PDA

Vollständige Version anzeigen : Ambivalenz der Moral und deren Sinnlosigkeit



Apotheos
23.01.2010, 15:37
Mir grad noch etwas eingefallen... Moral! Moral ist darum unsinnig, weil sie ja von einer bestimmten Prämisse ausgeht, etwas bestimmtes voraussetzt, es sogar naturalisiert und sagt die Wirklichkeit wäre SO und nicht anders, müsste SO sein und dürfte nicht anders sein. Dabei können sich verschiedene Moralvorstellungen sogar Widersprechen und beide von sich glauben, sie seien richtig.

Beispiel, um die Unsinnigkeit von Moral zu beweisen:

"Ein Nazi glaubt ein Jude sei minderwertig, ein Parasit und darum müsse man ihn als logischen Feind der deutschen Herrenrasse auslöschen. Das ist im Rahmen der rassistisch-antisemitischen Morallogik richtig und konsequent ( ! ), es wäre sogar unmoralisch aus Sicht eines Nazis, dies nicht zu tun, da Juden ja als Parasit und Feind des deutschen Volkes, das eigene Volk vernichten oder diesem jedenfalls Schaden zufügen"

Ein Jude oder ein Nicht-Antisemit würde dies wieder rumdrehen, etwa ein Humanist, der nicht der Ansicht ist, dass Juden so sind und mir Schaden zufügen, der also andere Moralvorstellungen besitzt. ( oder gar keine, sondern Ideale so wie ich ) Aus dessen Sicht wäre es wiederum unmoralisch Juden zu töten, weil sie angeblich minderwertig und schlecht seien ( ! ), da es für ihn nicht mit der Natur/Wirklichkeit übereinstimmt.

Moral wird also immer wieder naturalisiert und als wirklich vorausgesetzt, obwohl sie das nicht ist, gar nich sein kann, sonst würden wir nicht über verschiedene Moralsystem nachdenken müssen! Ein Jude kann selbstverständlich schlecht sein, ein deutscher Arier aber auch. :rolleyes: Insofern können beide mir Schaden zufügen und aus meiner Sicht wäre es gerechtfertigt mich gegen beide zu wehren.

Man erkennt sehr schnell, dass Moral also keinen Wert besitzt, sie nicht absolut existiert, sondern nur historisch produziert wird. Moral ist ambivalent, da aber eine Diskussion über Moral nur insofern sinnvoll ist, da es natürliche Anhaltspunkte gibt was moralisch ist und was nicht, ist eine positive Moraldiskussion also sogar unsinnig.

Sauerländer
23.01.2010, 15:48
Man erkennt sehr schnell, dass Moral also keinen Wert besitzt, sie nicht absolut existiert, sondern nur historisch produziert wird.
Damit sind wir in zwei Schritten, die alles andere als weit sind (um es vorsichtig zu formulieren), beim Nihilismus.

Apotheos
23.01.2010, 15:54
Damit sind wir in zwei Schritten, die alles andere als weit sind (um es vorsichtig zu formulieren), beim Nihilismus.

Nein. Ich unterscheide zwischen Idealismus und Moral. Moral soll eine Lehre davon geben was richtig und falsch ist, in Wirklichkeit vermutet sie aber nur, was richtig oder falsch sei. Insofern lässt sich von keiner richtigen, logischen Moral sprechen, sondern nur von....

Vernunft, vernünftigem Verhalten, vernünftigen Normen, die ein harmonisches Zusammenleben ermöglichen, dem Einzelnen die Chance geben sich zu entfalten.
Hier sollte unterschieden werden zwischen Idealen aus der Vernunft, die eben nicht verabsolutiert werden, sondern rein relativistisch sind ( bzw. "Ethik" ) und Moral, als naturalisiertes Wertvorstellungssystem.

marc
23.01.2010, 16:01
Nein. Ich unterscheide zwischen Idealismus und Moral.
(...)
( bzw. "Ethik" )

Ich würde auch eher zwischen Ethik und Moral als zwischen Moral und Idealismus unterscheiden.


In der Moral geht es um die subjektive Wertigkeit von Menschen vor dem Hintergrund vermeintlich vorgegebener metaphysischer Beurteilungskriterien (gut und böse), in der Ethik hingegen um die objektive Angemessenheit von Handlungen anhand intersubjektiv festgelegter und immer wieder neu festzulegender Spielregeln (fair oder unfair).


Ein weiterer fundamentaler Unterschied von Ethik und Moral betrifft die jeweiligen Anwendungsgebiete. Ethische Argumentation zielt auf die faire Lösung von Interessenkonflikten zwischen Personen bzw. zwischen Personen und ihrer nichtpersonalen Umwelt und ist insofern nur sinnvoll, wenn mindestens zwei Akteure mit widerstrebenden Interessen vorhanden sind. Daraus folgt, dass man sich selbst gegenüber sich nicht unethisch verhalten kann. Das Ausleben eigennütziger Bedürfnisse avanciert nur dann zu einem Problem der Ethik, wenn es mit Kosten auf der Seite anderer Personen (oder der nichtpersonalen Umwelt) verbunden ist.
Demgegenüber behaupten Moralisten jedoch, dass man sich auch gegen sich selbst „versündigen“ könne, dass bestimmte Verhaltensweisen prinzipiell unmoralisch seien – selbst, wenn niemand (außer vielleicht man selbst) Schaden daran nehme. Diese Differenz von ethischer und moralischer Argumentation hat weitreichende Konsequenzen für das Selbstbestimmungsrecht des Menschen.
Am deutlichsten zeigt sich dies vielleicht auf dem Gebiet der Sexualität: Aus ethischer Perspektive (Beurteilungskriterium: fair / unfair) ist es völlig irrelevant, ob ein Mensch homosexuelle Partnerschaften pflegt, ob er masturbiert, Oral- oder Analverkehr praktiziert, aus moralischer Perspektive jedoch (gut / böse) werden diese Handlungen häufig als „besonders verwerflich“ eingestuft und – sofern Moralisten die erforderliche Macht dazu haben – auch rigoros unterbunden (nicht ohne Grund sind homosexuelle Handlungen auch heute noch dort, wo [religiöse] Moralisten uneingeschränkt das Sagen haben, mit der Todesstrafe belegt).



Der für den Moralismus unverzichtbare Körper-Geist-Dualismus ist eine empirisch widerlegte Fiktion. Deshalb ist es auch nicht erstaunlich, dass die moralisch intendierte Eliminierung des Eigennutzes niemals gelingen kann. Mehr noch: Gerade unter moralistischen Bedingungen neigt der Eigennutz dazu, besonders niederträchtige und unkontrollierbare, hinter scheinbar „ehrbaren Motiven“ verdeckte Formen anzunehmen (Kreuzfahrer, die „für Gott streiten“ – und sich doch nur selbst bereichern, „unterwürfige Diener des Proletariats“, die sich wie die schlimmsten Aristokraten an den Früchten der Arbeit anderer Menschen vergreifen etc.). Naturalistische Ethiker lehnen solche moralistischen Ablenkungsmanöver ab. Sie orientieren sich stattdessen an der gut belegten, illusionslosen Formel der Soziobiologie: „Traue keinem erhabenen Motiv, wenn sich nicht auch ein handfesteres finden lässt“.




Aus all diesen Gründen können evolutionäre Humanisten in ihrer Ethik auf die vermeintlichen Hilfestellungen einer „Moral“ getrost verzichten. Sie haben begriffen, dass es sinnlos ist, den Eigennutz, das Grundprinzip des Lebens und damit auch die Quelle aller Kreativität, Freundschaft und Liebe, bekämpfen zu wollen. Deshalb konzentrieren sie sich auf die gesellschaftlichen Spielregeln, die jenseits aller biologischen Verhaltenspräferenzen dafür verantwortlich sind, welche Gestalt der Eigennutz im sozialen Miteinander annimmt.
Tragischerweise ist es in der bisherigen Geschichte nur unzureichend gelungen, den Eigennutz in den Dienst der Humanität zu stellen. Dies zu ändern, ist das erklärte Ziel des evolutionären Humanismus und auch die größte ethische, ökonomische und politische Herausforderung unserer Zeit.
http://www.giordano-bruno-stiftung.de/human/manethik.htm

Sauerländer
23.01.2010, 16:20
Nein. Ich unterscheide zwischen Idealismus und Moral. Moral soll eine Lehre davon geben was richtig und falsch ist, in Wirklichkeit vermutet sie aber nur, was richtig oder falsch sei. Insofern lässt sich von keiner richtigen, logischen Moral sprechen, sondern nur von....

Vernunft, vernünftigem Verhalten, vernünftigen Normen, die ein harmonisches Zusammenleben ermöglichen, dem Einzelnen die Chance geben sich zu entfalten.
Hier sollte unterschieden werden zwischen Idealen aus der Vernunft, die eben nicht verabsolutiert werden, sondern rein relativistisch sind ( bzw. "Ethik" ) und Moral, als naturalisiertes Wertvorstellungssystem.
Hier sehe ich eine in meinen Augen ebenfalls idealistisch angehauchte Überhöhung der Vernunft bzw ihre Verknüpfung mit ihr nicht unmittelbar zugehörigen Größen wie etwa Harmonie. Vernunft ist aus meiner Sicht ausschließlich ein Instrument. Das uns ermöglicht, Erfahrungen zu ordnen und uns vor allem den Weg anzuzeigen, wie wir am ehesten unsere jeweiligen Ziele verfolgen bzw was wir dann auf dem Weg zu denen zu erwarten haben. Die Vernunft selbst jedoch stiftet diese Ziele nicht selbst, sie ist ihnen klar nachgeordnet. Insofern gibt es keine vernünftigen Ziele, da bin ich ganz Dezisionist. Es gibt nur taugliche und weniger taugliche Methoden, bestimmte Ziele zu verfolgen. Genauso, wie Harmonie und Weltfrieden solche Ziele seien können, kann Macht, unstebrlicher Ruhm, völlig weltabgewandte Gemütsruhe oder einfach ein möglichst unauffälliges Leben bei möglichst sicherer materieller Versorgung ein solches Ziel sein.

Wir können natürlich gegen eine solche Absolutheit beanspruchende Setzung die Verweigerung der Anerkennung setzen, eben mit dem Beharren darauf, das sei ja nur willkürliche Setzung. Was wir dem dann aber entgegensetzen können, ist kein Deut mehr als eben auch nur dies - eine willkürliche Setzung. Je mehr das ins wache Bewusstsein gehoben wird, sich also der Gedanke der Moral überhaupt relativiert, verliert jeder solche Versuch seine Bindekraft, und über "Weil ich das will" hinausgehend funktioniert es nicht mehr.

Waldgänger
24.01.2010, 13:33
Ich kann Sauerländers Ausführungen größtenteils zustimmen. Die Vernunft sollte nie absoluter Gratmesser sein.

Was ist die Vernunft? Was ist unvernünftig und was nicht? Letztlich ist es eine willkürliche Definition. Gerade wenn wir uns in die instrumentale Vernunft begeben und damit in die Problematik der Dialektik der Aufklärung wie es Adorno und Horkheimer beschrieben.

Schließlich geht es darum, dass der Mensch sich gar keinem abstrakten Prinzip mehr unterordnet. Das mag auf den ersten Blick als Nihilismus erscheinen, ist es aber nicht sofern die postmoderne Beliebigkeit dahinter verschwindet.

Das bedeutet, wenn der Mensch sich im anderen Menschen erkennt, authentisches menschliches Beisammen-Sein und die Entfaltung vielfältiger Fähigkeiten und Bedürfnisse in einem Verein freier Menschen umgesetzt werden können.

Die daraus resultierende Ethik, die keinen Moralismus und keine Gebote mehr benötigt speist sich aus den Lebensinteressen der Menschen selbst.

Oder um es mit Lao-tse zu sagen: Es gibt einzig den WEG.

:smoke:

(Hat zwar nur beiläufig damit was zu tun, wollte aber noch was extrem weises hineinwerfen *g)

-SG-
25.01.2010, 20:46
In einem Krieg kämpft immer Gut gegen Gut.

Und genauso möchte ich mal bei jedem dieser Entwürfe über die vernünftige, humanistische, freie, menschenrechtliche und wer weiß was noch Ordnung den jeweiligen Konkurrenzentwurf sehen, der sich als unvernünftig, unfrei, menschenverachtend usw. kennzeichnet. Tut niemand.
Und es ist dabei völlig egal, ob man das ganze Moral, Ethik, Idealismus oder Verein freier Menschen nennt.

Soetwas wie Moral funktioniert in einem gewachsenen Kulturkreis, wo, warum auch immer, gewisse Normen bei so gut wie allen internalisiert sind, und dann muss man auch gar keine Entwürfe machen und das Ganze zerreden, noch braucht man politikmachende Verfassungsgerichte und dergleichen.

Waldgänger
25.01.2010, 21:25
Gewisse menschliche Normen, und darauf baut bspw. Erich Fromms utopisch-radikaler Humanismus auf, teilt jede menschliche Gesellschaft, insoweit sie nicht von Verfallserscheinungen gezeichnet, oder geistig-seelisch krank ist.

Selbstverständlich bezeichnet sich jeder Verbrecher oder Kriegsagitator als „gut“ und im Sinne eines „größeren Ganzen handelnd“, sonst würde er es nicht tun. Da Krieg, Mord, Verelendung, Hunger, Ausbeutung, Unterdrückung, Lebensverachtung und Brutalität für den gesunden Menschenverstand als schlecht gelten, kann ein solcher Mensch behaupten was er will, seine Tat bleibt lebensfeindlich und somit verurteilenswürdig.

Und genau das ist der Gradmesser nach dem Handelnde zu beurteilen sind: Mehren sie das Leben, die Lebensqualität und die Sinne, oder wollen sie all das der Vernichtung preisgeben, auch wenn sie vielleicht gegenteiliges behaupten. Das geschieht aber nur, wenn die Ideologie in's Spiel kommt.

Wer die Wirklichkeit so nimmt, wie sie ist, dessen innerer Impuls kann nicht anders als lebensbejahend handeln, gerade wenn er das Leid der Welt spürt.

-SG-
27.01.2010, 13:41
Gewisse menschliche Normen, und darauf baut bspw. Erich Fromms utopisch-radikaler Humanismus auf, teilt jede menschliche Gesellschaft, insoweit sie nicht von Verfallserscheinungen gezeichnet, oder geistig-seelisch krank ist.

Selbstverständlich bezeichnet sich jeder Verbrecher oder Kriegsagitator als „gut“ und im Sinne eines „größeren Ganzen handelnd“, sonst würde er es nicht tun. Da Krieg, Mord, Verelendung, Hunger, Ausbeutung, Unterdrückung, Lebensverachtung und Brutalität für den gesunden Menschenverstand als schlecht gelten, kann ein solcher Mensch behaupten was er will, seine Tat bleibt lebensfeindlich und somit verurteilenswürdig.

Und genau das ist der Gradmesser nach dem Handelnde zu beurteilen sind: Mehren sie das Leben, die Lebensqualität und die Sinne, oder wollen sie all das der Vernichtung preisgeben, auch wenn sie vielleicht gegenteiliges behaupten. Das geschieht aber nur, wenn die Ideologie in's Spiel kommt.

Wer die Wirklichkeit so nimmt, wie sie ist, dessen innerer Impuls kann nicht anders als lebensbejahend handeln, gerade wenn er das Leid der Welt spürt.

Schön, dann muss ja "nur noch" jeder das selbe verstehen unter diesen Worten wie "Wirklichkeit", "Leben", "Lebensqualität", "Ausbeutung", "Lebensverachtung", "gesunder Menschenverstand" und das ganze Zeug.

Hannah Arendt schrieb Anfang der 50er, der Durchschnittsdeutsche leite die Schuld zurück bis Adam und Eva, und so ist es überall. Welcher Durchschnittsdeutsche hätte denn 1939 den Angriff auf Polen gutgeheißen, wenn er nicht überzeugt gewesen wäre, dass das Unrecht dort "angefangen" habe, mit dem Versailler Vertrag, dem Gebietsraub, den Vertreibungen usw., und für die Polen hat das Unrecht natürlich aber schon viel früher auf der anderen Seite begonnen, und so geht das tatsächlich weiter bis Adam und Eva.

Irgendwas findet sich doch immer und jeder Sachverhalt kann auf mehrere Arten völlig plausibel für die jeweiligen Parteien interpretiert werden.

Kein völlig willkürlicher Massenmord ist "lebensfeindlich" genug, als dass man ihn nicht auf irgendein "Schweinesystem", Imperialismus, Ausbeutung, irgendwelche sonstigen "Lebensfeindlichkeiten" "zurückführen" könne.

Und wenn es schon bei so scheinbar offensichtlichen Dingen nicht geht, kann man es sich ganz sparen, alltäglichere und noch zweideutigere Dinge auf irgendwelche "Gradmesser" hin zu interpretieren.

Waldgänger
27.01.2010, 18:25
Deshalb sprach ich davon, dass ideologische Indoktrination und Unfreiheit zu Verblendung und einem verzerrten Gradmesser führen.

Aber wenn es nach Deiner Meinung gar keine Gradmesser geben kann, wie soll ein menschliches Gemeinwesen dann existieren? Übrig bliebe der totale Konstruktivismus, die postmoderne Beliebigkeit, wie sie heute weitgehend bereits existiert.

Wenn Du sagst, es gibt keinen inneren Gradmesser, bräuchte es wirklich der Schulung in Werte und einer festen Ordnung, damit die Menschen sich nicht den Schädel einschlagen.

-SG-
28.01.2010, 10:17
Deshalb sprach ich davon, dass ideologische Indoktrination und Unfreiheit zu Verblendung und einem verzerrten Gradmesser führen.

Aber wenn es nach Deiner Meinung gar keine Gradmesser geben kann, wie soll ein menschliches Gemeinwesen dann existieren? Übrig bliebe der totale Konstruktivismus, die postmoderne Beliebigkeit, wie sie heute weitgehend bereits existiert.

Wenn Du sagst, es gibt keinen inneren Gradmesser, bräuchte es wirklich der Schulung in Werte und einer festen Ordnung, damit die Menschen sich nicht den Schädel einschlagen.

Das ist es ja, einen "verzerrten Gradmesser" kann es nicht geben, da es keinen "obersten Gradmesser" im Sinne eines Maßstabes der Maßstäbe gibt.

Vorstellungen vom Richtigen und Falschen existieren in einer menschlichen Gemeinschaft als Überliefertes, bei manchem beruft man sich auf Gott, meistens aber kennt man den Ursprung der jeweiligen Sitte überhaupt nicht.

Sobald man anfängt, das zu zerreden, "kritisch zu hinterfragen", den "gesunden Menschenverstand" anzulegen und dergleichen, ist es schon zu spät.
Dann kommt nämlich wirklich die ideologische Indoktrination. Die eigene oder eine andere Tradition erklärt man anhand irgendwelchen willkürlichen Maßstäben für "falsch" und will dann gewaltsam den neuen Menschen herbeierziehen.

Waldgänger
28.01.2010, 22:53
Wieso ist es Ideologie, wenn ich die Tradition hinterfrage? Schließlich ist es ja der Mensch, der diese geschaffen hat, und sie muss nicht immer richtig sein. Es geht weniger um richtig oder falsch, sondern darum, ob die jeweilige Tradition dem Entwicklungsstand der Gesellschaft und den Bedürfnissen der in dieser Gesellschaft lebenden Menschen entspricht. Aber die Erkenntnis verbieten weil sie sonst alles zerstört, was einem lieb und teuer ist?

Ich würde bezweifeln, dass eine solche Gesellschaft existieren könnte. Schließlich liegt es in der menschlichen Selbstentfaltungs-Tendenz Dinge zu hinterfragen und zu wissen, weshalb dieses oder jenes so ist, das erleben wir bereits bei Kindern.

Ich behaupte also, über Werte wird eine Gesellschaft, welche die Aufklärung durchschritten hat, nicht mehr zusammengehalten werden können. Das kritische Hinterfragen wird bleiben, ob wir wollen, oder nicht.

Es geht überhaupt nicht um idealistische Werte. Es muss darum gehen einen realen und materiell-gesellschaftlichen Lebenszusammenhang herzustellen, worin das menschliche Miteinander eines der ersten Bedürfnisse des Menschen ist (Intersubjektivität).

Eine Art post-postmoderner Humanismus.

Edit: Wie verhält es sich Deiner Meinung nach mit der Mystik, also den spirituellen Lehren, allen voran denen des Buddhismus, eines Meister Eckhart, oder den philosophischen Überlegungen Lao-tses und Heraklits? Dort heißt es, dass jede Tradition, jedes Heiligtum einzig Vorstellungen der Gedankenwelt sind, die verhindern, dass der Mensch erwacht, d.h. die Wirklichkeit so sieht, wie sie ist.

-SG-
29.01.2010, 12:24
Wieso ist es Ideologie, wenn ich die Tradition hinterfrage? Schließlich ist es ja der Mensch, der diese geschaffen hat, und sie muss nicht immer richtig sein. Es geht weniger um richtig oder falsch, sondern darum, ob die jeweilige Tradition dem Entwicklungsstand der Gesellschaft und den Bedürfnissen der in dieser Gesellschaft lebenden Menschen entspricht. Aber die Erkenntnis verbieten weil sie sonst alles zerstört, was einem lieb und teuer ist?
Du sagst es ja selbst, "richtig" kann sie nicht sein in einem wertenden Sinne, sie ist höchstens praktisch, weil sie sich bewährt hat und den Haufen zusammenhält.
Beim "Entwicklungsstand einer Gesellschaft" kann man natürlich Technik usw. gelten lassen. Dass irgendwelche von bestimmten Berufen induzierten Traditionen oder anderes infolge der technischen Entwicklung verschwinden, ist klar. Aber einen moralischen Entwicklungsstand, falls Du darauf abzielst, im Sinne von "wir dürfen in einer modernen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts doch bitte nicht mehr dies und das" gibt es nicht.




Ich würde bezweifeln, dass eine solche Gesellschaft existieren könnte. Schließlich liegt es in der menschlichen Selbstentfaltungs-Tendenz Dinge zu hinterfragen und zu wissen, weshalb dieses oder jenes so ist, das erleben wir bereits bei Kindern.

Ich behaupte also, über Werte wird eine Gesellschaft, welche die Aufklärung durchschritten hat, nicht mehr zusammengehalten werden können. Das kritische Hinterfragen wird bleiben, ob wir wollen, oder nicht.


Wir hinterfragen das wenigste dessen, was uns anerzogen (oder vererbt) wurde. Mal ein einfaches Beispiel: Warum finden wir (ich nehme an, ich kann Dich da einschließen) es "unsittlich", wenn jemand am hellichten Tage in der Fußgängerzone den Geschlechtsakt vollzieht? Lässt sich das aus irgendeiner intersubjektiven humanistischen Entwurfsethik ableiten? Wohl kaum. Und so ist es bei den meisten Dingen, die "man" macht. Und genauso war es noch vor 50 Jahren unhinterfragt selbstverständlich, dass man erst heiratet, bevor man zusammenzieht und beide den Namen des Mannes annehmen usw. usf.

Das ist heute nicht mehr selbstverständlich, und man könnte meinen, das sei so, weil wir diese doch wohl unnütze Tradition "hinterfragt" haben. Für die Generationen davor ging es jedoch nicht um die "Nützlichkeit" oder "Richtigkeit" einer solchen Sitte - man hat sie einfach unhinterfragt befolgt, weil man sie so internalisiert hat. Das schafft Erwartungssicherheit und Vertrautheit - und Befremdnis, wenn es wegbricht.

Und so wird es uns auch gehen, wenn unsere Enkel dies und jenes "hinterfragen" und anfangen, dies und jenes zu praktizieren, z.B. dass Frauen im Sommer ganz oben ohne herumlaufen, Männer mit durchsichtigen Shorts, auf Beerdigungen wird gesungen (willkürliche Beispiele) usw. - was uns völlig gegen das sittliche Gefühl geht, aber ohne dass wir einen "rationalen" Grund gegen dieses Hinterfragen anbringen könnten.

Dann stehen wir da und fühlen uns fremd und unsere Enkel halten uns entgegen: Macht Euch mal locker ihr versteiften Ewiggestrigen, das ist post-postmoderner Humanismus alter was wir hier machen.


Es geht überhaupt nicht um idealistische Werte. Es muss darum gehen einen realen und materiell-gesellschaftlichen Lebenszusammenhang herzustellen, worin das menschliche Miteinander eines der ersten Bedürfnisse des Menschen ist (Intersubjektivität).

Eine Art post-postmoderner Humanismus.

Edit: Wie verhält es sich Deiner Meinung nach mit der Mystik, also den spirituellen Lehren, allen voran denen des Buddhismus, eines Meister Eckhart, oder den philosophischen Überlegungen Lao-tses und Heraklits? Dort heißt es, dass jede Tradition, jedes Heiligtum einzig Vorstellungen der Gedankenwelt sind, die verhindern, dass der Mensch erwacht, d.h. die Wirklichkeit so sieht, wie sie ist.
Also da kenne ich mich zuwenig aus bzw. war bislang nicht der Auffassung, dass dies die Essenz der Lehren von Meister Eckhart oder Heraklit sei; falls es so ist, kann ich damit nichts anfangen.

Waldgänger
29.01.2010, 18:32
Da ich wenig Zeit habe will ich es kurz runterreißen. Moral und Recht sind Emergenzen der gesellschaftlichen Entwicklungsstufe von Kultur, Sozialleben, Wissenschaft und Ökonomie.

Sobald sich die Gesellschaft verändert, was unabdingbar ist, da alles im stetigen Wandel ist (was nicht heißen muss, dass alles was den Titel „fortschrittlich“ trägt positiv zu bewerten ist), ändert sich das Moral- und Rechtsgefüge in ihr. Moral und Recht sind sozusagen, im gesamtgesellschaftlichen Durchschnitt betrachtet, das ideelle Spiegelbild der materiell-kulturellen Verhältnisse.

Ich verstehe unter einer bewussten und offenen Gesellschaft jene, die jedem die Möglichkeit lässt seine Fähigkeiten und Bedürfnisse zum Wohl des Gemeinwesens zu entfalten, wobei die Entfaltungsgrenze des Inviduums dort endet, wo die Grenze des anderen anfängt.

Jede Gesellschaft, in welcher der Mensch ein verächtliches, geknechtetes, ein verlassenes und unterdrücktes Wesen ist, muss umgestoßen und durch humane Verhältnisse ersetzt werden. Dieses Axiom ist bewusst ohne Ableitung gesetzt, denn wie Du sagst, kann dieses nur aus der Ethikvorstellung der jeweiligen Gesellschaft selbst abgeleitet werden.

Da dieses Axiom aber die größte Offenheit ermöglicht ohne in Moralismus oder postmoderner Beliebigkeit zu versinken, weil die elementare Würde des Menschen darin festgesetzt ist, könnte mit diesem Axiom die größmögliche Übereinkunft getroffen werden. Genau genommen sehe ich in diesem die einzig universal aufstellbare Regel, die nicht individuellen Vorlieben folgt, und andererseits keinen grenzenlosen Individualismus predigt.

Eine Rückkehr zu prämodernen Werten, Gottgläubigkeit, Traditionalismus im strengen Sinn etc., wäre m.E. nur drin, wenn die Produktivkräfte und die bisherige gesellschaftliche Aufklärung zurückgeschraubt bzw. einfach vergessen oder verboten würde. Ein Unterfangen, das ich für weder durchführbar, noch wünschenswert erachte.

Aber nehmen wir an, es wäre möglich, dann würde sich, so meine These, die bisherige Entwicklung irgendwann wiederholen, und wir wären, in einer etwas anderen Konstellation uns Ausprägung, in einer ähnlichen Situation wie heute.

Dass die Jugend die Werte der vorherigen Generation hinterfragt, das war seit Menschengedenken so. Durch den technologisch-wissenschaftlichen Fortschritt wurde dieser Prozess lediglich beschleunigt.

Ich kann Dir aber darin zustimmen, dass pubertäres Verwerfen aller hergebrachten Erfahrungen und Werte schädlich ist. Das Neue baut immer auf dem Alten, und dieses ist, mit einigen Abstrichen, zu schätzen.

Das Neue kann auf dem bisherigen Fundament aber nicht stehenbleiben, es hat das Recht und die Pflicht es weiterzuentwickeln, zu hinterfragen, und möglicherweise andere Wege zu gehen, ohne dabei die Leistungen des Alten, wovon die Folgegeneration zehrt, zu entehren.

Die Entwicklung der menschlichen Kultur aufhalten zu wollen, bzw. einen geschichtlichen Zustand zementieren, widerspricht der kulturellen Evolution des Menschen. Worum es gehen kann und muss, ist diese bewusst zu lenken, und zwar dahingehend, welche Neuerungen wir annehmen wollen, und welche nicht.

-SG-
01.02.2010, 09:00
[...]

Ich verstehe unter einer bewussten und offenen Gesellschaft jene, die jedem die Möglichkeit lässt seine Fähigkeiten und Bedürfnisse zum Wohl des Gemeinwesens zu entfalten, wobei die Entfaltungsgrenze des Inviduums dort endet, wo die Grenze des anderen anfängt.
[...]

Da dieses Axiom aber die größte Offenheit ermöglicht ohne in Moralismus oder postmoderner Beliebigkeit zu versinken, weil die elementare Würde des Menschen darin festgesetzt ist, könnte mit diesem Axiom die größmögliche Übereinkunft getroffen werden. Genau genommen sehe ich in diesem die einzig universal aufstellbare Regel, die nicht individuellen Vorlieben folgt, und andererseits keinen grenzenlosen Individualismus predigt.


Das hört sich ja immer schön an, in der Praxis ist es gar nicht möglich, bei politischen Entscheidungen (die ja schon der Definition wegen gesamtgesellschaftlich sind), zwischen den individuellen "Entfaltungsgrenzen" zu unterscheiden. Das funktioniert nur auf dem Reißbrett.

Man kann daher auch keine Gesellschaft moralisch mit dem kategorischen Imperativ zusammenhalten.
Ob ich z.B. Abtreibung unter Strafe stellen will oder nicht, und wenn ja unter welchen Bedingungen, ab welchem Monat, nur bei Vergewaltigungen oder Minderjährigen usw. usf., das lässt sich nicht mittels Logik einer Entfaltungsgrenze bestimmen.

Anderes simples und aktuelles Beispiel. Man kann dagegen sein, dass sich Frauen vollverschleiern (Unterdrückung = gegen ihre Selbstentfaltung), oder man kann sagen: Das ist deren Sache (Vorschrift = gegen ihre Selbstentfaltung).
Wie auch immer man sich entscheidet, wäre aktuell wohl keiner dafür, die Bedeckung des Unterleibes in der Öffentlichkeit zu ahnden bzw. ihr Unterlassen zu gebieten oder auch nur zu erlauben.

Das Beispiel zeigt, dass implizit schon immer irgendwelche Einschränkungen der individuellen Enfaltung vorausgesetzt werden, bewusst oder unbewusst, und so banal die Beispiele auch sein mögen.
Manche wollen z.B. Burkas als Verhüllungen verbieten, wollen aber wie gesagt bestimmt nicht Hosen verbieten. Das ist also schon ein normativer bias, der auf keine Logik und kein moralphilosophisches Prinzip rekurrieren kann. Andere wollen wiederum Burkas erlauben, würden es aber nicht erlauben, unten ohne herumzulaufen - wieder ein normativer bias. Zwei scheinbar entgegengesetzte Standpunkte, keiner mit Kant'schen Prinzipien rechtfertigbar.

Und wenn das Beispiel zu banal ist: Das ganze funktioniert nicht mal bei Mord. Was sind denn die konkreten Streitpunkte in westlichen Gesellschaften diesbezüglich, die sind ja nicht, ob Mord grundsätzlich die Freiheit des anderen einschränkt oder nicht, aber da geht es z.B. darum, ob man Leute umbringen dürfe, die selbst Verbrechen verübt haben (Todesstrafe); ob man z.B. gekaperte Passagierflieger abschießen darf und damit Tötungen vornehmen darf, um andere zu verhindern; ob und unter welchen Voraussetzungen man aus Notwehr töten darf (gar nicht so unkontrovers, wie man annehmen könnte: Fall 1 (http://www.politikforen.net/showthread.php?t=71409&highlight=Notwehr), Fall 2 (http://www.politikforen.net/showthread.php?t=84409&highlight=Notwehr), Fall 3 (http://www.politikforen.net/showthread.php?t=85924&highlight=Notwehr)); ob und wann Polizisten durch Waffeneinsatz Tötungen riskieren dürfen (z.B. der erschossene Brasilianer kurz nach den Londoner Anschlägen 2005), wann Soldaten töten dürfen, usw. - das alles sind die normativen Prozesse, die ausgehandelt werden müssen, und da gibt es nirgends Standards à la: Ist doch einfach, was die Freiheit anderer einschränkt ist nicht erlaubt, alles andere ist erlaubt. Mal ganz zu schweigen von denen, die es z.B. ohne weiteres zum allgemeinen Gesetz erheben würden, Ungläubige zu töten, oder rassisch Minderwertige oder was weiß ich.
Nicht mal bei so was grundlegendem wie Mord kommen wir da weit, wie soll es dann bei alltäglicheren Enscheidungen funktionieren?

Sowas funktioniert auf dem Schreibtisch, aber nicht in der Realität.

Und darum ist auch so gut wie jede moralphilosophische Abhandlung das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben, und jeglicher "Menschenrechts"diskurs in der internationalen Politik Schund.


Das Neue kann auf dem bisherigen Fundament aber nicht stehenbleiben, es hat das Recht und die Pflicht es weiterzuentwickeln, zu hinterfragen, und möglicherweise andere Wege zu gehen, ohne dabei die Leistungen des Alten, wovon die Folgegeneration zehrt, zu entehren.

Die Entwicklung der menschlichen Kultur aufhalten zu wollen, bzw. einen geschichtlichen Zustand zementieren, widerspricht der kulturellen Evolution des Menschen. Worum es gehen kann und muss, ist diese bewusst zu lenken, und zwar dahingehend, welche Neuerungen wir annehmen wollen, und welche nicht.
Evolution ist wie gesagt ein gradueller Prozess, der sich durch eine hohe Pfadabhängigkeit auszeichnet, sonst wäre er nich evolutionär sondern stochastisch bzw. chaotisch. Dies bewusst zu lenken kann man probieren, wird aber in den meisten Fällen nicht viel nützen, da die normtiven Dispositionen meist unbewusst entstehen. Meist führen bewusste Änderungsentwürfe (zumal auf "rationalen Prinzipien" aufbauend) nur zur Erosion.

Waldgänger
02.02.2010, 05:33
Du hast damit nur beschrieben, dass jedes Axiom abhängig vom Entwicklungsstand der Gesellschaft ist, und weiter? Es geht um praktische Lösungen. Weiter oben habe ich die Unwahrscheinlichkeit und Unmöglichkeit einer Rückkehr zum traditionalistischen Kulturverständnis erklärt. Eine wirkliche Alternative die brauchbar und praktikabel wäre hast Du nicht formuliert.

Ich würde meinen, eine Gesellschaft, die weiterhin abstrakt und indirekt vermittelt ist (siehe Warenfetisch, Wertgesetz), wird nicht in der Lage sein einen vollkommenen Humanismus zu verwirklichen. Es geht vielmehr um ein Optimum, das im Bereich des Möglichen liegt und Grundlage einer radikal-realen Utopie sein einer transparenten und freien Gesellschaft sein könnte.

Warum rationale Prinzipien zur Erosion führen sollten erschließt sich mir nicht. Das gesellschaftliche Leben mag zwar evolutionär verlaufen, kann aber nicht mit der biologischen Evolution in eins gesetzt werden. Ebenso könnte die Behauptung im Raum stehen, dass gewisse Probleme nur bestehen, weil wir nicht genug Aufklärung genossen haben, und diese auf halber Strecke stehen geblieben ist.

Des Weiteren baut die biologische Evolution keineswegs immer auf dem Vorigen auf, sie verwarf einige Konstrukte und andere setzen sich durch.

Gryphus
02.02.2010, 12:24
Moral als solche ist nicht sinnlos, sie ist der Handelskodex der Menschenheit und Teil seiner Erhabenheit über andere Lebewesen - die Fähigkeit zwischen Richtig und Falsch auf einer kollektiven Basis und der Einbindung in diese unterscheiden zu können. Nur sind moralische Vorstellungen von Person zu Person unterschiedlich und sie selbst unterschiedlich ausgeprägt. Moral ist somit zwar nicht sinnlos, aber eben auch nicht wirklich ultimativ.

-SG-
02.02.2010, 12:45
Du hast damit nur beschrieben, dass jedes Axiom abhängig vom Entwicklungsstand der Gesellschaft ist, und weiter?

Nein, ich habe beschrieben, dass jede konkrete Ausgestaltung der Lebenswirklichkeit in einer Gesellschaft nicht mit abstrakten Prinzipien einer Moralphilosophie zu leisten ist. Mit einem Entwicklungsstand hat das nichts zu tun.


Es geht um praktische Lösungen. Weiter oben habe ich die Unwahrscheinlichkeit und Unmöglichkeit einer Rückkehr zum traditionalistischen Kulturverständnis erklärt. Eine wirkliche Alternative die brauchbar und praktikabel wäre hast Du nicht formuliert.

Ich habe keine Alternative anzubieten, wie auch, es gibt ja kein objektives Kriterium anhand dessen ich irgendeinen Entwurf auswählen könnte (Glück der Meisten, Humanismus, Selbstverwirkllichung, Freiheit u.dgl. trara).

Es ist letztendlich egal, welche moralischen Normen, Werte und Bräuche vorherrschen, es ist nur wichtig, dass gewisse vorherrschen und die allgemeinverbindlich sind und von allen geteilt werden.

Wer "transparente und freie Gesellschaft" sagt, will im Regelfall betrügen und seine eigenen Vorstellungen durchsetzen und das ganze rhetorisch mit einem abstrakten Prinzip schmücken, unter dem jeder etwas anderes versteht und das für konkrete Ausgelstaltungen keine Anweisungen ableiten lässt.


Des Weiteren baut die biologische Evolution keineswegs immer auf dem Vorigen auf, sie verwarf einige Konstrukte und andere setzen sich durch.
Ja, letzteres kennzeichnet den Begriff Evolution, und trotzdem baut es immer auf dem Vorigen auf im Sinne einer Pfadabhängigkeit, wie ein Börsenkurs, und nicht wie ein stochastischer Scatterplott, wie uns die Verfechter einer "ständigen Revolution" glauben machen wollen.

Senator74
02.02.2010, 17:51
Damit sind wir in zwei Schritten, die alles andere als weit sind (um es vorsichtig zu formulieren), beim Nihilismus.

Aus der Sicht der ETHIK ist Moral jene Instanz,die dir vorgibt,was zu tun ist,um gemäß den Werten der Sittlichkeit in der menschlichen Gemeinschaft zu leben!!

Senator74
02.02.2010, 17:54
Moral als solche ist nicht sinnlos, sie ist der Handelskodex der Menschenheit und Teil seiner Erhabenheit über andere Lebewesen - die Fähigkeit zwischen Richtig und Falsch auf einer kollektiven Basis und der Einbindung in diese unterscheiden zu können. Nur sind moralische Vorstellungen von Person zu Person unterschiedlich und sie selbst unterschiedlich ausgeprägt. Moral ist somit zwar nicht sinnlos, aber eben auch nicht wirklich ultimativ.

Moralische Richtlinien sind allgemein verbindlich,die Vorstellungen individuell,aber im Zweifelsfall nicht relevant...sittliche Normen/Gesetze sorgen für die Verhaltensrichtlinien...

Waldgänger
02.02.2010, 21:23
Nein, ich habe beschrieben, dass jede konkrete Ausgestaltung der Lebenswirklichkeit in einer Gesellschaft nicht mit abstrakten Prinzipien einer Moralphilosophie zu leisten ist. Mit einem Entwicklungsstand hat das nichts zu tun.

Du würdest also behaupten, erst kommt die Moral, dann die gesellschaftliche Ausgestaltung? Ist es nicht vielmehr andersherum, dass die moralischen Vorstellungen einer Gesellschaft ihrem Entwicklungsstand und den in ihr stattfindenden Prozessen entspricht?


Wer "transparente und freie Gesellschaft" sagt, will im Regelfall betrügen und seine eigenen Vorstellungen durchsetzen und das ganze rhetorisch mit einem abstrakten Prinzip schmücken, unter dem jeder etwas anderes versteht und das für konkrete Ausgelstaltungen keine Anweisungen ableiten lässt.

Dazu verweise ich auf einen m.E. sehr brauchbaren Ansatz, der versucht diese Problematik in einem post-postmodernen Sinn zu beantworten.

„Neomodernen Boden unter den Füßen: Der Standpunkt des radikalen Humanismus

Wie oben angedeutet: Die neomoderne Position unterscheidet sich von ihren prämodernen, modernen und postmodernen Vorläuferinnen darin, daß die Letztbegründung, auf der sie aufbaut, ganz bewußt sichtbar gemacht wird. Das Engagement, auf dem neomodernes Denken, neomoderne Erkenntnis beruht, ist schonungslos offengelegt.

Das heißt: Es wird nicht verschwiegen, daß neomodernes Denken - wie jedes Denken - notwendigerweise auf willkürlich festgelegten, moralischen Axiomen gründet. Ein solches Axiom ist nicht zu begründen, denn es bildet erst die Grundlage für Begründungen. Es befindet sich also sozusagen im „argumentationsfreien Raum", muß losgelöst von Argumentation eingesehen werden. (Der Begriff „axiomatische Evidenz" versucht bekanntlich (mehr schlecht als recht?) aus dieser Not eine Tugend zu machen.)

Wenn aber nun Axiome aus gutem Grund unbegründet und damit beliebig sind, so ist es sinnvoll, so wenige axiomatische Setzungen vorzunehmen, wie das nur irgend möglich ist. (Man sollte den axiomatischen Schopf Münchhausens auf keinen Fall überstrapazieren!) Die hier zu entwickelnde neomoderne Position beruht daher auf einer einzigen, wenn auch komplexen, axiomatischen Setzung, einer Setzung, die ich in kritischer Anlehnung an M. N. ROY und Erich FROMM als radikal-humanistisch bezeichne:

Die Humanistische Basis-Setzung (HBS)

ALLE MENSCHEN (ungeachtet welcher Gruppe sie angehören - auch die kommenden Generationen werden hier mit einbezogen!) SIND GLEICHBERECHTIGT UND FREI IN IHREM STREBEN, IHRE INDIVIDUELLEN VORSTELLUNGEN VOM GUTEN LEBEN IM DIESSEITS ZU VER-WIRKLICHEN, SOFERN DADURCH NICHT DIE GLEICHBERECHTIGTEN INTERESSEN ANDERER IN MITLEIDENSCHAFT GEZOGEN WERDEN, UND ES IST DIE UNAUFKÜNDBARE AUFGABE EINES JEDEN MENSCHEN MIT ALLEN ZUR VERFÜGUNG STEHENDEN KRÄFTEN DAZU BEIZUTRAGEN, DASS MÖGLICHST WENIGEN (IM IDEALFALL: NIEMANDEM) DIE INANSPRUCHNAHME DIESES FUNDAMENTALEN RECHTS VERSAGT BLEIBT.

---

Wie gesagt: Dieser Satz, der als wahr und universell gültig gesetzt wird, kann als Axiom nicht bewiesen, nicht begründet werden. Ich möchte jedoch einige Aspekte erläutern:

Der Konstruktivismus nötigt uns zu der Einsicht, daß wir keine gültigen Kriterien besitzen, um genau inhaltlich zu definieren, was gutes Leben im Diesseits sei. Die Bandbreite der unterschiedlichen Konstruktionen von gutem Leben wird neomodern also zunächst nicht begrenzt durch die Überzeugung, daß es eine einheitlich-verbindliche Vorstellung von gutem Leben gibt oder geben sollte. Hier gilt - ich betone: zunächst!- der postmoderne Maßstab des subjektiven Geschmacks. Die zentrale Frage lautet: Does ist feel good?

Allerdings - und das ist nun der entscheidende Unterschied zur Ethik der Postmoderne - findet diese postmoderne Beliebigkeit ihre Grenzen dort, wo die Möglichkeiten anderer, ihre Vorstellungen von gutem Leben zu verwirklichen, in Mitleidenschaft gezogen werden. Aus dem Recht, dem Anspruch auf die Möglichkeit der Verwirklichung individueller Lebenskonzepte, einem Recht, das für alle gilt, erwächst auch eine Pflicht, die für alle gelten muß:

Der radikale Humanismus der Neomoderne verpflichtet den Menschen dazu, nicht nur Rücksicht auf die gleichberechtigten Ansprüche anderer zu nehmen, sondern auch nach Kräften verändernd tätig zu werden, wenn erkennbar ist, daß die Rechtsansprüche anderer ungerechtfertigt durch direkte, strukturelle oder kulturelle Gewalt bedroht werden.

Die politische Maxime des Radikalen Humanismus entspricht also dem MARXschen kategorischen Imperativ, der verlangt, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist."

Hierbei ist wichtig anzumerken, daß die Formulierung „alle Verhältnisse" in der hier vorgeschlagenen Konzeption auch wirklich alle Verhältnisse meint. Das heißt: Nicht nur die ökonomischen Verhältnisse werden angegriffen, sondern auch die Geschlechterverhältnisse, die Beziehungsverhältnisse von Eltern und Kindern, LehrerInnen/SchülerInnen usw.

Mit anderen Worten: Die hier verhandelte Maxime bezieht sich auf alle Ebenen des menschlichen Lebens, auf das Gebiet des Mikro-, Meso- und Makrokosmos, das heißt: auf die Ebene des Individuums, die Ebene der face-to-face-Beziehungen, sowie auf die Ebene der sozialen Strukturen/Institutionen, die über face-to-face-Kontakte hinausgehen. Es gibt kein Gebiet, auf dem Verstöße gegen die Humanität einfach hingenommen werden können. (...)

Wir sind durch diese Technisierung (= Entmoralisierung) der Debatte in der Lage, falsche Ideen (z.B. die Idee der offenbarten, objektiven Wahrheit) sterben zu lassen, bevor wir für falsche Ideen (z.B. in einem Glaubenskrieg) sterben müssen, realisieren also in diesem Punkte genau das, was Karl POPPER sich von einer „offenen Gesellschaft" erwünschte.

Mit anderen Worten: Die neomoderne Position ermöglicht, ja verlangt gegenüber der modernen eine wesentlich größere Offenheit und Experimentierfreudigkeit, einen größeren technischen Pluralismus. Sie ist den ständig sich ändernden Bedingungen unseres Lebens besser angepaßt. Im Gegensatz zum behäbigen Oldtimer „Moderne" ist sie also kompatibel zur unaufhaltsamen - aber steuerungsbedürftigen!- digitalen Revolutionierung aller Lebensverhältnisse.“

Quelle (http://www.schmidt-salomon.de/erk4.htm)

Gawen
02.02.2010, 21:53
Man erkennt sehr schnell, dass Moral also keinen Wert besitzt, sie nicht absolut existiert, sondern nur historisch produziert wird. Moral ist ambivalent, da aber eine Diskussion über Moral nur insofern sinnvoll ist, da es natürliche Anhaltspunkte gibt was moralisch ist und was nicht, ist eine positive Moraldiskussion also sogar unsinnig.

Die Weiber sind schuld!

Die wollen Sicherheit und Planbarkeit, damit sie in Ruhe werfen können. Moral ist also ein feministisches Regelwerk zur Vereinfachung und Absicherung der Fortpflanzung.

Je nach Herkunft wird Sicherheit anders wahrgenommen, Immigrantenfrauen empfinden Hartz IV offensichtlich als so sicher, dass sie sich rasend fortpflanzen.

Für Einheimische bedeutet die gleiche Absicherung Abstiegsangst und daher Brutverweigerung.


Sozialist wollen alle gleich arm machen, damit sie sich über die Almosen von Oben gleich freuen. Anarchisten sind zum Aussterben verdammt, weil ihre Weibchen nie werfen mangels irgendeiner Form von Sicherheit. :D

-SG-
03.02.2010, 11:26
Du würdest also behaupten, erst kommt die Moral, dann die gesellschaftliche Ausgestaltung? Ist es nicht vielmehr andersherum, dass die moralischen Vorstellungen einer Gesellschaft ihrem Entwicklungsstand und den in ihr stattfindenden Prozessen entspricht?


Nein nein, ich glaube schon, dass die Moralvorstellungen einer Gesellschaft von materiellen Umständen geprägt sind. Ich glaube nur nicht, dass es da eine Linearität gibt, die einem das Recht verleiht, von "Entwicklungsstand" zu sprechen.

Über den Zusammenhang von äußeren Umständen und Moral gibt es ja vielerlei Theorien und Axiome (A. Maslow, Ronald Inglehart und Co.), am treffendsten ist immer noch Nietzsche:
http://www.politikforen.net/showthread.php?t=72500


Zu dem "neomordernen" bzw. "radikal-humanistischen" Manifest:

Also zumindest ist schonmal lobenswert, dass die Prämissen axiomatisch gesetzt und als unbegründbar dargestellt werden, anstatt eine scheinbare Deduktion von irgendwelchen menschlichen Konstanten oder sonstwas durchzuführen.

Aber der Kern dieses Axioms, das klassisch liberale Argument von wegen Selbstentfaltung des Einzelnen, solange es die Selbstentfaltung anderer nicht einschränkt, ist einfach unbrauchbar.
Das hört sich nett an aber ist nichts als eine leere Worthülse, die überhaupt nichts zu regeln vermag.
Das ist doch eigenltich einsichtig, oder? Man nehme eine beliebige Streiterei über eine einzuschlagende Politikrichtung oder Gesetzesreform und lege die "neomoderne" Axiomatik als Maßstab an, da kommt man zu nichts und wieder nichts.

Politik ist, wie gesagt, schon qua definitione die kollektive, verbindliche Durchsetzung von Normen, der Zweck davon ist die Erwartbarkeit sozialen Handelns in Massengesellschaften, und dieses Geplänkel von wegen solange die Entfaltung meines Nächsten nicht tangiert ist usw. kann in der utopischen Lyrik seinen Platz finden aber nicht im realen Leben.

Waldgänger
03.02.2010, 12:22
@Chanan.

Nur dürfte es relativ unmöglich sein ein Absolutum zu setzen, das für jeden Bereich gilt, das einerseits individuelle Selbstentfaltung (bis zu einer gewissen Grenze) und in jeder denkbaren Situation eine konkrete Ausgestaltung gewährleistet. Die Gesellschaft wird sich m.E. also immer wieder neu auf gewisse Fragen verständigen müssen. Wozu es eine lebendigere und direkte Demokratie bedingen würde.

Meiner Prämisse nach muss weiterhin Ziel jeder Gesellschaft sein „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist." (Marx).

Aufgabe der Ethik ist einzig sich „in einer rationalen Diskussion auf Spielregeln (zu) einigen, wie wir Konflikte lösen. Wichtig ist, dass die Lösung fair ist - auch gegenüber nicht menschlichen Lebewesen, eben, weil wir den Menschen nicht als Krone der Schöpfung sehen." (Michael Schmidt-Salomon)

Senator74
03.02.2010, 15:02
@Chanan.

Nur dürfte es relativ unmöglich sein ein Absolutum zu setzen, das für jeden Bereich gilt, das einerseits individuelle Selbstentfaltung (bis zu einer gewissen Grenze) und in jeder denkbaren Situation eine konkrete Ausgestaltung gewährleistet. Die Gesellschaft wird sich m.E. also immer wieder neu auf gewisse Fragen verständigen müssen. Wozu es eine lebendigere und direkte Demokratie bedingen würde.

Meiner Prämisse nach muss weiterhin Ziel jeder Gesellschaft sein „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist." (Marx).

Aufgabe der Ethik ist einzig sich „in einer rationalen Diskussion auf Spielregeln (zu) einigen, wie wir Konflikte lösen. Wichtig ist, dass die Lösung fair ist - auch gegenüber nicht menschlichen Lebewesen, eben, weil wir den Menschen nicht als Krone der Schöpfung sehen." (Michael Schmidt-Salomon)

Nichts gegen die Definition von M.Schmidt-Salomon,aber Ethik hat umfassendere und essentiellere Aufgaben...

-SG-
03.02.2010, 15:27
@Chanan.

Nur dürfte es relativ unmöglich sein ein Absolutum zu setzen, das für jeden Bereich gilt, das einerseits individuelle Selbstentfaltung (bis zu einer gewissen Grenze) und in jeder denkbaren Situation eine konkrete Ausgestaltung gewährleistet. Die Gesellschaft wird sich m.E. also immer wieder neu auf gewisse Fragen verständigen müssen. Wozu es eine lebendigere und direkte Demokratie bedingen würde.

Meiner Prämisse nach muss weiterhin Ziel jeder Gesellschaft sein „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist." (Marx).

Aufgabe der Ethik ist einzig sich „in einer rationalen Diskussion auf Spielregeln (zu) einigen, wie wir Konflikte lösen. Wichtig ist, dass die Lösung fair ist - auch gegenüber nicht menschlichen Lebewesen, eben, weil wir den Menschen nicht als Krone der Schöpfung sehen." (Michael Schmidt-Salomon)

Solange diese Definitionen, Abhandlungen und Manifestos im wesentlichen Worthülsen aneinanderreihen (fair, rational, menschlich...), werden sie wie alles andere dazu gebraucht werden, Macht durchzusetzen und nichts weiter.

Waldgänger
04.02.2010, 12:21
Gut Chanan, könntest Du es anhand eines Beispiels verdeutlichen, wie es praktikabler sein könnte? Ich behaupte nämlich gleichermaßen mit Feuerbach und Marx, der Mensch könne sich nur im Menschen erkennen und alle Werte und Normen haben nur den Zweck das menschliche - und natürliche - Leben auf dieser Erde zu erhalten und zu entfalten.

Dabei ist es sinnvoll wenn diese Normen möglichst überschaubar sind und sich wissenschaftlich-rational begründen lassen. Abgesehen von der als universal und wahr gesetzten Humanistischen Basis-Setzung (siehe oben).

schastar
04.02.2010, 12:33
...Moral soll eine Lehre davon geben was richtig und falsch ist, in Wirklichkeit vermutet sie aber nur, was richtig oder falsch sei.....


Moral ist kein Lebewesen weshalb sie auch nix vermutet. Unter Moral versteht man lediglich eine anerzogenen und vorgelebte Sichtweise des Lebens welche sich bei sich weiterentwickelnden Menschen durchaus ändern kann.
Es stellt die einfachste Form der Konztrolle des Volkes da und wird deshalb auch in Kindergärten und Schulen im Sinne der Politiker vermittelt.
Für härtere Fälle gibt es dann Regeln und Gesetze welche mittels Gewaltandrohung durchgesetzt werden.

Mit Gerechtigkeit hat die uns vermittelte Moral wenig zu tun, um so mehr aber mit richtig und falsch im politischen Sinne. ;)

Waldgänger
04.02.2010, 15:29
Nichts gegen die Definition von M.Schmidt-Salomon,aber Ethik hat umfassendere und essentiellere Aufgaben...

Vielleicht dürfte es sinnvoll sein den Unterschied zwischen Ethik und Moral zu definieren, wobei ich Michael Schmidt-Salomons Definition teile:

„In der Moral geht es um die subjektive Wertigkeit von Menschen vor dem Hintergrund vermeintlich vorgegebener metaphysischer Beurteilungskriterien (gut und böse), in der Ethik hingegen um die objektive Angemessenheit von Handlungen gemäß intersubjektiv festgelegter und immer wieder neu festzulegender Spielregeln (fair oder unfair).”

(aus: „Manifest des Evolutionären Humanismus”)

---

Ethische Diskurse wollen Interessenkonflikte ausgleichen und, sofern sie eine humanistische Zielsetzung haben, die natürliche Selbstentfaltungstendenz eines jeden Individuums (Entfaltung der Fähigkeiten und Bedürfnisse) unter einen Hut bringen.

Aus Sicht der radikal-humanistischen Ethik besteht in der inter-subjektiven Festlegung gemeinsamer Spielregeln die einzig sinnvolle Option um den natürlichen Eigennutz des Menschen in den Dienst des Gemeinwesens zu stellen.

Senator74
04.02.2010, 15:56
Vielleicht dürfte es sinnvoll sein den Unterschied zwischen Ethik und Moral zu definieren, wobei ich Michael Schmidt-Salomons Definition teile:

„In der Moral geht es um die subjektive Wertigkeit von Menschen vor dem Hintergrund vermeintlich vorgegebener metaphysischer Beurteilungskriterien (gut und böse), in der Ethik hingegen um die objektive Angemessenheit von Handlungen gemäß intersubjektiv festgelegter und immer wieder neu festzulegender Spielregeln (fair oder unfair).”

(aus: „Manifest des Evolutionären Humanismus”)

---

Ethische Diskurse wollen Interessenkonflikte ausgleichen und, sofern sie eine humanistische Zielsetzung haben, die natürliche Selbstentfaltungstendenz eines jeden Individuums (Entfaltung der Fähigkeiten und Bedürfnisse) unter einen Hut bringen.

Aus Sicht der radikal-humanistischen Ethik besteht in der inter-subjektiven Festlegung gemeinsamer Spielregeln die einzig sinnvolle Option um den natürlichen Eigennutz des Menschen in den Dienst des Gemeinwesens zu stellen.

Ethik sucht Antworten nach dem "was sollen wir tun?"(Kant/kat.Imperativ)
Moral hinterfragt die Verhaltensweisen des "was schickt sich?"bei gleichzeitiger Möglichkeit der Verwirklichung aller vitalen Energien des Menschen...
Zitiert nach;Phil.WB Kröner Verlag Stuttgart
Gruß!Senator74