AW: Hexenverfolgung - was soll der Hype?
Ich frage mich, wie es wohl gewesen sein mag, wenn in einem Ort, vielleicht einem kleineren Dorf, so ein Hexenhype -aus welchem Grund auch immer - losgetreten worden war. Das muss doch für alle Menschen die wahre Hölle gewesen sein:
- für die Beschuldigten
- für deren Freunde und alle die fürchten mussten auch beschuldigt zu werden
- für alle, denen eigentlich klar war dass die Beschuldigungen Blödsinn waren, die
aber nicht wagten etwas zu sagen
- für alle, die wirklich an das Böse glaubten
Wirklich vorstellen kann ich mir das nicht, aber schon eine vage Ahnung davon finde ich schauderhaft genug......Angst und Misstrauen....
Das macht die Hexenverfolgungen, finde ich, so gruselig: diese Angst und der Aberglaube, in den die Menschen damals gepresst wurden, die Unterdrückung der Vernunft. Bestimmt haben ganz ganz viele Menschen ( nicht nur die berühmten Wissenschaftler dieser Zeit), anders gedacht und haben es entweder nicht zu sagen gewagt oder dafür mit dem Leben gezahlt.
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valentin
Dass der Glaube an Hexen damals in vielen Kreisen zum geistigen Allgemeingut gehörte, ist aus heutiger Sicht natürlich zu kritisieren. Wir sollten uns aber davor hüten, Entscheidungen von damals mit heutigen Maßstäben zu messen.
Ja ja, man muss das alles differenzieeeert sehen. Es gab zu allen Zeiten Menschen die wussten dass der Glaube an Hexen und Zauberei Schwachsinn ist, insbesondere in der frühen Neuzeit (als man also bereits begann, auf das antike Wissen zurückzugreifen statt es wie die Kirche einfach in den Giftschränken der kirchlichen Bibliotheken wegzusperren). Da hätte doch die Kirche mit samt ihrem Bildungsmonopol (am anderen Ort schreiben die User immer die Kirche wäre doch die einzige Institution gewesen die das Wissen der Antike gerettet hätte, lesen hätte man es halt auch sollen) mit gutem Beispiel vorangehen können statt die Angst und die Hysterie noch ordentlich anzufeuern?
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valentin
Der "Hexenhammer" wurde weder im Auftrag der Kirche geschrieben, noch hat er zur damaligen Zeit etwas sensationell Neues in die Debatte geworfen. Der Dominikaner Kramer sammelte in seinem Pamphlet alte und zeitgenössische Ansichten über "Hexen", deren Wirken und Bestrafung und wollte so seinen Eifer in der Hexenverfolgung rechtfertigen. Sein Buch gilt zurecht als das mit den verheerendsten Folgen in Europa.
Kramer stand wegen seines Traktats von Anfang an unter Druck. Deshalb berief er sich auf die päpstliche Bulle "Summis desiderantes affectibus", die er zwei Jahre zuvor selbst geschrieben und dem Papst vorgelegt hat. Papst Innozenz VIII. (der größte Fehler siener Amtszeit) bemächtigt darin ihn und Jacob Sprenger, gegen die Zauberer und Hexen in Deutschland gerichtlich vorzugehen. Ein Strafmaß bis zur Hinrichtung für Hexerei ist darin nicht enthalten. Dies entsteht erst, als Kramer die päpstliche Bulle seinem "Hexenhammer" voranstellte.
Nein, der arme Papst, hat er soooo einen großen "Fehler" gemacht. Wo er doch sonst so unfehlbar war, bspw. beim Kreuzzug gegen die Waldenser. Hätter er sich doch lieber auf Dinge konzentriert, bei denen er sich besser auskannte, Kinder zeugen und Geld verprassen zum Beispiel.
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valentin
Die Hexenverfolgung als solche ist nur regional zu beurteilen. Es gab Gegenden, in denen reihenweise Unschuldige gefoltert und ermordet wurden, in anderen Landstrichen blieb der Hexenwahn so gut wie ohne Spuren. Ein zentral gesteurtes, planvolles Vorghen ist nicht erkennbar. Den "Hexenhammer" gibt es übrigens noch heute unter ISBN 3423307803 zu kaufen.
Es wurden ausschließlich Unschuldige gefoltert und ermordet weil es keine Hexen gibt, Ketzer nur insoweit als sie nicht glauben wollten was die Mehrheit glauben sollte. Nebenbei, planvoller als durch herumreisende Inquisitoren und von der Kanzel gepredigte Traktate konnte man damals nicht vorgehen.
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Auslöser der Hexenverfolgung war die Angst der Menschen, die eine Erklärung suchten für Mißernten, Überschwemmungen, Tierseuchen und alles Ungemach, das sie traf.
Damals waren es die Hexen, heute hat die Technik, die Chemie, die Kernkraft, der Auofahrer, also die Industrie diese Rolle übernommen von der das Land lebt.
Der Inquisition der Abweichler von der "reinen Lehre" bzw. vom "Dogma" fielen unter dem Kommunismus mehr Menschen zum Opfer, als der kirchlichen.
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ortensia blu
Der Inquisition der Abweichler von der "reinen Lehre" bzw. vom "Dogma" fielen unter dem Kommunismus mehr Menschen zum Opfer, als der kirchlichen.
Brav gekläfft. Bekommst einen Knochen, irgendwann, vielleicht, nach der Wiederkunft des Herrchens.
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cajadeahorros
Ja ja, man muss das alles differenzieeeert sehen. Es gab zu allen Zeiten Menschen die wussten dass der Glaube an Hexen und Zauberei Schwachsinn ist, insbesondere in der frühen Neuzeit (als man also bereits begann, auf das antike Wissen zurückzugreifen statt es wie die Kirche einfach in den Giftschränken der kirchlichen Bibliotheken wegzusperren). Da hätte doch die Kirche mit samt ihrem Bildungsmonopol (am anderen Ort schreiben die User immer die Kirche wäre doch die einzige Institution gewesen die das Wissen der Antike gerettet hätte, lesen hätte man es halt auch sollen) mit gutem Beispiel vorangehen können statt die Angst und die Hysterie noch ordentlich anzufeuern?
Es ist sehr einfach zu urteilen, wenn man Geschichte mit dem Wissen von heute betrachtet. So einfach will ich es mir nicht machen. Geschichte ist erst dann wirklich begreifbar, wenn man die kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekte des Umfelds mit einbezieht. Sicher gab es viele Leute, die sich vom Hexenwahn nicht anstecken und sich von der Vernunft leiten ließen. Der Glaube an Hexen und Magie war aber nicht nur in der Kirche, sondern vor allem im einfchen Volk tief verwurzelt
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Zitat von cajadeahorros
Nein, der arme Papst, hat er soooo einen großen "Fehler" gemacht. Wo er doch sonst so unfehlbar war, bspw. beim Kreuzzug gegen die Waldenser. Hätter er sich doch lieber auf Dinge konzentriert, bei denen er sich besser auskannte, Kinder zeugen und Geld verprassen zum Beispiel.
Das Unfehlbarkeitsdogma ist von 1870 :D
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Zitat von cajadeahorros
Es wurden ausschließlich Unschuldige gefoltert und ermordet weil es keine Hexen gibt, Ketzer nur insoweit als sie nicht glauben wollten was die Mehrheit glauben sollte. Nebenbei, planvoller als durch herumreisende Inquisitoren und von der Kanzel gepredigte Traktate konnte man damals nicht vorgehen.
Selbstverständlich wurden ausschließlich Unschuldige geopfert. Habe ich etwas anderes behauptet?
Ich wiederhole hier meine Frage, die du mir noch nicht beantwortet hast: Wie erklärst du dir, dass auch in reformierten und lutherischen Gegenden Hexenverfolgungen und Morde stattfanden, wenn das ganze Übel doch deiner Meinung nach auf den Papst bzw. auf die katholische Kirche zurückzuführen ist?
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valentin
Ich wiederhole hier meine Frage, die du mir noch nicht beantwortet hast: Wie erklärst du dir, dass auch in reformierten und lutherischen Gegenden Hexenverfolgungen und Morde stattfanden, wenn das ganze Übel doch deiner Meinung nach auf den Papst bzw. auf die katholische Kirche zurückzuführen ist?
Das Übel ist auf die Kirche an sich zurückzuführen, das "Feuer frei!" auf die Hexen erfolgte VOR der Reformation durch den Nachfolger Petri und die Tatsache, dass in "reformierten" Gebieten ebenfalls Hexen verbrannt wurden erlöst den Papst nicht von seiner Schuld sondern beweist nur im Sinne Marx', dass die gelungene "Reformation" eher im wirtschaftlichen als im theologischen Zusammenhang gesehen werden muss (warum wurde Hus verbrannt, Luther aber nicht mehr?), die Lutheraner waren und sind einfach nur derselbe Käse in einer billigeren Schachtel.
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Mütterchen
Ich frage mich, wie es wohl gewesen sein mag, wenn in einem Ort, vielleicht einem kleineren Dorf, so ein Hexenhype -aus welchem Grund auch immer - losgetreten worden war.
Die Antwortet lautet: Ravensburg.
Dort tauchte der Heinrich Kramer, der Verfasser des "Hexenhammers" 1484 persönlich nach Anfrage des Stadtkaplans auf und sorgte dafür, dass alleinstehende Frauen (ohne Angehörige und Geld, also leichte Opfer) der Hexerei überführt und auf den Scheiterhaufen gebracht wurden. Auch die Namen sind bekannt: Anna Mindelheimer und Agnes Badner.
Sie gestanden unter peinlicher Befragung, u.a. einem jungen Mann den Penis wegehext zu haben.
Dies gilt im allgemeinen als Beginn der Hexenverfolgung im deutschsprachigen Raum.
Zur weiterführenden Lektüre empfohlen:
Andreas Schmauder: "Die Anfänge der Hexenverfolgung in Ravensburg und am Bodensee", Konstanz 2001
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Pirx
Die Hexenverfolgung soll ja einen der schlimmsten Massenmorde der Geschichte darstellen. Die nackten Zahlen ergeben aber ein anderes Bild:
„Unter dem Strich bleibt eine Opferzahl von vermutlich 40-60.000, davon mindestens 20.000 allein in Deutschland“, aus
http://www.renegadenation.de/1582/9mill.html
Das bedeutet 50.000 Todesopfer (25% davon übrigens männlich) in über 300 Jahren in ganz Europa.
Dazu mal ein "Einzeltäter" zum Vergleich:
Vlad Dracula, Wallachia (r.1456-1462)
o PGtH: in all, 50,000-100,000 victims "impaled, tortured and killed"
o Florescu & McNally, Dracula: Prince of Many Faces: 100,000 k. (citing Bishop of Erlau, but questioning it.)
o Cecil Adams: 40-100,000 [http://www.straightdope.com/classics/a2_131.html]
http://users.erols.com/mwhite28/warstat0.htm#European
Die Sache ist schon lange her, aber man fragt sich immer doch:
Kann es wieder passieren, mit neuen Opfern und moderen
Hexenjägern? Die Leute haben sich doch in den letzten 5 Jh kaum
geändert, wir dürfen also gespannt sein!
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EUROFREUND
Die Sache ist schon lange her, aber man fragt sich immer doch:
Kann es wieder passieren, mit neuen Opfern und moderen
Hexenjägern? Die Leute haben sich doch in den letzten 5 Jh kaum
geändert, wir dürfen also gespannt sein!
Das wäre ja wohl nicht zu wünschen.
Kann ich mir auch nicht vorstellen.
Die Leute heute sind aufgeklärt - und nicht mehr in dem Maße dem Aberglauben verfallen.
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von Bingen
Das wäre ja wohl nicht zu wünschen.
Kann ich mir auch nicht vorstellen.
Die Leute heute sind aufgeklärt - und nicht mehr in dem Maße dem Aberglauben verfallen.
Die Leute sind genauso heute wie damals sofort zu einem schönen Pogrom bereit, NOCH müssen halt irgendwelche scheinvernünftigen Begründungen gebracht werden.