27.01.2011
Interview: Mirko Knoche
Eine Initiative reicher Leute fordert eine Vermögensabgabe und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Gespräch mit Dieter Lehmkuhl
Seit Anfang 2009 zahlen alle Bezieher von Kapitaleinkünften einen einheitlichen Steuersatz von 25 Prozent – unabhängig von der Höhe des Einkommens. Sie fordern, die Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge wieder abzuschaffen. Warum?
Wir verlangen, daß für alle Einkünfte, egal ob aus Kapital oder Arbeit, die progressiven Steuersätze der Einkommensteuer gelten. Jetzt werden mittlere und höhere Arbeitseinkommen, die auf Leistung beruhen, höher besteuert als Kapitalerträge, die ohne eigene Leistung entstehen. Das widerspricht jeder Steuergerechtigkeit.
Wie bewerten Sie die Abgeltungssteuer finanzpolitisch?
Der frühere SPD-Finanzminister Peer Steinbrück hatte die Steuer damit begründet, daß bei einem Satz von 25 Prozent der Anreiz sinke, Einkünfte schwarz im Ausland anzulegen. Das Steueraufkommen ist aber um ein Drittel eingebrochen – von 12,4 Milliarden Euro für Kapitalanlagen im Jahr 2008 auf 8,7 nach der Einführung 2009. Die Hoffnung auf mehr legale steuerpflichtige Kapitalanlagen im Inland hat sich also nicht erfüllt.
Sie fordern außerdem statt der Wiedereinführung der Vermögenssteuer eine Vermögensabgabe. Was ist der Unterschied?
Steuern fließen in den großen Haushaltstopf und können für alle Ausgaben verwendet werden, inklusive Rüstung. Abgaben sind dagegen zweckgebunden. Wir verlangen eine Vermögensabgabe von jeweils fünf Prozent für zwei Jahre. Erst danach soll die alte Vermögenssteuer von mindestens einem Prozent wieder eingeführt werden. Mit der vorläufigen Abgabe soll ein sozial-ökologischer Umbau eingeleitet werden. Also mehr Geld für erneuerbare Energien, Bildung, soziale Dienstleistungen, BAföG und Hartz IV.
Wie ist die Initiative »Vermögende für eine Vermögensabgabe« entstanden?
Auslöser waren die Finanzmarktkrise und die Rezession. Es war schon früh absehbar, daß die Krisenkosten auf die Allgemeinheit abgewälzt würden, besonders auf die unteren und mittleren Einkommen. Schon im Herbst 2008 hat das Jürgen Habermas als »himmelschreiende Ungerechtigkeit« bezeichnet. Denn die Reichen haben von dem vorhergehenden Boom profitiert, ohne sich dann an der Krisenbewältigung beteiligen zu müssen. Diese Politik muß korrigiert werden.
Wer macht in Ihrer Initiative mit?
Alle 48 Unterzeichner, die sich seit dem Mai 2009 zusammengeschlossen haben, besitzen mehr Vermögen als die Schongrenze von 500000 Euro.
Sie wollen also freiwillig mehr Steuern zahlen?
Steuern sind nicht freiwillig, sondern eine gesetzliche Pflicht. Gerade darum geht es uns. Freiwillig spenden und stiften wir ohnehin schon, wir wollen aber mehr Gerechtigkeit. In kaum einem anderen Land sind die Vermögen so rapide gewachsen wie in der Bundesrepublik, die Schere zwischen arm und reich klafft immer weiter auseinander.
Laut Statistik ist der Reichtum des reichsten Fünftels der Bevölkerung im Verhältnis zum ärmsten Fünftel vom 3,5fachen auf das 5,3fache angestiegen. Unsere Motivation ist aber nicht nur moralischer Natur. Die hohen Vermögen heranzuziehen, ist auch politisch und ökonomisch notwendig. Wo sonst soll das Geld herkommen für die ökologische Wende, für Bildung, soziale Teilhabe und die vernachlässigte Infrastruktur? Die unteren Einkommen sind so niedrig, daß dort kaum noch Steuern erhoben werden können, und die mittleren Einkommen sind schon heute am stärksten belastet.
Private Wohltätigkeit kann staatliche Leistungen aber nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Durch steuerabzugsfähige Spenden entgehen dem Staat erhebliche Einnahmen, private Wohltaten sind darüber hinaus demokratisch nicht legitimiert. Sie erlauben Einzelpersonen, Politik, Bildung und Kultur nach ihren Interessen zu beeinflussen – so menschenfreundlich die Motive auch sein mögen. Ein politisches Negativbeispiel ist die Bertelsmann-Stiftung, die sich auf ungeheuerliche Weise in öffentliche Angelegenheiten einmischt. Manchmal handelt es sich bei Spenden auch um reine Imagepflege. Weil es hier im Gegensatz zu unseren Nachbarländern keine Vermögenssteuer und sehr niedrige Erbschafts- und Grundsteuern gibt, ist Deutschland mittlerweile zur Steueroase für Wohlhabende geworden.
Quelle:
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Es gibt sie noch, gescheite Reiche!:]
mfg
rutt