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Zu Beginn letzter Woche fiel mir zum ersten Mal seit langer Zeit die Wochenendausgabe des „Handelsblatts“ in die Hände. So las ich also Artikel zu Uber, Saudi Aramcos Börsengang und der Geldpolitik der Fed, bevor ich zur letzten Seite kam, der Kolumne von Gabor Steingart, dem Herausgeber der Zeitung. Das Gefühl, das ich beim Lesen jener Zeilen hatte, lässt sich vielleicht am ehesten mit der Erfahrung vergleichen, die man hat, wenn man ein junges Familienmitglied nach langer Zeit wiedersieht und sich wundert, wie groß es geworden ist. Nur war es in diesem Fall weniger ein Wachstum, das ich bei der Rückkehr aus meiner Leitmedienabstinenz beobachten konnte, sondern vielmehr ein trauriges Abrutschen in die Gefilde von Pseudojournalismus und politischer Realitätsverweigerung.
Zeitungen wie das „Handelsblatt“ haben doch nicht immer so geschrieben. Wie kommt es, dass auf einmal Publikationen, die der freien Marktwirtschaft nahestehen sollten, genauso klingen wie Brüsseler Bürokraten und Politclowns aus Berlin? Was passiert hier in Deutschland?
Da ich bezweifle, dass ich der einzige gewesen bin, den Steingarts Worte, gelinde gesagt, irritiert haben, wird dieser Artikel an ihn adressiert sein. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass er diese Zeilen liest, das ist mir klar, aber vielleicht gerät dieser Artikel ja in die Hände von einem seiner Mitarbeiter, der sich an dem Linkspopulismus seines Chefs stört und so zumindest einen, wenn auch kleinen, Grund zum Lächeln hat. Denn wer sich auf eine derart billige Art und Weise zu einem unbezahlten PR-Agenten der Regierung degradieren lässt, muss es eben auch aushalten können, wenn es Stimmen gibt, die auf diese ideologische Prostitution hinweisen.
Oder nehmen wir die Grünen, deren bayerische Jugendorganisation, die „Grüne Jugend“, vor kurzem die „Vergesellschaftung allen Grund und Bodens“ forderte, mit Slogans wie „Wir revolutionieren die Wirtschaft“ und „Kapitalismus überwinden“ warb und Plakate entwarf, auf denen in einem Kreis angeordnete Hände nach Familienunternehmen griffen und der Schriftzug „Das gehört jetzt uns allen“ abgebildet war. An welches politische Programm erinnert uns das denn?
Ähnlich klingt das bei den Jusos. Deren Bundesvorsitzende Johanna Uekermann sagte bezüglich Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern neulich in einem Interview mit der „Welt“: „Mir wäre es lieber, wenn alle bleiben könnten. Die Jusos sind für ein globales Recht auf Migration.“ Darüber hinaus befürworte sie die Einführung einer Greencard-Lotterie, gerade um auch die Einwanderung aus „schwierigen Herkunftsländern“ zu fördern. Dass solche Ideen mit der roten Rose der International Union Of Socialist Youth („Internationale Union der sozialistischen Jugend“) beworben werden, verwundert dann sicher auch nicht mehr.
So stellen wir also fest, dass die großen drei traditionell linken Parteien (zumindest in Teilen) eine Ideologie idealisieren, die im vergangenen Jahrhundert gut 100 Millionen Menschen getötet hat. Die Linke, die SPD und die Grünen – diese drei Parteien haben bei der Bundestagswahl zusammen 38,6 Prozent der Stimmen geholt. Sind Sie, Herr Steingart, sich wirklich sicher, dass das Monster, von dem Sie sprachen, rechts steht?
Sie fahren fort, indem Sie die AfD als „Missgeburt“ des Parteiensystems bezeichnen und schreiben: „Eine Exportnation, die ihre Kunden hasst und ihre Absatzmärkte als feindliche Territorien empfindet, verliert ihr Geschäftsmodell.“ Falsch. Die AfD will eine Exportnation, die davon absieht, ihre Kunden zu Transferleistungsempfängern im eigenen Land zu machen.
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