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In allen afrikanischen Ländern, in denen sich die Stammesfürsten zum Islam bekannt hatten, wich die traditionelle Leibeigenschaft im Allgemeinen dem Sklavenhandel und der Sklaverei, die nunmehr einem religiösen Prinzip untergeordnet wurden, das alle Ungläubigen zu Geächteten machte. Und die neuen Konvertiten, einst selbst bezwungen und gedemütigt, strebten nur noch danach, unter ihren götzendienerischen oder heidnischen Landsleuten neue Beute zu machen. Nach der Islamisierung der ghanaischen Bevölkerung durch die Almoraviden gingen die "neuen Muslime", Verbündete der aus Fouta Toro und Silla stammenden Bekehrten, auf Raubzug, um sich mit lamlam zu versorgen, mit animistischen Stämmen, die als ungläubig galten. Sie wurden dann in den von den arabischen Händlern eingerichteten zeribas verkauft. Diese in Afrika eigens für den Menschenhandel errichteten Vorposten beherbergten umzäunte Quartiere und Warenlager. Hier lebten die fakis (muslimische Priester), die selbst in großem Stil mit Sklaven handelten, da sie ein derartiges Gewerbe als ein berechtigtes Beiwerk ihrer Dienstbefugnisse betrachteten. Dabei begingen sie eines der schlimmsten Verbrechen, wie Stanley feststellte. Dreihundert afrikanische Händler verheerten die Region zwischen dem Kongo und Lubiranzi, die der Fläche nach genauso groß ist wie Irland. Sie versklavten zweitausenddreihundert Menschen. Die älteren Frauen brachen während des Transports unter der Last der Kohlenkörbe und Kassav- und Bananensäcke zusammen. Die jungen Leute trugen Halseisen, die durch Ringe unter einander verbunden waren. Kinder über zehn Jahre trugen Kupferringe an den Beinen, die ihre Bewegung einschränkten. Ketten hielten die Brüste der Frauen und ihre Kleinkinder. So schleppten sich die Sklaven durch die Sahara und den Nil entlang bis nach Arabien.
Dieses Schicksal erlitten die afrikanischen Völker seit der Ankunft der Araber. Die Invasoren haben die Sitten der Menschen pervertiert und friedliche Marktflecken in Höllen verwandelt, wie Kuka, die Hauptstadt des Reiches Bornu, das seinerzeit zum größten Sklavenmarkt Westafrikas wurde, und dessen schwarzer Sultan sich nach seiner Bekehrung selbst als ein mächtiger Sklavenhändler im Dienste der Araber erwies. Ein Staatsbudget im eigentlichen Sinne hatte er nicht, denn sowohl er als auch seine Beamtenschaft lebten vom Handel mit den Sklaven, die auf ausgedehnten Razzien unter den sogenannten heidnischen Bevölkerungsgruppen aus den Grenzgebieten des Reiches sowie unter den eigenen, noch nicht konvertierten Untertanen erbeutet wurden. 1825, als der englische Afrikaforscher Hugh Clapperton (1788 - 1827) in der Lagune von Lagos anlegte, sah er lediglich einige Muslime, Prediger oder Händler auf der Durchreise. Berichtete Sir Richard Burton zwischen 1861 und 1862 von nur knapp einem Dutzend Muslimen hier, gab es 1865 bereits tausendzweihundert und 1880 sogar zehntausend, die inzwischen siebenundzwanzig Moscheen errichtet hatten.
Dennoch war Bornu eines der ältesten Reiche des Kontinents. Der Boden war fruchtbar und bot üppige Ernten. Hier waren die Völker der Region, ihre Traditionen und ihre Lebensweise verwurzelt. Vor der Ankunft der Araber wurden auf den lokalen Märkten Waren feilgeboten, die die ausländischen Besucher schätzten, wie etwa Elfenbein, Straußenfedern, Matten, Töpferwaren, Leder und Stoffe aus blauer und weißer Baumwolle. Im ersten Jahrtausend v. Chr. lebten in dieser Region, vor allem in Nigeria, Volksstämme aus der sogenannten Nok-Kultur, die bereits Landwirtschaft und Töpferei betrieben. Tausend Jahre später entstand eine zweite Kultur an den Ufern des Tschadsees, und sehr viel später eine dritte, die Ife-Kultur, im Westen Südnigerias.
Die Bevölkerung von Bornu war geschäftig, klug und kultiviert. Die im Zentrum Bornus lebenden Yoruba wanderten zunächst nach Westen. Anfänglich hatten nur wenige von ihnen den Islam angenommen. Die meisten blieben ihrem altüberlieferten Glauben verhaftet, demzufolge alle Wesen und Dinge beseelt seien. Im Nordosten des Yoruba-Gebietes hatte sich der Islam im 11. Jahrhundert bis zum Kanem-Land und drei Jahrhunderte später bis zu den Ufern des Tschadsees ausgebreitet. Zwischen dem Tschadsee und dem unteren Niger lebten die Hausa, Landwirte und geschickte Handwerker, Sattler, Gießer und Weber, die sich allmählich von den muslimischen Predigern vereinnahmen ließen. Anfang des 19. Jahrhunderts führte Usman Dan Fodio im Gebiet des heutigen nördlichen Nigeria einen Dschihad und unterwarf zahlreiche Hausa-Staaten, die alsbald dem Kalifat, mit Sokoto als Hauptstadt, angeschlossen wurden.
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