Absage an EastMed-Erdgaspipline
Der Konflikt um die Bodenschätze im Mittelmeer könnte viel Sprengkraft entwickeln. Denn nicht nur will die Türkei selbst nach Erdgas bohren, sie will Projekte anderer Länder in dem betroffenen Seegebiet behindern. So erteilte Erdogan den Plänen Griechenlands, Zyperns und Israels zum Bau der EastMed-Erdgaspipeline vom östlichen Mittelmeer nach Italien eine Absage.
Ohne die Erlaubnis Ankaras dürfte die Leitung nicht gebaut werden, da sie durch das von Libyen und der Türkei beanspruchte Seegebiet führe, sagte der türkische Staatschef. Die EU fördert das EastMed-Pipelineprojekt finanziell, und die USA unterstützen es politisch, weil die Leitung Europa unabhängiger von russischem Erdgas machen soll.
Der griechische Premier Mitsotakis entgegnete in einem Fernsehinterview, Griechenland werde „alles Notwendige“ tun, um seine Souveränitätsrechte zu verteidigen, wenn die Türkei mit Bohrungen in Gewässern beginne, die zur griechischen Wirtschaftszone gehören.
Der türkische Außenminister Cavusoglu hatte bereits im Dezember angekündigt, die Türkei werde ihre Ansprüche im Mittelmeer, wenn nötig, „selbstverständlich“ mit militärischen Mitteln durchsetzen. Wie das aussehen könnte, demonstrierte die Türkei bereits gegenüber Zypern. Ankara liegt auch mit der Inselrepublik, deren Norden die Türkei seit 1974 militärisch besetzt hält, wegen der Bodenschätze im Clinch: Die Türkei erkennt weder den EU-Staat Zypern an, noch dessen Wirtschaftszone, die der Inselstaat unter Berufung auf die Seerechtskonvention der Vereinten Nationen abgesteckt hat.
Im Februar 2018 hinderte die Türkei mit Kriegsschiffen das italienische Bohrschiff „Saipem 12.000“ daran, ein Erkundungsgebiet in der zyprischen Wirtschaftszone zu erreichen. Als die Türken damit drohten, das Schiff zu versenken, drehte das Schiff ab. Im vergangenen Jahr entsandte die Türkei ihrerseits Bohr- und Forschungsschiffe zu Erkundungen in die zyprische Wirtschaftszone. Sie wurden von Einheiten der türkischen Kriegsmarine eskortiert.
Auch der seit Jahrzehnten schwelende Streit um die Grenzziehung in der Ägäis wird nun wieder virulent. Der türkische Außenminister Cavusoglu sagte diese Woche in einem Interview, es gebe Ägäisinseln, bei denen völkerrechtlich unklar sei, ob sie zur Türkei oder zu Griechenland gehören. Darüber wolle Ankara mit Athen verhandeln.
Das griechische Außenministerium erklärte dazu, der rechtliche Status der Ägäisinseln sei in internationalen Verträgen klar geregelt und es gebe keinen Raum für Dispute. 1996 waren die beiden Nato-Partner Griechenland und Türkei im Streit um die Imia-Felseninseln (türkisch: Kardak) in der östlichen Ägäis an den Rand eines Krieges geraten. Auf dem Höhepunkt der Krise lagen sich Dutzende Kriegsschiffe beider Länder vor den Inseln gefechtsbereit gegenüber. Dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton gelang es, den Konflikt in nächtlichen Telefonaten mit Ankara und Athen zu entschärfen.