Peter Urbach lässt grüssen: Zeugenschutzprogramm: Vor der Aussage des Zeugen muss der Staat geschützt werdenWeitere V-Männer des Verfassungsschutzes müssen Kontakt zu dem untergetauchten Trio gehabt haben. So informierte der Brandenburger Dienst damals die Thüringer Kollegen, dass die drei mit Waffen versorgt wurden. Bei der Quelle handelt es sich mutmaßlich um den V-Mann "Piato", mit bürgerlichem Namen Carsten Szczepanski. Dann der Neonazi Thomas Richter, der als V-Mann "Corelli" für das BfV arbeitete. Richter findet sich in der aufgefundenen Adressliste von Uwe Mundlos. Bisher hieß es, Richter sei von 1997 bis 2007 V-Mann gewesen. Jetzt erfährt man: Er war es von 1994 bis Ende 2012, nicht zehn, sondern 18 Jahre lang. Richter/Corelli soll sich auf der Flucht befinden. Warum? Mithilfe des BfV? Was weiß er, das er nicht sagen will oder soll?
BKA und LKA haben gemeinsam einen Fahndungserfolg verhindert, und zwar auf Weisung von "oben".Der Umgang mit der Adress- und Telefonliste von Mundlos durch die Ermittlungsbehörden wird immer fragwürdiger, um nicht zu sagen krimineller. Die Liste war bei einer Garagendurchsuchung in Jena im Januar 1998 neben anderen Dingen, darunter TNT-Sprengstoff, gefunden worden. Sie enthält 35 Namen, Telefonnummern und Adressen von Neonazis in ganz Deutschland, die das Trio nach dem Abtauchen zum Teil regelmäßig aufgesucht hat. Die Zielfahnder des LKA in Erfurt sagen, sie hätten diese Liste nie bekommen. Sie liefen ins Leere.
Auch der Chef der damaligen Ermittlungsgruppe beim LKA, Jürgen Dressler, 52, erklärt jetzt vor dem Ausschuss, die Liste nicht gekannt zu haben. Bei den Ermittlungen in Thüringen halfen im Februar 1998 drei Beamte des BKA mit. Die Liste trägt einen Vermerk des BKA-Mannes Michael Brümmendorf, sie sei für die Fahndung nach dem Trio "ohne Bedeutung". Brümmendorf wird nach Dressler als Zeuge befragt und sagt: Er habe damals zusammen mit Dressler über die Liste gesprochen, mehrfach. Sie hätten erörtert, ob sie etwas für die Fahndung hergebe. Die Einschätzung, sie sei "ohne Bedeutung", habe Dressler getroffen. Er, Brümmendorf, habe sich ja in der Thüringer Neonaziszene nicht ausgekannt.
Allerdings enthält die Liste nicht nur Namen von Neonazis aus Jena und Thüringen, sondern eben aus ganz Deutschland: Chemnitz, Rostock, Hamburg, Nürnberg, München, Regensburg oder auch Ludwigsburg.
Klar wie Klossbrühe
Ob sie sich traut auszusagen???Zweifel sind angebracht: Sollte der LKA-Mann Dressler tatsächlich auf so durchsichtige Weise die Unwahrheit gesagt haben? Der Ausschuss berührt Nervenknoten des NSU-Komplexes. Dabei hat er die Verfassungsschutzakten aus Thüringen noch gar nicht einbezogen. Etwa 1700 Ordner, die seit zwei Monaten von einem dreiköpfigen Team gesichtet und vorselektiert werden. Bisher ist erst ein Drittel dieses Berges bewältigt.
Und noch eine Information hat der Dampfkessel NSU-Ausschuss freigesetzt. Bei den Aktenvernichtungen im BfV im November 2011 nach der Aufdeckung des NSU-Trios soll sich eine BfV-Mitarbeiterin geweigert haben, die Anweisungen zur Vernichtung zu befolgen. Das deutet darauf hin, dass das Schreddern nicht so gesetzesmäßig war, wie es das Bundesinnenministerium darstellt, sondern illegal. Die Frau ist dauerhaft dienstunfähig geschrieben. Der Ausschuss will sie trotzdem hören.