+ Auf Thema antworten
Seite 1 von 10 1 2 3 4 5 ... LetzteLetzte
Zeige Ergebnis 1 bis 10 von 99

Thema: Späte Einsicht bei Kanzler a. D. Helmut Schmidt - Zuwanderung: Dickes Problem

  1. #1
    Tod den Eliten Benutzerbild von Rikimer
    Registriert seit
    23.05.2005
    Ort
    Kanada
    Beiträge
    24.033

    Standard Späte Einsicht bei Kanzler a. D. Helmut Schmidt - Zuwanderung: Dickes Problem

    Altkanzler/Zuwanderung

    "Dickes Problem"



    Der Ex-Bundeskanzler verlangt im FOCUS einen radikalen Kurswechsel in der Ausländerpolitik.

    „Wir müssen eine weitere Zuwanderung aus fremden Kulturen unterbinden“, sagte Helmut Schmidt in dem Interview. Als Mittel gegen die Überalterung komme Zuwanderung nicht in Frage. „Die Zuwanderung von Menschen aus dem Osten Anatoliens oder aus Schwarzafrika löst das Problem nicht, schaffte nur ein zusätzliches dickes Problem.“

    „Fehlerhafte Entwicklung“

    Deutschland habe sich damit in den vergangenen 15 Jahren übernommen. „Wir sind nicht in der Lage gewesen, alle diese Menschen wirklich zu integrieren“, sagte Schmidt. „Sieben Millionen Ausländer in Deutschland sind eine fehlerhafte Entwicklung, für die die Politik verantwortlich ist.“ Es sei deshalb falsch, Ausländer für die Arbeitslosigkeit verantwortlich zu machen. Diejenigen, die sich nicht in die deutsche Gesellschaft integrieren wollten oder könnten „hätte man besser draußen gelassen“.

    Änderungen verlangte Schmidt auch in der Politik für die neuen Länder. „Wir müssen der Wertschöpfung in Ostdeutschland einen Vorsprung einräumen“, forderte der Altkanzler im FOCUS-Interview, „zum Beispiel durch die Halbierung der Mehrwertsteuer“ oder „durch Befreiung von Tausenden bürokratischen Genehmigungsvorschriften, die ein normaler Handwerksmeister oder ein Einzelhändler nicht durchschauen kann“.

    Unmut über den Westen

    Bislang seien diese Ansätze gescheitert, weil die westdeutschen Ministerpräsidenten dieselben Änderungen auch für ihre Länder verlangt hätten. „Die ökonomische Vereinigung ist bisher nicht wirklich geglückt. Weil die große Mehrheit in Westdeutschland sich dagegen wehrt, dass der Osten einen Vorteil bekommt, hat sie verhindert, dass der Aufholprozess des Ostens wieder in Gang gesetzt wird.“

    Schmidt kritisierte auch die Einstellung zahlreicher Politiker, die sich zu wenig um das Gemeinwohl kümmerten. „Die Politiker sind zum Dienst am öffentlichen Wohl berufen – dazu sind sie gewählt.“ Manche gingen aber heutzutage in die Politik „um was zu werden, oder was zu sein. Heute gibt es zu viele, die vor allem Karriere machen wollen“, kritisierte der SPD-Politiker. Dazu trage auch das „Riesenparlament mit 600 Abgeordneten“ und das Wahlrecht bei, das eine positive Auslese erschwere. „300 in Wahlkreisen direkt gewählte Abgeordnete würden völlig genügen.“
    Helmut Schmidt ist schon in der Vergangenheit mit solchen Äußerungen aufgefallen. Hätte er diese schon zu seiner Regierungszeit gefällt, täte er heute als Rechtsradikaler gelten? Abgesehen davon, hat er nun recht oder unrecht mit mit seinen Aussagen? Es ist zwar schön zu lesen das ein Politiker nach seiner Amtszeit Fehler seiner eigenen Politik zugibt, ich höre so etwas selten, eigentlich so gut wie nie, andererseits:Es ist angerichtet, und nun? Und es wirft u. a. die Frage auf: Sollten Politiker auch nach ihrer Amtszeit nachträglich zur Verantwortung gezogen werden für ihre gröbsten Fehler und Verfehlungen? Bei Menschen wie Helmut Schmidt natürlich unter Berücksichtigung ihrer Einsichtsfähigkeit in ihre eigenen Taten. Wäre so etwas, ehrliche permanente Selbstkritik, auch bei Politikern vom Format Helmut Kohl und Joschka Fischer zu erwarten?

    MfG

    Rikimer
    „Noch sitzt Ihr da oben, Ihr feigen Gestalten. Vom Feinde bezahlt, doch dem Volke zum Spott! Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten, dann richtet das Volk, dann gnade Euch Gott!“
    (Theodor Körner 1791-1813)

  2. #2
    Tod den Eliten Benutzerbild von Rikimer
    Registriert seit
    23.05.2005
    Ort
    Kanada
    Beiträge
    24.033

    Hierzu aus dem Archiv der Jungen Freiheit zwei Artikel die sich mit Helmut Schmidts Äußerungen beschäftigen:

    Das Ende einer Lebenslüge
    Altkanzler HELMUT SCHMIDT provoziert eine heftige Debatte um Einwanderung
    Alexander Griesbach


    Es ist eine gespenstische Debatte, die sich da im Gefolge des van-Gogh-Mordes in den Niederlanden und der Äußerungen von Altkanzler und Zeit-Mitherausgeber Helmut Schmidt zur "multikulturellen Gesellschaft" entwickelt hat. Schmidt hat es im Hamburger Abendblatt als "Fehler" bezeichnet, daß "wir" zu Beginn der 1960er Jahre "Gastarbeiter aus fremden Kulturen" ins Land geholt hätten. Viele Ausländer wollten sich, so Schmidt, gar nicht integrieren. Er zeigte sich überzeugt, daß "multikulturelle Gesellschaften" nur in "Obrigkeitsstaaten" wie Singapur funktionieren könnten.

    Auf diese Einlassungen folgte der in Deutschland übliche Sturm der Entrüstung, an dessen Spitze die Einwanderungslobbyisten der Bündnisgrünen stehen. Da wurde einmal mehr die Mär erneuert, daß die Gastarbeiter nach dem Krieg mitgeholfen hätten, "unser Land wieder aufzubauen" (Marieluise Beck). Die Parteivorsitzenden Claudia Roth und Reinhard Bütikofer verstiegen sich sogar zu der Behauptung, daß ohne "Multikulturalität Freiheit in modernen Gesellschaften nicht mehr buchstabierbar" sein soll.

    Kein Politiker, der sich zu Wort meldete, mochte darauf verzichten, irgendwelche Integrationskonzepte zu empfehlen. Da will Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) Ausländer, die einen deutschen Paß beantragen wollen, einen Eid auf das Grundgesetz schwören lassen; Brandenburgs Innenministerpräsident Jörg Schönbohm (CDU) regte eine Ausländerquote für Stadtviertel, Schulen und Kindergärten an. Und Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hat schnell einen Drei-Punkte-Plan aus der Schublade geholt, mit dem in Sachen Integration nichts mehr schiefgehen soll.

    Diese reichlich verspäteten Initiativen zeigen nur eines: Die politische Klasse der Bundesrepublik steht ratlos vor dem Scherbenhaufen multikultureller Illusionen, die sie aus ideologischer Verblendung jahrzehntelang genährt hat. Letztlich müssen sich auch die Politiker der Union den Vorwurf gefallen lassen, die Entwicklung viel zu lange treiben gelassen zu haben. Die stärksten Zuwanderungsschübe erlebte Deutschland nämlich unter Helmut Kohl. In seiner Regierungszeit entwickelten sich auch die "Parallelgesellschaften", sprich: Ausländerghettos, die heute mehr und mehr ein kaum kontrollierbares Eigenleben führen. Die Ratschläge und Empfehlungen deutscher Politiker dürften den Türken in Berlin-Kreuzberg und anderswo reichlich gleichgültig sein. Hier hat sich längst, weitgehend unabhängig von der deutschen Umwelt, eine Art Istanbul en miniature herausgebildet. Eine kritische Diskussion hierüber konnte aber nicht geführt werden, weil Gegner dieser Entwicklung schnell als "Ausländerfeinde" aus dem öffentlichen Diskurs ausgegrenzt worden sind.

    Jetzt, nachdem diese multikulturellen Gutmenschen von der Wirklichkeit eingeholt worden sind, lauten die neue Zauberworte "Integration" und "Leitkultur", hier und da sogar mit dem schamhaften Zusatz "deutsch" versehen. Mit ihnen soll das gerichtet werden, was jahrzehntelang versäumt worden ist. Beide Begriffe werden allerdings stumpfe Instrumente bleiben, weil sie die Ursache der Malaise unberührt lassen.

    Mit Recht hat der Osnabrücker Soziologe Robert Hepp festgestellt, daß die multikulturelle Gesellschaft "Ausdruck eines egalitären, kosmopolitischen und humanitären Nihilismus" sei, "dem im Grunde genommen alles gleichgültig ist". Es ist dieser Nihilismus, der im Namen "kultureller Gleichheit" verunmöglicht, daß eine Überprüfung der kulturellen Kompatibilität bestimmter Zuwanderergruppen stattfinden kann. Deshalb wurde insbesondere aus dem linken politischen Spektrum, das die prinzipielle Gleichheit der Kulturen wie eine Monstranz vor sich herträgt, bisher jede Anpassung an eine "europäische" oder gar "deutsche Leitkultur" abgelehnt.

    Welches Demokratie- und Staatsverständnis, welche Arbeitsethik und welche Wertesysteme für die ethnischen Gruppen prägend sind, die nach Deutschland einwandern, spielt keine Rolle. Aus der Sicht der Kulturnihilisten ist es unerheblich, ob Einwanderer aus Nigeria oder Afghanistan kommen, oder ob sie Rußlanddeutsche sind. Eine Konsequenz dieses Ansatzes ist, daß kein Wort darüber verloren wird, wie diejenigen Gruppen, deren Wertvorstellungen von grundsätzlich anderer Natur sind, in die deutsche Gesellschaft integriert werden können. Weil dem so ist, erleben wir gerade in der dritten oder vierten Zuwanderungsgeneration bestimmter Ethnien, insbesondere aber bei den Türken, sogenannte "Reethnisierungstendenzen". Sprich: Die Ansätze von Assimilation und Integration, die es gegeben haben mag, werden durch die permissive deutsche Zuwanderungspolitik, die stark wachsende Diasporas nicht kulturkompatibler Ethnien ermöglicht, wieder rückgängig gemacht.

    Es ist eben nicht zufällig, sondern bezeichnend, wenn nach einer Umfrage von 1997 etwa sechzig Prozent der türkischen Jugendlichen im Alter von 15 bis 21 Jahren der These zustimmen: "Das Türkentum ist unser Körper, unsere Seele ist der Islam. Ein seelenloser Körper ist ein Leichnam." Was das bedeutet, liegt auf der Hand und ist in Deutschland mittlerweile tagtägliche Realität: Der multikulturelle (Schein)Konsens muß mit ständigen, (von "Sozialpädagogen" moderierten) teuren Konfliktgesprächen herbeigeführt werden, um die gesellschaftlichen Desintegrationstendenzen in einem erträglichen Rahmen zu halten.

    Dieser angebliche Konsens ist allerdings nicht in der Lage, die Beharrungskräfte, mit denen bestimmte Gruppen an ihrer kulturellen und ethnischen Identität festhalten, zu überbrücken. Multikulturalisten bleiben sprachlos, wenn es zum Beispiel um die Unterdrückung islamischer Frauen in deutschen Ausländerghettos geht. Wie paßt diese Tatsache eigentlich zu der "Freiheit" der modernen, multikulturellen Gesellschaft, von der sie schwärmen?

    Die Ghettoisierung scheint in jedem Einwanderungsland einer eisernen Regel zu folgen: Wenn die Wertvorstellungen eines Zuwanderungslandes mit den Wertvorstellungen der Zuwandernden kollidieren, kommt es zu Abschottungstendenzen. Wie diese Ghettos aufgelöst werden könnten, wie es HELMUT SCHMIDT für wünschenswert hält, ist nicht ersichtlich. Wie auch: Deutschland hat sein Selbstbestimmungsrecht in Fragen der Zuwanderung weitgehend aufgegeben. Internationale Verträge werden auch in Zukunft für einen unkontrollierbar großen Strom von Zuwanderern sorgen, der jede Integra-tionsbemühung zunichte machen wird. So müßte vor allem darüber nachgedacht werden, wie Deutschland in Fragen der Zuwanderung seine Handlungsfähigkeit zurückgewinnen kann.

    © JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. [Links nur für registrierte Nutzer] 50/04 03. Dezember 2004
    "Noch zwei Generationen Zeit"
    Der Demographie-Experte Theodor Schmidt-Kaler über die Einwanderung, Helmut Schmidt und das "Heidelberger Manifest"

    Moritz Schwarz

    Herr Professor Schmidt-Kaler, Altbundeskanzler HELMUT SCHMIDT hat es in der vergangenen Woche in einem Interview mit dem "Hamburger Abendblatt" als "Fehler" bezeichnet, "daß wir zu Beginn der sechziger Jahre Gastarbeiter aus fremden Kulturen ins Land geholt haben".

    Schmidt-Kaler: Das ist natürlich äußerst pikant, hat er doch als Bundeskanzler die Einwanderungspolitik seiner Vorgänger fortgesetzt. Späte Reue.

    Empfinden Sie Genugtuung?

    Schmidt-Kaler: Darum geht es mir nicht. Übrigens habe ich sonst immer viel von HELMUT SCHMIDT gehalten - und seine Fähigkeit zur Einsicht bestärkt mich darin.

    Sie hätten allerdings allen Grund dazu, immerhin betrachten Sie HELMUT SCHMIDT als mitverantwortlich für die Lahmlegung der Initiative "Heidelberger Manifest", zu dessen Unterzeichnern Sie 1981/82 gehörten. Des letzten Versuches aus den Reihen etablierter Eliten, die Folgen der Einwanderung öffentlich zu diskutieren, bevor sich nun das Thema in Folge der Ereignisse in Holland nach 22 Jahre wieder auf die offizielle Tagesordnung der Politik gedrängt hat.

    Schmidt-Kaler: Angestoßen durch den Münchner Mineralogen Helmut Schröcke hatten wir damals fünfzehn Professoren versammelt, die das Manifest als Erstunterzeichner unterschrieben haben, darunter übrigens auch der ehemalige CDU-Bundesminister Theodor Oberländer. Später haben sich noch Hunderte weitere Bürger angeschlossen. Denn die Folgen der trotz Anwerbestopps durch die an sich noble, aber verantwortungslose Politik der Familienzusammenführung fortgesetzten Massenzuwanderung waren damals schon deutlich vorauszusehen. Wir hatten gehofft, mit dieser Initiative das fatale Schweigen über dieses Schicksalsthema, das doch alle Menschen in unserem Land angeht und über das sie dennoch nicht öffentlich zu sprechen wagten, zu durchbrechen. Leider ohne Erfolg.

    Der ehemalige FAZ-Journalist und Sicherheitsexperte Udo Ulfkotte äußerte in der vergangene Woche im Interview mit dieser Zeitung Zweifel daran, daß das Thema nun wirklich ernsthaft diskutiert wird. Er hält es für eine der üblichen Medien-Moden, die bald wieder vergessen sind.

    Schmidt-Kaler: Das befürchte ich auch. Bezeichnend ist doch zum Beispiel, daß es sich bei der Debatte gar nicht mehr um das "Ob", sondern nur noch um das "Wie" von Einwanderung dreht. Die Frage "Ist Multikulti am Ende?" zielt nicht auf die Beendigung dieses höchst zweifelhaften Gesellschaftsexperimentes - man diskutiert darüber, wie man es doch noch retten könnte.

    Zum Beispiel durch "Integration statt Assimilation" mittels einer "demokratischen Leitkultur"?

    Schmidt-Kaler: Das Niveau solcher Vorschläge ist fatal! Was meint denn "demokratische Leitkultur" mehr als Gesetzes- und Verfassungstreue? Der Begriff "Kultur" ist hier völlig falsch verwendet! Kulturelle Integration ist nicht gleich, sondern führt zu Gesetzestreue - das Mittel wird mit dem Ziel verwechselt. Erstaunlich, daß ein Intellektueller wie Bassam Tibi, von dem das Konzept bekanntlich stammt, einen solchen Erstsemester-Fehler macht. Und zum Thema Integration kann ich nur sagen, wo ist diese jemals ohne ein kräftiges Maß an Assimilation gelungen? Staatlichkeit ist ihrem Wesen nach stets die Frage der Loyalität. In einer multikulturelle Gesellschaft besteht naturgemäß kein Konsens über den Bezugspunkt der Loyalität. Es war ein langwieriger und blutiger Prozeß, diesen in Europa auf der Grundlage der Nationalstaaten herzustellen. Beispiel: Während für Theo van Gogh dieser Bezugspunkt der liberale Nationalstaat Niederlande war, war es für seinen Attentäter der Islam. Das Ergebnis des Konfliktes: Van Gogh ist tot und Moscheen brennen.

    HELMUT SCHMIDT meint deshalb, daß "eine multikulturelle Gesellschaft nur dort funktioniert, wo es einen starken Obrigkeitsstaat gibt ... wie zum Beispiel in Singapur".

    Schmidt-Kaler: Schlechte Nachrichten für die Vertreter der multikulturellen Gesellschaft. Aber das ist nicht die Prämisse, von der wir in Deutschland ausgehen sollten.

    Bassam Tibi empfahl in einem "Spiegel"-Interview in der vergangenen Woche Leitkultur à la Frankreich: Das Bekenntnis zur französischen Republik integriere alle Bürger, egal welcher Herkunft.

    Schmidt-Kaler: Was Tibi verschweigt: Während bei uns - und zwar gerade dank der Achtundsechziger - Staat als reines Regelwerk und damit als Gegenmodell zur Nation verstanden wird, ist in Frankreich die Republik das Synonym für die Nation. Dieses Konzept setzt bei allen Beteiligten die Aufklärung voraus. Und der Islam hat bisher weder eine Reformation noch eine Aufklärung erlebt.

    Sie haben dagegen schon damals "aus rechnerischen Modellen ... bürgerkriegsähnliche Zustände und Rassenkrawalle" als Folge der Masseneinwanderung vorhergesagt.

    Schmidt-Kaler: Dieses Zitat stammt allerdings nicht aus dem Manifest. Anschläge wie in Madrid und Amsterdam erfüllen zwar noch nicht diesen Tatbestand, deuten aber darauf hin, daß die Prognose begründet ist. Übrigens prophezeien das auch andere: Udo Ulfkotte ebenso wie Bassam Tibi, und auch HELMUT SCHMIDT hat bekanntlich schon 1981 gewarnt: "Das gibt Mord und Totschlag".

    Ihr Heidelberger Manifest warnte unter anderem vor der "Unterwanderung des deutschen Volkes durch Zuzug von vielen Millionen Ausländern und ihren Familien und der Überfremdung unserer Sprache, Kultur und Volkstums".

    Schmidt-Kaler: So hieß es in der Fassung von Professor Schröcke, daneben gab es noch eine weitere Fassung von mir.

    In der statt von "deutschen Volk" von "deutscher Bevölkerung" und statt von "Volkstum" nur noch von "deutscher Sprache und Kultur" die Rede war.

    Schmidt-Kaler: Die aufgeladene Sprache der Schröcke-Fassung drohte die erhoffte Diskussion in einen Streit über die Formulierungen statt über die Inhalte münden zu lassen. Ich habe beide Fassungen unterschrieben, denn andererseits war die Schröcke-Fassung eher in der Sprache des Grundgesetzes gehalten.

    Inwiefern?

    Schmidt-Kaler: Das Grundgesetz benennt schließlich allein das "deutsche Volk" als Souverän, während ihm eine "deutsche Bevölkerung" unbekannt ist. Und laut des sogenannten Teso-Urteils des Bundesverfassungsgerichtes von 1987 ist Ziel und Zweck des Grundgesetzes "die Erhaltung des deutschen Volkes" - nicht nur in musealer Weise, nicht nur von Sprache und Kultur, sondern auch ganz konkret deren Verdichtung in einem lebendigen Volkstum.

    Welche Beweise haben Sie dafür, auch den damaligen Bundeskanzler HELMUT SCHMIDT für das Scheitern des Manifestes verantwortlich zu machen?

    Schmidt-Kaler: Bert Rürup kam 1981 zu einer Tagung der Deutschen Gesellschaft für Bevölkerungswissenschaft - heute Deutsche Gesellschaft für Demographie - in Bad Königstein im Taunus und sorgte dafür, daß dort die "Pro-Natalisten", also alle, die wie wir "Heidelberger" für ein Ende der Masseneinwanderung und für die Anhebung der deutschen Geburtenziffern eintraten, ausmanövriert wurden. Methode: Zuckerbrot und Peitsche. Er ließ durchblicken: Wer sich widersetzt, mußte mit Schwierigkeiten bei seiner Karriere rechnen, wer dagegen kooperiere, könne auf Belohnung hoffen. Wer oder was ermächtigte Rürup dazu? Nun, er war damals Berater im Bundeskanzleramt.

    Es war aber nicht allein HELMUT SCHMIDT, wie Sie vermuten?

    Schmidt-Kaler: Was die unterschwellige Stimmungsmache einer Regierung so alles anrichten kann, haben wir spätestens beim sogenannten "Aufstand der Anständigen" gesehen. Insgesamt aber sind wir an der schon im Entstehen begriffenen Political Correctness gescheitert, die bereits damals Vertreter mißliebiger Meinungen Haß, Verachtung und Terrormaßnahmen aussetzte.

    Terrormaßnahmen?

    Schmidt-Kaler: Ich bekam zum Beispiel Drohbriefe, inklusive Morddrohungen. An der Universität liefen diverse Flugblatt-Kampagnen gegen mich, unsere Bürotüren wurden mit Parolen wie "Institut für Rassismus" beschmiert. Schließlich wurden wir von einem Putztrupp überfallen und mein Vertreter so schlimm zusammengeschlagen, daß er zum Arzt mußte und noch Wochen später blau und gelb leuchtete. Auch mein Wohnhaus wurde wiederholt mit Parolen beschmiert, Fenster eingeworfen und ich schließlich in aller Öffentlichkeit geohrfeigt. Einige Kollegen zogen sich unter solchem Druck schließlich zurück. Danach wollte sich - bis auf Einzelkämpfer wie den Soziologen Robert Hepp - niemand mehr dem aussetzen, und das Thema wurde nur noch an den politischen Rändern aufgegriffen. Was natürlich ganz im Kalkül der Meinungsterroristen lag, denn damit hatte es endgültig das Gütesiegel "rechtsextrem".

    Immerhin druckten sowohl die "Frankfurter Rundschau" als auch die katholische "Tagespost" das Manifest als Dokumentation ab. Das Südwestfunkfernsehen in Baden-Baden lud Sie in eine Diskussionssendung im Regionalprogramm, der Bayerische Rundfunk in eine Sendung im ARD-Fernsehen ein.

    Schmidt-Kaler: Es war erfreulich, daß sie mir als Gegenüber einen Mann wie den SPD-Politiker Heinz Kühn, bis 1978 Ministerpräsident von NRW, eingeladen hatten. Aber es war auch die Sendung, in der ich von einer herbeistürmenden Zuschauerin - offensichtlich aus dem linksextremen Milieu bestellt - vor laufender Kamera geohrfeigt wurde. Aber abgesehen von diesen Ausnahmen liefen die Pressereaktionen fast überall ab, wie zuletzt im Fall Hohmann. So wie dort aus "Die Juden sind kein Tätervolk", "Hohmann nennt Juden Tätervolk" wurde, so wurde aus Einwanderungsstopp "Ausländerfeindlichkeit" gemacht. Daß es völlig absurd ist, Einwanderer pauschal mit jeder Art von Ausländern in Deutschland gleichzusetzen oder "Begrenzung" mit "Feindlichkeit", störte dabei nicht. Man wollte auch gar nicht verstehen, denn es ging darum, nicht zuzulassen, daß wir unsere vernünftigen Argumente überhaupt vorbringen. Im übrigen enttäuschte uns besonders das Schweigen von FAZ und Welt.

    Das Heidelberger Manifest hat auf beide Seiten des Problems hingewiesen, die zunehmende Immigration von Ausländern einerseits, die abnehmende Natalität der Deutschen andererseits.

    Schmidt-Kaler: Ja, und wir waren damit bereits an einem Punkt, an dem die Diskussion heute noch nicht wieder angelangt ist. Denn kommen diese beiden Faktoren zusammen, haben wir es nicht mehr mit der Art Einwanderung zu tun, wie wir sie von Einwanderungsländer wie den USA oder Kanada kennen. Dann entspricht Einwanderung im Effekt dem, was wir in der Geschichte mit dem Begriff "Völkerwanderung" ausdrücken, nämlich die Veränderung der Grundbedingungen des Lebens ganzer Völker.

    Im Moment haben wir sieben Millionen Ausländer bei 82 Millionen Deutschen, das klingt noch verkraftbar.

    Schmidt-Kaler: Das sind nominelle Zahlen, die schon "dank" der großzügigen Einbürgerungspraxis, Sonderregelungen wie Asyl und illegalen Aufenthalten längst nicht mehr die Wirklichkeit beschreiben. Aber der Punkt ist, daß man die Einwanderungsfrage verzerrt, wenn man sie statisch darstellt. Denn Einwanderung ist keine Situation, sondern ein Prozeß. Fixe Zahlen transportieren nicht die eigentliche Information, diese ist erst in den Faktoren enthalten, die auf die Zahlen wirken. Und der entscheidende Faktor ist die Natalität. Die eigentliche Einwanderung findet bei uns längst nicht mehr "sichtbar" über die Grenzen statt, sie vollzieht sich "unsichtbar" über die Kreißsäle. Und ebenso "verschwindet" das deutsche Volk nicht sichtbar über die Grenzen wie bei einer Vertreibung, sondern ebenfalls unsichtbar: Kindergärten werden dichtgemacht, Friedhöfe erweitert.

    Die Union fordert jetzt verschärfte Maßnahmen wie etwa einen Eid auf die Verfassung bei der Einbürgerung. Was erwarten Sie von einem eventuellen CDU-Wahlsieg 2006?

    Schmidt-Kaler: 1986 habe ich für Bundeskanzler Kohl eine internationale bevölkerungswissenschaftliche Tagung in Bonn organisiert. Zur Vorbereitung empfing er mich zum Gespräch unter vier Augen im Bundeskanzleramt. Er wollte über das Problem der Demographie reden. Wann immer ich die Einwanderung ansprach, winkte er ab. Was also soll ich von der Politik erwarten? Wir haben de facto nur Einwanderungsparteien in Deutschland. Ebenso ist es mit den "relevanten" gesellschaftlichen Gruppen, ob Kirchen oder die angeblich arbeitnehmerfreundlichen Gewerkschaften. Ich frage mich auch, warum etwa der Zentralrat der Juden in Deutschland uns hierzulande stets dringend eine unterschiedslose Einwanderungspolitik empfiehlt, während er die extrem völkische Einwanderungspolitik in Israel nicht kritisiert. Nun, wenn in den nächsten Jahren der EU-Beitritt der Türkei bei voller Freizügigkeit für dann 90 Millionen Türken beschlossen wird, hat sich die Diskussion sowieso erledigt. Dann gebe ich Deutschland noch maximal zwei Generationen.



    Prof. Dr. Theodor Schmidt-Kaler ist einer der letzten noch lebenden Unterzeichner des Heidelberger Manifestes, mit dem 1981/82 vierzehn deutsche Professoren und ein Bundesminister a.D. vor den Folgen der Masseneinwanderung warnten und - vergeblich - versuchten, eine öffentliche Diskus-sion darüber zu entfachen. Schmidt-Kaler beriet mehrfach Ministerien während der Kabinette Schmidt und Kohl zu demographischen und rentenpolitischen Fragen, ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Demographie und veröffentlichte zahlreiche Artikel zum Thema, etwa in Bevölkerungswissenschaft oder Aus Politik und Zeitgeschichte. Der 1930 im oberfränkischen Seibelsdorf geborene Naturwissenschaftler lehrte in Bonn, Toronto und Bochum, war Präsident der Astronomischen Gesellschaft und ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen und der Europäischen Akademie der Wissenschaften.

    © JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. [Links nur für registrierte Nutzer] 50/04 03. Dezember 2004
    „Noch sitzt Ihr da oben, Ihr feigen Gestalten. Vom Feinde bezahlt, doch dem Volke zum Spott! Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten, dann richtet das Volk, dann gnade Euch Gott!“
    (Theodor Körner 1791-1813)

  3. #3
    Last Line Of Defense Benutzerbild von sunbeam
    Registriert seit
    12.11.2004
    Beiträge
    77.105

    Standard

    Genau an dieser Alterseisheit lässt sich gut herauslesen, dass währden den div. Regierungszeiten dt. Kanzler Entscheidungen getroffen werden, die klar und eindeutig der nationalen Einheit und dem Fortschritt des Landes zuwider laufen. Ich frage mich wer eigentlich dt. Politik macht - das Ausland und div. Organisationen oder die dt. Politiker?
    When the night is done the sun starts smiling
    The ocean kisses the sky and the horizon

    It‘s a lovelee dae – and the sun is shining
    Everywhere I go – I see children smilin‘

  4. #4
    Tod den Eliten Benutzerbild von Rikimer
    Registriert seit
    23.05.2005
    Ort
    Kanada
    Beiträge
    24.033

    Standard

    Oder die bekannten Interviews und Äußerungen von Helmut Schmidt im Hamburger Abendblatt:

    Wieviel Anatolien verträgt Europa?

    Helmut Schmidt: Nächsten Monat wird er 86, doch politikmüde ist der frühere Bundeskanzler noch lange nicht. Gerade hat er in einem weiteren Buch ("Die Mächte der Zukunft") seine Gedanken und Sorgen über die Lage in der Welt notiert. Dazu gehört auch das Wort vom "Kampf der Kulturen", das in Deutschland neue Konjunktur hat. Kann man Millionen Moslems in diese Gesellschaft integrieren? Gehört die Türkei in die EU? Diese und andere Fragen beantwortet Helmut Schmidt im Abendblatt.

    ABENDBLATT: Sie beschreiben in Ihrem neuen Buch den möglichen Kampf der Kulturen, also Islam versus Christentum, als eine der großen Gefahren des 21. Jahrhunderts. Eine Umfrage hat gerade ergeben, daß 57 Prozent der Deutschen die Anwendung religiös motivierter Gewalt befürchtet. Haben wir das Problem zu lange verniedlicht oder vernachlässigt?

    HELMUT SCHMIDT: Verniedlicht nicht, aber das Wort Vernachlässigung ist insofern zutreffend, als die Deutschen und andere Europäer etwa seit den 60er Jahren versäumt haben, die bei uns aus fremden Kulturkreisen lebenden Menschen zu integrieren. Die von einigen intellektuellen Idealisten sogenannte multikulturelle Gesellschaft, also die Mischung europäischer und außereuropäischer Kulturen, ist bisher nirgendwo wirklich gelungen.

    ABENDBLATT: Woran liegt das?

    SCHMIDT: Das liegt an der Feindlichkeit, mit der alle christlichen Kirchen über Jahrhunderte die Europäer gegenüber anderen Religionen erzogen haben, insbesondere gegenüber dem Judentum und dem Islam. Gegenüber dem Judentum seit beinah 2000 Jahren, gegenüber dem Islam seit über 1000 Jahren. Wir haben eine Grundhaltung der Abwehr gegenüber diesen Religionen erzeugt, und wenn jetzt einige Idealisten von Toleranz reden, kommt dieser Appell Hunderte von Jahren zu spät. Es kommt hinzu, daß viele Ausländer sich gar nicht integrieren wollen.

    ABENDBLATT: Ist Multikulti denn grundsätzlich eine Illusion? Wir haben doch nun mal über drei Millionen Moslems in Deutschland.

    SCHMIDT: Mit einer demokratischen Gesellschaft ist das Konzept von Multikulti schwer vereinbar. Vielleicht auf ganz lange Sicht. Aber wenn man fragt, wo denn multikulturelle Gesellschaften bislang funktioniert haben, kommt man sehr schnell zum Ergebnis, daß sie nur dort friedlich funktionieren, wo es einen starken Obrigkeitsstaat gibt. Insofern war es ein Fehler, daß wir zu Beginn der 60er Jahre Gastarbeiter aus fremden Kulturen ins Land holten.

    ABENDBLATT: Aber in den USA gibt es doch auch keinen Obrigkeitsstaat?

    SCHMIDT: Dort gibt es auch noch keine multikulturelle Gesellschaft, das wird vielleicht mal eine. Ein gelungenes Beispiel ist Singapur, aber die dort lebenden Kulturen sprechen alle Englisch, und das politische System setzt auf Obrigkeit. Wie schwer ist es dagegen, bei uns Deutsch durchzusetzen. Wenn Sie die Aufschriften an den Geschäften auf dem Steindamm studieren, werden Sie feststellen, daß viele türkisch sind.

    ABENDBLATT: Begangene Fehler können wir nicht rückgängig machen, wir müssen uns mit ihnen auseinandersetzen. Was also ist zu tun?

    SCHMIDT: Wir müssen die Gettos in den Großstädten auflösen, die zum Teil ja von den Behörden noch gefördert wurden. Nach dem Motto: Da leben sowieso schon so viele Türken, dort ist der Wohnraum billig. Also können noch mehr Türken dazukommen. Das war ziemlich gedankenlos. Die großen Fürsprecher der multikulturellen Gesellschaft leben übrigens nicht in Mottenburg, die leben oft in Villengegenden.

    ABENDBLATT: Muß der Staat auch härter durchgreifen? Und ist es wirklich sinnvoll, wenn jetzt gefordert wird, daß Predigten nur noch in Deutsch gehalten werden?

    SCHMIDT: Nach der bisherigen Tradition in europäischen Kirchen ist es nicht ganz einfach, das zu verlangen. In der katholischen Kirche ist bis vor wenigen 100 Jahren immer Latein gesprochen worden, nicht die Sprache der Gemeinde. Freilich ist es durchaus verständlich, wenn Leute sagen: "Ich will aber wissen, was da gepredigt wird." Ich bin immer der Meinung gewesen, daß ein staatlich angestellter Lehrer oder Prediger in der deutschen Sprache reden muß. Leider haben sich jetzt feste Übungen herausgebildet, und manche der islamischen Prediger können gar kein Deutsch.

    ABENDBLATT: Die europäische Einigung und die mit einem möglichen Beitritt der Türkei verbundenen Probleme nehmen in ihrem Buch einen weiten Raum ein. Und vieles klingt nach Pessimismus.

    SCHMIDT: Das hat mit Pessimismus nichts zu tun. Wenn ein Arzt, nachdem sie ihn wegen schrecklicher Schmerzen in der Brust aufgesucht haben, ihnen sagt, welche Krankheit sie haben, ist er deswegen kein Pessimist.

    ABENDBLATT: Nach dem Bericht des deutschen EU-Kommissars Verheugen hat sich die Situation immerhin so verbessert, daß er die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen empfiehlt.

    SCHMIDT: Herr Verheugen hat das alles zu eifrig gemacht. Aus einem Staat, der Hunderte Jahre ein Obrigkeitsstaat war, wird nicht in zwei Jahren eine Demokratie. Ich war nie gegen den Beitritt der Türkei zum gemeinsamen Markt oder gegen eine ökonomische Unterstützung. Beides halte ich für sehr vernünftig und habe es als Regierungschef selber betrieben.

    ABENDBLATT: Wogegen sind Sie dann?

    SCHMIDT: Ich bin dagegen, für die inzwischen beinahe 70 Millionen Türken Freizügigkeit nach Europa herzustellen. Wenn Verheugen sagen würde, Beitritt der Türkei ja, aber minus Einwanderung, dann gäbe es eine andere Situation. Das habe ich aber weder von ihm noch von den Mitgliedern des Europäischen Rates gehört. Insgeheim hoffen sie doch auf eine Veränderung der Situation, so daß die Freizügigkeit nicht gewährt werden muß. Das sagen sie nur nicht laut.

    ABENDBLATT: Warum wehren sie sich so gegen Freizügigkeit?

    SCHMIDT: Der Lebensstandard in Anatolien ist im Verhältnis zu Westeuropa, aber auch zu den neuen Beitrittsländern kategorisch niedriger. Die europäischen Diplomaten lassen sich täuschen, weil sie nur Istanbul, Izmir oder Ankara kennen. Sie kennen aber Anatolien nicht. Und dieser enorme Unterschied im Lebensstandard sorgt für Auswanderung. Das kennen wir doch aus der Geschichte.

    ABENDBLATT: Würde es nicht auch ausreichen, wenn Deutschland die Anziehungskraft seines sozialen Netzes verminderte?

    SCHMIDT: Selbst wenn man das täte, bliebe Deutschland ein Wohlfahrtsstaat. Und der wird auch in Zukunft Magnetwirkung haben. Die Menschen werden kommen und bei der deutschen Sozialfürsorge um eine Wohnung nachsuchen, um einen Fernseher und ein Telefon. Das können wir hier in Hamburg doch alles studieren.

    ABENDBLATT: Mal ganz unabhängig vom Beitrittsproblem Türkei - müssen wir nicht anerkennen, daß sich die Dinge in Europa im geschichtlichen Vergleich wunderbar entwickelt haben?

    SCHMIDT: Seien wir etwas genauer und sagen, was sich seit 1950 entwickelt hat. Im Mai 1950 wurde der Schuman-Plan veröffentlicht, und was seitdem passiert ist, ist eine unglaubliche Leistung. Aber was wir seit 1992 erleben, ist leider keine Meisterleistung. Mit einer wichtigen Ausnahme: dem Beschluß über die gemeinsame Währung, die dann ja 1999 zustande kam. Ansonsten ist seit Maastricht 1992 nicht viel Vernünftiges mehr geschehen.

    ABENDBLATT: Woran liegt es, daß der Einigungsprozeß heute eine andere Qualität hat als in den 50er Jahren? Damals gab es doch viel mehr Emotionen, da war Europa für viele eine Herzenssache.

    SCHMIDT: Für den damaligen Wortführer der Deutschen, Konrad Adenauer, war Europa eine Sache des Verstandes. Die Erfahrungen der beiden Weltkriege und die Gefahren, die vom Sowjetkommunismus ausgingen, bestimmten sein Handeln. Vergessen wir nicht die Teilung Europas und vor allem Deutschlands. Die Geteiltheit Deutschlands war übrigens für viele Nichtdeutsche eine Beruhigung. Weswegen Frankreichs Staatschef Mitterrand und die englische Premierministerin Thatcher 1989/90 sich der Vereinigung zunächst widersetzten. Denen wurde Deutschland zu groß.

    ABENDBLATT: Aber was ist dann die Idee eines gemeinsamen Europa noch wert, einer gemeinsamen Außenpolitik?

    SCHMIDT: Diese Idee hatten nur Idealisten, außerdem einige Schwätzer. Die Idee war immer irreal, denn niemals haben die Engländer oder Franzosen die Absicht gehabt, ihre nationale Autonomie über ihre Atomwaffen aufzugeben. Niemals im Traum hat irgendeiner der Staatschefs dieser beiden Länder vorgehabt, zugunsten von Herrn Solana seinen eigenen Außenminister, seine Botschafter oder Nachrichtendienste abzuschaffen. Wer davon geredet hat, war ein idealistischer Traumtänzer. Um zu glauben, daß dieser Kontinent, der sich seit etwa 1000 Jahren in Nationalstaaten entwickelt hat, von denen beinahe jeder seine eigene Sprache hat, sich innerhalb weniger Jahrzehnte zu einer transnationalen Einheit verschmelzen kann, muß man wirklich ein Intellektueller sein. De Gaulle hat von einem "Europa der Vaterländer" gesprochen, das war ein kluges Wort. Man darf die europäische Integration vom Herzen her angehen; aber die Vernunft verlangt, immer nur schrittweise voranzugehen.

    ABENDBLATT: Wie wird denn Europa in 20 Jahren aussehen?

    SCHMIDT: Nicht viel anders als heute. Möglicherweise schlechter. Möglicherweise aufgespalten.

    ABENDBLATT: In Amerikatreue und Nichtamerikatreue?

    SCHMIDT: Ja, das ist denkbar. Und nicht zuletzt wird Amerika bei dieser Spaltung helfen. Die USA wollen ja, daß die Erweiterung der EU sich sogar auf Länder wie die Ukraine, Armenien oder Israel ausdehnt.

    ABENDBLATT: Das klingt sehr kritisch. Doch in Ihrem Buch gewinnt der Leser den Eindruck, daß Sie die USA bewundern.

    SCHMIDT: Das ist richtig, vor allem wegen der Vitalität Amerikas. Die USA haben in ihrer Geschichte eine Reihe von kulturellen und politischen Traditionen entwickelt und sind trotz ihrer ethnischen Vielfalt homogen geblieben.

    Früher wurde fast ausschließlich Englisch gesprochen. Heute findet man Regionen, in denen die spanische Sprache vorherrscht. Das hängt damit zusammen, daß dieser Bevölkerungsteil eine wesentlich höhere Geburtenrate hat als der angelsächsisch geprägte. Das wird im Laufe des 21. Jahrhunderts zu Problemen führen. Aber grundsätzlich gilt, daß Amerika ein Land ist, das sich durch ungeheure Vitalität auszeichnet, im Gegensatz zu Europa.

    ABENDBLATT: Können Sie das erklären?

    SCHMIDT: Das hat historische Gründe, die ins 18. und 19. Jahrhundert zurückreichen. Millionen von Menschen verließen damals Europa, weil es ihnen hier schlechtging. Das waren Leute, die genug Selbstvertrauen hatten, keine Bildungselite, aber eine Elite der Lebenskräftigen, die in die USA ausgewandert ist, um in Gottvertrauen Neues aufzubauen. Die USA waren der erste demokratische Staat, den Europäer überhaupt errichtet haben. Früher als die Franzosen, sehr viel früher als die Deutschen. Insofern gilt immer noch, daß die Grundwerte der Amerikaner sich nicht sonderlich von den Grundwerten der Europäer unterscheiden. Es gibt keinen anderen Kontinent, mit dem das amerikanische Volk kulturell stärker übereinstimmt als Europa. Das wird auch so bleiben, völlig unabhängig davon ist, was Herr Rumsfeld oder Präsident Bush über die Europäer sagen.

    ABENDBLATT: Nun hat gerade unter dieser Regierung das jahrzehntelange gute transatlantische Verhältnis sehr gelitten.

    SCHMIDT: Leider. Und es wird sich so bald nicht wiederholen, daß ein amerikanischer Präsident wie John F. Kennedy sagen wird, dieses Verhältnis ruht auf zwei Säulen, nämlich der amerikanischen und der europäischen.

    ABENDBLATT: Das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert der großen Weltkriege. Können wir aus heutiger Sicht Weltkriege für das 21. Jahrhundert ausschließen?

    SCHMIDT: Ausschließen kann man das nicht, aber wahrscheinlich kommt es mir nicht vor. Wenn es zu einem große Teile der Welt umfassenden politisch-religiösen Konflikt käme, also zwischen den heutzutage 1,2 Milliarden Moslems und den westlich geprägten Staaten, dann muß sich das keineswegs zu einem allgemeinen Weltkrieg ausweiten. Es kann sich aber durchaus in vielen regionalen Konflikten niederschlagen, zum Beispiel im Mittleren Osten. Die Wahrscheinlichkeit von kleineren Kriegen steigt, weil es immer mehr Menschen auf der Erde gibt, der verfügbare Raum aber gleichbleibt. Immer mehr Menschen leben in Städten und Hochhäusern. Vor 100 Jahren waren Städte wie London, Paris oder New York Riesenstädte, heute sind sie klein im Verhältnis zu Shanghai, Kairo oder Mexiko-City.

    ABENDBLATT: Sie schreiben in Ihrem Buch, daß die Welt unübersichtlicher geworden ist. War sie denn jemals übersichtlich?

    SCHMIDT: Zur Zeit des Kalten Krieges war sie übersichtlicher, als sie heute ist. Ich wünsche mir deshalb nicht den Kalten Krieg wieder herbei. Es gab den kommunistischen Osten und den sogenannten demokratischen Westen. Und dann gab es noch die Dritte Welt, die Entwicklungsländer. Das war eine ziemlich sauber eingeteilte Welt. Keine ungefährliche, wie die Kuba-Krise zeigte. Damals konnte ein atomarer Weltkrieg ausbrechen. Die Klugheit von Kennedy und Chruschtschow und ihr Wille zum Kompromiß haben ihn verhindert. Ich wünsche mir für dieses Jahrhundert Politiker, die ähnlich klug handeln.

    erschienen am 24. November 2004 in Politik

    Quelle:
    [Links nur für registrierte Nutzer]
    Schmidt: Multikulti ist kaum möglich
    Moslems: Altbundeskanzler - Deutschland hat die Probleme der Integration seit den 60er Jahren vernachlässigt.


    Von Holger Dohmen

    Hamburg - Eine Integration verschiedener Kulturen wird in Deutschland auf absehbare Sicht kaum möglich sein. Mit dieser These hat sich Altbundeskanzler Helmut Schmidt in die Debatte um den künftigen Umgang mit muslimischen Zuwanderern eingeschaltet. In einem Interview mit dem Abendblatt sagte Schmidt wörtlich: "Mit einer demokratischen Gesellschaft ist das Konzept von Multikulti schwer vereinbar. Vielleicht auf lange Sicht."

    Insofern sei es ein Fehler gewesen, "daß wir zu Beginn der 60er Jahre Gastarbeiter aus fremden Kulturen ins Land holten", betonte Schmidt. Die damit entstandenen Probleme seien in Deutschland, aber auch in ganz Europa vernachlässigt worden. Bislang funktionierten multikulturelle Gesellschaften nur dort friedlich, wo es einen starken Obrigkeitsstaat gebe. Als Beispiel nannte er Singapur.

    Die entscheidende Ursache für das Mißlingen der Integration sieht Schmidt in der "Feindlichkeit", mit der alle christlichen Kirchen über Jahrhunderte die Europäer gegenüber anderen Religionen erzogen hätten, insbesondere gegenüber dem Judentum und dem Islam. "Wenn jetzt einige Idealisten von Toleranz reden, kommt dieser Appell Hunderte von Jahren zu spät", so der Altbundeskanzler. "Es kommt hinzu, daß sich viele Ausländer gar nicht integrieren wollen."

    Unterdessen hat die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck (Grüne), ein 20-Punkte-Papier zur Integration von Moslems vorgelegt. Sie fordert darin unter anderem die entschiedene Bekämpfung islamistischer Bestrebungen, aber auch eine "Politik der Anerkennung, die den Islam als gleichberechtigte Religion akzeptiert".

    Der Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, Hans-Joachim Meyer, plädiert für einen Dialog zwischen Christen und Moslems. "Wir brauchen so etwas wie einen europäischen Islam, der sich tolerant verhält", sagte er im Radio Berlin Brandenburg. Zugleich forderte er von Ausländern Kenntnisse über die deutsche Kulturgeschichte. Sprachkenntnisse allein genügten nicht. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Christoph Böhr mahnte ein "klares Wort des Respekts" gegenüber jenen Moslems an, die ihren Glauben in Übereinstimmung mit den politischen und sozialen Grundüberzeugungen Europas bringen wollten.

    erschienen am 24. November 2004 in Politik
    [Links nur für registrierte Nutzer]
    „Noch sitzt Ihr da oben, Ihr feigen Gestalten. Vom Feinde bezahlt, doch dem Volke zum Spott! Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten, dann richtet das Volk, dann gnade Euch Gott!“
    (Theodor Körner 1791-1813)

  5. #5
    Tod den Eliten Benutzerbild von Rikimer
    Registriert seit
    23.05.2005
    Ort
    Kanada
    Beiträge
    24.033

    Standard

    Zitat Zitat von sunbeam
    Genau an dieser Alterseisheit lässt sich gut herauslesen, dass währden den div. Regierungszeiten dt. Kanzler Entscheidungen getroffen werden, die klar und eindeutig der nationalen Einheit und dem Fortschritt des Landes zuwider laufen. Ich frage mich wer eigentlich dt. Politik macht - das Ausland und div. Organisationen oder die dt. Politiker?
    Die oft kritischen, auch selbstkritischen, Äußerungen der Politiker und sonstiger öffentlicher Größen - nach ihrer Pensionierung - läßt tatsächlich diese Frage aufkommen. Nämlich, wer eigentlich dt. Politik "zum Wohle" des Volkes "unter Abwendung seines Schadens" macht?
    ?(

    MfG

    Rikimer
    „Noch sitzt Ihr da oben, Ihr feigen Gestalten. Vom Feinde bezahlt, doch dem Volke zum Spott! Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten, dann richtet das Volk, dann gnade Euch Gott!“
    (Theodor Körner 1791-1813)

  6. #6
    Last Line Of Defense Benutzerbild von sunbeam
    Registriert seit
    12.11.2004
    Beiträge
    77.105

    Standard

    Zitat Zitat von Rikimer
    Die oft kritischen, auch selbstkritischen, Äußerungen der Politiker und sonstiger öffentlicher Größen - nach ihrer Pensionierung - läßt tatsächlich diese Frage aufkommen. Nämlich, wer eigentlich dt. Politik "zum Wohle" des Volkes "unter Abwendung seines Schadens" macht?
    ?(

    MfG

    Rikimer
    Eben, es ist kein Zufall das spät am Ende eines Lebens bei jedem politischen Akteur im Nachkriegsdeutschland sogar die eigene Politik kritisch wenn nicht sogar eher negativ betrachtet wird - von daher kann es nicht als Souveränität ausgelegt werden, was dt. Regierungen beschließen!
    When the night is done the sun starts smiling
    The ocean kisses the sky and the horizon

    It‘s a lovelee dae – and the sun is shining
    Everywhere I go – I see children smilin‘

  7. #7
    karl martell
    Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Rikimer
    hat er nun recht oder unrecht mit mit seinen Aussagen?
    Natürlich hat er Recht, aber seine Regierung hat das alles mitveranstaltet.

    Wenn man sich das Strassenbild in westd. Städten heute so ansieht, fragt man sich, ob das hier mal das Land der Deutschen war.

    Selbst in den Kleinstädten geht es schon los, negride Kinder und russisch sprechende Jugendliche zeugen vom Untergang unseres Volkes.


    ---

  8. #8
    Demokrat Benutzerbild von StH
    Registriert seit
    11.05.2005
    Ort
    Witten
    Beiträge
    343

    Standard

    Zuwanderung kann man sicherlich mit verschiedenen Sachen rechtfertigen, doch die demographischen Probleme, die Deutschland hat, kann man mit Zuwanderung nicht lösen. Es reicht nicht, massenhaft fremde Menschen nach Deutschland zu holen, und dann zu glauben, es wäre alles okay. Man muß Familiengründungen mit politischen Mitteln fördern, wie auch immer die zunächst aussehen mögen.
    "Es ist ein Unglück, daß die SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands heißt. Hieße sie (...) Reformistische Partei oder Partei des kleineren Übels oder Hier können Familien Kaffee kochen oder so etwas - vielen Arbeitern hätte der neue Name die Augen geöffnet, und sie wären dahingegangen, wohin sie gehören: zu einer Arbeiterpartei. So aber macht der Laden seine schlechten Geschäfte unter einem ehemals guten Namen."

    Kurt Tucholsky

  9. #9
    Mitglied
    Registriert seit
    11.01.2005
    Beiträge
    33.752

    Verantwortung übernehmen ?

    Zitat Zitat von Rikimer
    Helmut Schmidt ist schon in der Vergangenheit mit solchen Äußerungen aufgefallen. Hätte er diese schon zu seiner Regierungszeit gefällt, täte er heute als Rechtsradikaler gelten? Abgesehen davon, hat er nun recht oder unrecht mit mit seinen Aussagen? Es ist zwar schön zu lesen das ein Politiker nach seiner Amtszeit Fehler seiner eigenen Politik zugibt, ich höre so etwas selten, eigentlich so gut wie nie, andererseits:Es ist angerichtet, und nun? Und es wirft u. a. die Frage auf: Sollten Politiker auch nach ihrer Amtszeit nachträglich zur Verantwortung gezogen werden für ihre gröbsten Fehler und Verfehlungen? Bei Menschen wie Helmut Schmidt natürlich unter Berücksichtigung ihrer Einsichtsfähigkeit in ihre eigenen Taten. Wäre so etwas, ehrliche permanente Selbstkritik, auch bei Politikern vom Format Helmut Kohl und Joschka Fischer zu erwarten?

    MfG

    Rikimer
    Da müsste man bis auf ein paar Hinterbänkler alle erschiessen !

  10. #10
    Who is the Coon? Benutzerbild von Hossbach
    Registriert seit
    11.05.2005
    Ort
    Bamberg
    Beiträge
    678

    Standard

    Ich habe dieses Interview im Focus gelesen und sagt er dort nicht eher, dass er die erfolgter Zuwanderung für nicht schädlich hält, aber diese jetzt gestoppt werden müsste, während die Integration stärker betrieben werden sollte?
    If it wasn't for bad luck I wouldn't have no luck at all.

+ Auf Thema antworten

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)

Nutzer die den Thread gelesen haben : 0

Du hast keine Berechtigung, um die Liste der Namen zu sehen.

Forumregeln

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •  
nach oben