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Thema: Frauenrechte in der "fortschrittlichen" Türkei

  1. #1
    Des Flügels Geflügel Benutzerbild von Sathington Willoughby
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    Standard Frauenrechte in der "fortschrittlichen" Türkei

    Ein User (der auch hier schreibt) hat in einem anderen Forum einen sehr interessanten Strang aufgemacht, ich möchte ihn hier weiterführen, da er sehr informativ ist:

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    In einem Bericht des Weltwirtschaftsforums, in dem die Gleichberecht- igungsituation von Frauen untersucht wurde, fiel die Türkei unter 134 Ländern auf den 126. Platz. Damit gehört die Türkei dem Bericht zufolge zu den Ländern, in denen die Situation der Frauen am schlimmsten ist.
    Demokratiedefizite
    In einem vom Weltwirtschaftsforum vorgelegten Bericht zur Gleichberechtigung der Geschlechter erreichte die Türkei Rang 126 unter 134 erfassten Ländern. Der Index erfasst Kriterien wie politische Partizipation, Zugang zu Bildung, Gesundheit und Lebenserwartung sowie die Repräsentanz von Frauen in politischen Ämtern.
    Im Demokratie-Index des Economist wurde die Türkei unter 167 erfassten Ländern mit Rang 89 als "hybrid" eingestuft. Sie teilt den Rang mit Nicaragua. Die alle zwei Jahre durchgeführte Untersuchung erfasst Kriterien wie Pluralismus, Wahlsystem, zivile Freiheitsrechte, Regierungsfunktionen, politische Beteiligung und politische Kultur.
    (...)

    Individuelle Sexualität als gesellschaftliches Gut

    Durch die Kontrolle der Keuschheit der Frauen durch Familienangehörige, lange Zeit auch durch gerichtlich legitimierte Institutionen sowie im Rahmen des kulturellen religiösen Lebens, wird der Frau die eigenmächtige Verfügung über ihre Sexualität und ihren Körper entzogen. So war bis März 1999 den Gerichten die Möglichkeit gegeben, Frauen, die dem gerichtlichen Urteil zufolge Ehebruch begangen hatten, Gefängnisstrafen zu erteilen, außerdem konnten Mädchen und junge Frauen in Staatsschulen und Waisenheimen Jungfräulichkeitstests unterzogen werden.[8]
    "In der Hochzeitsnacht blutete ich nicht. Mein Mann schnitt sich in den Finger, so dass Blut auf dem Laken war. Am nächsten Morgen brachte er mich direkt zum Arzt, um mein Jungfernhäutchen untersuchen zu lassen. Obwohl das Jungfernhäutchen intakt war, behandelt er mich manchmal in sehr herablassender Weise. Bis heute wusste ich nicht, dass es für manche Frauen normal ist, nicht zu bluten." (Bericht einer Teilnehmerin eines Frauenrechtsprojektes, zit. nach [10])
    Die türkische Frau wird zu dem gemacht, was sie nach streng islamischer Auffassung darzustellen hat: eine Trägerin der allgemeinen Gruppenidentität und daher Objekt gesellschaftlicher Interessen. Sie stellt damit immer die Gefahr dar, durch Regelverstöße gegen die gewohnheitsrechtlichen geschlechterspezifischen Bestimmungen die Ehre (namus) der Gruppe (Familie, Dorf, Nation) zu beschmutzen.[8] Meistens werden Ehrverletzungen von Verwandten dann wahrgenommen, wenn weibliche Verhaltensweisen nicht dem gesellschaftlichen Ideal (Jungfräulichkeit, Keuschheit, Sittlichkeit) entsprechen. In der Folge verlangt der streng orthodoxe Ehrenkodex als einzige Lösung die Rache (Ermordung oder Misshandlung) der des Normbruches bezichtigten Frau.

    Verbrechen im Namen der "Ehre"

    Ein Problem bei einer eingehenden Untersuchung von Gewaltverbrechen gegen Frauen ist das Fehlen genauer statistischer Informationen über Ausmaß und regionale Konzentration.[10] Das liegt einerseits daran, dass viele Gewalthandlungen, die in diesen Tatbestand fallen, vertuscht werden und von Tätern oder sogar von Familienangehörigen des Opfers als Selbstmorde getarnt werden und daher schwer zu erfassen sind. Außerdem fehlt es noch immer am Willen der staatlichen Institutionen (Exekutive und Judikative) der Kriminalität gegen Frauen ausreichend nachzugehen und entgegenzuwirken.
    "Versuche, die Anzahl der "Verbrechen aus Ehre" in der Türkei festzustellen, geben nicht das wahre Ausmaß wieder. So wird etwa im Jahresbericht des Türkischen Menschenrechtsvereins geschätzt, dass von 77 Frauen, die 2003 durch die Hand von Familienmitgliedern starben, 40 sogenannten "Verbrechen aus Ehre" zum Opfer fielen. Viele Todesfälle werden jedoch gar nicht bekannt, Morde werden als Selbstmorde dargestellt und von den Familien vertuscht; und Frauen werden gezwungen oder veranlasst, sich selbst umzubringen. Da die Behörden es häufig an einer gründlichen Untersuchung des gewaltsamen Todes von Frauen mangeln lassen, ist jeder Versuch, solche Verbrechen vollständig zu erfassen, zum Scheitern verurteilt."[10]
    "Ehrenmorde betreffen alle Schichten und alle Altersgruppen. In den meisten Fällen ist der Täter der Bruder des Opfers. Oft [erhalten] die Angeklagten mildere Strafen, wenn ihre Opfer alleinstehend und schwanger waren."[11]
    Nach einer Untersuchung der Europäischen Union wurden in der Türkei seit 2001 über 1.800 Frauen Opfer sogenannter "Ehren"-Morde.[12]
    Ein großes Problem in diesem Zusammenhang ist die oft unzureichende staatliche Verfolgung solcher Verbrechen. So stellen Staatsanwaltschaft und Polizei oft die Ermittlungen ein, wenn der Verdächtige den Anschuldigungen widerspricht. Auch werden Frauen, die Opfer von Gewalthandlungen geworden sind und diese anzeigen wollen, in vielen Fällen dazu angehalten, nach Hause zurückzukehren und "Frieden zu schließen".[10]
    Das und die oft verinnerlichte Vorstellung, als Frau kein Recht darauf zu haben, sich dem Willen des Ehemannes zu widersetzen führen dazu, dass viele Frauen Hilfe bei Polizei und Justiz erst gar nicht suchen. "In einer Studie (der Organisation ´Women for Women‘s Human Rights`; in der Türkei durchgeführt im Jahr 2000) gaben 57 Prozent der Frauen an, körperliche Gewalt erfahren zu haben, aber nur 1,2 Prozent hatten die Polizei verständigt, und 0,2 Prozent hatten Anzeige erstattet."[10]

    Äußere Liberalität und innerer Traditionalismus

    Den Gerichten wird von staatlicher Seite ein weiter Ermessensspielraum zuerkannt, der es den Richtern ermöglicht, nach ihren Vorstellungen das Strafmaß autonom zu bestimmen. Dadurch werden die im letzten Jahrzehnt durchgeführten positiven Gesetzeserneuerungen oft durch die gerichtliche Praxis entwertet. Ähnliche Diskrepanzen zwischen geschriebenem und im Einzelfall vollzogenem Recht finden sich auch in mehreren anderen islamisch geprägten Staaten.[11] Das Zulassen solcher Ermessensspielräume erlaubt es manchen Politikern, trotz des liberalen Gewandes einer rechtsstaatlichen, laizistischen Republik religiös geprägte, patriarchale Vorstellungen und Praktiken im Inneren aufrecht zu erhalten.

    Andere Formen der Unterdrückung

    Es ist wichtig, dabei zu betonen, dass Gewalthandlungen in der Türkei auch auf Grund von anderen Motiven verübt werden. Eine hohe Hemmschwelle der Frauen, sich an polizeiliche Institutionen zu wenden, gibt es jedoch auch in Zusammenhang mit diesen Gewalterfahrungen.
    "In der Türkei reicht das Ausmaß der Gewalt gegen Frauen von der Nichterfüllung wirtschaftlicher Mindestbedürfnisse über verbale und psychologische Gewalt bis zu Schlägen, sexueller Gewalt und Mord. Erzwungene Heirat, auch von Minderjährigen, berdel (die wechselseitige Verheiratung von Frauen, um Mitgift und andere Hochzeitskosten zu sparen) und besik kertmesi (eine Form der arrangierten Hochzeit, bei der Familien neugeborene Mädchen "austauschen" und sie zwingen zu heiraten, sobald sie als alt genug dafür betrachtet werden).[10]"
    Auch bezüglich dieser Tatbestände ist es schwer, genaue Informationen über deren Ausmaß und regionale Konzentration zu erhalten. Dennoch lässt sich die Schwere und die Verbreitung der an Frauen begangenen Verbrechen anhand von mehreren kleineren Studien, die von amnesty international zusammengetragen wurden,[10] ungefähr einschätzen:
    • So gaben 1994 einer vom "Amt für den Status der Frauen" durchgeführten Untersuchung zufolge 40 Prozent der befragten Männer an "es akzeptabel zu finden, Frauen und Mädchen mit Gewalt zu ´disziplinieren´. Eine andere Studie schätzte, dass 58 Prozent der Frauen familiäre Gewalt erlitten hatten, nicht nur von ihren Männern, Verlobten, Freunden und Brüdern, sondern auch von Familienangehörigen ihres Mannes.[13]
    • In einer Gruppe von Frauen der Mittel- und Oberschicht hatten 63,5 Prozent sexuelle Angriffe erlebt.[14]
    • Nach einer anderen Studie zu Frauen in Ankara erlebten 64 Prozent Gewalt von ihren Ehemännern, 12 Prozent von Ehemännern, von denen sie sich getrennt hatten, acht Prozent von Partnern, mit denen sie zusammen lebten, und zwei Prozent von der Familie. Es wurde festgestellt, dass 59 Prozent der Frauen Opfer von Gewalt waren.[15]
    • Laut einer Untersuchung der Stiftung Mor Çati (Lila Dach) zwischen 1990 und 1996 lebten 88,2 Prozent von 1259 Frauen in einer gewalttätigen Umgebung. 68 Prozent wurden von ihren Ehemännern geschlagen.[16]
    • 16 Prozent gaben an, dass ihre Männer sie vergewaltigt hatten.[17]
    • Eine Studie über 599 Frauen in der Südost-Türkei fand heraus, dass 51 Prozent Vergewaltigung in der Ehe und 57 Prozent körperliche Gewalt erfahren hatten."[18]
    In jüngerer Zeit nimmt die Anzahl der gemeldeten gewalttätigen Übergriffe gegen Frauen in erheblichem Maße zu.[19]
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  2. #2
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    Standard AW: Frauenrechte in der "fortschrittlichen" Türkei

    Das hast du sehr schön gemacht, Zappi, ein shr guter Strang, auch ich möchte meinen Teil dazu beitragen (Grün gibts im Anschluss):

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    Teil: Frauen in der Zürkei

    Die Zahlen sind alarmierend: Laut jüngster Polizeistatistik wird in der Türkei alle drei Minuten eine Frau geschlagen oder misshandelt. Die Zahl der weiblichen Opfer ist um 76 Prozent auf rund 73.000 gestiegen. Oft bleibt den Frauen nur die Wahl zwischen Selbstmord - und Mord.

    Istanbul - Ihr Name ging vor vier Jahren um die Welt: Die Kurdin Güldünya war in ihrer ostanatolischen Heimatstadt nach einer Vergewaltigung durch den Mann ihrer Cousine schwanger geworden. Die Familie übte so lange Druck auf sie aus, bis sie einer religiösen Trauung mit ihrem Peiniger zustimmte. Dieser hatte jedoch keine Lust, Güldünya als zweite Frau zu nehmen - und besiegelte mit seiner Entscheidung ihr Schicksal.

    Die junge Schwangere wurde nach Istanbul, zu ihrem Onkel geschickt. Hier merkte sie aber bald, dass sie getötet werden sollte, und floh. Sie fand Unterschlupf bei einem Imam, bei dem sie ihren Sohn gebar. Sie gab ihm den Namen "Umut" - Hoffnung. Aber um Güldünya war es hoffnungslos geworden. Ihre beiden Brüder kamen und schossen mitten in Istanbul auf sie. Da sie es nicht beim ersten Versuch schafften, die 22-jährige Schwester zu töten, "besuchten" sie sie anschließend noch einmal im Krankenhaus. Durch einen gezielten Kopfschuss kam der Tod. Die Ehre der Familie war gerettet.

    Über Dunkelziffern braucht man nicht mehr zu reden. Erstmals hat die türkische Polizei eine genaue Statistik über Gewalttaten gegen Frauen angefertigt. Die Untersuchung umfasst den Zeitraum 2005 und 2006. Demnach wird in der Türkei alle drei Minuten eine Frau geschlagen oder misshandelt. Insgesamt registrierte die Polizei in den beiden Jahren mehr als 333.000 "mit Gewalt verbundene Straftaten" gegen Frauen.

    Allein im vergangenen Jahr wurden 842 Frauen getötet. Stark zugenommen haben die "Selbstmordversuche", zu denen Frauen aus Gründen der Familienehre gedrängt werden - auch ihr Onkel hatte Güldünya zuerst einen Strick gegeben, damit sie sich selbst aufhängt. Mit 5852 Fällen im Jahr 2006 hat sich die Zahl der Selbstmordversuche von Frauen und Mädchen im Vergleich zum Vorjahr ungefähr verdoppelt.

    Die "verletzte Ehre" gilt nicht mehr als strafmildernd

    Warum dieser erschreckende Anstieg der Gewalt gegen Frauen in der Türkei? Die Rechtsanwältin Meral Danis Bestas hält die Behauptung, dass der "Terror gegen Frauen" drastisch zugenommen habe, für übertrieben. "Es gehen jetzt viel mehr Frauen zur Polizei und zeigen die Täter an", sagt sie. "Dadurch wird die Gewalt erstmals sichtbar." Tatsächlich wurde in den letzten Jahren gerade "Ehrenmorden" der Kampf angesagt. In allen Großstädten gibt es mittlerweile kommunale und privat betriebene Frauenhäuser, die Gesetze wurden den EU-Normen angepasst. So gilt die "verletzte Ehre" des männlichen Familienmitglieds nicht mehr als strafmildernder Grund. Mord ist Mord, entscheiden die Richter, egal aus welchem Antrieb heraus er begangen wurde. Jugendliche Täter unter 18 kommen nicht mehr nach ein paar Jahren heraus wie früher. Es gibt eine Kampagne nach der anderen.

    Aber es ist bestimmt keine Fata Morgana. Jeden Tag berichten die Istanbuler Zeitungen von einem neuen Fall. Die Schicksale der Opfer sind identisch. Das Erschreckende ist, dass sich die Erzählung endlos und dramatisch in die Länge zieht, ohne zu einem Ende zu kommen. Gewalt gegen Frauen wurde in der Türkei lange als ein Relikt aus der Vorzeit gehandelt. "Je höher der Bildungsstand, desto zivilisierter die Gesellschaft", hieß es. Republikgründer Atatürk hatte es selbst vorgemacht, als er im Frack schöne Tanzpartnerinnen auf das Parkett führte: Die Türkin sollte in der Gesellschaft gleichwertig ihren Platz einnehmen. Die Jahrhunderte alten, islamisch-konservativen Vorstellungen sollten geändert, die Türkin "befreit" werden. Ein Problem, das sich mit der Modernisierung selbst erledigt. Jetzt müssen alle erschrocken feststellen, dass dem nicht so ist.

    "Das türkische Wort namus für Ehre stammt von dem griechischen nomos", sagt die feministische Aktivistin Leyla Pervizad. "Und nomos bedeutet Macht, Gesetz, Regel. Es symbolisiert die männliche Macht über die Frauen". Interessant auch das türkische töre für die "strenge Tradition", die weitgehend im Land herrscht, und den Frauen das Leben so schwer macht. Die Feministin führt ihren Ursprung auf die jüdische "Thora" und die strengen sittlichen Regeln zurück.

    Frauen spielen in diesem archaischen Spiel oft auch eine unrühmliche Rolle. Die bekannte türkische Feministin Ayse Durukan erzählt über eine Familie: "Der Mann wollte seine Frau nicht töten. Seine Mutter animierte ihn dazu, indem sie ihm ständig vorwarf: "Was bist du für ein Mann, du hast deine Frau am Leben gelassen." Schließlich hatte er keine andere Wahl mehr." (von Dilek Zaptcioglu, Istanbul 2007)

    2. Teil: Grund für die Gewalt: Die Modernisierung der Frau

    Türkische Soziologen rätseln über den Grund der angestiegenen Gewalt gegen Frauen. "Die Modernisierung schreitet voran, und dringt bis in das kleinste Dorf vor. Das stößt auf Widerstände", sagen die einen. Demnach ist die angestiegene Zahl der "Ehrenmorde" doch ein Zeichen für die fortschreitende Frauenemanzipation. Eine andere Erklärung hatte der Chefredakteur der Tageszeitung "Hürriyet" im vergangenen Winter dazu: "Ehrenmorde sind ein kurdisches Problem" betitelte Ertugrul Özkök seine Kolumne und heimste sich sofort den Vorwurf ein, ein "Rassist" zu sein. Aber ein anderer Bericht der Polizei scheint ihm Recht zu geben.

    In 15 Städten wurden die "Ehrenmorde" der letzten sechs Jahre unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Die Hälfte der Morde geschehen zwar im Westen des Landes, aber die Opfer stammen weitgehend "aus Ost- und Südostanatolien", sprich: Sie sind genauso wie die in Berlin getötete Hatun Sürücü Kurden. Die angestammten Bewohner der Westtürkei, des obersten Schauplatzes der "Ehrenmorde", fallen diesen am allerwenigsten zum Opfer.

    Auch unter Universitätsabsolventen werden Frauen verprügelt

    Eine andere Umfrage brachte ganz ähnliche Zahlen hervor. Vildan Yirmibesoglu, Vorsitzende der Frauenkommission des Istanbuler Gouverneurs, befragte Männer im Osten und Südosten des Landes, also hauptsächlich Kurden, darüber, "was mit einer Frau, die ihre Ehre verlor, geschehen müsste". 63,2 Prozent der Männer sagten: "Bestrafen." Und wiederum ein Viertel von ihnen sagte gerade heraus: "Sie muss getötet werden."

    Dass "Ehrenmorde" und Gewalt gegen Frauen vor allem ein "kurdisches Problem" seien, glauben mittlerweile viele Türken der urbanen Mittel- und Oberschichten. Trotzdem ist es ein offenes Geheimnis, dass auch in Istanbul und auch unter Universitätsabsolventen Frauen verprügelt werden. Aber dennoch akzeptieren die im Westen lebenden Städter am ehesten westliche Lebensweisen. In Istanbul gibt es Zehntausende von allein stehenden Frauen oder unverheiratet zusammen lebenden Paaren - im kurdischen Osten schier undenkbar.

    Der Kulturkampf spielt aber vielleicht eine wichtigere Rolle als die Herkunft. Die Islamisten, wie moderat sie auch auftreten, stellen das republikanische, an Europa orientierte Lebensmodell in Frage. Krasser könnte sich der Gegensatz nicht ausdrücken als im populärsten Medium, dem Fernsehen. Junge Türkinnen wollen wie ihre Altersgenossen in Berlin oder New York leben und eifern wie noch nie Shakira und Paris Hilton nach. Im Sommer ist der Minirock angesagt. Auf der anderen Seite nimmt die Zahl der tief verhüllten Frauen zu. Die ersten werden von den Islamisten als zügellos, die Zweiten ehrenvoll, namuslu, dargestellt. Der Kulturkampf wird auf dem Rücken der Frau ausgefochten.

    Nicht mal die Einschulung von Mädchen ist selbstverständlich

    Die Türkei sucht 80 Jahre nach der Gründung ihrer laizistischen, modernen Republik wieder einmal das richtige Rollenmodell für ihre Frauen. Die Probleme des westlichen Lebensstils werden zu grundsätzlichen Mankos aufgebauscht. So schiebt die islamistische Kolumnistin der regierungsnahen "Yeni Safak" die Schuld an den "Ehrenmorden" unverblümt den westlich orientierten Medien der Türkei zu: "Du schlägst allen einen Lebensstil vor, bei dem man nicht weiß, wer wen gerade übers Ohr haut. Du erzählst von alten Frauen und Männern, die mit Jüngeren zusammenleben, als ob nichts dabei wäre. Du legst deinen Lesern nahe, dass die Ehe nicht der Natur des Menschen entspreche. Und gleichzeitig schüttelst du den Kopf über 'Ehrenmorde'."

    Und die Lösung? Mädchen sollen die Freiheit haben, mit dem Kopftuch an den Universitäten zu studieren. Gebildete, sittliche Frauen sind das Gegenmodell der Islamisten, wobei auf die Schulbildung im Zweifelsfall verzichtet werden kann.

    Dass Mädchen auf dem Land, vor allem im kurdischen Südosten, überhaupt eingeschult werden, kostet immense Anstrengungen. Die derzeitige First Lady Semra, Gattin des Staatspräsidenten Ahmet Sezer, führt seit Jahren eine Kampagne für die Einschulung der Mädchen. Feministinnen aus dem Westen, aber auch kurdische Frauenrechtlerinnen vor Ort besuchen die Familien und überreden sie dazu, ihre Tochter zur Schule zu schicken. Die am häufigsten gestellte Frage dabei lautet: "Wozu?" Wozu soll ein Mädchen zur Schule, wenn sie ohnehin bald verheiratet wird? Und wozu soll ein Mädchen gar studieren? Um ihrem Mann das Leben schwer zu machen? Um klüger zu sein als er?

    Eine viel erschreckendere Erkenntnis als die bloße Zahl der "Ehrenmorde" ist: In der Türkei geht die Zahl der erwerbstätigen Frauen jährlich drastisch zurück. Das verändert das soziale Klima zugunsten der Konservativen. Wer als Frau unverhüllt auf die Straße geht, bekommt vielerorts in Anatolien schon einen schlechten Ruf. Die liberale Kolumnistin Ruhat Mengi sagt dazu: "Natürlich hängt das alles mit dem fundamentalistischen Frauenbild der Regierenden zusammen. Die Frau soll zuhause bleiben, Kinder gebären, ihrem Mann gehorchen." Der Zug fahre nicht nach Brüssel, sondern nach Teheran. Aber immerhin: Vor wenigen Tagen hat der männliche Bürgermeister des Istanbuler Stadtteils Avcilar eine Straße nach dem Namen der "aus Ehre" getöteten Güldünya benannt. (von Dilek Zaptcioglu, Istanbul 2007)
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  3. #3
    Friedlicher Moslem Benutzerbild von real28
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    Standard AW: Frauenrechte in der "fortschrittlichen" Türkei

    Scroll nach unten, die Quellen sind aus dem Jahren 2000, 2002, 2005...

    Und damals galt die Türkei nicht gerade als fortschrittlich.

  4. #4
    AfD, was denn sonst ?! Benutzerbild von Bruddler
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    Standard AW: Frauenrechte in der "fortschrittlichen" Türkei

    Zitat Zitat von real28 Beitrag anzeigen
    Scroll nach unten, die Quellen sind aus dem Jahren 2000, 2002, 2005...

    Und damals galt die Türkei nicht gerade als fortschrittlich.
    Und was genau, soll sich seither unter dem Hardcore-Musel Erdogan geändert haben ? :rolleyes:
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  5. #5
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    Standard AW: Frauenrechte in der "fortschrittlichen" Türkei

    Man sieht auch im bundesdeutschen Straßenbild, wer die Hosen bei den Türken anhat. Der Klassiker ist die Aldi-Tüten tragende Kopftuchmutti und der lässig Gebetsketten zählende Schnurrbart-Ali.

    Dann gibt es die verwöhnten BMW-Hakans, die am Wochende deutsche Schlampen in der Disko (oder Disco - Gruß an Berwick!) abschleppen, während ihre Schwestern zu Hause eingesperrt sind und ohne Brüder nicht mal vor die Tür dürfen.

    Die Väter der Hakans treiben sich derweil in der Herbertstraße/am Eierberg/Hornstraße usw. herum, weil sie mit der fetten Aishe, die sie mit 15 Jahren geheiratet haben, keinen mehr hochkriegen.

    Wir aber sind die unmoralischen und ehrlosen Ungläubigen!
    Geändert von Bettmaen (19.03.2011 um 13:22 Uhr)
    Angebot und Nachfrage...das ist es, worauf ihr Menschen des nächsten Jahrhunderts stolz sein werdet. Friedrich Nietzsche

  6. #6
    Friedlicher Moslem Benutzerbild von real28
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    Standard AW: Frauenrechte in der "fortschrittlichen" Türkei

    Zitat Zitat von Bruddler Beitrag anzeigen
    Und was genau, soll sich seither unter dem Hardcore-Musel Erdogan geändert haben ? :rolleyes:
    Anstatt alle negativen Quellen über die Türke (und das sogar vom Jahre 2000) aufzutreiben um uns zu ärgern, sollten einige von euch sich auch vielfältig zu informieren.

  7. #7
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    Standard AW: Frauenrechte in der "fortschrittlichen" Türkei

    Zitat Zitat von real28 Beitrag anzeigen
    Anstatt alle negativen Quellen über die Türke (und das sogar vom Jahre 2000) aufzutreiben um uns zu ärgern, sollten einige von euch sich auch vielfältig zu informieren.
    Du meinst in wenigen Jahren ist die Türkei fortschrittlicher geworden?

    Nein, die Türkei marschiert langsam in Richtung Sharia - ganz "demokratisch".

    Der Kemalismus und Laizismus wird Stück für Stück aufgeweicht. Das erkennt man auch an den Türken in Deutschland. Die Importbräute laufen meist mit Kopftuch oder sogar Schleier herum. Auch hier aufgewachsene Mädchen grenzen sich durch Kopftuch oder Schleier von uns ungläubigen Schweinefressern ab.

    Am Anfang der der 70er Jahre sah man unter den türkischen Gastarbeiterfrauen kaum Kopftücher.
    Geändert von Bettmaen (19.03.2011 um 13:21 Uhr)
    Angebot und Nachfrage...das ist es, worauf ihr Menschen des nächsten Jahrhunderts stolz sein werdet. Friedrich Nietzsche

  8. #8
    Friedlicher Moslem Benutzerbild von real28
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    Standard AW: Frauenrechte in der "fortschrittlichen" Türkei

    Zitat Zitat von Bettmaen Beitrag anzeigen
    Du meinst in wenigen Jahren ist die Türkei fortschrittlicher geworden?

    Nein, die Türkei marschiert langsam in Richtung Sharia - ganz "demokratisch".

    Der Kemalismus und Laizismus wird Stück für Stück aufgeweicht. Das erkennt man auch an den Türken in Deutschland. Die Importbräute laufen meist im Kopftuch oder sogar Schleier herum. Auch hier aufgewachsene Mädchen grenzen sich durch Kopftuch oder Schleier von uns ungläubigen Schweinefressern ab.

    Am Anfang der der 70er Jahre sah man unter den türkischen Gastarbeiterfrauen kaum Kopftücher.
    Und die werden dazu auch noch gezwungen....
    Frag mal eine Türkin mit Kopftuch, warum sie es trägt?

    Und das mit dem Kemalismus und Lazismus ist eine lange Geschichte.

  9. #9
    AfD, was denn sonst ?! Benutzerbild von Bruddler
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    Standard AW: Frauenrechte in der "fortschrittlichen" Türkei

    Zitat Zitat von real28 Beitrag anzeigen
    Und die werden dazu auch noch gezwungen....
    Frag mal eine Türkin mit Kopftuch, warum sie es trägt?

    Und das mit dem Kemalismus und Lazismus ist eine lange Geschichte.
    Ich kenne die Antwort !
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  10. #10
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    Standard AW: Frauenrechte in der "fortschrittlichen" Türkei

    Es ist nicht immer Zwang, dass sie Kopftuch tragen. Sie glauben manchmal, ihre nicht vorhandenen Reize vor der Männerwelt verbergen zu müssen. Ihre schwarzen Haare, die zumeist debilen Augen und die affenartige Behaarung sind ja so reizend.
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