Im Kampf gegen Gaddafi kommt die Nato nicht voran - Warnungen aus dem Pentagon und der britischen Navy schüren nun neue Zweifel an der Operation. Längst geht es um grundsätzliche, existentielle Fragen: Ist das westliche Militärbündnis überhaupt noch in der Lage, einen längeren Einsatz durchzustehen?

Der erste Warnschuss kam vom US-Verteidigungsminister. Robert Gates las den Nato-Partnern in einer Brandrede die Leviten. Es gehe nicht an, sagte er am Freitag, dass den europäischen Alliierten nach elf Wochen Bombardements in Libyen die Munition ausgehe und die USA einspringen müssten, schimpfte der Republikaner in Brüssel.

Die zweite Salve feuerte am Montag der Chef der Royal Navy, Mark Stanhope. Die britische Flotte könne den Libyen-Einsatz nicht länger als sechs Monate durchhalten, ohne dass sie ihre Prioritäten anders setze, sagte der Admiral in einem Journalisten-Briefing. Wenn sie auch im Herbst noch im Mittelmeer kreuzen solle, müssten vielleicht Verbände von der britischen Küste abgezogen werden.

Leere Bombenlager bei der Nato? Ein Loch in Englands Küstenverteidigung? Die beiden Warnschüsse zu Pfingsten wecken neue Zweifel an der Libyen-Operation - und werfen die alte Frage auf, ob die Nato in ihrer aktuellen Form noch einsatzfähig ist. Selbst wenn der Luftkrieg gegen das Gaddafi-Regime am Ende vom Erfolg gekrönt sein sollte, was nicht unwahrscheinlich ist, so entblößt er doch schon jetzt die Schwachstellen des westlichen Bündnisses.

Der britische Admiral Stanhope sprach aus, was seit Wochen unterschwellig immer wieder aus London und Paris durchklingt. Großbritannien und Frankreich, die beiden Führungsmächte der Libyen-Mission, fühlen sich mit dem Einsatz überfordert. Sie beklagen mangelndes Engagement ihrer Nato-Partner, sorgen sich um die explodierenden Kosten und das Fehlen einer Exit-Strategie, und ihre Sorgen werden immer größer, je länger der Einsatz dauert.

Die USA hatten sich von Anfang ein Hintertürchen offengelassen und stets betont, dass sie keine führende Rolle spielen würden. US-Präsident Barack Obama bekommt unterdessen auch immer mehr Druck aus dem Kongress. Obama würde ab nächster Woche gegen die War Powers Resolution verstoßen, wenn er für die Beteiligung am Libyen-Einsatz nicht die Zustimmung vom US-Kongress einhole, sagte der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner.

Der War Powers Resolution von 1973 zufolge muss der Präsident dem Parlament über Kriegseinsätze Bericht erstatten. Nach 90 Tagen muss deren Fortsetzung vom Kongress autorisiert werden - dieser Zeitraum verstreicht im Fall Libyens am kommenden Wochenende. Boehner forderte Obama in einem Brief auf, bis Freitag zu erklären, auf welcher rechtlichen Grundlage er den Einsatz fortführen wolle.

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