Um einen Anspruch auf die ehemaligen ostdeutschen Gebiete zu legitimieren, verwiesen die Vertreiberstaaten unter anderem auf eine vorausgegangene gewaltsame Ansiedlung der Deutschen. Der Tenor lautete, dass der deutschen Ostsiedlung stets ein Gedanke der Expansion zugrunde lag. Auch heutzutage wird mit Blick auf die Vertreibung oft auf diese vermeintliche Tatsache hingewiesen. Doch schon eine genaue Betrachtung der Siedlungsgeschichte hält dieser einseitigen Unterstellung nicht stand.
Die Besiedlung der ehemaligen deutschen Ostgebiete erstreckt sich über viele Jahrhunderte und geht bis ins Vormittelalter zurück. Zu den Ostgebieten zählten unmittelbar vor Beginn des Zweiten Weltkriegs Ostpreußen, Pommern, Ostbrandenburg, Schlesien und das Sudetenland. Insgesamt war es eine sehr komplexe Besiedlung, die sich in verschiedene Etappen gliedert und von Höhen und Tiefen gekennzeichnet ist. Dieser Prozess war bereits Ende des 14. Jahrhunderts maßgeblich abgeschlossen und die ethnische Zusammensetzung Ostmitteleuropas entsprach dort bereits der des Jahres 1944.
Die deutsche Ostsiedlung war kein kontinuierlicher Prozeß
Tatsächlich lebten im Jahr 400 bereits germanische Stämme im ostmitteleuropäischen Gebiet. Während der Völkerwanderungszeit wanderten diese jedoch ab und es siedelten sich slawische Stämme an. Im 8. Jahrhundert waren die germanischen Stämme in Mitteleuropa einer stetigen Bedrohung des unsicheren slawischen Gebiets ausgesetzt. Als im 8. Jahrhundert die Franken das Abendland begründeten, kam es zu den ersten kleinen Siedlungsbewegungen. Diesen lag ein missionarischer Gedanke zugrunde, denn es sollte den „Heiden“ das Christentum gebracht werden. Zum einen wollte man auf diesem Wege der byzantinischen Mission Einhalt gewähren und zum anderen galt es, den mitteleuropäischen Raum zu stabilisieren. Diese Bewegung wurde jedoch wegen der Teilung des karolingischen Reiches und weiteren Instabilitäten bereits wieder im Jahr 843 gestoppt.
Erst Otto der Große führte im 10. Jahrhundert die Ostsiedlung fort. Dabei schreckte er jedoch nicht vor Gewaltanwendung gegen die Slawen zurück, denn ihm war jedes Mittel recht, um das bedrohte deutsche Vorfeld abzusichern. Ottos Erfolg wurde aber früh wieder getilgt, da auch die Slawen östlich der Elbe Eroberungszüge durchführten. Trotzdem war die Bilanz mit der Christianisierung Polens, Böhmens und Ungarns nach diesen ersten Bewegungen für die „Deutschen“ äußerst positiv und der mitteleuropäische Raum wesentlich stabilisiert.
Der Deutsche Orden setzt den Grundstein für Ostpreußen