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Thema: Leiden, Rückkehr und Urzustand

  1. #1
    Mitglied Benutzerbild von Klopperhorst
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    Standard Leiden, Rückkehr und Urzustand

    Man sehe sie doch nur ein Mal darauf an, diese Welt beständig bedürftiger Wesen, die bloß dadurch, daß sie einander auffressen, eine Zeitlang bestehn, ihr Daseyn unter Angst und Noth durchbringen und oft entsetzliche Quaalen erdulden, bis sie endlich dem Tode in die Arme stürzen: wer dies deutlich ins Auge faßt, ...wird gestehn müssen, daß einen Gott, der sich hätte beigehn lassen, sich in eine solche Welt zu verwandeln, doch wahrlich der Teufel geplagt haben müßte.
    (Schopenhauer)


    Damals war noch alles in Ordnung, in den glücklichen Kindertagen, als man hinausblickte in den blauen, weiten, uendlichen Himmel. Ich erinnere mich gerne an diese Zeit. Der Zauber der Unendlichkeit verriet meine Herkunft. Wenn auch unbewusst, so war ich von ihr ergriffen - hatten mich meine Eltern doch aus dem unendlichen Strom der Gewalten erschaffen, ja waren sie selbst Strom dieser Gewalten und des ewigen Willens zum Sein.

    Warum musste ich da sein und diese Welt erblicken?

    Je älter man wird, desto mehr stellt man sich diese Frage, denn man stellt fest, daß die Existenz ein Fehltritt ist, ein Leiden um seiner selbst Willen, ein Leiden aus Notwendigkeit, das mit der Zeugung begann. So schaffen wir uns Religionen, Mystiken und Philosophien, die uns das Leiden der Welt und die Resonanz unseres Daseins erklären und verständlicher machen sollen; aber sie reichen nicht hin, auch nur den Hauch einer Gewissheit zu besitzen. Tiefer Glaube kann das Leiden mindern, Ablenkung und egoistisches Streben selbst ein paar Jahre von ihm nehmen. Dann aber umso härter schlägt es zu und zeigt uns die Wahrheit dessen, was wir sind. Leidende, vergängliche Individuen, Erscheinungen auf der Bühne der Zeit. Ein paar Jahre noch pflegt man unsere Gräber, dann verblassen die ersten Erinnerungen in den Köpfen unserer Nachfahren, und, sofern wir keine Großen waren, bleibt nichts von uns.

    So sehne ich mich schon jetzt nach dem alten Strom zurück, der alten Bewusstslosigkeit, dem schöpferischen Urzustand. Der Tag des natürlichen Todes gleicht somit der Rückkehr in die Heimat. Der Tod ist der Zustand, aus dem der Wille spricht, der sich nur in eigenem Leiden erkennen kann.

    ---
    Geändert von Klopperhorst (16.06.2006 um 00:45 Uhr)
    "Groß ist die Wahrheit, und sie behält den Sieg" (3. Esra)

  2. #2
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    Standard AW: Leiden, Rückkehr und Urzustand

    Die Düsterheit die du hier an den Tag legst, gewiss nicht unbegründet, ist jedoch ein typischer Schluss des Menschen in erster Linie das Leid zu sehen, und die Freude wie Zufriedenheit im Verlauf des Seins nur als kurze, im Ganze gesehen unbedeutende Einschübe darzustellen.

    Ich verweise gewagt darauf, dass wir dieses Leid selbst schaffen, nicht nur durch unsere Leid erzeugenden Taten, sondern durch unsere Willensgestaltung. Mir ist klar, du wirst auf den nahezu unvorhandenen Einfluss des Menschen auf seinen Willen verweisen und freue mich schon darauf, aber unsere eigene Zielsetzung ist der Schlüssel zum Leid.

    Nur weil wir uns andauern Ziele setzen und diese im Gesellschaftsbild auch noch einer kollektiven Natur verschreiben erfüllen wir uns die Tage mit ständigem Leid.
    Es gilt sich von den Zielen zu lösen, den Willen aufzugeben, und dann zu leben. Dieser Weg findet nur wenig Leid. Wobei dieser Weg schwer zu gehen und nie voll zu beenden ist. Doch nie wurde uns ein leidloses Leben versprochen, denn das Leid ist die Basis für die Freude...

  3. #3
    Mitglied Benutzerbild von Klopperhorst
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    Standard AW: Leiden, Rückkehr und Urzustand

    Zitat Zitat von Grüner Simon
    Ich verweise gewagt darauf, dass wir dieses Leid selbst schaffen, nicht nur durch unsere Leid erzeugenden Taten, sondern durch unsere Willensgestaltung. ... Mir ist klar, du wirst auf den nahezu unvorhandenen Einfluss des Menschen auf seinen Willen verweisen und freue mich schon darauf, aber unsere eigene Zielsetzung ist der Schlüssel zum Leid.
    Das ist ein Trugschluss. Der Intellekt ist nur Diener des Willens, er kann die Affekte, Gefühle, Schmerzen nur erklären aber nicht beseitigen.

    Aus jedem Schmerz spricht der ganze Wille zum Leben.


    p.s.
    Freude ist übrigens nur eine Seite des Leidens, und keine nachfolgende Freude kann irgendein Leid ungeschehen machen.
    "Groß ist die Wahrheit, und sie behält den Sieg" (3. Esra)

  4. #4
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    Standard AW: Leiden, Rückkehr und Urzustand

    Die biologische Generierung eines Einzelwesens Mensch folgt den
    unerklärten Zielstellungen der Evolution oder irgendwelcher Götter.
    Biologisch tritt jeder Mensch auf unter der düsteren Zielstellung :
    " Verrecke du Aas !" , aber pflanze dich fort vorher.
    Versprechen zu Freude werden nicht gemacht -biologisch tritt Freude
    bei zunehmender Geilheit und Orgasmus auf
    Versprechen zu Leid werden auch nicht gemacht - aber Leid tritt unvermeidbar
    auf , allein durch die Masse der Mitkonkkurenten in der eigenen Art und die Begehrlichkeiten anderer Arten Blut und Fleischliebhaber ( Mücken ; Läuse,
    Zecken, Reptilien, Katzen -und Hundeartige etc.)X(

    Nachdem wir uns die Erde erschlossen haben - sollen wir uns daran machen,
    gemäss der erfolgreichen Vermehrung unserer Art , uns im Kosmos
    auszubreiten ? WIR - eine Art potentieller Kosmos-Eroberer ?

    Aber auch da wird uns das Leid verfolgen!8o

  5. #5
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    Standard AW: Leiden, Rückkehr und Urzustand

    Zitat Zitat von Klopperhorst
    Das ist ein Trugschluss. Der Intellekt ist nur Diener des Willens, er kann die Affekte, Gefühle, Schmerzen nur erklären aber nicht beseitigen.

    Aus jedem Schmerz spricht der ganze Wille zum Leben.


    p.s.
    Freude ist übrigens nur eine Seite des Leidens, und keine nachfolgende Freude kann irgendein Leid ungeschehen machen.
    Wie erklärst du dir dann das loslösen vom Willen mancher buddhistischer Mönche???

    p.s. Leiden macht auch keine Freude ungeschehen, du siehst es einseitig, wirst deine Gründe haben. Aber darauf zu schließen, dass es allgemeingültigkeit besitzt ist fragwürdig

  6. #6
    Mitglied Benutzerbild von Klopperhorst
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    Standard AW: Leiden, Rückkehr und Urzustand

    Zitat Zitat von Grüner Simon
    Wie erklärst du dir dann das loslösen vom Willen mancher buddhistischer Mönche???
    Ich denke nicht, daß sowas geht, auch nicht bei buddhistischen Mönchen.

    Was sie tun, ist eigentlich folgendes:

    Sie malträtieren ihren Körper durch Schlaf- und Nahrungsentzug, auch durch den Entzug von wichtigen Bedürfnissen, wie sozialen Kontakten, Geschlechtstrieb usw.

    Dadurch wird der Körper (der ja der angeschaute Wille ist) geschwächt, er wird in einen Zustand versetzt, in dem nur noch elementare Bedürfnisse zählen, z.B. Atmen und ein Minimum kalorischer Versorgung. Dieser Zustand äussert sich dann darin, daß der Intellekt nicht mehr aktiviert wird, um dem Willen die Motive vorzuzeigen. Ein Wille, der keine Motive mehr erhält, ist ein temporär gezähmter Wille.

    Es ist also nur eine, durch körperliche Qualen und aktiven Entzug von Motiven, erlangte Betäubung des Intellektes und somit Ruhigstellung des Willens. Jeder kennt das gute Gefühl, wenn man müde ist. In diesem Zustand zählt nur noch das Schlafbedürfnis, der Intellekt ist weitestgehend abgeschaltet und kann den Willen somit auch nicht mit den Motiven seines Wollens reizen, somit auch keine Leiden hervorrufen, denn was nicht gewollt werden kann, kann auch nicht gelitten werden.


    p.s.
    Wenn ich mit Schopenhauer in einem Punkt nicht übereinstimme, dann ist es jener der Verneinung des Willes zum Leben.

    ---
    Geändert von Klopperhorst (17.06.2006 um 14:36 Uhr)
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  7. #7
    SÜDLICHT Benutzerbild von Scarlett
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    Standard AW: Leiden, Rückkehr und Urzustand

    Es ist Talent nötig zum Zweifeln,
    aber es ist schlechterdings
    kein Talent nötig zum Verzweifeln...

    Søren Kierkegaard
    It is a far, far better thing to have a firm anchor in nonsense than to put out on the troubled seas of thought.

  8. #8
    SÜDLICHT Benutzerbild von Scarlett
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    Standard AW: Leiden, Rückkehr und Urzustand

    Und wenn die Sanduhr der Zeitweiligkeit abgelaufen ist, wenn die Geräusche des weltlichen Lebens verklungen sind und sein rastloser, unwirksamer Aktivismus zu einem Halt gekommen sind, wenn alles um dich herum still ist wie in der Ewigkeit, dann fragt die Ewigkeit dich und jedes Individuum dieser Millionen und Abermillionen nur das folgende: Lebtest du in Hoffnungslosigkeit oder nicht?

    Søren Kierkegaard
    It is a far, far better thing to have a firm anchor in nonsense than to put out on the troubled seas of thought.

  9. #9
    Surrealist Benutzerbild von Vielfrass
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    Standard AW: Leiden, Rückkehr und Urzustand

    lieber KH, lies doch mal ein buch von krishnamurti - danach gehts dir für mindestens 10 min. anders...

    --
    "Vote! Bah! When you vote, you only change the names of the cabinet. When you shoot, you pull down governments, inaugurate new epochs, abolish old orders and set up new. Is that historically true, Mr Learned Man, or is it not?"
    Undershaft




  10. #10
    Mitglied Benutzerbild von Klopperhorst
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    Standard AW: Leiden, Rückkehr und Urzustand

    Zitat Zitat von Scarlett
    Und wenn die Sanduhr der Zeitweiligkeit abgelaufen ist, wenn die Geräusche des weltlichen Lebens verklungen sind und sein rastloser, unwirksamer Aktivismus zu einem Halt gekommen sind, wenn alles um dich herum still ist wie in der Ewigkeit, dann fragt die Ewigkeit dich und jedes Individuum dieser Millionen und Abermillionen nur das folgende: Lebtest du in Hoffnungslosigkeit oder nicht?

    Søren Kierkegaard

    Kierkegaard meint also, die Hoffnung ist das Entscheidende, die Hoffnung es zu ändern?


    Warum wird denn das Glück, wenn es über einen längeren Zeitraum anhält, automatisch zur Qual, zur Langeweile?

    ---
    "Groß ist die Wahrheit, und sie behält den Sieg" (3. Esra)

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