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23. Februar 2003
Die übertriebene Neugier der Briten für die Nazi-Zeit
Die Beschäftigung mit der Hitlerzeit übt auf viele Briten einen großen Reiz aus. Sie reisen mit dem Bus auf Hitlers Spuren nach Deutschland oder suchen im Internet nach Angeboten von
Devotionalien aus jener Zeit. Manche britische Bildungsexperten sehen als Ursache dafür den Geschichtsunterricht auf der Insel, in dem die Zeit des deutschen Nationalsozialismus sehr intensiv behandelt wird.
Jene Briten, die meinen, ihre Kinder lernten zu viel über Hitler, bekamen jetzt von höchster Stelle recht. Eine Auswertung des Lehrplans in der Sekundarstufe ergab, dass die Schüler mehr über den Nationalsozialismus erfahren als über alle anderen historischen Ereignisse - einschließlich der britischen Geschichte. In der Sekundarstufe werden Kinder ab 11 Jahren unterrichtet. Sie können mit 16 einen Realschulabschluss oder mit 18 das Abitur machen.
Gefahr der Übersättigung
Die Schulaufsichtsbehörde Ofsted warnte von einer "Hitlerisierung" des Unterrichts. Die Prüfer sahen die Gefahr unbeabsichtigter Nebeneffekte: Die Schüler könnten übersättigt werden oder eben Gefallen an den Ereignissen jener Zeit finden.
Kaum war die Studie veröffentlicht, stellte die Zeitung "The Independent" fest, dass in Großbritannien bei Internet-Buchhandlungen 1.651 Bücher mit dem Namen Hitler im Titel erhältlich sind. In Deutschland sind es nur halb so viele. Über den Handel mit oft kuriosen und vermutlich gefälschten Erinnerungsstücken wie Hitlers Haaren liegen zwar keine Statistiken vor. Das Blatt ist aber sicher: "Der Markt und der Appetit sind dramatisch gewachsen."
Kritiker Prinz Charles
Zu den Kritikern des britischen Geschichts-Lehrplans gehört auch Thronfolger Prinz Charles. Er forderte in einer Fachzeitschrift die Änderung des "beschränkten und beschnittenen" Lehrplans. Viele Historiker sind seiner Meinung. "Zu wenige Kinder wissen, welcher König die Throne von England und Schottland vereinigt hat oder wer Nelson war", sagt Chris McGovern, Direktor der Vereinigung für Geschichtslehrpläne. Sein Kollege Simon Schama spricht sich dafür aus, "lieber gar keine Geschichte zu unterrichten als mit dem heutigen Lehrplan fortzufahren", denn dieser bestehe ausschließlich aus "Hitler und den Henrys." Heinrich I. bestieg 1100 den britischen Thron, der letzte Henry, Heinrich VIII., erwarb diesen Titel 1491.
Ob es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen einer Art Hitler-Kult bei den Briten und dem Lehrplan gibt, stellt Karen Pollock in Zweifel. Die Direktorin der Holocaust Bildungsstiftung sagt: "Es schadet nichts, wenn Hitler immer wieder Thema im Unterricht ist, so lange das Thema jedes Mal aus einer anderen Perspektive behandelt wird." Historiker Andrew Roberts hat sogar ein bisschen Verständnis für das überbordende Interesse seiner Landsleute an dem Massenmörder: "Die Menschen wollen einfach nur verstehen, wie eine Nation, die Beethoven und Goethe hervorgebracht hat, auch Hitler ermöglicht hat."
(N24.de,dpa)
An solchen "Aktionen" beteiligen sich auch Massenblätter wie die SUN, bei der der deutsche Botschafter schon 1990 um ein vertraukiches Gespräch gebeten hat. Am nächsten Tage titelte die SUN