AW: GRUNDGESETZ (GG) für die Bundesrepublik Deutschland
Nachhilfe in Verfassungsrecht:
In einer Rede vor dem Parlamentarischen Rat (8. September 1948) befaßt sich Carlo Schmid (SPD) mit der Frage "Was heißt eigentlich Grundgesetz". Der in verstaubtem Juristendeutsch gehaltene Text bringt ene politische Bombe nach der anderen. Von Freiheit und Demokratie könne keine Rede sein, Deutschland sei ein von den Siegermächten völkerrechtswidrig besetztes Gebiet:
Auszüge aus der Rede Carlo Schmids:
"Was aber das Gebilde (Anm.: das GG) von echter demokratisch legitimierter Staatlichkeit unterscheidet, ist, dass es im Grunde nichts anderes ist als die Organisationsform einer Modalität der Fremdherrschaft."
Etwas völlig anderes sei eine Verfassung:
"Das ist die Gesamtentscheidung eines freien Volkes über die Formen und die Inhalte seiner politischen Existenz.(...)
Sie bestimmt in letzter Instanz ohne auf einen Dritten zurückgeführt zu werden brauchen, die Abgrenzung der Hoheitsverhältnisse auf dem Gebiet und dazu bestimmt sie die Rechte der Individuen und die Grenzen der Staatsgewalt. Nichts steht über ihr, niemand kann sie außer Kraft setzen, niemand kann sie ignorieren. Eine Verfassung ist nichts anderes als die in Rechtsform gebrachte Selbstverwirklichung der Freiheit eines Volkes. Darin liegt ihr Pathos, und dafür sind die Völker auf die Barrikaden gegangen. (...)"
"Wenn wir in solchen Verhältnissen zu wirken hätten, dann brauchten wir die Frage: worum handelt es sich denn eigentlich? nicht zu stellen. Dieser Begriff einer Verfassung gilt in einer Welt, die demokratisch sein will, die also das Pathos der Demokratie als ihr Lebensgesetz anerkennen will, unabdingbar."
"Die erste Einschränkung ist, dass uns für das Grundgesetz bestimmte Inhalte auferlegt worden sind; weiter, dass wir das Grundgesetz, nachdem wir es hier beraten und beschlossen haben, den Besatzungsmächten zur Genehmigung werden vorlegen müssen. Dazu möchte ich sagen: Eine Verfassung, die ein anderer zu genehmigen hat, ist ein Stück Politik des Genehmigungsberechtigten, aber kein reiner Ausfluss der Volksouveränität des Genehmigungspflichtigen!"
"Die Alliierten halten Deutschland nicht nur auf Grund der Haager Landkriegsordnung besetzt. Darüber hinaus trägt die Besetzung Deutschlands interventionistischen Charakter. Was heißt denn Intervention? Es bedeutet, dass fremde Mächte innerdeutsche Verhältnisse, um die sich zu kümmern ihnen das Völkerrecht eigentlich verwehrt, auf deutschem Boden nach ihrem Willen gestalten wollen."
"Eine gesamtdeutsche konstitutionelle Lösung wird erst möglich sein, wenn eines Tages eine deutsche Nationalversammlung in voller Freiheit wird gewählt werden können. Das setzt aber voraus entweder die Einigung der vier Besatzungsmächte über eine gemeinsame Deutschland-Politik oder einen Akt der Gewalt nach der einen oder anderen Seite. Mag sein, dass mancher Mann mit diesem Gedanken spielt; es lohnt sich aber vielleicht, diesen Gedanken einmal zu meditieren. Was bedeutet denn "Gewalt" in diesem Zusammenhang? Entweder die Vertreibung einer Besatzungsmacht, die einer gesamtdeutschen demokratischen Einigung widerstrebt. Könnte daraus etwas anderes werden als eine Katastrophe für die ganze Welt?"
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Richtig - die Rede wurde am 08 Sep. 1948 gehalten und das GG am 08 Mai 1949 beschlossen - es ging eben um diese Probleme, die mittels der von oben genannten Formulierungen im GG geloest wurden.
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Rheinlaender
Richtig - die Rede wurde am 08 Sep. 1948 gehalten und das GG am 08 Mai 1949 beschlossen - es ging eben um diese Probleme, die mittels der von oben genannten Formulierungen im GG geloest wurden.
Welche wunderbaren Formulierungen haben dafür gesorgt, daß
- die Besatzer abgezogen sind,
- keine Inhalte auferlegt wurden,
- das GG nicht mehr von den Besatzern zu genehmigen gewesen ist,
- die Besatzer sich nicht mehr völkerrechtswidrig einmischten,
- eine deutsche Nationalversammlung in voller Freiheit gewählt wurde,
- das GG nicht mehr nur die Organisationsform einer Modalität der Fremdherrschaft gewesen ist?
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Bierbaron
....
Allerdings wüsste ich gerne, wo sich denn nun die "Organisationsform einer Mentalität der Fremdherrschaft" im GG manifestiert.
Obwohl ich zugebe mich nur ungern selbst zu zitieren hätte ich doch gerne eine Antwort auf die Frage.
Grüße
Bierbaron
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Bierbaron
Obwohl ich zugebe mich nur ungern selbst zu zitieren hätte ich doch gerne eine Antwort auf die Frage. Grüße
Bierbaron
Wer nicht imstande ist, Texte zu lesen, in denen alles Wichtige bereits vorgekaut worden ist, sollte der Versuchung, sich selbst zu zitieren, besser wiederstehen.
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Brutus
Welche wunderbaren Formulierungen haben dafür gesorgt, daß
- die Besatzer abgezogen sind,
Die Besatzung gab sich aus dem verlorenen Krieg.
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Brutus
- keine Inhalte auferlegt wurden,
- das GG nicht mehr von den Besatzern zu genehmigen gewesen ist,
Die Genehmigung bezog nicht auf den Text des GG, sondern auf dessen Umsetzung - ein gewaltiger Unterschied.
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Brutus
die Besatzer sich nicht mehr völkerrechtswidrig einmischten
Wieso "voelkerrechtwidrig" - wer eine Krieg verloren hat mit einer bedingungslosen Kapitualtion liefert sich dem Gegener auf Gnade und Ungnade aus (siehe u.a. Hugo Grotius, Vom Recht des Krieges und des Friedens, III Buch, Cap. 8).
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Brutus
eine deutsche Nationalversammlung in voller Freiheit gewählt wurde,
Durch die Exekusion der "pouvoir constituant originaire" durch den Parlamentarischen Rat und die Landtage war dies nicht mehr noetig.
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Brutus
das GG nicht mehr nur die Organisationsform einer Modalität der Fremdherrschaft gewesen ist?
Siehe erneut:
http://www.politikforen.de/showpost....&postcount=100
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Rheinlaender
Die Genehmigung bezog nicht auf den Text des GG, sondern auf dessen Umsetzung - ein gewaltiger Unterschied.
Du weißt es sicher besser als Carlo Schmid, der von Anfang an dabei gewesen ist. Steht zwar alles ein paar Absätze weiter oben, aber ich bin ja ein geduldiger Mensch:
"Die erste Einschränkung ist, dass uns für das Grundgesetz bestimmte Inhalte auferlegt worden sind; weiter, dass wir das Grundgesetz, nachdem wir es hier beraten und beschlossen haben, den Besatzungsmächten zur Genehmigung werden vorlegen müssen. Dazu möchte ich sagen: Eine Verfassung, die ein anderer zu genehmigen hat, ist ein Stück Politik des Genehmigungsberechtigten, aber kein reiner Ausfluss der Volksouveränität des Genehmigungspflichtigen!"
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Brutus
Du weißt es sicher besser als Carlo Schmid, der von Anfang an dabei gewesen ist. Steht zwar alles ein paar Absätze weiter oben, aber ich bin ja ein geduldiger Mensch:
"Die erste Einschränkung ist, dass uns für das Grundgesetz bestimmte Inhalte auferlegt worden sind; weiter, dass wir das Grundgesetz, nachdem wir es hier beraten und beschlossen haben, den Besatzungsmächten zur Genehmigung werden vorlegen müssen. Dazu möchte ich sagen: Eine Verfassung, die ein anderer zu genehmigen hat, ist ein Stück Politik des Genehmigungsberechtigten, aber kein reiner Ausfluss der Volksouveränität des Genehmigungspflichtigen!"
Das sagte er am 08 Sep. 1948 am 08 Mai 1949 wurde den Allierten ein Text untergejubelt, bei man genau auf diese Souveraene Gewalt verwiess und fuer sich proklamierte ("... kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt ...") Man zwang die Westallierten dardurch entweder das Project eines Weststaates aufzugeben oder diese Kroete zu schlucken. Sie taten das letztere.
Aber wie gesagt, dazu muss man mal verstanden haben, was dieser Term "verfassungsgebende Gewalt" in letzter Instanz bedeutet.
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Brutus
Wer nicht imstande ist, Texte zu lesen, in denen alles Wichtige bereits vorgekaut worden ist, sollte der Versuchung, sich selbst zu zitieren, besser wiederstehen.
Glaub mir, ich habe deinen Beitrag durchaus gelesen.
Carlo Schmid spricht also von "aufgezwungenen Inhalten".
Was sind denn nun diese "aufgezwungene Inhalte"?
Für mich sieht das aus wie typische Politekerpolemik. Ein um-sich-werfen von Worthülsen halt.
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Rheinlaender
Das sagte er am 08 Sep. 1948 am 08 Mai 1949 wurde den Allierten ein Text untergejubelt, bei man genau auf diese Souveraene Gewalt verwiess und fuer sich proklamierte ("... kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt ...") Man zwang die Westallierten dardurch entweder das Project eines Weststaates aufzugeben oder diese Kroete zu schlucken. Sie taten das letztere.
Das Weltstaatsprojekt ist sicher nicht an einem Nebensatz des deutschen GGs gescheitert, sondern an der Weigerung Stalins, sich dem Baruch-Plan unterzuordnen.
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Rheinlaender
Aber wie gesagt, dazu muss man mal verstanden haben, was dieser Term "verfassungsgebende Gewalt" in letzter Instanz bedeutet.
Ich verstehe diesen Term bestens, und weiß, daß die Methode, am Anfang etwas zu suggerieren, was weiter hinten im Text wieder aufgehoben wird, zum festen Repertoire des Organisierten Verbrechens, Abteilung Anlagebetrug gehört.