Der Sheriff
27.10.2007, 14:57
In der Türkei nehmen Drohungen und Gewalt gegen Christen zu. Viele leben in Angst. In Ländern, in denen der Islam Staatsreligion ist, ist der Druck noch viel stärker – Beispiel Saudi-Arabien.
Der türkische Präsident Abdullah Gül stellte am 3. Oktober vor dem Europarat in Strassburg die Türkei als Land dar, das sich mit seiner Reformpolitik auf dem Weg nach Europa befindet (für den Wortlaut der Ansprache siehe unten). Zwar bestehe noch Raum für Verbesserungen, aber "jeder in der Türkei kann seine Meinung sagen, solange er nicht zur Gewalt aufruft oder jemanden beleidigt". Es gebe in seinem Land keinerlei Übergriffe auf Christen.
Dem widersprechen türkische Protestanten mit Verweis auf mehr Drohungen und Gewalt in den letzten Monaten. Der Direktor des christlichen Senders Radio Shema in Ankara, Soner Tufan, berichtete von fast wöchentlichen Drohungen und Einschüchterungen gegen seine Angestellten. Mehrere Personen würden vor dem Gebäude auf und ab gehen, mit ihren Mobiltelefonen hantieren und sich die Zeit vor dem Sendegebäude vertreiben. Die Mitarbeiter würden aber nicht angesprochen, schilderte Tufan die Situation.
Schläge nach dem Gottesdienst
Der Pastor einer christlichen Gemeinde in Antalya, Ramazan Arkan, hat vier Beschwerden gegen einen Immobilienmakler eingereicht, der regelmässig die Gemeindeglieder bedrohe. Ein 82-jähriger Gottedienstbesucher war im August nach dem Verlassen der Gemeinderäume mit einem Stuhl geschlagen worden. Am 21. Februar berichteten die Medien von einem angeblichen Skandal in der Kirche. Der Pastor sagte: „Dies alles ist sehr ernst zu nehmen. Man will unseren Ruf unter dem Volk schädigen.“
Weniger Hemmungen nach Bluttaten?
Es macht den Anschein, als hätte die Ermordung von drei Christen im April die Hemmschwelle gesenkt. Am 18. April waren der Deutsche Tilmann Geske (46) und die Türken Necati Aydin (36) und Ugur Yuksel (32) in den Räumen des christlichen Zirve-Verlages in Malatya von jungen Türken gefesselt, gefoltert und umgebracht worden. Nach Angaben eines Pastors in der Westtürkei haben 15 der ursprünglich 22 christlichen Familien in Malatya die Stadt verlassen. Die Bluttat war nicht die erste: Am 19. Januar war der armenisch-türkische Journalist Hrant Dink, gebürtig aus Malatya, in Istanbul auf offener Straße erschossen worden. Am 5. Februar wurde der katholische Priester Andrea Santoro in seiner Kirche in Trabzon am Schwarzen Meer ermordet. An der Jahreskonferenz der Europäischen Evangelischen Allianz bat der türkische Allianzvorsitzende Zekai Tanyar dringend um Gebet für die Christen, die von Angst zermürbt würden.
Folter auf dem Polizeiposten
Die Menschenrechtsorganisation TOHAV in Istanbul hat anhaltende Folterungen in der Türkei beklagt. Seit den Verhandlungen Ankaras über einen EU-Beitritt sei die Zahl der Fälle zwar zurückgegangen, sagte Hatice Ödemis von der Organisation zur Betreuung von Folteropfern am Dienstag in Istanbul. Entgegen den offiziellen Angaben gebe es jedoch weiterhin Misshandlungen und Folterungen. Allein in Istanbul schätzen Menschenrechtler die Zahl der Fälle in den ersten sieben Monaten dieses Jahres auf rund 600.
Seit die Regierung Folter offiziell geächtet habe, fänden die Misshandlungen jetzt statt in Gefängnissen eher auf Polizeiwachen statt, erklärte Ödemis weiter. Im Gegensatz zum Gefängnis gebe es dort keine offizielle Überwachung. Deshalb bleibe es schwierig, Misshandlungen zu beweisen und Entschädigungen für Opfer durchzusetzen. Als Verbesserung nannte Ödemis, dass Menschen jetzt nur noch 48 Stunden in Polizeigewahrsam festgehalten werden dürfen und nicht mehr mehrere Wochen.
Hier Forderungen, dort keine entsprechende Freiheit
Die Situation in der Türkei, die sich als säkularer Staat definiert, aber dem sunnitischen Islam im Alltag eine beherrschende Stellung einräumt, wird auch mit hiesigen Debatten in Verbindung gebracht. Der Berliner evangelische Bischof Wolfgang Huber hat kürzlich davor gewarnt, christliche Kirchen zu Moscheen zu machen. Er halte die Entscheidung der Neuapostolischen Kirche in Berlin, zwei ihrer Kirchgebäude an muslimische Vereinigungen zu verkaufen, nicht für richtig, sagte er im Radio. Christen, Muslime und Juden verbinde zwar der Glaube an den einen Gott, beide hätten jedoch sehr unterschiedliche Gottesvorstellungen.
Zur Diskussion über den Bau neuer Moscheen in Deutschland sagte Huber, sie fiele leichter, wenn auch in Saudi-Arabien christliche Gottesdienste möglich wären oder Christen in der Türkei ihre Religion in neu erbauten Kirchen frei ausüben dürften. «Davon sind wir leider noch weit entfernt», fügte der EKD-Vorsitzende hinzu.
Kaum Fortschritte in Saudi-Arabien
Die Situation der Christen in der islamischen Welt unterscheidet sich von Land zu Land. In den meisten Ländern (Ausnahme Ägypten) stellen die Christen eine Minderheit ohne Stimme und ohne Einfluss dar. In einigen kann von Religionsfreiheit für Nicht-Muslime überhaupt nicht die Rede sein, etwa in Saudi-Arabien.
Eine Kommission des US-Aussenministeriums hat letzte Woche kritisiert, dass das Wüstenkönigreich bei den Menschenrechte keine Fortschritte mache. Eine US-Delegation hatte im Sommer Saudi-Arabien besucht. Sie wollte unter anderem prüfen, ob Lehrpläne und Schulbücher weiterhin zu Intoleranz, Misstrauen und Gewalt gegen Andersgläubige anstacheln – aber dies wurde ihr verwehrt. Laut dem Bericht hat die saudi-arabische Regierung sich nicht oder nicht wirksam bemüht, den Export von „extremistischer Ideologie“ zu stoppen.
Die Ansprache des türkischen Präsidenten Abdullah Gül vor dem Europarat, 3. Oktober 2007:
Zum Weiterlesen: http://www.jesus.ch/index.php/D/article/152-International/39581-Christen_in_der_islamischen_Welt_unter_Druck/
Wie lange wollen sich unsere Politiker eigentlich noch belügen lassen? X(
Die türkische Regierung behauptet:
Wir sind ein Land, das sich mit seiner Reformpolitik auf dem Weg nach Europa befindet. Zwar bestehe noch Raum für Verbesserungen, aber "jeder in der Türkei kann seine Meinung sagen, solange er nicht zur Gewalt aufruft oder jemanden beleidigt". Es gebe in unserem Land keinerlei Übergriffe auf Christen.
Und dennoch werden diese ganzen Übergrife gemeldet.
Nicht das es genug ist, nun kam auch ein Gutachten heraus, dass die "Religionsfreiheit" in der Türkei 2007 dokumentiert hat:
Washington: Bericht des Büros für Demokratie, Menschenrechte und Arbeit des US-Außenministeriums veröffentlicht
Zahlreiche religiös motivierte Gewaltverbrechen an Christen registriert der Türkei-Jahresbericht 2007 des Bureau of Democracy, Human Rights, and Labor. Wir veröffentlichen auf der Grundlage des Berichts und eigener Datenerhebungen eine Chronologie der schlimmsten Ereignisse seit Ende 2004 sowie den Volltext des Berichts.
US_Religionsbericht 2007 als pdf:
http://www.aga-online.org/downloads/de/news/attachments/AGA_News_US_Religionsbericht.pdf
Da wird mir richtig übel, wenn ich sowas lese.
Der türkische Präsident Abdullah Gül stellte am 3. Oktober vor dem Europarat in Strassburg die Türkei als Land dar, das sich mit seiner Reformpolitik auf dem Weg nach Europa befindet (für den Wortlaut der Ansprache siehe unten). Zwar bestehe noch Raum für Verbesserungen, aber "jeder in der Türkei kann seine Meinung sagen, solange er nicht zur Gewalt aufruft oder jemanden beleidigt". Es gebe in seinem Land keinerlei Übergriffe auf Christen.
Dem widersprechen türkische Protestanten mit Verweis auf mehr Drohungen und Gewalt in den letzten Monaten. Der Direktor des christlichen Senders Radio Shema in Ankara, Soner Tufan, berichtete von fast wöchentlichen Drohungen und Einschüchterungen gegen seine Angestellten. Mehrere Personen würden vor dem Gebäude auf und ab gehen, mit ihren Mobiltelefonen hantieren und sich die Zeit vor dem Sendegebäude vertreiben. Die Mitarbeiter würden aber nicht angesprochen, schilderte Tufan die Situation.
Schläge nach dem Gottesdienst
Der Pastor einer christlichen Gemeinde in Antalya, Ramazan Arkan, hat vier Beschwerden gegen einen Immobilienmakler eingereicht, der regelmässig die Gemeindeglieder bedrohe. Ein 82-jähriger Gottedienstbesucher war im August nach dem Verlassen der Gemeinderäume mit einem Stuhl geschlagen worden. Am 21. Februar berichteten die Medien von einem angeblichen Skandal in der Kirche. Der Pastor sagte: „Dies alles ist sehr ernst zu nehmen. Man will unseren Ruf unter dem Volk schädigen.“
Weniger Hemmungen nach Bluttaten?
Es macht den Anschein, als hätte die Ermordung von drei Christen im April die Hemmschwelle gesenkt. Am 18. April waren der Deutsche Tilmann Geske (46) und die Türken Necati Aydin (36) und Ugur Yuksel (32) in den Räumen des christlichen Zirve-Verlages in Malatya von jungen Türken gefesselt, gefoltert und umgebracht worden. Nach Angaben eines Pastors in der Westtürkei haben 15 der ursprünglich 22 christlichen Familien in Malatya die Stadt verlassen. Die Bluttat war nicht die erste: Am 19. Januar war der armenisch-türkische Journalist Hrant Dink, gebürtig aus Malatya, in Istanbul auf offener Straße erschossen worden. Am 5. Februar wurde der katholische Priester Andrea Santoro in seiner Kirche in Trabzon am Schwarzen Meer ermordet. An der Jahreskonferenz der Europäischen Evangelischen Allianz bat der türkische Allianzvorsitzende Zekai Tanyar dringend um Gebet für die Christen, die von Angst zermürbt würden.
Folter auf dem Polizeiposten
Die Menschenrechtsorganisation TOHAV in Istanbul hat anhaltende Folterungen in der Türkei beklagt. Seit den Verhandlungen Ankaras über einen EU-Beitritt sei die Zahl der Fälle zwar zurückgegangen, sagte Hatice Ödemis von der Organisation zur Betreuung von Folteropfern am Dienstag in Istanbul. Entgegen den offiziellen Angaben gebe es jedoch weiterhin Misshandlungen und Folterungen. Allein in Istanbul schätzen Menschenrechtler die Zahl der Fälle in den ersten sieben Monaten dieses Jahres auf rund 600.
Seit die Regierung Folter offiziell geächtet habe, fänden die Misshandlungen jetzt statt in Gefängnissen eher auf Polizeiwachen statt, erklärte Ödemis weiter. Im Gegensatz zum Gefängnis gebe es dort keine offizielle Überwachung. Deshalb bleibe es schwierig, Misshandlungen zu beweisen und Entschädigungen für Opfer durchzusetzen. Als Verbesserung nannte Ödemis, dass Menschen jetzt nur noch 48 Stunden in Polizeigewahrsam festgehalten werden dürfen und nicht mehr mehrere Wochen.
Hier Forderungen, dort keine entsprechende Freiheit
Die Situation in der Türkei, die sich als säkularer Staat definiert, aber dem sunnitischen Islam im Alltag eine beherrschende Stellung einräumt, wird auch mit hiesigen Debatten in Verbindung gebracht. Der Berliner evangelische Bischof Wolfgang Huber hat kürzlich davor gewarnt, christliche Kirchen zu Moscheen zu machen. Er halte die Entscheidung der Neuapostolischen Kirche in Berlin, zwei ihrer Kirchgebäude an muslimische Vereinigungen zu verkaufen, nicht für richtig, sagte er im Radio. Christen, Muslime und Juden verbinde zwar der Glaube an den einen Gott, beide hätten jedoch sehr unterschiedliche Gottesvorstellungen.
Zur Diskussion über den Bau neuer Moscheen in Deutschland sagte Huber, sie fiele leichter, wenn auch in Saudi-Arabien christliche Gottesdienste möglich wären oder Christen in der Türkei ihre Religion in neu erbauten Kirchen frei ausüben dürften. «Davon sind wir leider noch weit entfernt», fügte der EKD-Vorsitzende hinzu.
Kaum Fortschritte in Saudi-Arabien
Die Situation der Christen in der islamischen Welt unterscheidet sich von Land zu Land. In den meisten Ländern (Ausnahme Ägypten) stellen die Christen eine Minderheit ohne Stimme und ohne Einfluss dar. In einigen kann von Religionsfreiheit für Nicht-Muslime überhaupt nicht die Rede sein, etwa in Saudi-Arabien.
Eine Kommission des US-Aussenministeriums hat letzte Woche kritisiert, dass das Wüstenkönigreich bei den Menschenrechte keine Fortschritte mache. Eine US-Delegation hatte im Sommer Saudi-Arabien besucht. Sie wollte unter anderem prüfen, ob Lehrpläne und Schulbücher weiterhin zu Intoleranz, Misstrauen und Gewalt gegen Andersgläubige anstacheln – aber dies wurde ihr verwehrt. Laut dem Bericht hat die saudi-arabische Regierung sich nicht oder nicht wirksam bemüht, den Export von „extremistischer Ideologie“ zu stoppen.
Die Ansprache des türkischen Präsidenten Abdullah Gül vor dem Europarat, 3. Oktober 2007:
Zum Weiterlesen: http://www.jesus.ch/index.php/D/article/152-International/39581-Christen_in_der_islamischen_Welt_unter_Druck/
Wie lange wollen sich unsere Politiker eigentlich noch belügen lassen? X(
Die türkische Regierung behauptet:
Wir sind ein Land, das sich mit seiner Reformpolitik auf dem Weg nach Europa befindet. Zwar bestehe noch Raum für Verbesserungen, aber "jeder in der Türkei kann seine Meinung sagen, solange er nicht zur Gewalt aufruft oder jemanden beleidigt". Es gebe in unserem Land keinerlei Übergriffe auf Christen.
Und dennoch werden diese ganzen Übergrife gemeldet.
Nicht das es genug ist, nun kam auch ein Gutachten heraus, dass die "Religionsfreiheit" in der Türkei 2007 dokumentiert hat:
Washington: Bericht des Büros für Demokratie, Menschenrechte und Arbeit des US-Außenministeriums veröffentlicht
Zahlreiche religiös motivierte Gewaltverbrechen an Christen registriert der Türkei-Jahresbericht 2007 des Bureau of Democracy, Human Rights, and Labor. Wir veröffentlichen auf der Grundlage des Berichts und eigener Datenerhebungen eine Chronologie der schlimmsten Ereignisse seit Ende 2004 sowie den Volltext des Berichts.
US_Religionsbericht 2007 als pdf:
http://www.aga-online.org/downloads/de/news/attachments/AGA_News_US_Religionsbericht.pdf
Da wird mir richtig übel, wenn ich sowas lese.