißes Mondlicht
still und heiter
auf ihren
Waldweg
u.s.
w.

Morgenstern:-:

Klaus E. Daniel
25.03.2004, 11:18
Auch ein Gebrauchsgegenstand ?
____________________________________________

Palmström

Palmström steht an einem Teiche
und entfaltet groß ein rotes Taschentuch:
Auf dem Tuch ist eine Eiche
dargestellt, sowie ein Mensch mit einem Buch.

Palmström wagt nicht sich hineinzuschneuzen -
er gehört zu jenen Käuzen,
die oft unvermittelt-nackt
Ehrfurcht vor dem Schönen packt.

Zärtlich faltet er zusammen,
was er eben erst entbreitet.
Und kein Fühlender wird ihn verdammen,
weil er ungeschneuzt entschreitet.

Morgenstern

kettnhnd
25.03.2004, 15:58
Des Teutschen Vaterland

"Was ist des Teutschen Vaterland?
Ist's Preußenland? ist's Schwabenland?
Ist's, wo am Rhein die Rebe blüht?
Ist's, wo am Belt die Möve zieht?"--
"O nein, nein, nein!
Sein Vaterland muß größer sein."--

"Was ist des Teutschen Vaterland?
Ist's Baierland? ist's Steierland?
Ist's, wo des Marsen Rind sich streckt?
Ist's, wo der Märker Eisen reckt?"--
"O nein, nein, nein!
Sein Vaterland muß größer sein."--

"Was ist des Teutschen Vaterland?
Ist's Pommerland? Westfalenland?
Ist's, wo der Sand der Dünen weht?
Ist's, wo die Donau brausend geht?"--
"O nein, nein, nein!
Sein Vaterland muß größer sein."--

"Was ist des Teutschen Vaterland?
So nenne mir das große Land!
Ist's Land der Schweizer? ist's Tirol?"--
"Das Land und Volk gefiel mir wohl;
"Doch nein, nein, nein!
Sein Vaterland muß größer sein."--

"Was ist des Teutschen Vaterland?
So nenne mir das große Land!
Gewiß, es ist das Östereich,
An Ehren und an Siegen reich?"--
"O nein, nein, nein!
Sein Vaterland muß größer sein."--

"Was ist des Teutschen Vaterland?
So nenne endlich mir das Land!"--
"So weit die deutsche Zunge klingt
Und Gott im Himmel Lieder singt,
Das soll es sein!
Das, wackrer Teutscher, nenne dein!

Das ist des Teutschen Vaterland,
Wo Eide schwört der Druck der Hand,
Wo Treue hell vom Auge blitzt
Und Liebe warm im Herzen sitzt,--
Das soll es sein!
Das, wackrer Teutscher, nenne dein!

Das ist des Teutschen Vaterland,
Wo Zorn vertilgt den welschen Tand,
Wo jeder Franzmann heißet Feind,
Wo jeder Teutsche heißet Freund,--
Das soll es sein!
Das, ganze Teutschland soll es sein!

Das ganze Teutschland soll es sein!
O Gott vom Himmel, sieh darein,
Und gieb uns rechten deutschen Mut,
Daß wir es lieben treu und gut.
Das soll es sein!
Das, ganze Teutschland soll es sein!"


Ernst Moritz Arndt (26.12.1769 - 29.1.1860)

geschrieben 1813

Klaus E. Daniel
25.03.2004, 23:54
Thema verfehlt. Wir sind nicht bei "Aufklärer".

KED

kettnhnd
26.03.2004, 08:07
oh je, wer hat sie denn zum mod gemacht ?? tut mir leid, aber langsam wird's peinlich. ;(

zur strafe gibts gleich noch ein e.m. arndt-gedicht hinterher... :2faces:

kettnhnd
26.03.2004, 08:10
Vaterlandslied

Der Gott, der Eisen wachsen ließ,
Der wollte keine Knechte,
Drum gab er Säbel, Schwert und Spieß
Dem Mann in seine Rechte,
Drum gab er ihm den kühnen Mut,
Den Zorn der freien Rede,
Daß er bestände bis aufs Blut,
Bis in den Tod die Fehde.

So wollen wir, was Gott gewollt,
Mit rechter Treue halten
Und nimmer im Tyrannensold
Die Menschenschädel spalten;
Doch wer für Tand und Schande ficht,
Den hauen wir zu Scherben,
Der soll im deutschen Lande nicht
Mit deutschen Männern erben.

O Deutschland, heilges Vaterland!
O deutsche Lieb und Treue!
Du hohes Land! du schönes Land!
Dir schwören wir aufs neue:
Dem Buben und dem Knecht die Acht!
Der füttre Krähn und Raben!
So ziehn wir aus zur Hermannsschlacht
Und wollen Rache haben.

Laßt brausen, was nur brausen kann,
In hellen lichten Flammen!
Ihr Deutschen alle, Mann für Mann,
Fürs Vaterland zusammen!
Und hebt die Herzen himmelan!
Und himmelan die Hände!
Und rufet alle Mann für Mann:
Die Knechtschaft hat ein Ende!

Laßt klingen, was nur klingen kann,
Die Trommeln und die Flöten!
Wir wollen heute Mann für Mann
Mit Blut das Eisen röten,
Mit Henkerblut, Franzosenblut
O süßer Tag der Rache!
Das klinget allen Deutschen gut,
Das ist die große Sache.

Laßt wehen, was nur wehen kann,
Standarten wehn und Fahnen!
Wir wollen heut uns Mann für Mann
Zum Heldentode mahnen:
Auf! Fliege, stolzes Siegspanier
Voran dem kühnen Reihen!
Wir siegen oder sterben hier
Den süßen Tod der Freien.


Ernst Moritz Arndt, geschrieben 1812

H.P.Lovecraft
26.03.2004, 08:18
Alfred Lichtenstein
Das Ende
Ein Windkloß überzieht wie weißer Schwamm
Die grüne Leiche der verlornen Welt.
Erfrorne Flüsse sind ein Eisendamm,
Der morsche Reste noch zusammenhält.

In einer kleinen Regenecke steht
Die letzte Stadt in steinerner Geduld.
Ein toter Schädel liegt –wie ein Gebet –
Schief auf dem Leib, dem schwarzen Büßerpult.

H.P.Lovecraft
26.03.2004, 08:21
Alfred Lichtenstein
Die Plagiatoren
Ein jeder ist ein Teil vom Schicksal andrer,
Die vor ihm waren und die um ihn gehen,
Die auch nur einmal, eilge Weiterwandrer,
Den Weg ihm kreuzend, flüchtig bei ihm stehen.

Sie kommen, kommen ohne Zweck und Sinn,
Entfernen sich mit leichtem Wandrerschritt.
Sie bringen alle etwas zu ihm hin.
Sie nehmen alle etwas von ihm mit.

Klaus E. Daniel
26.03.2004, 11:25
Schloß Eger

Lärmend, im Schloß zu Eger,
Über dem Ungarwein,
Sitzen die Würdenträger
Herzogs Wallenstein:
Tertschka, des Feldherrn Schwager,
Illo und Kinsky dazu,
Ihre Heimat das Lager,
Und die Schlacht ihre Ruh.

Lustig flackern die Kerzen;
Aber der Tertschka spricht:
»Ist mir's Nacht im Herzen
Oder vorm Gesicht?
Diese Lichter leuchten
Wie in dunkler Gruft,
Und die Wände, die feuchten,
Hauchen Grabesluft.«

Feurig funkelt der Unger;
Aber der Kinsky spricht:
»Draußen bei Frost und Hunger
Schüttelte so mich's nicht,
Hielte lieber bei Lützen
Wieder in Qualm und Rauch;

Wolle Gott uns schützen,
Oder - der Teufel auch.«

Illo nur, Herz wie Kehle
Hält er bei Laune sich,
Dicht ist seine Seele
Gegen Hieb und Stich,
Trägt ein Büffelkoller
Wie sein Körper traun,
Lustiger und toller
War er nie zu schaun.

Und vom Trunke heiser
Ruft er jetzt und lacht:
»Das erst ist der Kaiser,
Wer den Kaiser macht;
Eid und Treue brechen,
Taten wir's allein?
Hoch der König der Tschechen,
Herzog Wallenstein!« -

Burg- und Schloßbewohner
Ruhen ... Da sieh, in Stahl,
Buttlersche Dragoner
Dringen in den Saal;
Buttler selbst, im Helme,
Tritt an den Illo: »Sprich,

Seid ihr Schurken und Schelme
Oder gut kaiserlich?! «

Hei, da fahren die Klingen
Wie von selber heraus,
Von dem Pfeifen und Schwingen
Löschen die Lichter aus;
Weiter geht es im Dunkeln,
Nein, im Dunkeln nicht:
Ihrer Augen Funkeln
Gibt das rechte Licht.

Tertschka fällt; daneben
Kinsky mit Fluch und Schwur;
Mehr um Tod wie Leben
Ficht selbst Illo nur,
Schlägt blindhin in Scherben
Schädel und Flaschen jetzt,
Wie ein Eber im Sterben
Noch die Hauer wetzt.

Licht und Fackel kommen,
Geben düstren Schein:
Ineinander verschwommen
Blinken Blut und Wein;
Überall im Saale
Leichen in buntem Gemisch,

Stumm, vor seinem Mahle,
Sitzt der Tod am Tisch.

Buttler aber, wie Wetter,
Donnert jetzt: »Laßt sie ruhn!
Das sind erst die Blätter,
An die Wurzel nun.«
Bald in Schlosses Ferne
Hört man's krachen und schrei'n; -
Schau nicht in die Sterne,
Rette dich, Wallenstein!

Fontane