Bettwanzen in Berlin auf dem Vormarsch
29. Oktober 2011 11.51 Uhr, B.Z./dpa Bettwanzen galten als fast ausgerottet, jetzt krabbeln sie wieder durch Betten. Was sind die Gründe?
Bettwanzen saugen Blut, verursachen Quaddeln auf der Haut
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Ein unangenehm süßlicher Geruch im Schlafzimmer, Quaddeln auf der Haut - bei diesen Anzeichen ist höchste Vorsicht geboten. Mit großer Wahrscheinlichkeit haben sich Bettwanzen breitgemacht. Der Gebrauchtmöbel-Handel per Internet und die rege Reisetätigkeit der Deutschen mobilisieren das noch vor einigen Jahrzehnten fast ausgerottete Ungeziefer mehr denn je - zum Ärger vieler Berliner.
Falsche Schamgefühle verschlimmern das mit Koffern und Möbeln eingeschleppte Problem oft noch. Fachleute fordern daher mehr Aufklärung. „Seit etwa 15 Jahren beobachten wir, dass Bettwanzen vermehrt auftreten – in allen Bevölkerungsschichten“, sagt Jutta Klasen vom Fachgebiet „Gesundheitsschädlinge und ihre Bekämpfung“ im Umweltbundesamt. Noch vor 20 bis 30 Jahren seien die Tiere kein Thema gewesen. Jetzt habe sie regelmäßig damit zu tun. Sowohl Wohnungen als auch Herbergen – vom Obdachlosen-, über das Studentenwohnheim bis zum Luxushotel – seien betroffen.
Wanzen befallen auch gepflegte Wohnungen
Auch die Einsätze der Kammerjäger nehmen in der Hauptstadt Jahr für Jahr zu. „2010 wurden uns 473 Einsätze in Wohnungen und Hotels gemeldet, 2008 waren es noch 330“, berichtet der Vorsitzende des Verbandes der Schädlingsbekämpfer in Berlin, Mario Heising. Erst kürzlich hatte er wieder einen komplizierten Fall: eine Frau mit Sammelleidenschaft für alte Möbel. Drei Kammerjäger hatten 14 Tage lang zu tun, um das jahrelang angehäufte Problem zu lösen. „Wir mussten die Möbel ausräumen, staubsaugen, Gift sprühen“, sagt Heising. Der Einsatz habe rund 2500 Euro gekostet.
Doch Bettwanzen sind nicht allein ein Problem weniger gepflegter Haushalte. „Ich hatte vor Jahren einmal eine ältere, sehr saubere Patientin in der Praxis, die auf dem Trödelmarkt ein Sofa gekauft hat“, erinnert sich der Hautarzt Burkhard Bratzke von der Berliner Landesgruppe des Berufsverbands der Deutschen Dermatologen. Auch diese Frau habe so Bettwanzen in ihre Wohnung geholt. Das größte Problem sei es, die Patienten davon zu überzeugen, dass sie einen Kammerjäger holen sollten. „Die alte Dame wurde hochaggressiv, als ich ihr sagte, sie habe Ungeziefer in der Wohnung“, erzählt Bratzke.
Starke psychische Belastung
Die meisten Patienten würden zunächst gar nicht ahnen, dass es sich bei den Quaddeln um die Spuren der nachtaktiven Blutsauger handelt. „Viele denken, sie haben eine Allergie“, berichtet der Arzt. Die Quaddeln seien zunächst groß. „Doch mit der Zeit gewöhnt sich der Körper daran und sie werden kleiner“, sagt Bratzke.
Als Krankheitserreger spielen Bettwanzen den Experten zufolge keine Rolle. „Viel stärker wiegt die psychische Belastung. Die Menschen sind verzweifelt und mögen nicht mehr in ihr Bett gehen“, sagt Klasen. Sie fordert eine viel stärkere Aufklärung, die auch Hemmschwellen abbaut. „Bettwanzen können jeden treffen. Sie sind keine Schande, man muss nur sehen, dass man sie schnell wieder los wird“, betont die Tierärztin.
Das Umweltbundesamt plane daher jetzt eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit. In den USA, wo das Problem längst bekannt ist, sorgen etwa Hotelgäste selbst für Aufklärung: Auf der Internetseite bedbugregistry.com (Bettwanzenregister) sind 12 000 Häuser mit Befall gemeldet. Der Berliner Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) hat 2010 ein Merkblatt zu Bettwanzen veröffentlicht. Zahlen betroffener Häuser erhebt der Verband aber nicht.