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Vollständige Version anzeigen : Stickstoffoxid als Endothel-bezogener-Entspannungsfaktor



Holzmichel
03.03.2005, 10:07
In 1980 entdeckte Robert F. Furchgott von der Cornell Universität, dass die innere Zellschicht von Blutgefäßen ( das Endothel) eine vasoaktive Substanz erzeugt, welche die Entspannung der glatten Gefäßmuskelzellen in Antwort zu Acetylcholin (ACh) bewirkt. Heutzutage wissen wir, dass nicht nur ACh, sondern auch einige andere zirkulierende Hormone und Neurotransmitter, wie z.B. die Substanz P (SP), Histamin(His), Bradykinin(BK) oder ATP die Freisetzung eines „endothel-bezogenen Entspannungfaktors (EDRF)“ auslösen. In 1987 wurde diese Substanz als Stickstoffoxid (NO), enzymatisch hergestellt aus der Aminosäure L-Arginin durch Enzyme, die als NO-Synthasen (NOS) bezeichnet werden, identifiziert. Die endotheliale Isoform von NOS wird konstitutionell exprimiert und reguliert durch die intrazelluläre Konzentration von Ca2+-Ionen, welche eine Bindung an Calmodulin, einer essentiellen Untereinheit aller NOS Isozyme, bewirbt. NO stimuliert die lösliche Guanylatcyclase (sGC) in benachbarten glatten Muskelzellen und dies resultiert in einer Anreicherung des zyklischen Nukleotids cGMP, welche eine Entspannung der glatten Muskelzellen bewirkt, wahrscheinlich durch Stimulation einer cGMP-abhängigen Proteinkinase.
Andere vasoaktive Substanzen, welche vom Endothel frei gesetzt werden, sind der aktive Metabolit der Arachidonsäure (AA) Prostazyklin (PGI2) und der erst jetzt identifizierte „endothel-bezogene-hyperpolarisations-Faktor“ (EDHF). PGI2 agiert durch G-Protein beeinflusste Stimulation der Adenylatzyklase und einer konsequenten Anreicherung von cAMP. Endotheliale Dysfunktion resultiert in insuffizienter Bildung von NO und mag die Ursache schwerer kardiovaskulärer Erkrankungen, inklusive einiger Formen des Bluthochdrucks sein. Umgebungen, welche NO freisetzen, (Nitrovasodilatoren: organische Nitrate, Sodium-Nitroprussid) werden medizinisch genutzt für die Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen.

Holzmichel
03.03.2005, 11:01
Eine andere Erfolgsgeschichte und profitable dazu, ist die mit NO verknüpfte Therapie mit der Anti-Impotenzdroge VIAGRA (Sildenafil). Durch Abschalten eines Enzyms, welches cGMP zerstört, hält VIAGRA das Signal länger an in Penismuskeln und führt zur Erweiterung der Blutgefäße. Die Entwicklung von VIAGRA zur Behandlung der Impotenz, resultierte aus den frühen Arbeiten von Ignarro, welcher zeigte, dass NO der Neurotransmitter ist, welcher die Peniserektion bewirkt.

Ein anderer Weg um eine selektive Aktion zu erzeugen, ist die Schöpfung von Medikamenten, welche nur eine Version von NOS ausschalten. Als Beispiel hierzu diene eine Droge, welche iNOS(NOS-2) ausschaltet. Substanzen, die bNOS(NOS-1) inaktivieren, produziert in Hirnzellen, können Zelltod verhindern und Hirnschaden vermeiden, wenn das Hirn NO exzessiv freisetzt, z.B. bei Verletzung oder im Stauerstoffmangel nach einem Schlaganfall. Beide Substanztypen müssen die Ausschaltung von eNOS(NOS-3) vermeiden, damit der Blutfluß ins Gewebe nicht gestört wird.

Holzmichel
03.03.2005, 11:59
Die Vermutung, dass EDRF und NO die gleichen Substanzen sind, wurde durch Entdeckungen verschiedener Forschergruppen in den 1980er Jahren unterstützt. 1981 fand Ignarro heraus, dass NO Blutzellen stoppt, welche Platelets genannt werden, während ihres Gerinnens. NO kann also den Verschluss von Blutgefäßen auf zwei verschiedene Arten verhindern, erstens durch Gefäßerweiterung und zweitens durch Unterbinden der Gerinnung.

Der Fall, dass NO ein biologischer Botenstoff ist, und nicht nur eine chemische Substanz, mit der der Körper reagiert, wurde vom MIT in Cambridge propagiert. Mäuse, denen die Darmbakterien genommen wurden (welche auch NO-ähnliche Substanzen produzieren können), konnten trotzdem Nitrat erzeugen und ausstoßen. Tannenbaum hatte bereits gezeigt, dass der Stickstoffpegel im Urin während einer Infektion dramatisch ansteigt. 1985 fand Michael Marletta heraus, dass Zellen des Immunsystem, genannt Makrophagen (=große Fresser) Nitrat produzieren, wenn sie mit toxischen Molekülen von Bakterien konfrontiert werden.

Weitere Analysen von Marletta et al. zeigten, die Makrophagen NO erzeugen, welches hilft, die Invasion von Bakterien zu stoppen und die selbigen durch Nitrit und Nitrat zu töten. 1988 fand John Garthwaite von der Universität Liverpool heraus, dass ein Hirnbotenstoffmolekül namens Glutamat Nervenzellen veranlasst, eine Substanz mit enormen Ähnlichkeiten zu EDRF freizusetzen. Die Substanz entpuppte sich als NO. Dieses NO veranlasst Zellen in der Nähe ihre eigenen Nervenbotenstoffe frei zusetzen mit einer Kaskade verschiedener Effekte.

NO als Gas wird in Zellen in so geringer Menge erzeugt und rasch wieder verstoffwechselt, dass es nicht toxisch wirkt. In niedrigen Konzentrationen bildet NO nicht das giftige Stickstoffdioxid. Einige der Eigenschaften des NOs machen es sehr als Botenstoff sehr nützlich. Weil NO so schnell und einfach von den Endothelzellen zu den Zielmuskelzellen gelangt und genauso schnell wieder verschwindet, kann das Entspannungssystem des Körpers sehr schnell auf eine veränderte Umgebung reagieren.

Ein Hinweis ergab sich aus den frühen Arbeiten von Hibbs und Marletta, damals an der Universität von Michigan, welche beide zeigten, dass Makrophagen Nitrit und Nitrat aus der Aminosäure L-Arginin erzeugen. Moncada vervollständigte den Kreis in 1988 durch die Demonstration, dass Blutgefäße NO aus L-Arginin synthetisieren. 1990 wurde in Baltimore, Maryland der erste reine Extrakt eines aktiven Metaboliten der Hirnversion des Proteins, welches als Proteinenzym L-Arginin zu NO konvertiert, genannt brain-NO-synthetase (bNOS oder NOS-1), dargestellt. Im folgenden Jahr wurde das Gen, welches bNOS kodiert geklont. Es folgten die Darstellungen verwandter Proteine, die ebenso NO erzeugen konnten., inklusive einer Version der Endothelzellen, die die Blutgefäße auskleiden (eNOS oder NOS-3) und einer weiteren Form, die in Makrophagen während einer Infektion induziert wird (iNOS oder NOS-2). Die Bedeutung von Stickstoffoxid ist nun für alle klar.