Eines der größten Probleme im christlichen Leben ist ja die Frage des freien Willens: Ist unser Wille frei und wenn er frei ist, dürfen wir ihn dann auch benutzen? Ich möchte im Rahmen dieses Aufsatzes dieses Problem hinterfragen und eine eigene Meinung dazu abgeben
Nach der Genesis sind wir Menschen nach dem Ebenbilde Gottes geschaffen, ähneln ihm also in allen Dingen. Wir können denken, handeln und fühlen, haben eine Vernunft und einen Willen. Wenn wir nach Gottes Bild sind, dann müssen wir folglich auch frei geschaffen sein, denn Gott ist frei und souverän. Hätte er uns nicht als frei geschaffen, wären wir nicht ganz nach seinem Bilde und dann würde nicht in der Bibel stehen, dass wir ganz nach seinem Bilde geschaffen sind. Die Frage ist also weniger, ob wir einen freien Willen haben, sondern ob wir ihn benutzen dürfen oder Gott von uns Unterwerfung unter seinen Willen verlangt.
Ich möchte diesen Denkschritt mit einer kurzen Geschichte einleiten:
Ein Vater schenkt seinem kleinen Sohn eine tolle Ritterburg zum Geburtstag. Der Sohn ist ganz hingerissen von diesem Geschenk und hat große Augen. Der Vater trägt ihm die Burg ins Kinderzimmer. Allerdings verbietet er seinem Sohn mit dieser Burg zu spielen und droht für den Fall einer Zuwiderhandlung damit, das der Sohnemann in ein Internat muss.
Wäre dies ein Bild eines liebevollen, freundlichen Vaters? Oder wäre dieser Vater nicht doch eher ein hartherziger, grausamer Mann, der seinem Sohn etwas schenkt und ihm dann die Nutzung des Geschenkes verweigert, um seine Autorität und seine Macht zu beweisen? Sie haben es sicher schon alle verstanden, liebe Leser: Es geht um ein Gottesbild, wie es leider viele Christen haben: in dieser Geschichte ist der Vater Gott (oder besser das Bild, das viele Menschen von ihm haben), der Sohn sind wir Menschen, die Ritterburg ist der freie Wille.
Gott liebt die Menschen über alles, das ist mehrfach in der Bibel bezeugt. Gott liebt jeden einzelnen von uns auf seine wunderbare Weise. Wir Menschen können nicht mal halb so liebevoll sein wie er es ist. Aber selbst bei unserer nicht perfekten Liebe wären die meisten von uns doch nicht fähig, ihrem Kind das obige anzutun, oder? Um wieviel mehr kann dann ein liebender Gott nicht dazu in der Lage sein, uns erst einen eigenen Willen zu geben, um uns dann seinen Gebrauch zu verbieten? Ich denke, meine Antwort ist klar: Gott hat uns den Willen gegeben, damit wir etwas daraus machen können. Wir haben unseren Willen, um ihn zu benutzen. Ich sehe eher eine andere Einschränkung: Nehmen wir mal an, die Ritterburg aus unserem Beispiel oben hätte etwa eine gefährlichere Funktion, die dem Kind gefährlich werden könnte. Dann würde der Vater vernünftigerweise seinem Sohn sagen, dass er damit spielen darf, aber nur wenn er oder die Mutter dabei sind, aber nicht alleine. So ist es auch mit unserem Willen: Wir können nicht nur zum Guten gebrauchen, sondern auch zum Bösen. Unser Verstand kann freundliche Worte hervorbringen, aber auch verletzende, grausame Worte. Wir können andere streicheln und sie lieben, wir können aber auch schlagen und Wunden zufügen. Ich sehe hier also die Einschränkung, das Gott will, dass wir unseren Willen gebrauchen, aber dass er uns auch eine Grenze setzt: Nämlich anderen nicht zu schaden, nicht zu verletzen, niemandem ein Leid zuzufügen.
Durch diese kleine Einschränkung werden wir erst frei, weil wir uns gewiss sein können, dass andere uns nichts antun werden. Und Sicherheit der Person ist die elementarste Bedingung für ein zufriedenes, glückliches Leben, das wir dann nach unseren Vorstellungen füllen und leben können.
Ich sehe in Gottes Geboten also weniger etwas, dem wir uns unterwerfen müssen, sondern nur Grenzen des erlaubten Verhaltens, die andere und auch mich selbst schützen sollen. Gott ist nicht der tyrannische Vater aus der ersten Geschichte, sondern en liebevoller, freundlicher Vater, der uns über alles liebt.
Vielen Dank fürs Lesen!