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Vollständige Version anzeigen : Functional Overlapping Competing Jurisdiction



-jmw-
23.08.2008, 21:31
Was sind FOCJ?

"Functional Overlapping Competing Jurisdiction" ist ein von den Schweizerdeutschen Bruno Frey und Reiner Eichenberger entwickeltes Föderalismusmodell.

Worin unterscheidet es sich von bekannten Modellen?
Nun, das steckt bereits im Namen.

Eine solche Körperschaft ist

1. funktional, d.h., sie dienen einem oder wenigen bestimmten Zweck(en);

2. überlappend, d.h., dass in einem gegebenen Gebiet mehrere FOCJ aktiv sein können. Beispielsweise mag eine Gemeinde Mitglied einer Polizei-FOCJ sein, aber einer anderen FOCJ zum Unterhalt der Schulen und noch einer anderen FOCJ für die Entsorgung von Müll;

3. wettbewerblich, d.h., innerhalb einer Region oder Gemeinde können auch mehrere FOCJ mit gleichen Funktionen arbeiten, z.B. zwei Schul-FOCJ innerhalb einer Gemeinde.

Warum das ganze?

Die politische Klasse ist vielerlei Kritik ausgesetzt.
Bemängelt wird häufig, es würde am Volke "vorbeiregiert".
Wird ein Regierungs- oder Verwaltungshandeln von der Bevölkerung oder Teilen der Bevölkerung abgelehnt, bleibt den Benachteiligten nur die Möglichkeit, bei den nächsten Wahlen an anderer Stelle ein Kreuz zu setzten.
Hingegen die Regierung jetzt zu ersetzten, dieses Verwaltungshandeln jetzt abzustellen, diese Möglichkeit besteht nicht.

Der wesentliche Punkt ides FOCJ-Konzepts ist, dass die Möglichkeit nichtphysischen Auswanderns gegeben wird.
Dadurch werden die Körperschaften gezwungen, ihre öffentlichen Leistungen nach den sozialen, ökonomischen, demographischen, fiskalischen usw. Präferenzen der beteiligten Bürger bzw. Gemeinden auszurichten.



Jemand 'ne Meinung dazu?

-SG-
24.08.2008, 01:25
Kann ich mir nicht vorstellen, was das bringen soll. Soll denn auch der Fiskus verwettbewerblicht werden? Kann ein Bankräuber dann von Dortmund mit der S-Bahn nach Duisburg fahren und dort nicht mehr verfolgt werden weil die Polizei-FOCJ dort eine andere ist?

Zudem überschätzen solche Konzepte meiner Ansicht nach immer die Selektionsfähigkeit der einzelnen Leute und Gemeinden. Menschen sind träge. Und sie haben was besseres zu tun als die ganze Zeit zig verschiedene FOCJs zu evaluieren. Also werden sie die billigsten nehmen, bzw. die bequemsten. Egal, ob der Müll dann seltener abgeholt wird.

-jmw-
24.08.2008, 20:01
Stichworte:

Steuerhoheit;
Vergträge zwischen einzelnen FOCUS;
staatliche Regelungskompetenz bleibt, v.a. auch Kompetenzkompetenz;
Wechsel nur für Willige auch gut.

Zusätzlich: Deckungsungleichheit von Aufgabenerfüllungsbereichen war die meiste Zeit über normal, bei uns hier in MItteleuropa bis noch vor wenigen hundert Jahren.

Skorpion968
25.08.2008, 00:43
Was sind FOCJ?

"Functional Overlapping Competing Jurisdiction" ist ein von den Schweizerdeutschen Bruno Frey und Reiner Eichenberger entwickeltes Föderalismusmodell.

Worin unterscheidet es sich von bekannten Modellen?
Nun, das steckt bereits im Namen.

Eine solche Körperschaft ist

1. funktional, d.h., sie dienen einem oder wenigen bestimmten Zweck(en);

2. überlappend, d.h., dass in einem gegebenen Gebiet mehrere FOCJ aktiv sein können. Beispielsweise mag eine Gemeinde Mitglied einer Polizei-FOCJ sein, aber einer anderen FOCJ zum Unterhalt der Schulen und noch einer anderen FOCJ für die Entsorgung von Müll;

3. wettbewerblich, d.h., innerhalb einer Region oder Gemeinde können auch mehrere FOCJ mit gleichen Funktionen arbeiten, z.B. zwei Schul-FOCJ innerhalb einer Gemeinde.

Warum das ganze?

Die politische Klasse ist vielerlei Kritik ausgesetzt.
Bemängelt wird häufig, es würde am Volke "vorbeiregiert".
Wird ein Regierungs- oder Verwaltungshandeln von der Bevölkerung oder Teilen der Bevölkerung abgelehnt, bleibt den Benachteiligten nur die Möglichkeit, bei den nächsten Wahlen an anderer Stelle ein Kreuz zu setzten.
Hingegen die Regierung jetzt zu ersetzten, dieses Verwaltungshandeln jetzt abzustellen, diese Möglichkeit besteht nicht.

Der wesentliche Punkt ides FOCJ-Konzepts ist, dass die Möglichkeit nichtphysischen Auswanderns gegeben wird.
Dadurch werden die Körperschaften gezwungen, ihre öffentlichen Leistungen nach den sozialen, ökonomischen, demographischen, fiskalischen usw. Präferenzen der beteiligten Bürger bzw. Gemeinden auszurichten.



Jemand 'ne Meinung dazu?

Ich hab generell keine Meinung zu Konzepten, die nur aus Anglizismen und Abkürzungen bestehen. :D

miname
25.08.2008, 03:39
Was sind FOCJ?

"Functional Overlapping Competing Jurisdiction" ist ein von den Schweizerdeutschen Bruno Frey und Reiner Eichenberger entwickeltes Föderalismusmodell.

Worin unterscheidet es sich von bekannten Modellen?
Nun, das steckt bereits im Namen.

Eine solche Körperschaft ist

1. funktional, d.h., sie dienen einem oder wenigen bestimmten Zweck(en);

2. überlappend, d.h., dass in einem gegebenen Gebiet mehrere FOCJ aktiv sein können. Beispielsweise mag eine Gemeinde Mitglied einer Polizei-FOCJ sein, aber einer anderen FOCJ zum Unterhalt der Schulen und noch einer anderen FOCJ für die Entsorgung von Müll;

3. wettbewerblich, d.h., innerhalb einer Region oder Gemeinde können auch mehrere FOCJ mit gleichen Funktionen arbeiten, z.B. zwei Schul-FOCJ innerhalb einer Gemeinde.

Warum das ganze?

Die politische Klasse ist vielerlei Kritik ausgesetzt.
Bemängelt wird häufig, es würde am Volke "vorbeiregiert".
Wird ein Regierungs- oder Verwaltungshandeln von der Bevölkerung oder Teilen der Bevölkerung abgelehnt, bleibt den Benachteiligten nur die Möglichkeit, bei den nächsten Wahlen an anderer Stelle ein Kreuz zu setzten.
Hingegen die Regierung jetzt zu ersetzten, dieses Verwaltungshandeln jetzt abzustellen, diese Möglichkeit besteht nicht.

Der wesentliche Punkt ides FOCJ-Konzepts ist, dass die Möglichkeit nichtphysischen Auswanderns gegeben wird.
Dadurch werden die Körperschaften gezwungen, ihre öffentlichen Leistungen nach den sozialen, ökonomischen, demographischen, fiskalischen usw. Präferenzen der beteiligten Bürger bzw. Gemeinden auszurichten.



Jemand 'ne Meinung dazu?

theoretisch gute idee

Rheinlaender
25.08.2008, 08:09
Kann ich mir nicht vorstellen, was das bringen soll.

Nanu? einer unserer Vorzeigekonservativen hat damit ein Problem?

---

Das ist eigentlich ein traditionelles Konzept. Vor der Entstehung von Nationstaaten war das Recht nicht nur an den Boden gebunden, sondern auch an die Person. Ein Unterthan des Kurfuersten von Trier konnte nur vor Kurtrierischen Gericht oder in Ausnahmefaelle vor einem Gericht des Reiches belangt werden. Hatte er also etwas ausgefressen in hamburg, so er einem kurtrierischen Gericht zu uberstellen.

Mitglieder der von religoesen Orden und andere Kleriker unterstanden auch einem personengebundenen Rechtssystem.

Dieses System der Mischung aus territorialer Herrschaft und Herrschaft ueber Personen war in Duetschland bis 1803/06 Recht. Andere Laender schafften dieser frueher ab mit der Entstehung von Nationalstaaten; aber vor ca. 1500 war dies in ganz Europa normal.

---

Fas heutige Konzept des gebietsbundenen Staates, der innerhalb seines Gebietes zumindest theoretisch absolute Gewalt ausuebt, die aber einem Millimeter hinter Landesgrenze der genauso absoluten Gewalt eines anderen Staates weicht ist im Verhaeltnis zu dem mittelalterlichen System der gemischten Staatsgewalt sehr starr und mangelt einfach flexibilitaet.

Man koennte sich zumindest innerhalb der EU ein System vorstellen indem soziale Sicherheitssysteme und auch bis einem bestimmten Masse Polizei und Dienstleistungen nicht mehr gebietsabhaenig ohne Auswahl als zwang ohne Alternative allen Bewohner uebergespuelpt werden, sondern man hier Auswahl treffen kann.

Ausonius
25.08.2008, 08:33
Zusätzlich: Deckungsungleichheit von Aufgabenerfüllungsbereichen war die meiste Zeit über normal, bei uns hier in MItteleuropa bis noch vor wenigen hundert Jahren.

Ist es aber wirklich so erstrebenswert, die kommunale und berufsständische Verwaltung der Städte aus der Spätzeit des Alten Reiches bzw. Biedermeierzeit wieder haben zu wollen?

Ausonius
25.08.2008, 08:38
Fas heutige Konzept des gebietsbundenen Staates, der innerhalb seines Gebietes zumindest theoretisch absolute Gewalt ausuebt, die aber einem Millimeter hinter Landesgrenze der genauso absoluten Gewalt eines anderen Staates weicht ist im Verhaeltnis zu dem mittelalterlichen System der gemischten Staatsgewalt sehr starr und mangelt einfach flexibilitaet.

Nun ja, wenn man so will, war im Mittelalter das meiste privatrechtlich organisiert und eine Art öffentliches Recht durchzusetzen ging für das Reich nie ohne größere Schwierigkeiten vonstatten (z.B. Landfrieden). Regierung und Verwaltung auf den unteren Ebenen war fast ausschließlich ein Hantieren mit Besitzrechten; im frühen Mittelalter war sogar Mord juristisch gesehen eine Geldfrage. Ich denke, da sind wir heute schon etwas weiter.

Rheinlaender
25.08.2008, 08:38
Ist es aber wirklich so erstrebenswert, die kommunale und berufsständische Verwaltung der Städte aus der Spätzeit des Alten Reiches bzw. Biedermeierzeit wieder haben zu wollen?

Wieso aus der Spaetzeit des Heiligen Roemischen Reiches? Diese Strukturen bestanden zumindest seit dem 14. Jahrhundert. Zu Lekutuere empfohlen: Jacob Moser, Von der Reichs-Stättischen Regimentsverfassung, Frankfurt [am Main] & Leibzig, 1772.

Das wirklich spannend zu lesende Buch ist vollstaendig gescant :

http://www.ub.uni-bielefeld.de/diglib/moser/reichsstaettischen/regimentsverfassung/

-jmw-
25.08.2008, 08:40
Mal 'ne ganz platte Übersetzung auf heutige Verhältnisse:

Wenn einigen Bürgertum des Kreises Herzogtum Lauenburg das schleswig-holsteinische Bildungssystem nicht gefällt, wechseln sie halt ins z.B. bayerische, ohne umzuziehen.
Oder sie gründen ein neues Bundesland Lauenburg - entgegen Art. 29 aber nur für sich.

Ausonius
25.08.2008, 08:44
Wieso aus der Spaetzeit des Heiligen Roemischen Reiches? Diese Strukturen bestanden zumindest seit dem 14. Jahrhundert. Zu Lekutuere empfohlen: Jacob Moser, Von der Reichs-Stättischen Regimentsverfassung, Frankfurt [am Main] & Leibzig, 1772.


Von Moser hab ich schon mal gehört.
Ich spreche deshalb von Spätzeit, weil vieles, was im Mittelalter unter den seinerzeitigen Bedingungen noch sinnvoll war, in der späten Neuzeit die Entwicklung der Städte eher behinderte. Die meisten Reichsstädte dümpelten bis zur Zäsur 1803/1806 ja in der Bedeutungslosigkeit herum, wie auch viele der kleineren Herrschaften. Es war eben so, dass das Recht im Reich einen Zustand konservierte, der längst nicht mehr zeitgemäßg war.

-jmw-
25.08.2008, 08:50
Ist es aber wirklich so erstrebenswert, die kommunale und berufsständische Verwaltung der Städte aus der Spätzeit des Alten Reiches bzw. Biedermeierzeit wieder haben zu wollen?
Nein.
Es will ja auch niemand derartige quasi-antike Strukturen kopieren.
Nur der Hinweis sollte gegeben worden sein, das wir ähnliches wie das vorgeschlagene Konzept schonmal hatten.


Nun ja, wenn man so will, war im Mittelalter das meiste privatrechtlich organisiert
:yeah:

(Diese kleine private politische Anmerkungen bitte ignorieren.)


im frühen Mittelalter war sogar Mord juristisch gesehen eine Geldfrage. Ich denke, da sind wir heute schon etwas weiter.
Das ist zumindest Ansichtssache.
Ich halte es für problematisch.
Z.B. muss man begründen, warum das Opfer und seine Hinterbliebenen etwas davon haben, dass der Täter eingesperrt wird;
und man muss begründen, dass das eine richtige und angemessene Strafe ist, so und so viele Jahre einzusitzen für einen Mord - einen vernünftigen Masstab dafür zu finden jenseits der Willkür des Gesetzgebers ist schon schwierig.
Zuguterletzt hat das Konzept "Strafe" selber immer ein bissel religiöse Züge oder, anders: Zu sagen "Hast kaputtgemacht, gib Schadensersatz" scheint mir ein grösseres oder breiteres Begründungspotential zu haben als "Hast kaputtgemacht, bist 'böse', wirst bestraft".

Allein, eine Debatte darüber wollen wir in diesem Faden nicht führen.

Ausonius
25.08.2008, 08:54
Wenn einigen Bürgertum des Kreises Herzogtum Lauenburg das schleswig-holsteinische Bildungssystem nicht gefällt, wechseln sie halt ins z.B. bayerische, ohne umzuziehen.
Oder sie gründen ein neues Bundesland Lauenburg - entgegen Art. 29 aber nur für sich.

Nur: wer setzt dann die Standards? Ich stelle mir das zudem von der Mittelverwaltung her sehr schwierig vor - dies soll aber nicht das inhaltliche Hauptgegenargument sein, wenn auch ein gewichtiges praktisches.
Ich verstehe das Konzept zunächst mal im Prinzip so, dass Kommunen (oder andere Gebietskörperschaften) freier darüber entscheiden können, welche Rechtsprechung sie anwenden. Dass man für verschiedene Dienstleistungen dann verschiedene Anbieter wählt, ist ja erst die Konsequenz daraus. Natürlich könnten Gemeinden dann selbständiger und flexibler regieren, gerade kleinere Kommunen hätten dann vielleicht auch wieder mehr politisches Gewicht gegenüber Kreisen/Land, was doch mehr dem Bürger zugute käme. Andererseits sehe ich die Gefahr, dass bei einem "Wettbewerb" der Behördendienstleistungen auch wieder die kommunale Identität schwindet.

Ausonius
25.08.2008, 09:03
Z.B. muss man begründen, warum das Opfer und seine Hinterbliebenen etwas davon haben, dass der Täter eingesperrt wird;
und man muss begründen, dass das eine richtige und angemessene Strafe ist, so und so viele Jahre einzusitzen für einen Mord - einen vernünftigen Masstab dafür zu finden jenseits der Willkür des Gesetzgebers ist schon schwierig.

Ich finde deine Sichtweise ja gar nicht so falsch. Leider schweife ich vom eigentlichen Thema jetzt mal ab, aber ich finde diesen Punkt schon interessant. Theoretisch hast du Recht und faktisch ist es ja auch eine Endlosdiskussion wie lang Mörder nun einsitzen sollen oder wie hart man sie bestraft. Praktisch hatte das frühmittelalterliche Wergeld - davon sprechen wir ja hier - seine Pferdefüße:

1.Mord wurde nur verfolgt, wenn die Familie des Opfers Anklage erhob.
2. Die Strafe bemaß sich grob gesagt in ihrer Höhe daran, wie nahe der Ermordete dem (merowingischen) König dastand; also nach seinem Wert in der Gefolgschaft.
Und hier sehe ich das Problematische, denn man müsste bei Festsetzung der Strafe über den Wert des Ermordeten verhandeln.



Zu sagen "Hast kaputtgemacht, gib Schadensersatz" scheint mir ein grösseres oder breiteres Begründungspotential zu haben als "Hast kaputtgemacht, bist 'böse', wirst bestraft".

Justiz ist immer auch ein wenig Volkspädagogik, wenngleich du meines Erachtens den Aspekt etwas unter den Tisch fallen lässt, dass es auch aus Gründen der öffentlichen Sicherheit etwas für sich hat, Kapitalverbrecher einzusperren.

-jmw-
25.08.2008, 09:04
-> Die Standards setzt im Frey/Eichenbergerschen Modell der Bund, die Eidgenossenschaft, die Zentralregierung, das Parlament - wer halt auch immer schon jetzt die Kompetenzkompetenz besitzt in einem Staate.

-> Rechtsprechung ist ein sehr weitgehender Begriff, den ich hier nicht verwenden würde, umfasst er doch auch Dinge wie Strafrecht, Wirtschaftsrecht u.ä., die im Frey/Eichenbergerschen Modell so nicht gemeint sind.
(Wobei: Das ist 'türlich ausbaubar.)
Es geht vielmehr um, s.o., Dinge wie Schulen, Krankenkassen, Müll u.ä., die zunächst mal wenig "öffentliches Gut" sind und die durchaus gemeinde- und/oder personenspezifisch erbracht werden können.

Apropos Krankenkassen: Da haben wir es ja heute schon, dass wir eine ganze Masse halböffentlicher Organisationen haben ohne festes Territorium.
Ich kann Mitglied bei Krankenasse A sein, mein Nachbar bei B, sein Nachbar bei C...

-> Stellt sich die Frage, in welchem Umfange sich diese Identität oder der Lokalpatriotismus aus der Gemeinde als Körperschaft speist, die gewisse Dienstleistungen erbringt.
Meiner Vermutung nach so ziemlich überhauptnicht.

Rheinlaender
25.08.2008, 09:11
Nun ja, wenn man so will, war im Mittelalter das meiste privatrechtlich organisiert und eine Art öffentliches Recht durchzusetzen ging für das Reich nie ohne größere Schwierigkeiten vonstatten (z.B. Landfrieden).

Es war nicht privatrechtlich, sondern lehnrechtlich organisiert, was bedeutete, das die gleiche hoechst unterscheidliche Funtionen haben konnte. So konnte ein Abt als Abt eines reichstaedtischen Klosters Reichsfuerst sein, als Richter in einem bestimmten Bereich, der z. B. zu einer Reichsritterschaft gehoerte agieren, jedoch nur z. B. fuer die Niedrige Gerichtsbarkeit, da z. B. die Hohe Geriechtsbarkeit beim benachtbarten Bischof lag, etc.

Diese Rechtsverhaeltnisse kannst Du nicht mit dem Privatrecht wie wir es kennen beschreiben. Das Reichskammergricht unterschied deshalb sehr genau in der Rechtsanwendung ob etwas eine privatrechltiche Frage war, z. B. ein Erbstreit um Vermeigenswerte, bei dem eventl. lokales Recht anzuwenden war (entgegen einem haeufig gehoerten Vorurteil wendete das Reichsgericht auch lokales Recht an) oder ob es sich um einen Erbstreit um landeshoheitliche Rechte ging, in denen Reichskammergericht auf jeden Fall das Ius Commune anwenden musste.


im frühen Mittelalter war sogar Mord juristisch gesehen eine Geldfrage. Ich denke, da sind wir heute schon etwas weiter.

Nun, das ist ein gaengiges Vorurteil - Wenn du den Sachsenspiegel gruendlich liesst, dann kann die Strafe auf Mord nur dann in eine Zahlung umgewandelt werden, wenn der Taeter sich freiwillig stellt bevor Anklage gegen ihn erhoben wird; da waere soetwa wie heute "taetige Reue", ansonsten geht es "umb seinen Halß":

Lib. 2 -Art. 14
1. Schlägt ein Man den anders durch Nothwehr zu todt, und darff er bey ihm vor Frocht seines Leibes nicht bleiben, daß er ihn vor Gericht brechte und über ihn klagen möchte, kompt er denn ohne den Todten vor Gericht, und bekennet er es, ehe man über ihn klaget, und beut sich darumb zu recht, man sol ihm sein Halß nicht verteilen: dem Richter aber sol man erteilen auf ihn das höchste gewette der pfenning, die man ihm pfleget zu wetten, und den Freünden ihr Wehrgelt, die sol man dann vorladen ihr Wehrgelt zu nemen zum nechsten gedinge und zum andern, und auch also zum dritten: Kommen sie dann nicht vor, er sol das Wehrgelt so lange behalten, biß daß sie es ihme mit klagen angewinnen, und man sol ihm darumb Frieden wircken: umb den todten Man aber mag ihn niemand an den Halß sprechen, alldieweil er sich zu recht darumb bot, ehe man auf ihn klagete. Bringt man aber den Todten vor Gericht unbegraben, und klagt man auf ihn, er muß antworten umb seinen Halß, oder muß den Todten überkommen, daß er sich in der noth sein haab wehren müssen.

http://www.feudalismus.eu/sachsenspiegel/secundus/214.htm

Ausonius
25.08.2008, 09:22
Es geht vielmehr um, s.o., Dinge wie Schulen, Krankenkassen, Müll u.ä., die zunächst mal wenig "öffentliches Gut" sind und die durchaus gemeinde- und/oder personenspezifisch erbracht werden können.


Als Dorfkind sehe ich das immer sehr aus der Froschperspektive - welche kleine Gemeinde schultert aus ihren Eigenmitteln ihre Schule, ihre Müllabfuhr etc.? Wahrscheinlich wäre es infrastrukturell zumindest kein Ding der Unmöglichkeit, dass solche Kommunen aus dem Dunstkreis der Großstädte (Berlin, Frankfurt etc.) solcher Art versorgt werden können.
Aber hier sehe ich eben die Schwierigkeiten mit der Identität: gerade in den kleineren Orten ist doch irgendwie die Nähe der Behörden zu ihren Bürgern sehr wichtig und das wird beiderseits ernst genommen. Und ich kann mir vorstellen, dass da eben einiges an Zusammenarbeit verloren geht, wenn die Schule aus Kostengründen in einem Jahr mit Lehrern aus Leipzig, im anderen Jahr dann mit Lehrern aus Dresden bestückt wird.
Gut fände ich allerdings, wenn Städte und Gemeinden in Bereichen wie Gewerberecht, öffentliche Sicherheit und besonders Finanzverwaltung mehr freie hand hätten. Bei letzterem ist allerdings hier noch das komplizierte Steuerrecht vor.

P.S.: der Begriff des "öffentlichen Guts" ist natürlich eine absolute Glaubensfrage in allen Privatisierungsdebatten um die Verwaltung - wobei ich mich persönlich eher zu den "Orthodoxen" rechnen würde.




Apropos Krankenkassen: Da haben wir es ja heute schon, dass wir eine ganze Masse halböffentlicher Organisationen haben ohne festes Territorium.
Ich kann Mitglied bei Krankenasse A sein, mein Nachbar bei B, sein Nachbar bei C...

Krankenkassen haben wenig kommunale Außenwirkung - daher funktioniert es ohne weiteres. Ob das bei Müll, Bildung, Polizei so funktionieren kann, stellt sich die Frage. Es ist aber nicht schlecht, zu prüfen, welche Verwaltungsfelder dafür geeignet sind.

-jmw-
25.08.2008, 09:22
1.Mord wurde nur verfolgt, wenn die Familie des Opfers Anklage erhob.
Bin kein Experte für germanisches Recht, vermute aber mal, das liegt daran, dass die Geselschaft sich allgemein viel mehr über Familie, Sippe und Abstammung definierte.
Heute geht man eher nach Individual- bzw. Menschenrechten, da wär's kein grosser Schritt, jeden vertretungsweise für das Opfer Anklage erheben zu lassen.
Ausserdem gibt's ja sowas wie 'ne Staatsanwaltschaft. :)


2. Die Strafe bemaß sich grob gesagt in ihrer Höhe daran, wie nahe der Ermordete dem (merowingischen) König dastand; also nach seinem Wert in der Gefolgschaft.
Und hier sehe ich das Problematische, denn man müsste bei Festsetzung der Strafe über den Wert des Ermordeten verhandeln.
Man könnte gesetzlich (oder gar in der Verfassung?) einen Einheitswert festsetzen, entweder als Summe oder als Anteil am Vermögen des Täters.

Überhaupt aber ist Mord schon eine besondere Kategorie und etwaige Änderungen am Strafmass wirklich Zukunftsmusik.
Bescheidenerweise sollte man es eher schon als riesigen Fortschritt begreifen, würde das Schadensersatzprinzip in vielen weniger schweren Fällen (Körperverletzung, Diebstahl, Betrug...) in einen bestimmenden Rang erhoben.


Justiz ist immer auch ein wenig Volkspädagogik, wenngleich du meines Erachtens den Aspekt etwas unter den Tisch fallen lässt, dass es auch aus Gründen der öffentlichen Sicherheit etwas für sich hat, Kapitalverbrecher einzusperren.
Nun, das ist richtig, aber dann auch wieder eine völlig andere Frage, denn wenn ich jemanden einsperre, weil er gefährlich ist, sperre ich ihn eben nicht mehr zur Strafe ein.
Soll heissen: Betrachte ich nochmal anderes Thema.

-jmw-
25.08.2008, 09:32
Als Dorfkind sehe ich das immer sehr aus der Froschperspektive - welche kleine Gemeinde schultert aus ihren Eigenmitteln ihre Schule, ihre Müllabfuhr etc.?
Keine.
Dafür haben wir hier in SH dann die Ämter, die von den Gemeinden, das passt ja, aus eigenem Antrieb gegründet werden und denen sie freiwillig beitreten;
oder die Kreise machen das. Diese sind nicht durch die Gemeinden gebildet, klar - aber man könnte sich fragen, wieweit diese Aufgaben von Ämtern o.ä. übernommen werden könnten.


Aber hier sehe ich eben die Schwierigkeiten mit der Identität: gerade in den kleineren Orten ist doch irgendwie die Nähe der Behörden zu ihren Bürgern sehr wichtig und das wird beiderseits ernst genommen. Und ich kann mir vorstellen, dass da eben einiges an Zusammenarbeit verloren geht, wenn die Schule aus Kostengründen in einem Jahr mit Lehrern aus Leipzig, im anderen Jahr dann mit Lehrern aus Dresden bestückt wird.
Ich glaube nicht, dass das so geschähe.
Und wenn doch - die, denen's nicht gefällt, könnte ja 'ne eigene Schul'gemeinde' gründen. :)


P.S.: der Begriff des "öffentlichen Guts" ist natürlich eine absolute Glaubensfrage in allen Privatisierungsdebatten um die Verwaltung - wobei ich mich persönlich eher zu den "Orthodoxen" rechnen würde.
Aha.
Worunter was genau zu verstehen sein soll?

Ausonius
25.08.2008, 09:34
Es war nicht privatrechtlich, sondern lehnrechtlich organisiert, was bedeutete, das die gleiche hoechst unterscheidliche Funtionen haben konnte. So konnte ein Abt als Abt eines reichstaedtischen Klosters Reichsfuerst sein, als Richter in einem bestimmten Bereich, der z. B. zu einer Reichsritterschaft gehoerte agieren, jedoch nur z. B. fuer die Niedrige Gerichtsbarkeit, da z. B. die Hohe Geriechtsbarkeit beim benachtbarten Bischof lag, etc.

Was ich meine, ist, dass ein mittelalterlicher "Staat" personengebunden war oder zumindest an eine Funktionsperson im kirchlichen Fall (Abt, Bischof, Erzbischof etc.). Selbst die Reichsstädte - die am ehesten im heutigen Sinne staatlich organisiert waren - waren ja an den König bzw. Kaiser gebunden bzw. gehörten im theoretisch sogar (wenn man an die Pfandschaften denkt). Und so hast du natürlich recht mit deinem Verweis aufs Lehnsrecht. Aber letztendlich gab es im Mittelalter eben nichts wirklich "Öffentliches", selbst die Gerichtbarkeit gehörte im wahrsten Sinne des Wortes dann einem Graf, einem Kloster etc. Mit dieser starken Fixierung von Verwaltung als einem Hantieren mit Besitz von Gütern und Rechten finde ich, hat die mittelalterliche Struktur doch mehr Ähnlichkeit mit dem privaten als dem öffentlichen Recht.



Wenn du den Sachsenspiegel gruendlich liesst, dann kann die Strafe auf Mord nur dann in eine Zahlung umgewandelt werden, wenn der Taeter sich freiwillig stellt bevor Anklage gegen ihn erhoben wird; da waere soetwa wie heute "taetige Reue", ansonsten geht es "umb seinen Halß":

Ich beziehe mich auf noch frühere Zeiten, also die des Merowingerreichs und der Lex Salica.

-SG-
25.08.2008, 10:59
Nanu? einer unserer Vorzeigekonservativen hat damit ein Problem?


Haha, ich bin doch kein Gegenrevolutionär des beginnenden 19. Jh.s

Aber natürlich ist es gar nicht so abwegig, v.a. im religiösen Kontext darüber zu sprechen. Heute, da in England z.B. schon familienrechtliche Angelegenheiten dem örtlichen Imam übertragen werden können, ist natürlich zu überlegen, inwieweit dem Anspruch nach plurale Gesellschaften die Homogenität in Recht und Verwaltung aufrechterhalten können.

Ob das aber wiederum mit dem Gleichheitswahn in Form von Antidiskriminierungsrichtlinien jedweder Art konform geht? Eine neue Art "seperate, but equal" oder wie? Man weiß es nicht.

Rheinlaender
25.08.2008, 11:22
Haha, ich bin doch kein Gegenrevolutionär des beginnenden 19. Jh.s

Ich komme mehr-und-mehr zum Schluss, dass die staatlichen Strukturen des Heiligen Roemischen Reiches unterm Strich in ihrer Flexibilitaet sehr viel angemessener fuer unsere modernen Zeiten sind, als die doch recht starren Strukturen des souveraenen Nationalstaates.

Wie ich feststellte, bin ich der Einzige (ich habe die Idee nicht von ihn): Prof Jan Zielonka, Oxford, schrieb vor gut zwei jahren ein Buch mit der gleichen These: Europe as Empire. Ich habe gerade durch und muss sagen, dass Zielonka nur ein oberflaechliches Wissen ueber das HRR zeigte.


Aber natürlich ist es gar nicht so abwegig, v.a. im religiösen Kontext darüber zu sprechen. Heute, da in England z.B. schon familienrechtliche Angelegenheiten dem örtlichen Imam übertragen werden können,

Das ist hier schon immer so gewesen, dass Dinge dann nur vor den Richtern des Koenigs (und das sind die Richter heute formal immer noch) verhandelt muessen, wenn eine Partei darauf beseht oder wenn ein Urteil mittels der staatlichen Gewalt (formal hier der Gewalt des Koenigs) durchgesetzt werden muss. ansonsten kann sich hier seit dem Mittelalter jeder den Richter suchen, den er will.


Ob das aber wiederum mit dem Gleichheitswahn in Form von Antidiskriminierungsrichtlinien jedweder Art konform geht? Eine neue Art "seperate, but equal" oder wie? Man weiß es nicht.

Nein - die staatlichen Mindestregeln muessen unbedingt durchgestzt werden.

Aber soetwas haben wir schon im Zivilrecht. Kommt z. B. ein afghanischen Kaufvertrag vor ein dt. Gericht, so muss das dt. Gericht das Urteil nach afghanischen Recht sprechen, es sei denn die "ordre public" Deutschlands wuerde dagegen stehen. Also: Die finanziellen Folgen des Kauf eines Kamels waere in Deutschland durch ein Gerichtsurteil vollstreckbar, der Kauf einer Tochter nicht mehr.

-SG-
25.08.2008, 11:51
Ich komme mehr-und-mehr zum Schluss, dass die staatlichen Strukturen des Heiligen Roemischen Reiches unterm Strich in ihrer Flexibilitaet sehr viel angemessener fuer unsere modernen Zeiten sind, als die doch recht starren Strukturen des souveraenen Nationalstaates.


Was genau meinst Du damit? Die Subsidiarität? Seit 1648 oder früher?

Rheinlaender
25.08.2008, 12:05
Was genau meinst Du damit? Die Subsidiarität?

Nicht nur, aber auch: Das es einen Mindeststandard andurchsetzbaren Reichsrecht, aber auch ein Recht der unteren Verwaltungseinheiten. Das Zugriff des Reiches/bzw. der EU fuer verschiedene Staaten unterschiedlich sein kann. So hatte das in den Reichstaedten einen sehr viel direkteren Zugriff als bei Landesfuersten, und selbt hier gab es erheblich Unterschiede.

Letztendlich, das diese Ordnung nicht mit Gewalt sondern gegenseitiges Interesse und recht zusammengehalten wird.


Seit 1648 oder früher?

Die tatsaechlichen Aenderungen in der Reichsverfassung 1648 bestimmten weniger das Verhaeltnis Reich-Kaiser-Reichstaende, als vielmehr die Einbindung von Frankreich und Schweden in die Reichsverfassung.

-SG-
25.08.2008, 13:25
Nicht nur, aber auch: Das es einen Mindeststandard andurchsetzbaren Reichsrecht, aber auch ein Recht der unteren Verwaltungseinheiten. Das Zugriff des Reiches/bzw. der EU fuer verschiedene Staaten unterschiedlich sein kann. So hatte das in den Reichstaedten einen sehr viel direkteren Zugriff als bei Landesfuersten, und selbt hier gab es erheblich Unterschiede.

Letztendlich, das diese Ordnung nicht mit Gewalt sondern gegenseitiges Interesse und recht zusammengehalten wird.



Und was hätte es Deiner Meinung anch für einen Vorteil, dass die EU unterschiedliche Durchsetzungskompetenz in Teilen ihres Gebietes hätte?
Ich verstehe nicht ganz, wieso sich daraus Interesse ableiten würde, während es im anderen Falle Gewalt wäre?

Rheinlaender
25.08.2008, 17:06
Und was hätte es Deiner Meinung anch für einen Vorteil, dass die EU unterschiedliche Durchsetzungskompetenz in Teilen ihres Gebietes hätte?

Weil die EU auf einem zu komplexen Kontinent agiert. Die Acquis Communautaire sit ein Regelwerk das fuer hochentwicklete Industrienationen geshcrieben wurde und soll jetzt rumaensiche Bergwerke und Hirten regeln. Selbst mit Uebergangfristen ist das illusorisch.

Hinzukommt jeder jeder Integrationsschritt die Zustimmung aller braucht. Eine engere Union zwischen z. B. BeneLux-F-D und neoch ein paar anderen koennte unter dem Dach der EU agieren, waerend die Schweiz Mitglied wird, aber mit "Vorbehaltsrechten".

Das Dach bliebe die EU, die jedem ihrer Buerger ein Minimum an Rechten gewaehrleistet, in manchen Staaten bis zur Finanzverwaltug geht, ion anderen Staat nur den Aufpasser ueber die nationale Regieurng spielt, dass diese keine Scheisse baut.


Ich verstehe nicht ganz, wieso sich daraus Interesse ableiten würde, während es im anderen Falle Gewalt wäre?

Weil man ein solches flexibles Dach besser den Beduerfnissen der einzeln Staaten anpassen koennte.

-jmw-
25.08.2008, 19:22
Wie ich feststellte, bin ich der Einzige (ich habe die Idee nicht von ihn): Prof Jan Zielonka, Oxford, schrieb vor gut zwei jahren ein Buch mit der gleichen These: Europe as Empire. Ich habe gerade durch und muss sagen, dass Zielonka nur ein oberflaechliches Wissen ueber das HRR zeigte.
Kannst ja selber 'n Buch schreiben zu dem Thema. :)


Nachtrag: Ist das Buch trotzdem lesenswert?

-SG-
27.08.2008, 09:19
Weil die EU auf einem zu komplexen Kontinent agiert. Die Acquis Communautaire sit ein Regelwerk das fuer hochentwicklete Industrienationen geshcrieben wurde und soll jetzt rumaensiche Bergwerke und Hirten regeln. Selbst mit Uebergangfristen ist das illusorisch.

Hinzukommt jeder jeder Integrationsschritt die Zustimmung aller braucht. Eine engere Union zwischen z. B. BeneLux-F-D und neoch ein paar anderen koennte unter dem Dach der EU agieren, waerend die Schweiz Mitglied wird, aber mit "Vorbehaltsrechten".

Das Dach bliebe die EU, die jedem ihrer Buerger ein Minimum an Rechten gewaehrleistet, in manchen Staaten bis zur Finanzverwaltug geht, ion anderen Staat nur den Aufpasser ueber die nationale Regieurng spielt, dass diese keine Scheisse baut.



Gut, aber würde ein "Europa der vielen Geschwindigkeiten" die Komplexität nicht noch vervielfachen und Handlungsfähigkeit zunehmend unmöglich machen?

Schon jetzt bewirken die vielen Opt-outs und Zusatzprotokolle ein heillos unübersichtliches Normengestrüpp.

Klar gibt es in Rumänien wohl niemanden, der den Aquis Communautaire überblickt, so wie es auch in Deutschland nur vielleicht 50 gibt, die dies tun. Aber noch dümmer wird es, wenn zusätzlich noch gewusst werden will, für welche Länder Abweichungen gelten.

Rheinlaender
27.08.2008, 09:58
Gut, aber würde ein "Europa der vielen Geschwindigkeiten" die Komplexität nicht noch vervielfachen und Handlungsfähigkeit zunehmend unmöglich machen?

Das Problem ist aber, dass wir auf einem extrem komplexen Kontinent leben. Die Vereinheitlichung in den Nationalstaaten wurde durch starke Regierungen mit z. T. ziemlich brutaler und ruecksichtsloser Gewalt durchgefuehrt.

Eine solche starke Zentralgewalt haben wir in Europa nicht. Der EU-Kommission untersteht direkt kein einziger Soldat und kein einziger Polizist. Die "Methode Tudor" funktioniert also nicht und ist auch kaum wuenschenswert.


Schon jetzt bewirken die vielen Opt-outs und Zusatzprotokolle ein heillos unübersichtliches Normengestrüpp.

Das Heilige Roemische Reich hat mit einem sehr viel komplexeren "Normengestruepp" den relativen Frieden in Mitteleuropa fuer Jahrhunderte garantiert. Einer der Ursachen fuer den Dreizigjaehrigen Krieg war der Versuch von Kaiser Ferdinand II dieses "Normengestruepp" zu vereinfachen. Der Friedenskompromis von 1648 war fuer inneren Angelegenheiten des Reiches eine Readjustierung dieses "Normengestrueppes", das immerhin fuer weitere 100 Jahre wieder relativen Frieden im Reich garantierte. Bis zu einem bestimmten Masse konnte das Reich sogar das aufstrebende Preussen absorbieren - wenn auch unter groessten Schwierigkeiten (obwohl dieser Staat sich aus der Sicht des Reiches wie die Wildsau im Wald verhielt).


Klar gibt es in Rumänien wohl niemanden, der den Aquis Communautaire überblickt, so wie es auch in Deutschland nur vielleicht 50 gibt, die dies tun. Aber noch dümmer wird es, wenn zusätzlich noch gewusst werden will, für welche Länder Abweichungen gelten.

Es ueberblickt auch kaum jemand die jeweiligen nationalen Gesetzgebungen. Jeder Berufsstand hat jedoch ueber seinen Bereich einen guten Ueberblick und mich interessiert nur sehr bedingt was z. B. die EU oder das hiesige Recht zur Qualifikation von Tieraerzten zu sagen hat.

Die heutige Regelungsdichte basiert schlicht auf der Komplexitaet unserer Gesellschaften. Eine flexibeler Idee der Geltung von Rechtsvorschriften wuerde dem mehr gerecht werden.

-jmw-
07.09.2008, 09:15
Dreieinhalb Leute nur?
So unzufrieden scheint der Rest also garnicht zu sein damit, wie's derzeit läuft!
Man man man...

Klopperhorst
07.09.2008, 10:06
Wenn es einen Sinn hätte, würde man es nicht hinter einer englischen Floskel verstecken.


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Sauerländer
07.09.2008, 10:45
Wenn es einen Sinn hätte, würde man es nicht hinter einer englischen Floskel verstecken.
Nunja, bei der Bahn steht man ja mittlerweile auch an einem Counter statt an einem Schalter, und die Information heisst mittlerweile Service Point.
Was nichts daran ändert, das beides sehr, sehr sinnvolle Dinge sind.

-jmw-
07.09.2008, 18:30
Wenn es einen Sinn hätte, würde man es nicht hinter einer englischen Floskel verstecken.
Warst Du eigentlich schon als Kind so? ?(

-jmw-
07.08.2009, 10:16
Ausserdem ist es keine "Floskel".