katharina von Medici
21.07.2007, 10:18
Am kommenden Sonntag sind Parlamentswahlen in der Türkei. Recep Tayip Erdogans AKP scheint nach neuesten Umfragen vorne zu liegen. Doch wohin steuert die Türkei nach einem wahrscheinlichen Wahlsieg der AKP? Die "Welt" wagt in nachfolgendem Bericht eine Analyse:
Das System von Recep Tayip Erdogan
In der Türkei ist dieser Tage viel von einer Zeitenwende die Rede. Damit sind die Parlamentswahlen an diesem Sonntag gemeint. Gewinnt die AKP so entscheidend, dass sie ihren Staatspräsidenten durchsetzen kann, dann heißt es für die alten Eliten: Das Spiel ist aus.
Seit fünf Jahren regiert die islamisch geprägte AKP von Ministerpräsident Recep Tayip Erdogan, mit einer überwältigenden Mehrheit im Parlament. Die Ein-Parteien-Regierung brachte etwas, was es in der türkischen Politik selten gab, nämlich Stabilität, und das wiederum brachte einen Wirtschaftsboom. Viele Türken wollen noch mehr Boom und weitere fünf Jahre ohne Chaos.
Was immer die Partei auch richtig macht, den etablierten Eliten in Militär und Bürokratie vermag sie nicht zu gefallen, weil die AKP ihrer Meinung nach aus den falschen Leuten besteht. Ihre Führer sind Männer, die noch vor zehn Jahren Positionen eines anti-europäischen, politischen Islam vertraten. „Gott sei Dank sind wir Anhänger der Scharia", sagte Erdogan 1994 der Zeitung „Milliyet". Der Satz daraus „unser Ziel ist der islamische Staat", hat die Türkei erschüttert und außenpolitisch großen Flurschaden angerichtet. Vom heutigen Außenminister Abdullah Gül ist der Satz überliefert: „Der Islam regelt die weltliche Ordnung. Ich als Moslem glaube daran. In der Türkei gibt es Gesetze, die den Islam unterdrücken, und diese Unterdrückung muss aufgehoben werden." Für Parlamentspräsident Bülent Arinc muss noch heute der türkische Staatspräsident vor allem eine Qualifikation haben: Er muss fromm sein.
Diese Männer führen heute die AKP, damals aber waren sie Gefolgsleute eines radikalen Islamistenführers namens Necmettin Erbakan. Er wollte über eine Unterwanderung der Wirtschaft eine islamische Gesellschaft „von unten" aufbauen. Elemente davon sind noch sichtbar: „Islamische Holdings", die teilweise auch dunkle Geschäfte betrieben und viele Türken um ihre Ersparnisse brachten, genießen die Gunst der Regierung und tragen bei zur finanziellen Kraft der AKP.
Gemeinsam schafften es Erbakan, Erdogan & Co an die Macht, Erdogan wurde Bürgermeister Istanbuls. In dieser Rolle legte er die Grundlagen seiner späteren Beliebtheit als effizienter „Macher". Erbakans Regierung wurde jedoch 1997/98 vom Militär gestürzt. Erdogan kam ins Gefängnis. Quasi wandelte sich der Vorkämpfer des Islam zu einem überzeugten Demokraten, Laizisten und Europäer. Bis heute wird gerätselt, ob es eine pragmatische Umorientierung, oder ob sein plötzlicher Wandel echt war. Gül, Erdogan und Arinc gründeten eine neue Partei, die AKP. 2002 gewannen sie die Wahlen und regieren seither. Was aber wollen sie erreichen?
(...)
20. Juli 2007
weiterlesen unter:
http://www.welt.de/politik/article1042341/Das_System_von_p_Tayip_Erdogan.html
Das System von Recep Tayip Erdogan
In der Türkei ist dieser Tage viel von einer Zeitenwende die Rede. Damit sind die Parlamentswahlen an diesem Sonntag gemeint. Gewinnt die AKP so entscheidend, dass sie ihren Staatspräsidenten durchsetzen kann, dann heißt es für die alten Eliten: Das Spiel ist aus.
Seit fünf Jahren regiert die islamisch geprägte AKP von Ministerpräsident Recep Tayip Erdogan, mit einer überwältigenden Mehrheit im Parlament. Die Ein-Parteien-Regierung brachte etwas, was es in der türkischen Politik selten gab, nämlich Stabilität, und das wiederum brachte einen Wirtschaftsboom. Viele Türken wollen noch mehr Boom und weitere fünf Jahre ohne Chaos.
Was immer die Partei auch richtig macht, den etablierten Eliten in Militär und Bürokratie vermag sie nicht zu gefallen, weil die AKP ihrer Meinung nach aus den falschen Leuten besteht. Ihre Führer sind Männer, die noch vor zehn Jahren Positionen eines anti-europäischen, politischen Islam vertraten. „Gott sei Dank sind wir Anhänger der Scharia", sagte Erdogan 1994 der Zeitung „Milliyet". Der Satz daraus „unser Ziel ist der islamische Staat", hat die Türkei erschüttert und außenpolitisch großen Flurschaden angerichtet. Vom heutigen Außenminister Abdullah Gül ist der Satz überliefert: „Der Islam regelt die weltliche Ordnung. Ich als Moslem glaube daran. In der Türkei gibt es Gesetze, die den Islam unterdrücken, und diese Unterdrückung muss aufgehoben werden." Für Parlamentspräsident Bülent Arinc muss noch heute der türkische Staatspräsident vor allem eine Qualifikation haben: Er muss fromm sein.
Diese Männer führen heute die AKP, damals aber waren sie Gefolgsleute eines radikalen Islamistenführers namens Necmettin Erbakan. Er wollte über eine Unterwanderung der Wirtschaft eine islamische Gesellschaft „von unten" aufbauen. Elemente davon sind noch sichtbar: „Islamische Holdings", die teilweise auch dunkle Geschäfte betrieben und viele Türken um ihre Ersparnisse brachten, genießen die Gunst der Regierung und tragen bei zur finanziellen Kraft der AKP.
Gemeinsam schafften es Erbakan, Erdogan & Co an die Macht, Erdogan wurde Bürgermeister Istanbuls. In dieser Rolle legte er die Grundlagen seiner späteren Beliebtheit als effizienter „Macher". Erbakans Regierung wurde jedoch 1997/98 vom Militär gestürzt. Erdogan kam ins Gefängnis. Quasi wandelte sich der Vorkämpfer des Islam zu einem überzeugten Demokraten, Laizisten und Europäer. Bis heute wird gerätselt, ob es eine pragmatische Umorientierung, oder ob sein plötzlicher Wandel echt war. Gül, Erdogan und Arinc gründeten eine neue Partei, die AKP. 2002 gewannen sie die Wahlen und regieren seither. Was aber wollen sie erreichen?
(...)
20. Juli 2007
weiterlesen unter:
http://www.welt.de/politik/article1042341/Das_System_von_p_Tayip_Erdogan.html