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Vollständige Version anzeigen : Seid ihr mit dem "Ende der Geschichte" zufrieden?



Beverly
21.06.2007, 09:32
Ein Essay in der Zeitschrift "Pandora" brachte meine Gedanken zum nach dem Zusammenbruch des Ostblock-Kommunismus 1990 ausgerufenen "Endes der Geschichte" auf dem Punkt. Da wird das "Ende der Geschichte" so definiert:

1. der Kapitalismus wird nicht vom Kommunismus als nächstes und besseres Stadium der Entwicklung abgelöst, aber

2. es gibt auch keine "soziale Marktwirtschaft" als systemimmanente Lösung der Widersprüche des Kapitalismus

3. an die Stelle der Konfrontation zwischen kapitalistischen Westen und kommunistischen Osten ist der "Krieg gegen den Terror" getreten, der den "Charme einer Schulhofschlägerei" hat

4. es gibt keine wie auch immer zu definierende Weiterentwicklung - geistig, technologisch, intellektuell, spirituell, sozial, ethisch -, sondern nur eine ewige und trostlose Gegenwart.

(Jakob Schmidt "Am Ende der Gegenwart", PANDORA 1 / 2007, S. 120 ff.)

Ergänzend noch hinzuzufügen:

5. Raumfahrt spielt keine Rolle, schließlich müssen wir die Probleme auf der Erde lösen und sowohl nach Meinung sozialistischer wie kapitalistischer Ideologen kann die Erde locker 10, 20 oder 30 Milliarden Menschen ernähren und es gibt keine Notwendigkeit wegen Überbevölkerung in den Weltraum auszuwandern

Ich beziehe mich auf das Essay, weil es meinen Widerwillen gegen die "gegenwärtigen" Zustände sozusagen einen Ankerpunkt gegeben hat.

Eigentlich ist doch alles easy - dass Geschichte mit solchen Scheußlichkeiten wie Hitler, Stalin, Mao und dem von mir noch mit erlebten Eisernen Vorhang perdu ist, ist doch toll oder :rolleyes: ? Die radikalen und extremistischen Spinner jammern im Internet, Politik und Wirtschaft werden von den Analysten gemacht (Achtung, Ironie :D ).
Katastrophenszenarios wie der Klimakollaps oder das Ende des Erdöls werden nur zu Geschäftszwecken in die Welt gesetzt. Die Angst vorm Treibhaus treibt die Stimmen für die Grünen in die Höhe, "Öl alle und wir frieren" ist nur ein Webegag der Atomindustrie. In Wirklichkeit kann alles noch 300 Jahre so weiter gehen wie jetzt. Methanhydrat wird Erdöl als fossilen Energieträger ersetzen und an den Schmarotzern der Atomlobby wird die Menschheit auch nicht zugrunde gehen.

Ach ja, die aktuelle Ausgabe von "Bild der Wissenschaft" - online www.wissenschaft.de - behandelt die Perspektiven, die sich auch dem Schmelzen des Eises im Nordpolarmeer ergeben. Ist das Nordpolarmeer zumindes während des Sommers oder vielleicht sogar ganzjährig eisfrei, werden da jede Menge neuer Schiffahrtswege entstehen. Öl und andere Rohstoffe gibt es in der dann Nicht-mehr-Arktis reichlich, von Kanada bis Sibirien entsteht ein neuer, aufstrebender Wirtschaftsraum.
N. B.: die Westantarktis wird dann vielleicht so warm, dass sie - wie früher Sibirien - für hartgesottene menschliche Besiedlung geeignet ist, also entsteht hier ein zweiter Wirtschaftsraum. Kein Grund, für abenteuerlustige Kolonisten, sich die lange und gefährliche Reise zum Mars anzutun.
Der Klimawandel, der das möglich macht, ist nicht unbedingt Menschenwerk allen, ich selbst halte Sonnenaktivitäten für eine mögliche Ursache. So what?

Ist doch alles easy - so what?

Sauerländer
21.06.2007, 09:58
Das größe Problem besteht in der perfiden Subtilität, mit der das gegenwärtige System in der Lage ist, alles, auch Opposition gegen es selbst, in sich aufzunehmen, ein T-Shirt draus zu machen und das gewinnbringend zu verkaufen. Die Möchtegernpunks mit den Che Guevara-Shirts sind da nur das offensichtlichste Beispiel.
Unter allen bisherigen Politverbrechen war der Mensch immer noch mehr oder weniger in der Lage, das System als eine durch eine andere ersetzbare Option wahrzunehmen, deren Gewalthaftigkeit und Zwangausübung zu realisieren, das System als etwas klar von ihm und den seinen zu trennendes zu sehen.
Das ist nicht mehr der Fall. Das System ist überall, in allen Nischen, in allen Köpfen, noch in seinen radikalsten Ablehnern entfaltet es spezifische Funktionen.
Rebellion ist nicht mehr möglich.
Hitler und Stalin mussten erst sterben, damit wir wirklich festhalten können:

Die Proles können nicht rebellieren, solange sie das System nicht durchschauen. Und sie können das System nicht durchschauen, solange sie nicht rebellieren.

Frühere Regimes vergifteten Menschen.
Das, was wir heute haben, vergiftet das Denken.

Salazar
21.06.2007, 10:07
Das größe Problem besteht in der perfiden Subtilität, mit der das gegenwärtige System in der Lage ist, alles, auch Opposition gegen es selbst, in sich aufzunehmen, ein T-Shirt draus zu machen und das gewinnbringend zu verkaufen. Die Möchtegernpunks mit den Che Guevara-Shirts sind da nur das offensichtlichste Beispiel.
Unter allen bisherigen Politverbrechen war der Mensch immer noch mehr oder weniger in der Lage, das System als eine durch eine andere ersetzbare Option wahrzunehmen, deren Gewalthaftigkeit und Zwangausübung zu realisieren, das System als etwas klar von ihm und den seinen zu trennendes zu sehen.
Das ist nicht mehr der Fall. Das System ist überall, in allen Nischen, in allen Köpfen, noch in seinen radikalsten Ablehnern entfaltet es spezifische Funktionen.
Rebellion ist nicht mehr möglich.
Hitler und Stalin mussten erst sterben, damit wir wirklich festhalten können:

Die Proles können nicht rebellieren, solange sie das System nicht durchschauen. Und sie können das System nicht durchschauen, solange sie nicht rebellieren.

Frühere Regimes vergifteten Menschen.
Das, was wir heute haben, vergiftet das Denken.

Sehr schön. Ganz deiner Meinung. Habe soetwas ähnliches mal bei einer Erörterung im Deutschunterricht verzapft :].

Mcp
21.06.2007, 10:41
Das größe Problem besteht in der perfiden Subtilität, mit der das gegenwärtige System in der Lage ist, alles, auch Opposition gegen es selbst, in sich aufzunehmen, ein T-Shirt draus zu machen und das gewinnbringend zu verkaufen. Die Möchtegernpunks mit den Che Guevara-Shirts sind da nur das offensichtlichste Beispiel.
Unter allen bisherigen Politverbrechen war der Mensch immer noch mehr oder weniger in der Lage, das System als eine durch eine andere ersetzbare Option wahrzunehmen, deren Gewalthaftigkeit und Zwangausübung zu realisieren, das System als etwas klar von ihm und den seinen zu trennendes zu sehen.
Das ist nicht mehr der Fall. Das System ist überall, in allen Nischen, in allen Köpfen, noch in seinen radikalsten Ablehnern entfaltet es spezifische Funktionen.
Rebellion ist nicht mehr möglich.
Hitler und Stalin mussten erst sterben, damit wir wirklich festhalten können:

Die Proles können nicht rebellieren, solange sie das System nicht durchschauen. Und sie können das System nicht durchschauen, solange sie nicht rebellieren.

Frühere Regimes vergifteten Menschen.
Das, was wir heute haben, vergiftet das Denken.

Ein sehr schöner Beitrag. Doch hat die Assimilationsfähigkeit des Systems ganz offenbar auch Grenzen. Es gelingt ihm nämlich nicht, trotz erheblicher Anstrengungen (z. B. England), grundsätzlich andere Kulturen zu integrieren, wie man das Beispiel der arabisch-islamischen Kultur sattsam studieren kann.

Beverly
21.06.2007, 12:00
Zentrale Topoi des "Endes der Geschichte" sind

1. die Postmoderne, die seit 1980 akut wurde, siehe dazu

http://de.wikipedia.org/wiki/Postmoderne

2. das Essay zum "Ende der Geschichte" selbst: "The end of history" von dem US-amerikanischen Politologen Francis Fukuyama, siehe

http://www.wesjones.com/eoh.htm

3. In Ergänzung zum "Kampf gegen den Terror" der "Kampf der Kulturen", nämlich ds Essay "The clash of civilisations" des Politologen Samuel Huntington, siehe

http://en.wikipedia.org/wiki/Clash_of_civilizations

"Es gibt keine Alternative" - TINA, "There Is No Alternative", siehe

http://en.wikipedia.org/wiki/TINA

Die Postmoderne verwirft modernen Rationalismus und Fortschrittsglauben, das Ende der Geschichte trägt jedes wie auch immer geartete historische Subjekt zu Grabe und dank des "Kampfes der Kulturen" dürfen wir uns auch OHNE Weiterentwicklung und die Möglichkeit zu eigenem Handeln und ohne Wahlmöglichkeit zwischen Alternativen auf jede Menge "Action" freuen :rolleyes: Keine "moderne" Vernunft, keine "geschichtliche" Handlungsmöglichkeit und trotzdem "Kampf" - wie schrieb doch Jakob Schmidt: "der Charme einer Schulhofschlägerei" :rolleyes:

N. B. hier ein Link zu der Zeitschrift, aus dem das Essay ist, auf das ich mich bezogen habe:

http://pandora.corneredchicken.com/contenido/cms/front_content.php?idcat=3

Beverly
21.06.2007, 12:17
(...)Doch hat die Assimilationsfähigkeit des Systems ganz offenbar auch Grenzen.(...)

Die sehe ich aber nicht in kulturellen Grenzen, weil es mehr als genug Araber resp. Moslems gibt, die dabei "mitmachen".
Um "drin" zu sein, muss man die herrschenden Diskurse gnadenlos gegen das eigene Selbst und eiegene Prinzipien total verinnerlicht haben. Wer das nicht will oder einfach nicht kann oder gar nicht mehr gebraucht wird, der ist "draußen". Ideologischen Affinitäten und Gegensätze werden dabei relativiert, gar verdrängt. Die eigengesetzliche Dimension drin-draußen ist mindestens eben so wichtig wie links-rechts, liberal-autoritär - zeige mir jemanden, der an etwas glaubt, egal was und ich zeige dir jemanden, der es in diesem System nicht weit bringen wird.

Mcp
21.06.2007, 13:32
Die sehe ich aber nicht in kulturellen Grenzen, weil es mehr als genug Araber resp. Moslems gibt, die dabei "mitmachen".
Um "drin" zu sein, muss man die herrschenden Diskurse gnadenlos gegen das eigene Selbst und eiegene Prinzipien total verinnerlicht haben. Wer das nicht will oder einfach nicht kann oder gar nicht mehr gebraucht wird, der ist "draußen". Ideologischen Affinitäten und Gegensätze werden dabei relativiert, gar verdrängt. Die eigengesetzliche Dimension drin-draußen ist mindestens eben so wichtig wie links-rechts, liberal-autoritär - zeige mir jemanden, der an etwas glaubt, egal was und ich zeige dir jemanden, der es in diesem System nicht weit bringen wird.
Sie vermischen zwei Dinge.

Der Aussteiger, der Unangepasste, der Verweigerer gehört zur herrschenden Kultur, er bildet höchstens ein Milieu, eine Subkultur, mit begrenzter Reproduktionskraft. Er ist der Typ des assimilierten Nichtintegrierten, als folkloristischer Farbklecks geduldet und möglicherweise als Attraktion ausgebeutet, aber die Werte, welcher er ablehnt, hat er meinungsbildend verinnerlicht, er trägt sie trotz allem in sich. Das er aus ihr heraus, sie überwinden will, weist ihn als Teil dessen aus, was er entweder bekämpft oder einfach nur ablehnt.

Der Muselmann, eingebunden in einer Massenkultur in der Kultur, die ihre eigenen Infrastrukturen zum Zwecke der Reproduktion unterhält, lehnt die Gastkultur nicht vordergründig ab, er will diese auch nicht überwinden, nicht zu neuen Horizonten aufbrechen, sondern einfach nur seine eigene Kultur weiterleben. Er lebt in einer Parallelgesellschaft, die er meistens nur wiederwillig verlässt.

Ein Individuum allein, hat keine Kultur, keine Formen des Zusammenlebens, keinen Glauben, kein Ethnie und keine Tradition. Allein kann er sich in einer fremden Kultur gar nicht behaupten, lässt sich entweder assimilieren oder wird einfach ausgeworfen. Wer sich darauf einlässt, so er sich aus seinem kulturellen Umfeld entfernen kann und darf, wird selbstverständlich integriert.

Lichtblau
21.06.2007, 14:38
Ein Herrschaftsmittel der Kapitalisten ist die Erzeugung von Zukunftsangst.

Achtet mal auf Filme die in der Zukunft spielen.
Die meisten Filme zeichnen eine düstere Zukunft, damit sich die Leute mit dem jetzigen System abfinden indem sie denken in Zukunft wird noch alles für schlimmer und nicht auf die Idee kommen Veränderungen anzustreben.

Anarch
21.06.2007, 15:20
Die Postmoderne verwirft modernen Rationalismus und Fortschrittsglauben,

Das tue ich auch. Der bürgerliche Rationalismus und der Fortschrittglaube sind optimistische Spinnereien der Aufklärung. Der Glaube an einen linearen Ablauf der Geschichte hat uns erst in den Dreck des Totalitarismus geführt. Alles wurde als besser angesehen, nur weil es fortschrittlich ist. Wer sagt, das dem so ist? Und seien wir ehrlich: Die herrschenden Eliten hängen immer noch dem Fortschrittsglauben an, sonst würden sie nicht auf den Kampf der Kulturen zusteuern. Die One-World ist ihre Utopie der heilen Welt. Eine Vision, die ich ablehne.


Keine "moderne" Vernunft, keine "geschichtliche" Handlungsmöglichkeit und trotzdem "Kampf" - wie schrieb doch Jakob Schmidt: "der Charme einer Schulhofschlägerei" :rolleyes:

Das Handeln der Herrschenden ist in ihren Augen rational. Die liberale Ideologie gründet auf der rationalistischen Vernunft des bürgerlichen Denkens. Somit kann von einer Verwerfung der Vernunft keine Rede sein. Die Vernunft ist allerdings vielschichtig und pluralistisch auslegbar. Ebenso wie es mehrere Variationen der Freiheits- und Gleichheitsdefinition gibt, herrscht diese auch für die Vernunft vor.

Beverly
21.06.2007, 16:00
Das tue ich auch. Der bürgerliche Rationalismus und der Fortschrittglaube sind optimistische Spinnereien der Aufklärung. Der Glaube an einen linearen Ablauf der Geschichte hat uns erst in den Dreck des Totalitarismus geführt. Alles wurde als besser angesehen, nur weil es fortschrittlich ist. Wer sagt, das dem so ist? Und seien wir ehrlich: Die herrschenden Eliten hängen immer noch dem Fortschrittsglauben an, sonst würden sie nicht auf den Kampf der Kulturen zusteuern. Die One-World ist ihre Utopie der heilen Welt. Eine Vision, die ich ablehne.



Das Handeln der Herrschenden ist in ihren Augen rational. Die liberale Ideologie gründet auf der rationalistischen Vernunft des bürgerlichen Denkens. Somit kann von einer Verwerfung der Vernunft keine Rede sein. Die Vernunft ist allerdings vielschichtig und pluralistisch auslegbar. Ebenso wie es mehrere Variationen der Freiheits- und Gleichheitsdefinition gibt, herrscht diese auch für die Vernunft vor.

Es ist vernünftig, angesichts der im Laufe dieses Jahrhunderts im Nordmeer verschwindenden Eiskappe (Meereis, nicht Grönland) nicht in Panikmache zu verfallen, sondern den neuen Wirtschaftsraum rund um den Nordpol zu entwerfen.
Es ist vernünftig, angesichts schwindender Ölvorräte entweder neue Ölvorräte zu entdecken, gelle :D oder wenn das nicht mehr geht, das in der Tiefsee reichlich vorhandene Methanhydrat zu nutzen. Da unten lauern weder bösartige Geschöpfe noch droht uns ein Methan-Treibhaus-GAU, wie uns Schätzing in "Der Schwarm" weiß machen will. Alles easy :rolleyes:

Obwohl - oder weil? - mich technokratische Visonen faszinieren, löst diese Vernunft bei mir allerdings Widerwillen aus. Vielleicht weil ihr einige der Dimensionen fehlen, die wirkliche "Vernunft" meiner Meinung nach haben sollte. Auf Wikipedia steht dazu in einem Artikel über die "Dialektik der Aufklärung":

Instrumentelle Vernunft

Nach Horkheimer/Adorno ist die Abstraktion das Werkzeug, mit der die Logik von der Masse der Dinge geschieden wird. Das Mannigfaltige wird quantitativ unter eine abstrakte Größe gestellt und vereinheitlicht, um es handhabbar zu machen. Das symbolisch Benannte wird formalisiert; in der Formel wird es berechenbar und damit einem Nützlichkeitsaspekt unterzogen, verfügbar und manipulierbar zu sein. Das Schema der Berechenbarkeit wird zum System der Welterklärung. Alles, was sich dem instrumentellen Denken entzieht, wird des Aberglaubens verdächtigt. Der moderne Positivismus verbannt es in die Sphäre des Unobjektiven, des Scheins.

Aber diese Logik ist eine Logik des Subjekts, die unter dem Zeichen der Herrschaft, der Naturbeherrschung, auf die Dinge wirkt. Diese Herrschaft tritt dem Einzelnen nunmehr als Vernunft gegenüber, die die objektive Weltsicht organisiert.

In der Vereinheitlichung des Denkens auf den Menschen angewendet, werden die gesellschaftlichen Subjekte zum manipulierbaren Kollektiv. Die wissenschaftliche Weltherrschaft wendet sich gegen die denkenden Subjekte und verdinglicht in der Industrie, der Planung, der Arbeitsteilung, der Ökonomie die Menschen zu Objekten. Unter der Herrschaft des Allgemeinen werden die Subjekte nicht nur den Dingen entfremdet, sondern die Menschen selbst versachlicht. Das Allgemeine tritt ihnen als totalitäre Herrschaftsform gegenüber, die sich die Einzelnen nach ihrem Maß zurichtet. Der Fortschritt wird destruktiv; statt Befreiung von den Zwängen der überwältigenden Natur wird Anpassung an die Technologie und das Marktgeschehen gefordert, an die Stelle der befreienden Aufklärung aus der Unmündigkeit, tritt das wirtschaftliche und politische Interesse, das Bewusstsein der Menschen zu manipulieren. Aufklärung wird zum Massenbetrug.

Quelle http://de.wikipedia.org/wiki/Dialektik_der_Aufkl%C3%A4rung

Beverly
21.06.2007, 16:10
Ein Herrschaftsmittel der Kapitalisten ist die Erzeugung von Zukunftsangst.

Ich habe das Gefühl, Zukunftsangst wird mittlerweile auf allen Ebenen als Herrschaftsinstrument und Marketingmittel eingesetzt. "Musels", Treibhaus, Vogelgrippe, kein Öl - für jeden ist etwas dabei :rolleyes:


Achtet mal auf Filme die in der Zukunft spielen.
Die meisten Filme zeichnen eine düstere Zukunft, damit sich die Leute mit dem jetzigen System abfinden indem sie denken in Zukunft wird noch alles für schlimmer und nicht auf die Idee kommen Veränderungen anzustreben.


Welche Wirkung hat das, ob nun gewollt oder ungewollt? Den Blick auf Möglichkeiten für eine lebenswertere Zukunft zu verstellen.

EinDachs
21.06.2007, 17:19
Ein Essay in der Zeitschrift "Pandora" brachte meine Gedanken zum nach dem Zusammenbruch des Ostblock-Kommunismus 1990 ausgerufenen "Endes der Geschichte" auf dem Punkt. Da wird das "Ende der Geschichte" so definiert:

1. der Kapitalismus wird nicht vom Kommunismus als nächstes und besseres Stadium der Entwicklung abgelöst, aber

2. es gibt auch keine "soziale Marktwirtschaft" als systemimmanente Lösung der Widersprüche des Kapitalismus

3. an die Stelle der Konfrontation zwischen kapitalistischen Westen und kommunistischen Osten ist der "Krieg gegen den Terror" getreten, der den "Charme einer Schulhofschlägerei" hat

4. es gibt keine wie auch immer zu definierende Weiterentwicklung - geistig, technologisch, intellektuell, spirituell, sozial, ethisch -, sondern nur eine ewige und trostlose Gegenwart.

(Jakob Schmidt "Am Ende der Gegenwart", PANDORA 1 / 2007, S. 120 ff.)

Ergänzend noch hinzuzufügen:

5. Raumfahrt spielt keine Rolle, schließlich müssen wir die Probleme auf der Erde lösen und sowohl nach Meinung sozialistischer wie kapitalistischer Ideologen kann die Erde locker 10, 20 oder 30 Milliarden Menschen ernähren und es gibt keine Notwendigkeit wegen Überbevölkerung in den Weltraum auszuwandern

Ich beziehe mich auf das Essay, weil es meinen Widerwillen gegen die "gegenwärtigen" Zustände sozusagen einen Ankerpunkt gegeben hat.

Eigentlich ist doch alles easy - dass Geschichte mit solchen Scheußlichkeiten wie Hitler, Stalin, Mao und dem von mir noch mit erlebten Eisernen Vorhang perdu ist, ist doch toll oder :rolleyes: ? Die radikalen und extremistischen Spinner jammern im Internet, Politik und Wirtschaft werden von den Analysten gemacht (Achtung, Ironie :D ).
Katastrophenszenarios wie der Klimakollaps oder das Ende des Erdöls werden nur zu Geschäftszwecken in die Welt gesetzt. Die Angst vorm Treibhaus treibt die Stimmen für die Grünen in die Höhe, "Öl alle und wir frieren" ist nur ein Webegag der Atomindustrie. In Wirklichkeit kann alles noch 300 Jahre so weiter gehen wie jetzt. Methanhydrat wird Erdöl als fossilen Energieträger ersetzen und an den Schmarotzern der Atomlobby wird die Menschheit auch nicht zugrunde gehen.

Ach ja, die aktuelle Ausgabe von "Bild der Wissenschaft" - online www.wissenschaft.de - behandelt die Perspektiven, die sich auch dem Schmelzen des Eises im Nordpolarmeer ergeben. Ist das Nordpolarmeer zumindes während des Sommers oder vielleicht sogar ganzjährig eisfrei, werden da jede Menge neuer Schiffahrtswege entstehen. Öl und andere Rohstoffe gibt es in der dann Nicht-mehr-Arktis reichlich, von Kanada bis Sibirien entsteht ein neuer, aufstrebender Wirtschaftsraum.
N. B.: die Westantarktis wird dann vielleicht so warm, dass sie - wie früher Sibirien - für hartgesottene menschliche Besiedlung geeignet ist, also entsteht hier ein zweiter Wirtschaftsraum. Kein Grund, für abenteuerlustige Kolonisten, sich die lange und gefährliche Reise zum Mars anzutun.
Der Klimawandel, der das möglich macht, ist nicht unbedingt Menschenwerk allen, ich selbst halte Sonnenaktivitäten für eine mögliche Ursache. So what?

Ist doch alles easy - so what?

Das Ende der Geschichte, ausgerufen von Francis Fukuyama meint vor allem das Ende der Geistesgeschichte.
Die Grundthese ist quasi: Alles war schon mal da, alles was neu kommt ist nur ein wiederaufbrühen von alten Ignoranzen und Demokratie/Marktwirtschaft haben sich als einzig vernünftige Organisationsmodelle etabliert.
Damit hören noch lange nicht alle Kriege, Seuchen, technischer Fortschritt und üblichen geschichtlichen Ereignisse auf.
Fukuyama ist mittlerweile sehr weit von diesen Ideen abgegangen.
In ERgänzung würde ich unbedingt "Weltmacht USA -ein Nachruf" von Emanuell Todd lesen, da es sich sehr intensiv mit Fukuyamas Ideen beschäftigt und zu ganz anderen Ergebnissen kommt.

Sauerländer
21.06.2007, 17:50
Ein sehr schöner Beitrag. Doch hat die Assimilationsfähigkeit des Systems ganz offenbar auch Grenzen. Es gelingt ihm nämlich nicht, trotz erheblicher Anstrengungen (z. B. England), grundsätzlich andere Kulturen zu integrieren, wie man das Beispiel der arabisch-islamischen Kultur sattsam studieren kann.
Das ist richtig. Kulturverbände mit Wertbegriffen, die sie teilweise resistent machen gegen die Einschmelzung, sind für diesen Mechanismus schwer zu knacken, da er -sie für das eigene Personal kaum benötigend- nicht (mehr?) die Begriffe hat, sie anzusprechen.
Die durchliberalisierte, massenmenschenvereinheitlichte, in die endgültige Idiotie der Post- , der Postpost- und womöglich der Postpostpostmoderne gegossene Menschenmaterialpampe übt keinen oder zumindest keinen ausreichend starken Reiz auf Menschen aus, die noch in nicht durchindividualisierten Ordnungsmodellen leben oder sich zumindest daran erinnern können.

Das ist der Punkt, der auch -bei aller Problematik- irgendwo dem Islam als Gesamtkraft gesehen gehörig Pluspunkte einbringt, bringt er doch anscheinend tatsächlich diesen gesamten Irrenhaufen einmal zum Zittern, wie das kein Rebell von innen könnte.
Rebellion von innen heraus ist ja nur noch möglich als bewusstseinsmäßige Totalverweigerung bei äusserlicher Unauffälligkeit, jenes Phänomen, das Ernst Jünger als den Anarchen kennzeichnete. Bemerkenswert, dass der wesentlich gedacht ist als Modell zur Überlebensfähigkeit unter totalitären Bedingungen. Wobei auch der zunehmend zur Unmöglichkeit wird, denn anders als der Anarch des Hitler/Stalin-Zeitalters hat er kaum noch Bezugsgrößen, aus denen er Kraft schöpfen könnte. Das reine "Dagegen" motiviert ja letztlich zu nichts ausser vielleicht dem Selbstmordanschlag. Und sogar der funktioniert noch als ins System integrierter Lieferant für ein die Verhältnisse stabilsierendes Medienspektakel.

Wir kommen nicht umhin: Es ist kaum abzusehen, wie diese Verhältnisse überwunden werden sollen, wenn sie nicht von selbst zusammenbrechen. Und ob sie das rechtzeitig tun, damit noch Menschen klaren Geistes übrig sind, um die Lücke zu füllen, kann durchaus bezweifelt werden.
Vielleicht wäre der Menschheit mit einem Atomkrieg als Möglichkeit, wenigstens mit einem Rest Würde abzutreten, besser gedient.

Sauerländer
21.06.2007, 17:52
Ich habe das Gefühl, Zukunftsangst wird mittlerweile auf allen Ebenen als Herrschaftsinstrument und Marketingmittel eingesetzt. "Musels", Treibhaus, Vogelgrippe, kein Öl - für jeden ist etwas dabei :rolleyes:
Ich muss ehrlich sagen, dass ich den Propagandaeinsatz des Optimismus auf allen Ebenen wesentlich unerträglicher finde, da der Wirklichkeit und dem Leben der Menschen wesentlich mehr Hohn sprechend.
Zukunftsangst hat wenigstens noch irgendwas mit realen Verhältnissen zu tun.

Beverly
21.06.2007, 17:54
Das Ende der Geschichte, ausgerufen von Francis Fukuyama meint vor allem das Ende der Geistesgeschichte.
Die Grundthese ist quasi: Alles war schon mal da, alles was neu kommt ist nur ein wiederaufbrühen von alten Ignoranzen und Demokratie/Marktwirtschaft haben sich als einzig vernünftige Organisationsmodelle etabliert.
Damit hören noch lange nicht alle Kriege, Seuchen, technischer Fortschritt und üblichen geschichtlichen Ereignisse auf.
Fukuyama ist mittlerweile sehr weit von diesen Ideen abgegangen.
In ERgänzung würde ich unbedingt "Weltmacht USA -ein Nachruf" von Emanuell Todd lesen, da es sich sehr intensiv mit Fukuyamas Ideen beschäftigt und zu ganz anderen Ergebnissen kommt.

sind wir demnach vom "Ende der Geschichte" zum Ende des Endes der Geschichte gelangt :rolleyes: ?

Ausonius
21.06.2007, 18:11
Bis vor einigen Jahren hielt ich die Vorstellung vom "Ende der Geschichte" noch für realistisch und plausibel. Dann kam der 11. September 2001...

Beverly
21.06.2007, 18:16
(...) die endgültige Idiotie der Post- , der Postpost- und womöglich der Postpostpostmoderne(...)

Die Postmoderne ist weder eine Verwerfung der Moderne zugunsten der "guten alten Zeit" (an die ich nicht recht glauben kann) noch etwas ihr eigenständig Folgendes. Sie ist auch nicht eine Beibehaltung der Moderne, wie sie etwa in den 1970er Jahren war, oder jene Weiterentwicklung, von der man damals träumte ("to the stars"). Dass die Postmoderne eine Antwort auf nicht zu leugnende Exzesse und Kataklysmen der Moderne ist, mag ich auch nicht glauben - bestenfalls ist sie die Karikatur einer Antwort darauf.

Mcp
21.06.2007, 18:41
Das ist richtig. Kulturverbände mit Wertbegriffen, die sie teilweise resistent machen gegen die Einschmelzung, sind für diesen Mechanismus schwer zu knacken, da er -sie für das eigene Personal kaum benötigend- nicht (mehr?) die Begriffe hat, sie anzusprechen.
Die durchliberalisierte, massenmenschenvereinheitlichte, in die endgültige Idiotie der Post- , der Postpost- und womöglich der Postpostpostmoderne gegossene Menschenmaterialpampe übt keinen oder zumindest keinen ausreichend starken Reiz auf Menschen aus, die noch in nicht durchindividualisierten Ordnungsmodellen leben oder sich zumindest daran erinnern können.

Das ist der Punkt, der auch -bei aller Problematik- irgendwo dem Islam als Gesamtkraft gesehen gehörig Pluspunkte einbringt, bringt er doch anscheinend tatsächlich diesen gesamten Irrenhaufen einmal zum Zittern, wie das kein Rebell von innen könnte.
Rebellion von innen heraus ist ja nur noch möglich als bewusstseinsmäßige Totalverweigerung bei äusserlicher Unauffälligkeit, jenes Phänomen, das Ernst Jünger als den Anarchen kennzeichnete. Bemerkenswert, dass der wesentlich gedacht ist als Modell zur Überlebensfähigkeit unter totalitären Bedingungen. Wobei auch der zunehmend zur Unmöglichkeit wird, denn anders als der Anarch des Hitler/Stalin-Zeitalters hat er kaum noch Bezugsgrößen, aus denen er Kraft schöpfen könnte. Das reine "Dagegen" motiviert ja letztlich zu nichts ausser vielleicht dem Selbstmordanschlag. Und sogar der funktioniert noch als ins System integrierter Lieferant für ein die Verhältnisse stabilsierendes Medienspektakel.

Wir kommen nicht umhin: Es ist kaum abzusehen, wie diese Verhältnisse überwunden werden sollen, wenn sie nicht von selbst zusammenbrechen. Und ob sie das rechtzeitig tun, damit noch Menschen klaren Geistes übrig sind, um die Lücke zu füllen, kann durchaus bezweifelt werden.
Vielleicht wäre der Menschheit mit einem Atomkrieg als Möglichkeit, wenigstens mit einem Rest Würde abzutreten, besser gedient.

Ich stimme Ihnen in allen wesentlichen Punkten zu, mit einer Ausnahme, Ihrem im letzten Abschnitt zur Schau gestellten Nihilismus.

Beverly
21.06.2007, 18:42
Rebellion von innen heraus ist ja nur noch möglich als bewusstseinsmäßige Totalverweigerung bei äusserlicher Unauffälligkeit, jenes Phänomen, das Ernst Jünger als den Anarchen kennzeichnete. Bemerkenswert, dass der wesentlich gedacht ist als Modell zur Überlebensfähigkeit unter totalitären Bedingungen. Wobei auch der zunehmend zur Unmöglichkeit wird, denn anders als der Anarch des Hitler/Stalin-Zeitalters hat er kaum noch Bezugsgrößen, aus denen er Kraft schöpfen könnte.

Heute ist es wohl oft der Rückzug in die Nische, wie auch immer die aussieht (Familie, Freundeskreis).



Das reine "Dagegen" motiviert ja letztlich zu nichts ausser vielleicht dem Selbstmordanschlag. Und sogar der funktioniert noch als ins System integrierter Lieferant für ein die Verhältnisse stabilsierendes Medienspektakel.

Im Westen heißen die Selbstmordanschläge Amoklauf und sind zu einem traurigen Phänomen geworden. Sollte es nicht einmal mehr den Rückzug in die Nische geben, vielleicht ein Massenphänomen :rolleyes:

Beverly
21.06.2007, 18:58
Bis vor einigen Jahren hielt ich die Vorstellung vom "Ende der Geschichte" noch für realistisch und plausibel. Dann kam der 11. September 2001...

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich am 11. September in meiner Münchner Appartment-Winzwohnung saß. Es war ein Dienstag und ich wollte um 15 Uhr "Star Trek" sehen. Doch anstatt Raumschiffen kamen auf allen Kanälen die bewussten brennenden Türme :rolleyes:

Doch was sich in den seitdem vergangenen sechs Jahren abgespielt hat, haut voll in die Kerbe vom postmodernen "Ende der Geschichte". Weltpolitik sozusagen als Schmierenkomödie mit bin Laden-Videos, die an Lächerlichkeit kaum noch zu überbieten sind und einem "Präsidenten", den meines Wissens sein eigener Bruder als "Clown" charakterisierte.

Beverly
21.06.2007, 19:07
Ich muss ehrlich sagen, dass ich den Propagandaeinsatz des Optimismus auf allen Ebenen wesentlich unerträglicher finde, da der Wirklichkeit und dem Leben der Menschen wesentlich mehr Hohn sprechend.
Zukunftsangst hat wenigstens noch irgendwas mit realen Verhältnissen zu tun.

Mann muss aber auch erkennen, wo es Grund zur Zukunftsangst gibt und wo man vielleicht sogar optimistisch sein könnte.

So resultiert meine Zukunftsangst nicht aus den "realen Verhältnissen" an sich, sondern der Art und Weise, wie "Politik und Wirtschaft" damit umgehen und die apathische Masse es geschehen bzw. sich dafür noch instrumentalisieren lässt.

Selbst an den "realen Verhältnissen" ansetzende Horrorszenarien böten noch Grund zum vorsichtigen Optimismus, wenn der "Horror" als Herausforderung für konstruktives Handeln genommen würde. Doch dem verweigrn sich Politik und Wirtschaft mit einer Konsequenz, die mehr als krank ist.

EinDachs
21.06.2007, 19:38
sind wir demnach vom "Ende der Geschichte" zum Ende des Endes der Geschichte gelangt :rolleyes: ?

Ja, er hat das wieder etwas relativiert.
Außerdem hat er sich vom "Hurra, Einmarsch"-Neocon deutlich weiterentwickelt.

RDX
21.06.2007, 19:47
Es gibt lein Ende der Geschichte.!!!

Das Ende der Geschichte bedeutete das Ende des Universums und daraus folgend, dass Ende der Zeit.

Was irgendwelche Philospohen proklamieren, ist völlig irrelevat.

EinDachs
21.06.2007, 19:56
Es gibt lein Ende der Geschichte.!!!

Das Ende der Geschichte bedeutete das Ende des Universums und daraus folgend, dass Ende der Zeit.

Was irgendwelche Philospohen proklamieren, ist völlig irrelevat.

Der hat das nicht ganz so wörtlich gemeint. Das EReignisse noch geschehen, war ihm klar.
Er bezog sich dabei auf Hegel.

Beverly
21.06.2007, 20:48
Zitat:
Zitat von Beverly
sind wir demnach vom "Ende der Geschichte" zum Ende des Endes der Geschichte gelangt ?

Ja, er hat das wieder etwas relativiert.

Damit sind wir bei der Frage angelangt, in welchen geschichtlichen Zusammenhang :D wir "Ende der Geschichte" und "Postmoderne" sehen können. Als das Gerede und Geschreibsel von der Postmoderne aufkam, dachte ich schon damals an "Post-Post" :D - ist das vielleicht weiter zu entwickeln zu "Prä-Post" :D

So weist Jakob Schmit in seinem Essay darauf hin, dass das Geschichtskonzept, auf dass sich auch ein "Ende der Geschichte" bezieht, ein Produkt der Neuzeit resp. der Aufklärung ist.

Die Mayas sollen geglaubt haben, dass die Zeit im Kreis verlauft, was ein zyklisches Geschichtsbild impliziert. So ein zyklisches Geschichtsbild haben wahrscheinlich auch viele Kulturen der Alten Welt gehabt. So schrieb der Autor eines Buches über Indien - von mir grob vereinfacht -, dass es die Inder in vormoderner Zeit nicht so mit der Geschichtsschreibung gehabt haben, weil doch alles dasselbe sei. Das spiegelt sich im Hinduismus mit seinem Glauben an die ewige Widergeburt wieder, wo man sich zu allem Übel auch noch in sein Schicksal ergeben und brav in der vom Karma zugewiesenen Kaste leiden muss, um nicht bei der nächsten Reinkarnation abgestraft zu werden.

Also "ewige Widerkehr des Gleichen" und ist die Postmoderne nichts weiter als die Rückkehr zum Geschichtsbild unserer Vorfahren? Wollen uns die Jünger der Postmoderne nur begreiflich machen, dass Geschichte kein Aufstieg ist - wie es die Aufklärung glaubte - sondern ein ewiges Hoch und Runter. Halt "lange Wellen", ein Auf und Ab im Abstand von jeweils mehreren Jahrzehnten.
Die von Jakob Schmidt monierte "ewige Gegenwart" haben demnach schon unzählige Generationen vor uns unter meistens ungünstigeren Bedingungen durchlebt, ohne deswegen im Internet zu jammern :rolleyes:

Für mich sieht es aber so aus, als ob die im Zuge der Moderne entstandenen teleologischen Geschichtsbilder vom "Fortschritt" oder der Geschichte als im Sieg des Kommunismus mündenden Klassenkampfes nur die Antwort oder die Weiterentwicklung diesbezüglicher vormoderner Geschichtsbilder sind.
Ehe es bei den Kommunisten "Völker hört die Signale" hieß, bliesen bei Christen und Moslems die Trompeten des Jüngsten Gerichtes. Bevor bei den Kommunisten der Kapitalismus in der finalen Überproduktionskrise zugunsten des Kommunismus unterging, ließen die Germanen ihre finstere Welt laut krachend im Ragnarök Platz für eine bessere Welt machen.

Fazit: sofern Postmoderne und co. den Menschen ein "ewiges Jetzt" postulieren und einen vielleicht zu Recht in die Kritik geratenen "Fortschritt" ersatzlos streichen, brechen sie damit mit Denkweisen, die älter als die Moderne sind.

Redwing
22.06.2007, 05:29
Ein Essay in der Zeitschrift "Pandora" brachte meine Gedanken zum nach dem Zusammenbruch des Ostblock-Kommunismus 1990 ausgerufenen "Endes der Geschichte" auf dem Punkt. Da wird das "Ende der Geschichte" so definiert:

1. der Kapitalismus wird nicht vom Kommunismus als nächstes und besseres Stadium der Entwicklung abgelöst, aber

...

Es bedarf hier nur eines für all meine Thesen stehenden Satzes: Die Geschichte geht noch weiter...:cool:

Beverly
22.06.2007, 10:02
Die Geschichte geht noch weiter...:cool:

Soweit sind wir in der Diskussion mittlerweile: das Ende vom Ende, das Post vom Post ;):rolleyes: aber gibt die gewesense Geschichte für zukünftige Geschichte Anlass zur Hoffnung oder zur Angst ?( ?

Gewesene Geschichte ist je nach Standpunkt:

- Aufstieg und Fall von Reichen und Zivilisationen, bisher mehreren Dutzend

- ein "worst case szenario", wo Chancen auf das Gute massenhaft vertan wurden und es nur zu oft zum GAU oder Super-GAU gekommen ist

- die Mehrung von Wissen und Erkenntnis und eine technisch-wissenschaftliche Erfolgsstory

- zunehmende Entfremdung, Zerstörung der Natur durch eine ungezieferartige demographische Expansion der Menschheit (von vielleicht 10 Millionen am Ende der letzten Eiszeit auf über 6000 Millionen heute, also 600mal so viel)

Was sagt uns das für zukünftige Geschichte?

Sauerländer
22.06.2007, 10:31
Mann muss aber auch erkennen, wo es Grund zur Zukunftsangst gibt und wo man vielleicht sogar optimistisch sein könnte.
Sicherlich, durchgehender Pessimismus ist wesentlich AUCH eine Frage der Mentalität, die keineswegs immer einen starken Bezug zu wirklichen Fakten haben muss.
Insofern gilt es zu differenzieren zwischen dem, was zwingenderweise schlecht ist, dem, was theoretisch besser sein könnte, und dem, was unter Umständen in absehbarer Zeittatsächlich paraktisch zu verbessern ist.
Pessimismus als durchdachte philosphische Haltung etwa im Sinne Schopenhauers lebt wesentlich von ersterer Kategorie, kritischer Optimismus im Sinne der "Linken" von letzterer als Antrieb. Das Problem besteht darin, dass für mich zusehends Beobachtungsgegenstände aus der letzten in die mittlere Kategorie wechseln.
Und wo bessere Verhältnisse auch ohne Totalutopismus zwar vorstellbar sind, ein Weg dahin jedoch auch mit Mühe nicht zu erkennen ist, sehe ich wenig Grund für Optimismus.

So resultiert meine Zukunftsangst nicht aus den "realen Verhältnissen" an sich, sondern der Art und Weise, wie "Politik und Wirtschaft" damit umgehen und die apathische Masse es geschehen bzw. sich dafür noch instrumentalisieren lässt.
Das ist genau das, was ich mit der Verschiebung in die mittlere Kategorie meine und was meine Resthoffnung schwinden lässt. Wenn Widerstand offener Art unterbleibt, weil die AUfrechterhaltung des Regimes mit Gewalt durchgesetzt wird, kann man ahnen, dass es unter der Oberfläche brodelt, und es letztlich nur zu einer Frage der der Gelegenheit wird.
Ist das aber gar nicht notwendig, weil die Proles nunmal in ihrer ganz eigenen Welt leben und nie auch nur auf die Idee kommen werden, über ihre kleine Alltagsproblematik hinausgehend die Gesamtsituation in Frage zu stellen, schwinden die Ansatzpunkte des Widerstandes.
Orwell beschrieb nicht die Sowjetunion. Er beschrieb auch nicht das Dritte Reich. Er beschrieb unsere heutige Welt.

Selbst an den "realen Verhältnissen" ansetzende Horrorszenarien böten noch Grund zum vorsichtigen Optimismus, wenn der "Horror" als Herausforderung für konstruktives Handeln genommen würde. Doch dem verweigrn sich Politik und Wirtschaft mit einer Konsequenz, die mehr als krank ist.
DIe Wirtschaft ist zur reinen Eigendynamik, zum Selbstläufer geworden, die gar keines konkreten Trägers in Form des grinsenden, in Saus und Braus lebenden Unterdrückers mehr bedarf. Sie ist abstrakt geworden und garantiert auch ihren wesentlichen Köpfen nur noch bedingt einen aus der Unterdrückung ermöglichten Luxus. Exakt wie die "Partei" in 1984. Denn nur so, als Selbstläufer ohne konkrete Gestalt und Interessen ausser dem eigenen Bestehen, ist sie unangreifbar.
Politik ist zur Sparte verkommen und handlungsunfähig.

Sauerländer
22.06.2007, 10:33
Heute ist es wohl oft der Rückzug in die Nische, wie auch immer die aussieht (Familie, Freundeskreis).
Nur dass man (anders als früher) auch da dem System nicht mehr entgeht. Gesellschaftliches Klima, Medien, Wirtschaft, Politik, Staat greifen heute ineinander, wie sie das noch nie getan haben.

Im Westen heißen die Selbstmordanschläge Amoklauf und sind zu einem traurigen Phänomen geworden. Sollte es nicht einmal mehr den Rückzug in die Nische geben, vielleicht ein Massenphänomen :rolleyes:
Warum wohl nimmt deren Zahl zu?

Sauerländer
22.06.2007, 10:36
Die Postmoderne ist weder eine Verwerfung der Moderne zugunsten der "guten alten Zeit" (an die ich nicht recht glauben kann) noch etwas ihr eigenständig Folgendes. Sie ist auch nicht eine Beibehaltung der Moderne, wie sie etwa in den 1970er Jahren war, oder jene Weiterentwicklung, von der man damals träumte ("to the stars"). Dass die Postmoderne eine Antwort auf nicht zu leugnende Exzesse und Kataklysmen der Moderne ist, mag ich auch nicht glauben - bestenfalls ist sie die Karikatur einer Antwort darauf.
Robert Kurz hat ihr im "Schwarzbuch" ein paar äußerst unfreundliche Zeilen gewidmet. Bei ihm erscheint sie als Auflösung aller Begriffe, als Verkommen der Realität bzw der Realitätserfahrung zum reinen Kinoereeignis, in dem zwischen Tatsächlichem und Virtuellem nicht mehr unterschieden werden kann, in der alle Realitäten gleich wahr und unwahr sind. Und nicht zufällig assoziiert auch er den dabei entstehenden Menschentypus mit dem, was die Welt von 1984 hervorbringt.

Sauerländer
22.06.2007, 10:39
Ich stimme Ihnen in allen wesentlichen Punkten zu, mit einer Ausnahme, Ihrem im letzten Abschnitt zur Schau gestellten Nihilismus.
Der ist letztlich auch nur Ausdruck des Restwillens, sich irgendwo eine Haltung fernab von Akzeptanz und Affirmation zu bewahren. Obwohl er ebenso auch nur als die -von mir ja bereits angesprochene- Funktion des Systems, die auch in seinen Ablehnern durchschlägt, gelesen werden kann.
An dem Punkt könnte man im Grunde festhalten: Letztlich ist ohnehin alles nur ein großes Schauspiel.

Mcp
22.06.2007, 16:58
Der ist letztlich auch nur Ausdruck des Restwillens, sich irgendwo eine Haltung fernab von Akzeptanz und Affirmation zu bewahren. Obwohl er ebenso auch nur als die -von mir ja bereits angesprochene- Funktion des Systems, die auch in seinen Ablehnern durchschlägt, gelesen werden kann.
An dem Punkt könnte man im Grunde festhalten: Letztlich ist ohnehin alles nur ein großes Schauspiel.

Gottfried Benn

Die Form

Die Form, die Formgebärde,
die sich ergab, die wir uns gaben -
du bist zwar Erde,
doch du mußt sie graben.

Du wirst nicht ernten,
wenn jene Saat entsteht
in dem Entfernten,
dein Bild ist längst verweht.

Riefst den Verlorenen,
Tschandalas, Parias du,
den Ungeborenen
ein Wort des Glaubens zu.

Mahatma Germany
22.06.2007, 17:25
Ein Essay in der Zeitschrift "Pandora" brachte meine Gedanken zum nach dem Zusammenbruch des Ostblock-Kommunismus 1990 ausgerufenen "Endes der Geschichte" auf dem Punkt. Da wird das "Ende der Geschichte" so definiert:

1. der Kapitalismus wird nicht vom Kommunismus als nächstes und besseres Stadium der Entwicklung abgelöst, aber

2. es gibt auch keine "soziale Marktwirtschaft" als systemimmanente Lösung der Widersprüche des Kapitalismus

3. an die Stelle der Konfrontation zwischen kapitalistischen Westen und kommunistischen Osten ist der "Krieg gegen den Terror" getreten, der den "Charme einer Schulhofschlägerei" hat

4. es gibt keine wie auch immer zu definierende Weiterentwicklung - geistig, technologisch, intellektuell, spirituell, sozial, ethisch -, sondern nur eine ewige und trostlose Gegenwart.

(Jakob Schmidt "Am Ende der Gegenwart", PANDORA 1 / 2007, S. 120 ff.)

Ergänzend noch hinzuzufügen:

5. Raumfahrt spielt keine Rolle, schließlich müssen wir die Probleme auf der Erde lösen und sowohl nach Meinung sozialistischer wie kapitalistischer Ideologen kann die Erde locker 10, 20 oder 30 Milliarden Menschen ernähren und es gibt keine Notwendigkeit wegen Überbevölkerung in den Weltraum auszuwandern

Ich beziehe mich auf das Essay, weil es meinen Widerwillen gegen die "gegenwärtigen" Zustände sozusagen einen Ankerpunkt gegeben hat.

Eigentlich ist doch alles easy - dass Geschichte mit solchen Scheußlichkeiten wie Hitler, Stalin, Mao und dem von mir noch mit erlebten Eisernen Vorhang perdu ist, ist doch toll oder :rolleyes: ? Die radikalen und extremistischen Spinner jammern im Internet, Politik und Wirtschaft werden von den Analysten gemacht (Achtung, Ironie :D ).
Katastrophenszenarios wie der Klimakollaps oder das Ende des Erdöls werden nur zu Geschäftszwecken in die Welt gesetzt. Die Angst vorm Treibhaus treibt die Stimmen für die Grünen in die Höhe, "Öl alle und wir frieren" ist nur ein Webegag der Atomindustrie. In Wirklichkeit kann alles noch 300 Jahre so weiter gehen wie jetzt. Methanhydrat wird Erdöl als fossilen Energieträger ersetzen und an den Schmarotzern der Atomlobby wird die Menschheit auch nicht zugrunde gehen.

Ach ja, die aktuelle Ausgabe von "Bild der Wissenschaft" - online www.wissenschaft.de - behandelt die Perspektiven, die sich auch dem Schmelzen des Eises im Nordpolarmeer ergeben. Ist das Nordpolarmeer zumindes während des Sommers oder vielleicht sogar ganzjährig eisfrei, werden da jede Menge neuer Schiffahrtswege entstehen. Öl und andere Rohstoffe gibt es in der dann Nicht-mehr-Arktis reichlich, von Kanada bis Sibirien entsteht ein neuer, aufstrebender Wirtschaftsraum.
N. B.: die Westantarktis wird dann vielleicht so warm, dass sie - wie früher Sibirien - für hartgesottene menschliche Besiedlung geeignet ist, also entsteht hier ein zweiter Wirtschaftsraum. Kein Grund, für abenteuerlustige Kolonisten, sich die lange und gefährliche Reise zum Mars anzutun.
Der Klimawandel, der das möglich macht, ist nicht unbedingt Menschenwerk allen, ich selbst halte Sonnenaktivitäten für eine mögliche Ursache. So what?

Ist doch alles easy - so what?

Eine interessante Art die jetzige Situation der Welt zu betrachten. Was auf jeden Fall mal stimmt ist das es jeder Industriezweig,jede politische Partei, jeder einzelne versucht Menschen für sich einzunehmen,indem er ihre Urängste anpackt.Das war zwar schon immer so aber heute ,da wir uns mitten in einer Globalisierung befinden, tritt dieses Phenomen heftiger auf. Was ich persöhnlich trostlos an der Sache finde, ist diese Gleichgültigkeit die bei den Menschen(vorallem der jüngeren Generation) bewirkt wird. Materialismus und immer neues erschräkendes stumpfen die Menschen ab. Du hast Recht wenn du sagst,dass unsere Probleme mit einem gewissen Grad an Aufwand gelöst werden können. 300 Jahre wird das aber nicht so weiter gehen. Abgestumpfte Generationen gehen in Führungspositionen und tragen Konflikte ohne Sensibilität aus. Das führt dann zu Weltkriegen. Doch wenn man versucht jetzt einzulenken,prallt man auch ab. Es ist heikel. Aber ich hoffe es werden Menschen kommen,die diese Knoten lösen.

Klopperhorst
22.06.2007, 21:59
Falsches Szenario.

Wir werden schon bald einen epochalen Zerfall der Zivilisation erleben.

Der Endzustand der Menschheit ist in der Tat ein stabiler.

Nämlich ein rein anorganischer.


----

Aldebaran
22.06.2007, 22:58
Ein bisschen viel auf einmal.

Die Grundthese soll wohl sein, dass in Zukunft im Prinzip alles so bleibt, wie es jetzt ist.

Das hat man 1914 wohl auch gedacht.


3. an die Stelle der Konfrontation zwischen kapitalistischen Westen und kommunistischen Osten ist der "Krieg gegen den Terror" getreten, der den "Charme einer Schulhofschlägerei" hat

Der "Krieg gegen den Terror" wird natürlich gewaltig überschätzt. In Wirklichkeit geht es ja auch gar nicht um den Terror, sondern darum, die islamische Welt dort, wo keine mehr oder weniger "prowestlichen" Oberschichten herrschen, mit dem Westen (und überhaupt dem Rest der Welt) einigermaßen kompatibel zu machen.

Das ist aber nur eine Übergangsphase. Noch sind die USA die unangefochtene Supermacht. Solche Perioden der Hegemonie sind in der Geschichte eher die friedlichen gewesen. China wird die USA einholen, und es ist noch völlig unklar, was das zur Folge haben wird.


4. es gibt keine wie auch immer zu definierende Weiterentwicklung - geistig, technologisch, intellektuell, spirituell, sozial, ethisch -, sondern nur eine ewige und trostlose Gegenwart.

(Jakob Schmidt "Am Ende der Gegenwart", PANDORA 1 / 2007, S. 120 ff.)

Immerhin wachsen die Lebenserwartung und das Bildungsniveau der Menschen weltweit. Auch hier ist offen, wohin das führt.


Ergänzend noch hinzuzufügen:

5. Raumfahrt spielt keine Rolle, schließlich müssen wir die Probleme auf der Erde lösen und sowohl nach Meinung sozialistischer wie kapitalistischer Ideologen kann die Erde locker 10, 20 oder 30 Milliarden Menschen ernähren und es gibt keine Notwendigkeit wegen Überbevölkerung in den Weltraum auszuwandern

Gerade wenn alles glatt läuft auf der Erde wird sich die Menschheit schon allein aus Langeweile die Raumfahrt leisten, und wenn auch nur als Hobby von einigen Multibillionären.


Ich beziehe mich auf das Essay, weil es meinen Widerwillen gegen die "gegenwärtigen" Zustände sozusagen einen Ankerpunkt gegeben hat.

Eigentlich ist doch alles easy - dass Geschichte mit solchen Scheußlichkeiten wie Hitler, Stalin, Mao und dem von mir noch mit erlebten Eisernen Vorhang perdu ist, ist doch toll oder :rolleyes: ? Die radikalen und extremistischen Spinner jammern im Internet, Politik und Wirtschaft werden von den Analysten gemacht (Achtung, Ironie :D ).

Der Finanzsektor ist auch nur ein Parasit. Ohne die von der Politik geschaffenen Voraussetzungen - Eigentumsgarantie, Währungsstabilität usw. - wäre er nichts.


Katastrophenszenarios wie der Klimakollaps oder das Ende des Erdöls werden nur zu Geschäftszwecken in die Welt gesetzt. Die Angst vorm Treibhaus treibt die Stimmen für die Grünen in die Höhe, "Öl alle und wir frieren" ist nur ein Webegag der Atomindustrie. In Wirklichkeit kann alles noch 300 Jahre so weiter gehen wie jetzt. Methanhydrat wird Erdöl als fossilen Energieträger ersetzen und an den Schmarotzern der Atomlobby wird die Menschheit auch nicht zugrunde gehen.

Der "Klimakollaps" ist nicht das einzige und wahrscheinlich nicht einmal das größte Problem dieser Art. Vielleicht noch bedrohlicher ist der Verlust an Boden durch Erosion, Versalzung und Versiegelung. Damit verbunden wird in vielen Teilen der Welt das Wasser zum Problem, nämlich dort, wo man von "fossilen" Wasserreserven lebt.

Das alles kann man meistern, aber nur mit gewaltigen Investitionen - und das angesichts erhöhter Energiekosten, der Überalterung in den Industrie- und Schwellenländern usw.


Ach ja, die aktuelle Ausgabe von "Bild der Wissenschaft" - online www.wissenschaft.de - behandelt die Perspektiven, die sich auch dem Schmelzen des Eises im Nordpolarmeer ergeben. Ist das Nordpolarmeer zumindes während des Sommers oder vielleicht sogar ganzjährig eisfrei, werden da jede Menge neuer Schiffahrtswege entstehen. Öl und andere Rohstoffe gibt es in der dann Nicht-mehr-Arktis reichlich, von Kanada bis Sibirien entsteht ein neuer, aufstrebender Wirtschaftsraum.

Aber wer will 6 Monate ohne Tageslicht leben? Und Landwirtschaft wird dort trotzdem unmöglich bleiben. Es wäre ein Wirtschaftsraum ohne Menschen.



So what?Ist doch alles easy - so what?

Könnte es vielleicht sei, ist es aber nicht.

Stechlin
23.06.2007, 00:13
Im Kontext des Begriffes vom Ende der Geschichte zur Alternativlosigkeit des gesellschaftlichen Modells: Das Zauberwort heißt Entfremdung! Wer in den Tempeln des Konsums und der Medien seines einzigen und alleinigen Daseinszwecks Schlafen-Arbeiten- Konsumieren-Scheißen-Big-Brother-schauen huldigt, der wird schwerlich in der Lage sein, die Alternativlosigkeit der Überwindung dieses real existierenden Neoliberalismus´zu erkennen. Es ist immer schwer, einer Religion abzuschwören, die Frage ist nur, wann "Moses" endlich endlich wieder zu uns kommt, um uns abermals auf den rechten Glauben zu bringen?


"Als aber das Volk sah, daß Mose ausblieb und nicht wieder von dem Berge zurückkam, sammelte es sich gegen Aaron und sprach zu ihm: Auf, mach uns einen Gott, der vor uns hergehe! Denn wir wissen nicht, was diesem Mann Mose widerfahren ist, der uns aus Ägyptenland geführt hat. Aaron sprach zu ihnen: Reißet ab die goldenen Ohrringe an den Ohren eurer Frauen, eurer Söhne und eurer Töchter und bringt sie zu mir. Da riß alles Volk sich die goldenen Ohrringe von den Ohren und brachte sie zu Aaron. Und er nahm sie von ihren Händen und bildete das Gold in einer Form und machte ein gegossenes Kalb. Und sie sprachen: Das ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägyptenland geführt hat!
Als nun Mose sah, daß das Volk zuchtlos geworden war - denn Aaron hatte sie zuchtlos werden lassen zum Gespött ihrer Widersacher -, trat er in das Tor des Lagers und rief: Her zu mir, wer dem HERRN angehört! Da sammelten sich zu ihm alle Söhne Levi. Und Moses sprach zu ihnen: So spricht der HERR, der Gott Israels: „Ein jeder gürte sein Schwert um die Lenden und gehe durch das Lager hin und her von einem Tor zum andern und erschlage seinen Bruder, Freund und Nächsten“. Die Söhne Levi taten, wie ihnen Mose gesagt hatte; und es fielen an dem Tage vom Volk dreitausend Mann." (2. Buch Mose 32,25-28)

http://www.t-o-m.tv/weblog/nysebulle.jpg

Brutus
23.06.2007, 00:18
Im Kontext des Begriffes vom Ende der Geschichte zur Alternativlosigkeit des gesellschaftlichen Modells: Das Zauberwort heißt Entfremdung!

Wer weiß, vielleicht ist das Gegenteil der Fall, und der deutsche Nachkriegszombie kommt in den Konsumtempeln erst so ganz zu sich selbst? Vielleicht hat er dort ein Rendezvous mit seinem Innersten? ZEN-Meditation in den Spuren des umerzogenen Mainstreams?

"Mensch, Junge, jeh doch ma' in dir!"

"War ick schon, ooch nüscht los."

Stechlin
23.06.2007, 00:22
Wer weiß, vielleicht ist das Gegenteil der Fall, und der deutsche Nachkriegszombie kommt in den Konsumtempeln erst so ganz zu sich selbst? Vielleicht hat er dort ein Rendezvous mit seinem Innersten? ZEN-Meditation in den Spuren des umerzogenen Mainstreams?


Sollte sich Goethe so geirrt haben?

Das Göttliche

Edel sei der Mensch,
hilfreich und gut!
Denn das allein
unterscheidet ihn
von allen Wesen,
die wir kennen.

Heil den unbekannten
höhern Wesen,
die wir ahnen!
Ihnen gleiche der Mensch!
Sein Beispiel lehr' uns
jene glauben.

Denn unfühlend
ist die Natur:
Es leuchtet die Sonne
über Bös' und Gute,
und dem Verbrecher
glänzen wie dem Besten
der Mond und die Sterne.

Wind und Ströme,
Donner und Hagel
tauschen ihren Weg
und ergreifen
vorübereilend
einen um den andern.

Auch so das Glück
tappt unter die Menge,
faßt bald des Knaben
lockige Unschuld,
bald auch den kahlen
schuldigen Scheitel.

Nach ewigen, ehrnen,
großen Gesetzen
müssen wir alle
unseres Daseins
Kreise vollenden.

Nur allein der Mensch
vermag das Unmögliche
Er unterscheidet,
wählet und richtet;
er kann dem Augenblick
Dauer verleihen.

Er allein darf
den Guten lohnen,
den Bösen strafen,
heilen und retten,
alles Irrende, Schweifende
nützlich verbinden.

Und wir verehren
die Unsterblichen,
als wären sie Menschen,
täten im großen,
was der Beste im kleinen
tut oder möchte.

Der edle Mensch
sei hilfreich und gut!
Unermüdet schaff' er
das Nützliche, Rechte,
sei uns ein Vorbild
jener geahneten Wesen!

Brutus
23.06.2007, 00:42
[CENTER]Sollte sich Goethe so geirrt haben?


Als Beschreibung des Ist-Zustandes verstanden, ja.
Als Ausdruck der im Menschen angelegten Möglichkeiten, natürlich nein.

Stechlin
23.06.2007, 00:48
Als Beschreibung des Ist-Zustandes verstanden, ja.
Als Ausdruck der im Menschen angelegten Möglichkeiten, natürlich nein.

Du kapitulierst vor Dir selbst?

Brutus
23.06.2007, 00:52
Du kapitulierst vor Dir selbst?

Seit ich die Antwort auf Deinen Beitrag über Kaiser Willem geschrieben habe, geht mir dauernd das Wort Kapitulation in der Birne herum.

Ja, es hat etwas von kapitulieren, aber nicht vor mir selbst, sondern vor der politisch-sozialen Wirklichkeit.

Stechlin
23.06.2007, 02:01
Seit ich die Antwort auf Deinen Beitrag über Kaiser Willem geschrieben habe, geht mir dauernd das Wort Kapitulation in der Birne herum.

Ja, es hat etwas von kapitulieren, aber nicht vor mir selbst, sondern vor der politisch-sozialen Wirklichkeit.

Nein, das geht nicht. Wie heißt es so schön? Und wenn ich wüßte, daß morgen die Welt untergeht, dann würde ich einen Baum pflanzen. Ziemlich hochtrabend, jedoch muß das das Leitmotiv sein, und wenn es nur gilt, dem Geschmeiß der Kaufmannsgilde bis zum Schluß Paroli zu bieten.

Klopperhorst
23.06.2007, 09:28
Du kapitulierst vor Dir selbst?

Ziel der Entwicklung der Menschheit ist meines Erachtens die Überwindung der Welt, nicht die Eroberung oder Extrapolation der Welt sondern die Aufgabe der Welt, alles Wollens, Strebens und Ringens.

Dies ist es, was die tiefen Religionen mit dem Erlösungsgedanken andeuten und dessen jüngster Tag für die Menschheit kommen wird.

---

Beverly
23.06.2007, 11:21
Zitat von Beverly
Heute ist es wohl oft der Rückzug in die Nische, wie auch immer die aussieht (Familie, Freundeskreis).


Nur dass man (anders als früher) auch da dem System nicht mehr entgeht. Gesellschaftliches Klima, Medien, Wirtschaft, Politik, Staat greifen heute ineinander, wie sie das noch nie getan haben.

Ist es aber nicht der bequeme Rückzug in die Nische, der für die meisten Menschen die Alternative zur gefährlichen Rebellion ist? Wobei es im Westen - der meines Erachtens mehr "Schöne neue Welt" von Aldous Huxley als "1984" ähnelt - noch reht bunte und komfortable Nischen gibt.

Mein größtes Problem beim Nischendasein ist, mich von den entsetzlichen herrschenden Diskursen abzuschotten. So bis 2002, 2003 habe ich noch Radio gehört, regelmäßig Nachrichten und Talkshows, Magazinsendungen gesehen - der Münchner Sender M94, "Talk im Turm" mit Böhme auf SAT 1, "Wahre Liebe" mit Lilo Wanders :D oder "aspekte". Zu meiner Hochzeit in der IT-Branche habe ich beschlossen, die Überstunden so weit einzudämmen, dass ich rechtzeitig zur "Tagesschau" um 20 Uhr zu Hause bin. Immer fleißig TAZ, DIE ZEIT und die "Süddeutsche" gelesen.

Heute ist das alles perdu, weil die Massenmedien dermaßen vom "alternativlosen" herrschenden Diskurs und den in ihm hochgekochten Hetzthemen durchseucht sind, dass ich das nicht ertragen kann. Der Mangel an Kritikfähigkeit in den Nachrichtenredaktionen, die Müll nicht als Müll aussortieren, sondern weiter verbreiten und die grinsend vorgeführte Käuflichkeit vieler Fernsehjournalisten haben ein Ausmaß erreicht, das unglaublich ist.

Allerdings kann man sich in seiner Nische dagegen schützen, in dem man sich das Zeugs nicht mehr ansieht. Radio ganz aus und im Fernsehen nur noch Dokus und Spielfilme.

Ernst wird es, wenn das System die Nischen, in die es die Menschen getrieben hat, selbst zerstört:

Zitat von Beverly
Im Westen heißen die Selbstmordanschläge Amoklauf und sind zu einem traurigen Phänomen geworden. Sollte es nicht einmal mehr d


Warum wohl nimmt deren Zahl zu?

Bei einem Amoklauf in den USA brachte ein Programmierer ein halbes Dutzend Kolleben um, nachdem er Lohnpfändung bekommen hat.
Bei dem Massaker in Erfurt stand der Urheber, ein Schüler meines Wissens nach dem Vergeigen des Abiturs OHNE jeden Schulabschluss da (keine Mittlere Reife, keine Hauptschule).

Ohne das entschuldigen zu wollen, illustriert es nur die Tatsache, dass Menschen ausrasten, wenn sie sich allein gelassen, in die Enge getrieben und in ihrer Existenz bedroht fühlen. Vielleicht purer Selbsterhaltungstrieb aus jener Zeit vor einigen Millionen Jahren, wo unsere kleinen und schwachen Vorfahren nur amoklaufender Weise eine größere und stärkere Großkatze davon "überzeugen" konnten, wieder von ihrem Speiseplan genommen zu werden.

Beverly
23.06.2007, 11:57
Zitat von Beverly
Die Postmoderne ist weder eine Verwerfung der Moderne zugunsten der "guten alten Zeit" (an die ich nicht recht glauben kann) noch etwas ihr eigenständig Folgendes. Sie ist auch nicht eine Beibehaltung der Moderne, wie sie etwa in den 1970er Jahren war, oder jene Weiterentwicklung, von der man damals träumte ("to the stars"). Dass die Postmoderne eine Antwort auf nicht zu leugnende Exzesse und Kataklysmen der Moderne ist, mag ich auch nicht glauben - bestenfalls ist sie die Karikatur einer Antwort darauf.


Robert Kurz hat ihr im "Schwarzbuch" ein paar äußerst unfreundliche Zeilen gewidmet. Bei ihm erscheint sie als Auflösung aller Begriffe, als Verkommen der Realität bzw der Realitätserfahrung zum reinen Kinoereeignis, in dem zwischen Tatsächlichem und Virtuellem nicht mehr unterschieden werden kann, in der alle Realitäten gleich wahr und unwahr sind. Und nicht zufällig assoziiert auch er den dabei entstehenden Menschentypus mit dem, was die Welt von 1984 hervorbringt.

Bei meinem kleinen Diskurs über die Postmoderne muss ich noch einen Begriff resp. seine postmoderne Entstellung nachreichen, der mir ebenso wichtig erscheit wie "Ende der Geschichte", "There Is No Alternative" oder "Clash of Civilisations". Das ist die "historische Notwendigkeit".

Im ursprünglichen Diskurs der Moderne wurden mit der historischen Notwendigkeit Entwicklungen gerechtfertigt, die zunächst einmal und auch für die Betroffenen schädlich oder gar eine Katastrophe waren, aber im Kontext des übergreifenden Entwicklung notwendig für den weiteren Fortschritt.
So war der Untergang des Römischen Reiches und der Verfall Roms von einer Millionenstadt in der Antike zu einer Kleinstadt im Mittelater für die meisten Römer zweifellos eine Katastrophe. Doch Anhänger der historischen Notwendigkeit würden diese Entwicklung damit rechtfertigen, dass Rom fallen musste, um den Platz für Neues und langfristig Besseres frei zu machen. So hatte meines Wissens schon das Mittealter mit Wasserkraft, Windkraft oder auch mechanischen Uhre Innovationen, welche die Römer nicht kannten.

Wie kritisch (oder ablehnend) man auch immer zur modernen "historischen Notwendigkeit" stehen mag, so lag ihr - wie dem Christentum :D - immerhin nach das Motiv "durch Leid zur Erlösung" zugrunde. Durch alle Kataklysmen und "kreativen Zerstörungen" hindurch wachsen die Menschen doch an materiellen und geistigen Möglichkeiten, meistens sind neue Ordnungen eine in irgendeiner Weise konstruktive Antwort auf die Fehler ihrer untergegangenen Vorgänger - zumindest, wenn man Geschichte mit einer gehörigen Portion Optimismus interpretiert :rolleyes:

Soweit ich das überblicken kann, haben die Diskurse der Postmoderne die "historische Notwendigkeit" nicht weben unzulässiger Apologie aller möglichen Scheußlichkeiten verworfen, sonden sie im Gegenteil noch radikalisiert :rolleyes:
Ganz einfach abzulesen am Geschichtsfahrplan von Marxisten und Neoliberalen.

Der Marxist glaubt an
1. primitive, unwissende Urgesellschaft im Urkommunismus
2. Sklavenhaltergesellschaft der Antike
3. Feudalismus im Mittelalter
4. Kapitalismus in der Neuzeit
5. Kommunismus der Zukunft

Der Neoliberale streicht aus dem "Geschichtsfahrplan" nur die ihm unwillkommene Endstation 5. Kommunismus der Zukunft, alles andere bleibt wie gehabt. Apologie aller möglichen Absurditäten, Zerstörungen und Scheußlichkeiten als "Notwendigkeit" resp. "Sachzwang". Nur ist mit der neuen Endstation 4. Kapitalismus der Sinn des Ganzen in Frage gestellt. Anstelle einer zwangsläufigen "historischen Bewegung" hin zu besseren Zuständen hat man wieder eine zwangsläufige historische Bewegung - nur führt sie zu nichts :rolleyes:

Nachtrag zum Christentum in der Postmoderne: in einer Wahlveranstaltung 2005 waren sich die evangelischen Veranstalter nicht zu schade, den Satz "Arme wird es immer geben" zu sagen.
Was an diesem Satz schon im Kontext des Christentums selbst falsch ist, verrate ich jetzt aber nicht. Solche Sätze haben für mich aber sehr viel mit der Postmoderne zu tun :rolleyes:

Beverly
23.06.2007, 12:06
Der ist letztlich auch nur Ausdruck des Restwillens, sich irgendwo eine Haltung fernab von Akzeptanz und Affirmation zu bewahren. Obwohl er ebenso auch nur als die -von mir ja bereits angesprochene- Funktion des Systems, die auch in seinen Ablehnern durchschlägt, gelesen werden kann.
An dem Punkt könnte man im Grunde festhalten: Letztlich ist ohnehin alles nur ein großes Schauspiel.

eine Lieblingshypothese eines Freundes von mir ist die Welt als Computersimulation, wo "Gott" nur der Große Programmierer ist

Beverly
23.06.2007, 12:28
Ein bisschen viel auf einmal.

Die Grundthese soll wohl sein, dass in Zukunft im Prinzip alles so bleibt, wie es jetzt ist.

Das hat man 1914 wohl auch gedacht.

Sind wir nicht eher in einer Situation wie nach 1815, nach dem Fall Napoleons?

Damals: von 1789 bis 1815 hat Frankreich ideologisch, militärisch und politisch einen nie dagewesen Angriff auf die "alte Ordnung" unternommen. Dieser mag seine Berechtigung gehabt haben, doch was sich Frankreich dann erlaubte, führte zu ebenso berechtigten Gegenbewegungen > meines Wissens löste Napoleon den modernen, bürgerlich-modernen deutschen Nationalismus aus.
Wären die "Stein-Hardenbergschen Reformen" in Preußen ohne Napoleon zustande gekommen?

Was um 1800 "Frankreich" war, war bis 1989 der "Sowjetkommunismus" - eine vielleicht berechtigte Bewegung, die den Westen dazu zwang, sich mit Demokratie und sozialer Marktwirtschaft ein menschliches Antlitz zu geben.

Kaum war Napoleon in St. Helena, machten sich die siegreichen Mächte an den Versuch, die "Alte Ordnung" zu "restaurieren". Meines Wissens hieß das Biedermeier und es ist kläglich gescheitert. Anstelle langweiliger Beschaulichkeit gab es einen Umsturz nach dem anderen, leider auch wieder Kriege.

Überflüssig zu sagen, dass sich nach 1989 die Vollpfosten, die sich für Sieger der Geschichte halte, auf fleißig daran gingen, die "alte Ordnung" des Kapitalismus pur zu restaurieren. Bis jetzt mit Erfolg, aber wird das ewig so sein. Nach Napoleons Ende konnte die Herrschenden noch in Wien Kongress abhalten, G8 und co. verdrücken sich wegen der zu erwartenden Proteste in Kleinstädte ;)

Beverly
23.06.2007, 13:05
(...)Das Zauberwort heißt Entfremdung!(...)

Danke NITUP,

das ist noch ein Topos meines Postmoderne-Diskurses, den ich nachtragen muss.´Auf Wikipedia gibt es da unter

http://de.wikipedia.org/wiki/Entfremdung

sehr viele Definitionen, schon vor und auch nach Hegel und Marx. Ich kenne als moderne :D Form der Entfremdung die Einführung der Arbeitsteilung: anstelle des Handwerkers, der ein Produkt in allen Arbeitsschritten herstellte und eine enge Beziehung zu ihm hatte, trat der Fließbandarbeiter, der bei dem immergleichen Handgriff keine enge Beziehung mehr zu dem hat, was da produziert wird :rolleyes:

So weit ich das Überblicken kann, war die Moderne in ihrer Hochezeit nicht nur ein Höhepunkt der Entfremdung eben in Gestalt des Fließbandarbeiters, sondern auch ein Höhepunkt der Kritik von Entfremdung - siehe Hegel und Marx. Bei der Postmoderne kann ich keine Kritik der Enfremdung mehr erkenen.
Sollte der Arbeiter als "Held" der Moderne seine Entfremdung noch irgendwie überwinden - im Einfamilienhaus, im Wohlfahrtsstaat, im Kommunismus -, so haben sie die ums Überleben kämpfenden "working poor", Saison- und Wanderarbeiter der Postmoderne klaglos und in immer absurderen Formen hinzunehmen. Was immer sich moderne Philosophen über die "Arbeit" einfielen ließen, in der Postmoderne kulminiert es angesichts mancher Zustände in dem Satz "wer arbeitet ist selbst schuld". Ach ja "länger arbeiten", jenes Übel des Frühkapitalismus, hat auch wieder Konjunktur :rolleyes:

Beverly
23.06.2007, 13:12
Ziel der Entwicklung der Menschheit ist meines Erachtens die Überwindung der Welt, nicht die Eroberung oder Extrapolation der Welt sondern die Aufgabe der Welt, alles Wollens, Strebens und Ringens.

Dies ist es, was die tiefen Religionen mit dem Erlösungsgedanken andeuten und dessen jüngster Tag für die Menschheit kommen wird.

---

Wenn das nicht gleichbedeutend mit Tod sein soll, kann ich darin nur Aufstieg zur Transzendenz sehen. Diese Transzendenz stelle ich mir aber nicht vergeistigt-amateriell vor, sondern eine Steigerung all dessen, was uns die Welt geistig und materiell, rational und emotional bietet. In dem Roman "Mehr Dinge zwischen Himmel und Erde" von John Brunner verschlägt es einen Protagonisten in den in der Science Fiction so beliebten Hyperraum. Auf die Frage, wie denn der Hyperraum im Vergleich zu unserer Welt sei, antwortet er: "Mehr so." ;)

Beverly
23.06.2007, 13:16
es hat etwas von kapitulieren, aber nicht vor mir selbst, sondern vor der politisch-sozialen Wirklichkeit.

Ist die Kapitulation nicht DAS "vornehmste" Projekt der Postmoderne :rolleyes: ? In der Moderne erregten Zustände wie Armut, Hunger, Unterdrückung in Reflex, sie zu überwinden, die Postmoderne kapituliert davor.

Brutus
23.06.2007, 14:26
Ist die Kapitulation nicht DAS "vornehmste" Projekt der Postmoderne :rolleyes: ? In der Moderne erregten Zustände wie Armut, Hunger, Unterdrückung in Reflex, sie zu überwinden, die Postmoderne kapituliert davor.

Weiß ich nicht. Ich kann nur sagen, einen genügend langen Hebel, die us-raubtierkapitalistische Welt aus den Angeln zu heben, habe ich nicht.

Dein meisten scheint eine im wahrsten Sinne des Wortes schweinische und vertierte Existenz, zuerst gemästet, danach geschlachtet zu werden, vollstes Behagen zu verschaffen: Oink, oink, quak, quak, rabimmel, rabammel ... uuuaahhh, uuaaahh...

Was bliebe anderes, als die Wirklichkeit zu akzepteiren, wie sie ist?

Für eine Revolution braucht man entweder eine populistische Mehrheit, die die Bastille stürmt und danach den König gefangen nimmt, oder eine putschbereite Armee, die das Parlament umzingelt, die Verräter verhaftet und unter'n Linden aufhängt. In Deutschland fehlt es an beidem!

Volkov
23.06.2007, 14:33
Interessantes Essay !
Es hieß mal, dass in den 90ern der Osten am Ende sein wird, 10 Jahre später der Westen und so kam es auch.
Die soziale Marktwirtschaft wird schon längst übergangen und hintergangen. Wer arbeitet wird noch zum Dank dafür in den Arsch getreten !
Der "neue" Sozialismus von Chavez nimmt leider wieder ziemlich vergammelte Züge an, siehe Pressefreiheit einschränken...
Weltraumfahrt ist unsere Zukunft. Auf der Erde muss sovieles in den Griff gebracht werden, dass wird lange dauern. Forschung Forschung und nochmal Forschung, die geht uns alle an ! Nur so haben wir eine Chance !
Im kleinen Rahmen wird die Zahl der Selbstversorger steigen !
Soziale Marktwirtschaft muss definitiv belebt werden und verbessert werden. Es muss für Bedarf und Profit produziert werden ! Im Moment wird nur für Profit produziert.
Terrorjagd ist nur noch eine Farce ! Die Amis stecken mit denen teilweise unter einer Decke !
Also bleibt schlussendlich Nostradamus: "Mabus" wo bist du ? Ist es bin Laden oder Bush ? Oder jemand vollkommen anderes ? Es sind bereits Anzeichen für Mabus da...
"Hister" (=Hitler) war gestern, Mabus is comming...

Stechlin
23.06.2007, 15:10
Der "neue" Sozialismus von Chavez nimmt leider wieder ziemlich vergammelte Züge an, siehe Pressefreiheit einschränken...
...

Genosse Wolkow, Du enttäuschst mich maßlos, was mich auch sehr erzürnt: Mit dieser Aussage gesellst Du Dich als unverbesserlicher Ignorant. Ich dachte, daß Thema RCTV wäre langsam durch. Anscheinend nicht.

VIVA COMMANDANTE CHÁVEZ!

Volkov
23.06.2007, 15:26
Aber nicht so NITUP ! Für Freiheit im Sozialismus !

Aber was sagst du eigentlich zu diesem Essay, da ich weiß dass wir sonst zu sehr vom Thema abweichen (kenne doch uns) !

Beverly
23.06.2007, 16:00
Weiß ich nicht. Ich kann nur sagen, einen genügend langen Hebel, die us-raubtierkapitalistische Welt aus den Angeln zu heben, habe ich nicht.

Dein meisten scheint eine im wahrsten Sinne des Wortes schweinische und vertierte Existenz, zuerst gemästet, danach geschlachtet zu werden, vollstes Behagen zu verschaffen: Oink, oink, quak, quak, rabimmel, rabammel ... uuuaahhh, uuaaahh...

Was bliebe anderes, als die Wirklichkeit zu akzepteiren, wie sie ist?

Manchmal bilde ich mir ein, ich könnte das ganz gut, weil ich weder konservativ noch Nationalistin bin und deshalb keiner "guten alten Zeit" nachweine. Doch dann beglückt mich die postmoderne schöne neue Welt mit Diskursen, bei denen ich vor Wut aus der Haut fahren möchte. Z. B. so nach dem Muster "mit x Prozent Wachstum lässt sich jeder Dreck rechtertigen" - seien es auf den Philippinen 20 000 Kinder im Gefängnis, seien es Armut des Volkes und faschistischer Abschaum an der Macht im Falle Polens.


Für eine Revolution braucht man entweder eine populistische Mehrheit, die die Bastille stürmt und danach den König gefangen nimmt, oder eine putschbereite Armee, die das Parlament umzingelt, die Verräter verhaftet und unter'n Linden aufhängt. In Deutschland fehlt es an beidem!

Umstürze haben das Problem, dass sie ein Land in die Diktaturfalle manövrieren können. Ein Putsch folgt auf den anderen, bis sich ein Tyrann durchgesetzt hat und alles in Erstarrung endet. Ich wünsche mir das Aufbrechen eher geistig, diskursorisch, dass eben 5 oder 6 Prozent Wachstum nicht mehr alles rechtfertigen. So nach dem Motto: während "Sabine Christiansen" läuft, umzingelt das Volk den Sender und es kommt zu einer drastischen Änderung im Programm ...

Stechlin
23.06.2007, 16:40
Aber nicht so NITUP ! Für Freiheit im Sozialismus !

Aber was sagst du eigentlich zu diesem Essay, da ich weiß dass wir sonst zu sehr vom Thema abweichen (kenne doch uns) !

Soziale Marktwirtschaft ist ein Euphemismus. Es gibt nur Kapitalismus und Sozialismus.

Brutus
23.06.2007, 17:59
Umstürze haben das Problem, dass sie ein Land in die Diktaturfalle manövrieren können.

Sehe ich genauso. Auf Robespierre folgte Napoleon, auf Lenin Stalin, nach Hitler kamen Besatzer und *demokratische* Parteiendiktatur.

Aber wie Du richtigerweise schreibst, ein Land "kann" in die Diktaturfalle maövriert werden, es muß nicht immer so sein. Noch bin ich nicht so weit, jede Hoffnung auf Besserung aufzugeben.



Ich wünsche mir das Aufbrechen eher geistig, diskursorisch, dass eben 5 oder 6 Prozent Wachstum nicht mehr alles rechtfertigen.

Ich meine sogar, die deutschen Katastrophen haben ihre letzte Ursache vielleicht im Geistigen, Mentalen, Charakterlichen.

Leider ist es so, je mehr wir gezwungen sind, für fremde Interessen zu bezahlen und inzwischen auch zu sterben, desto größer ist im Inland der Druck, gewisse Wachtumsraten zu erwirtschaften; irgendwoher muß die Kohle ja kommen!

So lange wir nicht die Fremdherrschaft abgeschüttelt haben, werden wir immer nur strampeln wie der Hamster im Laufrad.

Du kannst das gerne Nationalismus nennen. Ich nenne es Selbstachtung und Freiheitsliebe.

Aldebaran
23.06.2007, 20:32
Sind wir nicht eher in einer Situation wie nach 1815, nach dem Fall Napoleons?

Damals: von 1789 bis 1815 hat Frankreich ideologisch, militärisch und politisch einen nie dagewesen Angriff auf die "alte Ordnung" unternommen. Dieser mag seine Berechtigung gehabt haben, doch was sich Frankreich dann erlaubte, führte zu ebenso berechtigten Gegenbewegungen > meines Wissens löste Napoleon den modernen, bürgerlich-modernen deutschen Nationalismus aus.
Wären die "Stein-Hardenbergschen Reformen" in Preußen ohne Napoleon zustande gekommen?

Was um 1800 "Frankreich" war, war bis 1989 der "Sowjetkommunismus" - eine vielleicht berechtigte Bewegung, die den Westen dazu zwang, sich mit Demokratie und sozialer Marktwirtschaft ein menschliches Antlitz zu geben.

Kaum war Napoleon in St. Helena, machten sich die siegreichen Mächte an den Versuch, die "Alte Ordnung" zu "restaurieren". Meines Wissens hieß das Biedermeier und es ist kläglich gescheitert. Anstelle langweiliger Beschaulichkeit gab es einen Umsturz nach dem anderen, leider auch wieder Kriege.

Die Wiener Ordnung war eigentlich recht stabil. Das Jahrhundert 1815-1914 war in Europa eine vergleichsweise friedliche Zeit.

Inwiefern der Sowjetkommunismus zum "menschlichen Antlitz" des Kapitalismus beigetragen hat, ist schwer zu sagen. Man könnte auch umgekehrt sagen, dass das Feindbild Sowjetunion erheblich zu seiner Stabilisierung beigetragen hat. Das hält sich in etwa die Waage. Ich würde die Rolle der USA für viel bedeutender halten als Vorbild für die Massenkonsumgesellschaft.


Überflüssig zu sagen, dass sich nach 1989 die Vollpfosten, die sich für Sieger der Geschichte halte, auf fleißig daran gingen, die "alte Ordnung" des Kapitalismus pur zu restaurieren. Bis jetzt mit Erfolg, aber wird das ewig so sein. Nach Napoleons Ende konnte die Herrschenden noch in Wien Kongress abhalten, G8 und co. verdrücken sich wegen der zu erwartenden Proteste in Kleinstädte ;)

Auch hier spielen das westliche Vorbild und die fehlende Alternative die Hauptrolle und weniger ein Wille zur Restauration.

Im übrigen hat sich im Westen Europas eigentlich erstaunlich wenig verändert seit 1989. Es hat keine Restauration gegeben und die bisherigen Reformen waren doch eher gradueller Natur. Das wohl radikalste Reformprogramm in Westeuropa ist vor 1989 durchgezogen worden, nämlich unter Margaret Thatcher in GB.

Was die Proteste betrifft, konnten die Herrschenden des 19. Jahrhunderts ja auch noch scharf schießen lassen ("Gegen Demokraten..."). Da ist mir die heutige Lösung sympathischer.

Beverly
24.06.2007, 10:58
Soziale Marktwirtschaft ist ein Euphemismus. Es gibt nur Kapitalismus und Sozialismus.

Fragt sich nur, wie Kapitalismus und Sozialismus zu definieren sind. Wenn Sozialismus die Vergesellschaftung der Produktionsmittel bedeutet, heißt das also, im Sozialismus haben alle Teile der Gesellschaft Zugriff auf die Produktionsmittel. Ich sehe es dabei nicht als zwingend an, dass dieser Zugriff nur in einer einzigen Form erfolgt. Denkbar wären folgende Möglichkeiten:

Nicht akkumulationsfähiges Kleineigentum - das eigene Haus, der eigene Garten, der eigene Bauernhof, der eigene Gewerbetrieb.

Das Gemeinschaftseigentum in Form von Genossenschaften, wo Unternehmen ihren Arbeitskräften und / oder ihren Kunden gehören.

Unternehmen, die im Besitz von Gebietskörperschaften (Gemeinden, Städte, Landkreise) oder der Zentralregierung sind, wobei diese aber dirketdemokratischer Kontrolle unterliegen müssen.

So ein Sozialismus stellt durch die Zuordnung der Produktionsmittel an die Gesellschaft eine Absage an den Staatssozialismus dar, wobei sich z. B. für den Mittelstand außer dem Verzicht auf Wildwest-Methoden beim Umgang mit Angestellten und Träumen von konzernartiger Größe nichts ändern, manches sogar verbessern würde. Was man an Konzernen nicht einfach verstaatlichen kann - weil dann die Misswirtschaft fröhlich weiter ginge - und auch für Kooperativen nicht taugt, würde z. B. in Gestalt von in Einzelunternehmen umgewandelten Ex-Filialen beim Mittelstand landen.

Bezeichnenderweise kam aber auf Politikforum.de das große Keifen der Möchtegern-Bourgeoisie, als ich solche Ideen vorstellte. Schließlich wählen die allerdummsten Kälber ihre Schlächter - FDU und Union - noch immer selber. Womit wir beim Kapitalismus in Reinform ist. Diskussionen in einem anderen Forum mit eben dem Jakob Schmidt, auf dessen Essay ich mich hier beziehe, entnehme ich, dass der Kapitalismus letztendlich durch das "Kapitalverhältnis" definiert ist, dem alles andere untergeordnet ist. Unsere FDU und Union wählenden Mittelständler werden da im Zweifelsfall ebenso durch den Wolf gedreht wie die von ihnen verachteten Arbeiter und Erwerbslosen :rolleyes:
Näher an der Sphäre des Konkreten definiert ist Kapitalismus ein System, in dem sich die a. Produktionsmittel im Besitz einer bestimmten Menschengruppe befinden und andere vom Besitz an Produktionsmitteln systematisch ausgeschlossen werden und b. die Produktionsmittel im Zuge des "Kapitalverhältnisses" einer krisenhaften Akkumulations- und Verwertungsdynamik unterworfen sind.

Wäre Kapitalismus ein System, wo Produktionsmittel halt im Privatbesitz sind, wären auch vormoderne mehr oder weniger egalitäre Gesellschaften, wo z. B. jede Sippe ihren Hof hatte, "kapitalistisch". Wäre Kapitalismus ein System, wo nur eine exklusive Schicht die Produktionsmittel besaß, wäre z. B. auch das alte Ägypten, wo dem Pharao resp. der Priesterschaft zumindest nominell alles gehörte, "kapitalistisch". Solche Definitionen machen aber keinen Sinn :rolleyes:

Der Ausschluss von immer größeren Kreisen der Bevölkerung vom Besitz resp. der Verfügungsgewalt über Produktionsmittel zugunsten einer kleinen Minderheit und die krisenhafte Dynamik des Kapitalverhältnisses machen den Kapitalismus unserer Tage aus. Dass die Umwandlung des Ostblocks zum Kapitalismus so sang- undklanglos vonstatten ging, ist dabei nicht verwunderlich.
Spätestens seit Stalin wurde in der SU eine Politik betrieben, welche die Masse der Bevölkerung von der Kontrolle der Produktionsmittel ausschloss. Kleineigentum konnten sie nicht bilden und der autoritäre Staat gab ihnen kein Mitwirkungsrecht bei der Kontrolle der Wirtschaft. Im Grunde musste der Eiserne Vorhang nur noch fallen und fertig war der Kapitalismus :rolleyes: mit allen schlechten Folgen :rolleyes:
Lenin hat angesichts der Konzentrationsprozesse um 1900 geschrieben, eigentlich bräuchte man die da entstehenden Großunternehmen nur noch zu verstaatlichen, fertig ist der Sozialismus, wo die Menschen über die Wirtschaft verfügen. Die Privatisierung staatlicher Großunternehmen - Bahn, kommunale Stromunternehmen, Staatsbetriebe - erscheint da wie ein Film der rückwärts läuft, weg vom Sozialismus hin zum Kapitalismus, wo die Wirtschaft über den Menschen verfügt. Geschichte haben sich einige anders vorgestellt :rolleyes:

Beverly
24.06.2007, 11:32
Auf Robespierre folgte Napoleon, auf Lenin Stalin, nach Hitler kamen Besatzer und *demokratische* Parteiendiktatur.

Aber wie Du richtigerweise schreibst, ein Land "kann" in die Diktaturfalle maövriert werden, es muß nicht immer so sein. Noch bin ich nicht so weit, jede Hoffnung auf Besserung aufzugeben.

Wenn ich mir Revolutionen so ansehe, haben sich gewaltsame Regierunswechsel allein als erschreckend nutzlos rausgestellt. Die Chinesen stürzten schon ihre allererste Kaiserdynastie, weil die das Land mit Krieg und Gewalt überzogen hat. Da sich aber gesellschaftlich, verhaltensmäßig und geistig nichts änderte, folgte eine Dynastie der anderen :rolleyes: Um 1350 schmiss das Volk die Mongolen raus - was bekam es: den "Schweinekaiser" genannten Begründer der nächsten Dynastie.
Was von einer Revolution wirklich bleibt, sind nicht gerollte Köpfe, sondern gesellschaftliche und geistige Veränderungen. Dafür steht die französische Revolution, nicht so sehr für das Köpfen von Königen, denen bald neue folgten :rolleyes: So sehr sich hier alle über "68" auch echauffieren mögen - die erreichten ihre Wirkung auch ohne Sturm auf das Kanzleramt.

Zukünftige Umstürzler sollten sich daher vielleicht wirklich z. B. auf die Massenmedien konzentrieren. Warum haben die Gewerkschaften keinen eigenen Fernsehsender? Wo bleibt der Channel der Linkspartei? Wo Attac-TV?


Ich meine sogar, die deutschen Katastrophen haben ihre letzte Ursache vielleicht im Geistigen, Mentalen, Charakterlichen.

Leider ist es so, je mehr wir gezwungen sind, für fremde Interessen zu bezahlen und inzwischen auch zu sterben, desto größer ist im Inland der Druck, gewisse Wachtumsraten zu erwirtschaften; irgendwoher muß die Kohle ja kommen!

So lange wir nicht die Fremdherrschaft abgeschüttelt haben, werden wir immer nur strampeln wie der Hamster im Laufrad.

Du kannst das gerne Nationalismus nennen. Ich nenne es Selbstachtung und Freiheitsliebe.

Deine "Fremdherrschaft" in Gestalt ausländischer Staaten halte ich mehr oder weniger für einen Mythos. In Deutschland herrscht das Kapital













und danach kommt erst einmal nichts :rolleyes:

Das deutsche Kapital hat letztendlich den ersten und den zweiten Weltkrieg gewonnen - siehe der rasante wirtschaftliche Aufstieg der BRD. Es braucht keine Kolonien mehr wie zu Kaisers Zeiten, Freihandel und co. gaben ihn weltweit mehr als genug Spielraum. Die militärisch gescheiterte "Operation Barbarossa" wurde nach '89 ökonomisch und ideologisch doch noch zu einem Erfolg.

Dass dem Kapital "Land und Leute" sch...egal sind, mag den Eindruck von Fremdherrschaft erwecken. Doch es ist das "Eigene", was uns da unter Ausnutzung lange "verwurzelter" Herrschaftstraditionen und charakterlicher Deformationen unterdrückt. Eine Besatzungsmacht mit "fremdländischen" Gouverneur und Soldaten könnte sich manche Klopfer wohl nicht erlauben - entweder wären sie korrekter oder müssten zu offen gewaltsamen Terror übergehen.

Ist übrigens nicht nur in Deutschland so: bei den Lachnummern der beiden Zwillinge in Polen frage ich mich, ob die Polen da nicht längst rebelliert hätten, wenn sie noch zu Zeiten des Sowjetkommunismus in einem als Fremdherrschaft empfundenen System gelebt hätten.

Beverly
24.06.2007, 12:36
Die Wiener Ordnung war eigentlich recht stabil. Das Jahrhundert 1815-1914 war in Europa eine vergleichsweise friedliche Zeit.

1830 Umsturz in Frankreich

ferner Unruhen im russischen "Kongresspolen" > den Polen 1815 einen eigenen Staat zu verwehren, und sei es nur Warschau, Krakau und Umgebung, halte ich übrigens für einen Fehler der "Wiener Ordnung", an dem Europa lange Zeit zu knabbern hatte :rolleyes:

nach 1820 Unabhängigkeit Griechenlands vom Osmanischen Reich

1830 löst sich Belgien von den Niederlanden

in der Folge bis 1914 Verlust des osmanischen Territoriums auf dem Balkan bis auf Istambul und Umgebung und Entstehung neuer Konfliktherde - so soll die Annektion Bosniens durch Österreich die Serben verärgert haben, die das Gebiet für sich haben wollten :rolleyes:


1848 Umsturz in Frankreich und gescheiterte Revolution in Deutschland

Kriege zwischen Deutschland resp. Preußen und Dänemark um Schleswig-Holstein

Krieg zwischen Preußen und Österreich um die Vorherrschaft in Deutschland

1870/71 Deutsch-französischer Krieg mit hohem Einsatz: Deutschland annektierte Elsaß-Lothringen, was die Franzosen wohl nie akzeptierten. Napoleon III. werden im Falle seines Sieges die Annektion des Rheinlands nachgesagt - damit hätte auch ein französischer Sieg früher oder später zum nächsten Krieg führen müssen.

Dann gab es noch die Dekabristen und den Krimkrieg, ein russischer Zar fiel einem Attentat zum Opfer, in Irland wütete eine Hungersnot und in Schlesien revoltierten die Weber. Zensur und Bevormundung des Biedermeiers provozierten schnell Gegenreaktionen - zeitlos gültig die Karikatur vom "Denker-Klub", dessen mit Maulkörben versehene Mitglieder darüber nachdenken, wie lange ihnen das Denken noch erlaubt sein wird. Deutschland überholte bis 1914 wirtschaftlich England. Spanien und Portugal verloren ihre amerikanischen Kolonien, Italien wurde ebenso vereint wie Deutschland etc. etc ....

Fazit: eine statische Ordnung hat es nach 1815 gerade mal 15 Jahre gegeben, wenn überhaupt. Die von den deutschen Territorialstaaten als Gegenreaktion auf liberale und nationale Opposition gedachten "Karlsbader Beschlüsse" datieren auf 1819 - schon nach vier Jahren wurde also das Projekt "Restauration" in Frage gestellt ;)

Was immer es für eine Ordung von 1815 bis 1915 gegeben haben soll, sie kann eigentlich nur Rahmenbedingungen für ständigen Wandel gesetzt haben. Womit wir wieder beim Thema "Ende der Geschichte" angekommen sind :rolleyes:
Dem Essay von Jakob Schmidt zufolge braucht Geschichte offene Räume. Meines Erachtens kann man diese offenen Räume sowohl zeitlich - eine bessere Zukunft - als auch räumlich - New Frontier in Amerika - definieren. Die Biographie eines deutschen Nationalisten illustriert das: zuerst glaubte er an eine bessere Zukunft im geeinten Nationalstaat, als sich das 1848/49 zerschlug, suchte er sich den offenen Raum nicht mehr in der Zukunft in Deutschland, sondern wanderte nach Amerika, zur "New Frontier" aus.
Nun sind wir an einem Punkt angelangt, wo die zeitliche - Zukunft - und die räumliche - New Frontier - Dimension des offenen Raumes verschlossen scheinen. Es gibt weder eine bessere Zukunft durch etwas anderen als den gegenwärtigen Kapitalismus noch eine neue "New Frontier" etwa im Weltraum.

Was machen die Protagonisten in George Orwells "1984", denen die Pervertierung des Sozialismus im "Engsoz" von Ozeanien den Glauben an eine bessere Zukunft ausgetrieben haben und die wissen, dass es in den rivialisierenden Superstaaten Eurasien und Ostasien ebenso schlimm wie daheim ist? Sie trinken auf die Vergangenheit :rolleyes:
Allerdings hat das ständige Umschreiben der Geschichte in Ozeanien auch den kritischen Blick auf die Vergangenheit verstellt. Wüssten Orwells Helden über die Massaker der Mongolen, die mutmaßliche und zumindest teilweise gewollte Auslöschung von 7 / 8 der Urbevölkerung in Amerika nach der Entdeckung durch Kolumbus - was erst die New Frontier schuf :rolleyes: - oder Vorläufern ihrer Gedankenpolizei wie der Inquisition Bescheid, wäre ihre Verzweiflung total und allumfassend.
Das "Ende der Geschichte" in einer zur "geschlossenen Anstalt" verkommenen Welt erschiene dann nicht als moderne oder postmoderne Pervertierung, sondern als Abschluss eines Prozesses, der schon viel früher eingesetzt hat :rolleyes:

RavenMG
25.06.2007, 10:05
Interessantes Essay !
Es hieß mal, dass in den 90ern der Osten am Ende sein wird, 10 Jahre später der Westen und so kam es auch.
Die soziale Marktwirtschaft wird schon längst übergangen und hintergangen. Wer arbeitet wird noch zum Dank dafür in den Arsch getreten !
Der "neue" Sozialismus von Chavez nimmt leider wieder ziemlich vergammelte Züge an, siehe Pressefreiheit einschränken...
Weltraumfahrt ist unsere Zukunft. Auf der Erde muss sovieles in den Griff gebracht werden, dass wird lange dauern. Forschung Forschung und nochmal Forschung, die geht uns alle an ! Nur so haben wir eine Chance !
Im kleinen Rahmen wird die Zahl der Selbstversorger steigen !
Soziale Marktwirtschaft muss definitiv belebt werden und verbessert werden. Es muss für Bedarf und Profit produziert werden ! Im Moment wird nur für Profit produziert.
Terrorjagd ist nur noch eine Farce ! Die Amis stecken mit denen teilweise unter einer Decke !
Also bleibt schlussendlich Nostradamus: "Mabus" wo bist du ? Ist es bin Laden oder Bush ? Oder jemand vollkommen anderes ? Es sind bereits Anzeichen für Mabus da...
"Hister" (=Hitler) war gestern, Mabus is comming...

Wollen wir hoffen das dieser Mabus keinen 3. WK anzettelt aber obwohl wir laufen doch sowieso darauf zu. Auf jeden Fall wird sich die S.O.L. an diesem Konflikt beteiligen. Aber auf der Seite die die Interessen des "einfachen" Volkes wirklich vertritt und dafür kämpft.
Und wir würden siegen, weil wir für das kämpfen was wirklich zählt! Das Wohl der Menschen!!!!

Aldebaran
25.06.2007, 20:46
1830 Umsturz in Frankreich

ferner Unruhen im russischen "Kongresspolen" > den Polen 1815 einen eigenen Staat zu verwehren, und sei es nur Warschau, Krakau und Umgebung, halte ich übrigens für einen Fehler der "Wiener Ordnung", an dem Europa lange Zeit zu knabbern hatte :rolleyes:

nach 1820 Unabhängigkeit Griechenlands vom Osmanischen Reich

1830 löst sich Belgien von den Niederlanden

in der Folge bis 1914 Verlust des osmanischen Territoriums auf dem Balkan bis auf Istambul und Umgebung und Entstehung neuer Konfliktherde - so soll die Annektion Bosniens durch Österreich die Serben verärgert haben, die das Gebiet für sich haben wollten :rolleyes:


1848 Umsturz in Frankreich und gescheiterte Revolution in Deutschland

Kriege zwischen Deutschland resp. Preußen und Dänemark um Schleswig-Holstein

Krieg zwischen Preußen und Österreich um die Vorherrschaft in Deutschland

1870/71 Deutsch-französischer Krieg mit hohem Einsatz: Deutschland annektierte Elsaß-Lothringen, was die Franzosen wohl nie akzeptierten. Napoleon III. werden im Falle seines Sieges die Annektion des Rheinlands nachgesagt - damit hätte auch ein französischer Sieg früher oder später zum nächsten Krieg führen müssen.

Dann gab es noch die Dekabristen und den Krimkrieg, ein russischer Zar fiel einem Attentat zum Opfer, in Irland wütete eine Hungersnot und in Schlesien revoltierten die Weber. Zensur und Bevormundung des Biedermeiers provozierten schnell Gegenreaktionen - zeitlos gültig die Karikatur vom "Denker-Klub", dessen mit Maulkörben versehene Mitglieder darüber nachdenken, wie lange ihnen das Denken noch erlaubt sein wird. Deutschland überholte bis 1914 wirtschaftlich England. Spanien und Portugal verloren ihre amerikanischen Kolonien, Italien wurde ebenso vereint wie Deutschland etc. etc ....

Fazit: eine statische Ordnung hat es nach 1815 gerade mal 15 Jahre gegeben, wenn überhaupt. Die von den deutschen Territorialstaaten als Gegenreaktion auf liberale und nationale Opposition gedachten "Karlsbader Beschlüsse" datieren auf 1819 - schon nach vier Jahren wurde also das Projekt "Restauration" in Frage gestellt ;)

Hut ab vor so viel Fakten!

Es ist natürlich alles richtig, aber trotzdem sind diese Kriege, Aufstände und Revolutionen erheblich glimpflicher abgelaufen als die der Perioden davor und danach. Zum Teil ist das natürlich eine Folge der Periodisierung, denn nach den umstürzenden Ereignissen von 1789-1815 war eine Beruhigung einfach fällig.

Man vergleiche z.B. mit der Epoche der Religionskriege, mit der Selbstzerfleischung Frankreichs 1562-1598, natürlich mit dem 30jährigen Krieg, der bis zum 1. WK nicht umsonst der "Große Krieg" genannt wurde, mit dem englischen Bürgerkrieg und dem anschließenden Gemetzel in Irland (wahrsch. 300.000 Tote), mit dem endlosen Unabhängigkeitskrieg der NL gegen Spanien (1568-1648), mit dem "langen Türkenkrieg" (1593-1606), der Ungarn und Siebenbürgen entvölkerte, mit dem Zusammenbruch Russlands nach dem Tod Ivans IV (des "Schrecklichen"), mit der Katastrophe Polens nach 1648 - in der polnischen Geschichtsschreibung "blutige Sintflut" genannt - usw.

Die Kriege und Revolutionen des 19. Jhs. waren relativ kurz und hatten eindeutige Ergebnisse. Es gab keine "Weltkriege" wie den Spanischen Erbfolge- oder den Siebenjährigen Krieg. Es gab für Deutschland auch keinen langen, kräftezehrenden Zweifrontenkrieg wie 1683-1698 (gegen Frankreich und die Türken). Da der begrenzte Krieg in dieser Zeit ein akzeptiertes Mittel der Politik war, kann man durchaus von einer systemimmanenten Entwicklung sprechen, durch die das System von Wien den Verhältnissen angepasst wurde.

Und dies, obwohl die Industrialisierung in dieser Epoche praktisch alles über den Haufen warf, von den Machtverhältnissen zwischen den Nationen bis zu denen zwischen den Klassen.

Entsprechend groß war dann ja auch die Spannung, die sich nach 1914 entlud, da nach 1871 eine systemimmanente Anpassung nicht mehr möglich war.


Was immer es für eine Ordung von 1815 bis 1915 gegeben haben soll, sie kann eigentlich nur Rahmenbedingungen für ständigen Wandel gesetzt haben.

Da sind wir uns im Prinzip also einig.



Womit wir wieder beim Thema "Ende der Geschichte" angekommen sind :rolleyes:
Dem Essay von Jakob Schmidt zufolge braucht Geschichte offene Räume. Meines Erachtens kann man diese offenen Räume sowohl zeitlich - eine bessere Zukunft - als auch räumlich - New Frontier in Amerika - definieren. Die Biographie eines deutschen Nationalisten illustriert das: zuerst glaubte er an eine bessere Zukunft im geeinten Nationalstaat, als sich das 1848/49 zerschlug, suchte er sich den offenen Raum nicht mehr in der Zukunft in Deutschland, sondern wanderte nach Amerika, zur "New Frontier" aus.

Das sehe ich auch so, nur vielleicht noch etwas konkreter: Die Auswanderung nach Amerika dämpfte die soziale Frage in Europa.


Nun sind wir an einem Punkt angelangt, wo die zeitliche - Zukunft - und die räumliche - New Frontier - Dimension des offenen Raumes verschlossen scheinen. Es gibt weder eine bessere Zukunft durch etwas anderen als den gegenwärtigen Kapitalismus noch eine neue "New Frontier" etwa im Weltraum.

Vielleicht doch. Ich hätte da einen Kandidaten anzubieten, nämlich die "Megacities". Dabei denke ich weniger an die Größe, sondern mehr an die Funktion. Ich meine die Finanz- und Handelzentren, die zum Teil, wie z.B. Dubai oder Singapur, nicht einmal zu einem großen Staat gehören und nur durch die Globalisierung existieren können.

Diese Städte sind schon nicht nur die Schaltzentralen des Kapitalismus, sondern auch die Magneten für kreative Köpfe aus aller Welt.



Was machen die Protagonisten in George Orwells "1984", denen die Pervertierung des Sozialismus im "Engsoz" von Ozeanien den Glauben an eine bessere Zukunft ausgetrieben haben und die wissen, dass es in den rivialisierenden Superstaaten Eurasien und Ostasien ebenso schlimm wie daheim ist? Sie trinken auf die Vergangenheit :rolleyes:
Allerdings hat das ständige Umschreiben der Geschichte in Ozeanien auch den kritischen Blick auf die Vergangenheit verstellt. Wüssten Orwells Helden über die Massaker der Mongolen, die mutmaßliche und zumindest teilweise gewollte Auslöschung von 7 / 8 der Urbevölkerung in Amerika nach der Entdeckung durch Kolumbus - was erst die New Frontier schuf :rolleyes: - oder Vorläufern ihrer Gedankenpolizei wie der Inquisition Bescheid, wäre ihre Verzweiflung total und allumfassend.
Das "Ende der Geschichte" in einer zur "geschlossenen Anstalt" verkommenen Welt erschiene dann nicht als moderne oder postmoderne Pervertierung, sondern als Abschluss eines Prozesses, der schon viel früher eingesetzt hat :rolleyes:

Es gibt immer Gegenkräfte, wie das Schicksal der Inquisition zeigt. Und auch die Urbevölkerung Amerikas hat sich zumindest zahlenmäßig erholt, wenn auch nicht überall.

Jedes noch so perfekte System trägt den Keim des Untergangs schon in sich. Es gibt keine ewige Stabilität und damit auch kein Ende der Geschichte.

Beverly
25.06.2007, 21:43
Hut ab vor so viel Fakten!

Es ist natürlich alles richtig, aber trotzdem sind diese Kriege, Aufstände und Revolutionen erheblich glimpflicher abgelaufen als die der Perioden davor und danach. Zum Teil ist das natürlich eine Folge der Periodisierung, denn nach den umstürzenden Ereignissen von 1789-1815 war eine Beruhigung einfach fällig.

Man vergleiche z.B. mit der Epoche der Religionskriege, mit der Selbstzerfleischung Frankreichs 1562-1598, natürlich mit dem 30jährigen Krieg, der bis zum 1. WK nicht umsonst der "Große Krieg" genannt wurde, mit dem englischen Bürgerkrieg und dem anschließenden Gemetzel in Irland (wahrsch. 300.000 Tote), mit dem endlosen Unabhängigkeitskrieg der NL gegen Spanien (1568-1648), mit dem "langen Türkenkrieg" (1593-1606), der Ungarn und Siebenbürgen entvölkerte, mit dem Zusammenbruch Russlands nach dem Tod Ivans IV (des "Schrecklichen"), mit der Katastrophe Polens nach 1648 - in der polnischen Geschichtsschreibung "blutige Sintflut" genannt - usw.

Die Kriege und Revolutionen des 19. Jhs. waren relativ kurz und hatten eindeutige Ergebnisse. Es gab keine "Weltkriege" wie den Spanischen Erbfolge- oder den Siebenjährigen Krieg. Es gab für Deutschland auch keinen langen, kräftezehrenden Zweifrontenkrieg wie 1683-1698 (gegen Frankreich und die Türken). Da der begrenzte Krieg in dieser Zeit ein akzeptiertes Mittel der Politik war, kann man durchaus von einer systemimmanenten Entwicklung sprechen, durch die das System von Wien den Verhältnissen angepasst wurde.

Und dies, obwohl die Industrialisierung in dieser Epoche praktisch alles über den Haufen warf, von den Machtverhältnissen zwischen den Nationen bis zu denen zwischen den Klassen.

Vielleicht solltest du nicht "obwohl", sondern "wegen der Industrialisierung" schreiben, weil sie - ungeachtet ihrer scheußlichen frühkapitalistischen Begleiterscheinungen - alternativ zum Krieg ein weiteres Betätigungsfeld für Gier, Expansion, sich-austoben, Neues, "Sturm und Drang" :D - schuf. Man musste nicht mehr Feldherr sein, um es zu etwas bringen, als Fabrikant und Erfinder ging das auch. Da es noch eine riesige und oft elementare Nachfrage zu befriedigen gab, brauchten die Kapitalisten auch keine Weltkriege, um dann am Wiederaufbau zu verdienen.

borisbaran
29.06.2007, 01:18
Das größe Problem besteht in der perfiden Subtilität, mit der das gegenwärtige System in der Lage ist, alles, auch Opposition gegen es selbst, in sich aufzunehmen, ein T-Shirt draus zu machen und das gewinnbringend zu verkaufen. Die Möchtegernpunks mit den Che Guevara-Shirts sind da nur das offensichtlichste Beispiel.
Unter allen bisherigen Politverbrechen war der Mensch immer noch mehr oder weniger in der Lage, das System als eine durch eine andere ersetzbare Option wahrzunehmen, deren Gewalthaftigkeit und Zwangausübung zu realisieren, das System als etwas klar von ihm und den seinen zu trennendes zu sehen.
Das ist nicht mehr der Fall. Das System ist überall, in allen Nischen, in allen Köpfen, noch in seinen radikalsten Ablehnern entfaltet es spezifische Funktionen.
Rebellion ist nicht mehr möglich.
Hitler und Stalin mussten erst sterben, damit wir wirklich festhalten können:
Die Proles können nicht rebellieren, solange sie das System nicht durchschauen. Und sie können das System nicht durchschauen, solange sie nicht rebellieren.
Frühere Regimes vergifteten Menschen.
Das, was wir heute haben, vergiftet das Denken.
tja, dieses system hatte alle totalitarismen gesiegt: nazis, faschos, commies. und es wird auch die islamisten besiegen...


Ein Herrschaftsmittel der Kapitalisten ist die Erzeugung von Zukunftsangst.
nö das ist ein mittel der commies um all die verlierer in ihre rehen zu ziehen...

Achtet mal auf Filme die in der Zukunft spielen.
Die meisten Filme zeichnen eine düstere Zukunft, damit sich die Leute mit dem jetzigen System abfinden indem sie denken in Zukunft wird noch alles für schlimmer und nicht auf die Idee kommen Veränderungen anzustreben.
wenns dir nich gefällt, SCHALT UM!!


Genosse Wolkow, Du enttäuschst mich maßlos, was mich auch sehr erzürnt: Mit dieser Aussage gesellst Du Dich als unverbesserlicher Ignorant. Ich dachte, daß Thema RCTV wäre langsam durch. Anscheinend nicht.

VIVA COMMANDANTE CHÁVEZ!

ist dass nich dieser lachhafte commie der die freiheiten zuhause einschränkt und mit adolfinedschad/ichmachdjihad knutscht?!?!
http://img507.imageshack.us/img507/9419/chavez20ahmedinejad7577mf6.jpg (http://imageshack.us)____________________________________ __________
ein lustiger haufen von weltuntergangspropheten, die weinen, weil die welt nich nach ihrer pfeife tanz und dabei daherreden wie PV auf koks...

Beverly
29.06.2007, 09:47
tja, dieses system hatte alle totalitarismen gesiegt: nazis, faschos, commies. und es wird auch die islamisten besiegen...und wenn es sich selbst besiegt hat, sind wir endlich alle Totalitarismen los ;)

borisbaran
29.06.2007, 11:26
und wenn es sich selbst besiegt hat, sind wir endlich alle Totalitarismen los ;)
tja, wider ma können die linken die demokratie nicih vom totlitarismus unterscheiden. wie früher im kalten krieg...

Beverly
29.06.2007, 13:21
tja, wider ma können die linken die demokratie nicih vom totlitarismus unterscheiden. wie früher im kalten krieg...

es hat Zeiten und Orte gegeben, wo das schon im kalten Krieg schwer gefallen wäre :rolleyes:

Polemi
29.06.2007, 13:36
Ach so...

Als ich den Threadtitel las, dachte ich, jemand hätte schon den letzten Harry Potter in den Händen gehabt...

Beverly
07.07.2007, 15:33
Auch im Lichte vieler geschichtsphilosophischer Diskussionen scheint mir die Menschheit und ihre Geschichte wie die Biografie eines Menschen mit glücklicher Kindheit und beschissener Jugend, der vor den Trümmern seiner Hoffnungen für das Erwachsenenalter steht.

Die Kindheit

Jäger und Sammler oder Bauerngesellschaften im Einklang der Natur. Wohl nicht immer sexuell total freizügig, aber doch mit einer gewissen Vielfalt der Sitten und Gebräuche.
In der Rückschau wird da zwar vieles verklärt und die Entbehrungen werden bagatellisiert, aber das ist angesichts dessen, was auf die Kindheit folgte, kein Wunder.

Die Jugend

Kaum war die Menschheit dem Kindesalter entwachsen, kam sie unters Joch namens "Hochkultur". Immer wieder schuften und buckeln, als Masse den Luxus und Krieg, Kultur und Wissenschaft der Eliten erarbeiten. Mit Akkadern und Assyrern, dem ersten Pharao und dem ersten Kaiser von China (hinterließ zwei Millionen Tote) nahm der Sch... so richtig Fahrt auf. Aufstieg und Fall, Aufstieg und Fall, Aufstieg und Fall ... bestimmt 30-50mal in der Menschheitsgeschichte. Auf wikipedia.de habe ich über die Assyrer gelesen, dass sie es schon vor 2600 Jahren drauf hatten, ein System zu etablieren, das in dem Moment zusammenbrach, wo es nicht mehr expandieren konnte - der Kapitalismus hatte also seine Vorläufer :rolleyes:
Die Menschheits-Jugend war geprägt von einer alptraumhaften Abfolge von Göttern, Reichen und Despoten, Krieg und Gewalt. Tendenz eher zum Schlimmeren, denn zum Besseren - die Mordreiche der Mongolen und die neuzeitlichen Seereiche der Europäer setzten in puncto Horror neue Maßstäbe :rolleyes:

Aufklärung und Halbstarkenalter

Jugendliche werden als Individuen "aufgeklärt" und so geschah es auch mit der Menschheit in ihrer Jugendzeit. So wie der einzelne Jugendliche überkommene Werte in Frage stellt, tat das auch die Menschheit. In Europa fing es zwar an und erreichte am schnellsten Breite und Tiefe, aber es strahlte auch auf nah- und fernöstliche Kulturkreise aus.
Allerdings führte sich die aufgeklärte Menschheit als Ganzes ebenso auf wie Jugendliche, wenn sie auf "die Alten" nur noch sch... Der Anführer so mancher aufgeklärten "Jugendgang" erwies sich als ebenso großer Tyrann wie die hinweggefegten alten Autoritäten. Die Halbstarken hatten die Patriarchen rausgeschmissen, um selbst ebenso tyrannisch zu herrschen.

Der große Katzenjammer

Es kam wie es kommen musste. Dem Sauf-, Drogen-, Fick-, Pöbel und Mordgelage der halbstarken Menschheit folgte der große Katzenjammer. Mit Saddam Hussein ist 2003 wohl einer der letzten Polit-Halbstarken von der Bühne abgetreten. Sein "Erbe" umfasst ein verarmtes Land und einige hunderttausend Tote - wenig im Vergleich zu dem, was Hitler, Stalin oder Mao hinterlassen haben.

"Wann werdet ihr endlich erwachsen!"

Leisten sich Halbstarke als Individuen solche Exzesse, werden sie irgendwann von ihren Eltern im Knast besucht. Traditionell heult die Mutter und der Vater haut auf den Tisch: "Wann werdet ihr endlich erwachsen?"
Dem eingeknasteten Sohn und der Tochter fällt dann ein, dass sie doch mal etwas anderes werden wollten, als Massenmörder oder Kriegsverbrecher. Feuerwehrmann und Astronaut zum Beispiel :rolleyes:

Die Menschheit als Ganzes hat keine Erziehungsberechtigten und man kann sie auch schlecht in den Knast stecken. Trotzdem stellt sich die Frage: "wann werdet ihr endlich erwachsen?" Gab es da in der beschissenen Jugend nicht Träume von Erlösung, Freiheit und Fortschritt? Sollten in der Aufklärung nicht Pläne für ein selbstbestimmtes Erwachsenenalter entworfen werden? Heraus gekommen sind nur zu oft Blaupausen für GULAG und KZ.

Der normale Lauf der Dinge wäre, dass der Halbstarke namens Menschheit, der noch unters kosmische Jugendstrafrecht fällt, auf Bewährung frei kommt. Kein totalitärer Scheiß mehr, keine neuen Weltkriege, wer sich kloppen will, soll als Hooligan Stadien zum Einsturz bringen :rolleyes:
Schon um die KZs vergessen zu machen, werden die Blaupausen für Raumstationen und dergleichen hervorgekramt und der großmäulige Halbstarke wird zum kleinlauten jugen Erwachsenen ;)

Vor dem Scherbenhaufen

Aber so weit ich das überblicken kann, gleicht die Menschheit jemanden, der nach Unterdrückung in der Jugend, Exzessen im Halbstarkenalter und halbherzigen Vorsätzen, sich zu "bessern" feststellen muss, dass es keine Perspektive für ein selbstbestimmtes Erwachsenenalter gibt. Die Person kann sich selbst wegen ihrer "Jugendsünden" dafür verantwortlich machen, das ändert nichts - vor ihr ist das Nichts :rolleyes:

borisbaran
08.07.2007, 00:31
es hat Zeiten und Orte gegeben, wo das schon im kalten Krieg schwer gefallen wäre :rolleyes:

eine fauöe ausrede dafür das die linken währends des kalten krieges dauernd auf der seite der sowetjs standen...X( /:(

Beverly
08.07.2007, 13:29
eine fauöe ausrede dafür das die linken währends des kalten krieges dauernd auf der seite der sowetjs standen...X( /:(

Ca. 80 bis 90 Prozent der Linken in der BRD waren gegen den Sowjetkommunismus, weshalb ihm hörige Parteien - DKP und co. - bei Wahlen immer unter 1 Prozent blieben.
In Westeuropa setzten sich ab den 70er und 80er Jahren vor allem die kommunistischen Parteien in Italien und Spanien vom Sowjetkommunismus ab - "Eurokommunismus". Fazit: die Mehrheit der westlichen Linken war gegen das Osblock-System, auch wenn sie es nicht sinnlos verteufelten.

Liegnitz
08.07.2007, 19:41
Seid ihr mit dem "Ende der Geschichte" zufrieden?

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Nie und nimmer.

borisbaran
10.07.2007, 13:00
Ca. 80 bis 90 Prozent der Linken in der BRD waren gegen den Sowjetkommunismus, weshalb ihm hörige Parteien - DKP und co. - bei Wahlen immer unter 1 Prozent blieben.
In Westeuropa setzten sich ab den 70er und 80er Jahren vor allem die kommunistischen Parteien in Italien und Spanien vom Sowjetkommunismus ab - "Eurokommunismus". Fazit: die Mehrheit der westlichen Linken war gegen das Osblock-System, auch wenn sie es nicht sinnlos verteufelten.
das sagen die mitläufer immer, wenn die party vorbei ist...

Anarch
10.07.2007, 17:56
das sagen die mitläufer immer, wenn die party vorbei ist...

Nö, der Ausläufer Euro-Kommunismus ist ein Fakt.

borisbaran
11.07.2007, 11:26
Nö, der Ausläufer Euro-Kommunismus ist ein Fakt.

war er. war mal so ein mchtkampf-begriff bei den commies...