Nun, wie cajadeahorros schon sagte, geht es bei der Behandlung dieses Themas wohl eher um das Phänomen der unrechtmäßigen Verfolgung Unschuldiger an sich, weniger um die Opferzahl, ich kann daher eine Behandlung des Themas nach so langer Zeit durchaus verstehen. Das Problem scheint mir eher ähnlich wie bei der Geschichtsbetrachtung des Nationalsozialismus gelagert: Nicht das Befassen mit dem Thema an sich ist das Problem, sondern die Art und Weise, wie es geschieht. Die oft sehr oberflächliche und nicht in historischen Kontext eingebettete Betrachtung: Hier die bösen, männlichen Christen, dort die armen, unschuldigen weiblichen ,,Hexen", bzw. hier die deutschen Nazis, dort die Juden und Homosexuellen, mehr muss man dazu nicht wissen, und schon gar nicht wie es dazu gekommen ist. Wichtig auch immer das obligatorische aufgezwungene Betätigen der Tränendrüse.
Die Theorie, dass man daraus ein ,,feministisches Spektakel" machen will (die Akteure für Selbiges wären ja dann die LehrerInnen), will ich mal weder von vornherein verneinen noch gleich vorschnell zustimmen. Eine Story dazu aus meiner Schulzeit:
Wir wurden aufgefordert, Themen zu suchen für irgend so einen scheiß Projekttag, ich weiß es nicht mehr. Weiß auch nicht mehr, ob es nur um geschichtliche Themen ging, oder ob auch andere Themen hätten gewählt werden können. Jedenfalls sollte dann über die Themen abgestimmt werden, mit Zettel-Wahl. Und die Lehrer wollten dann überlegen, für welche Themen sozusagen eine ,,Veranstaltung" eröffnet wird, und jeder kann dann da hin gehen wo er möchte, kann er sich aussuchen. Bezüglich Ideen und Vorschlägen war ziemliche Ebbe, die Motivation wie so oft auch ziemlich dürftig. Und irgendjemand kam dann auf die Idee, weil wir auf das Thema ,,Hexenverbrennung" kurz zuvor im Unterricht zu sprechen kamen, dass wir dieses Thema für dieses debile Projekt nehmen (möglicherweise auch deshalb, weil sich auf der Schule jede Menge Hexen [und Ketzer] herumtreiben). Es fand sich schnell eine Clique, die dieses Thema unterstützte, denn man möchte ja nicht getrennt werden. Ihre Sprecher und Agitatoren begannen sogleich, sich mit anderen Schülern abzusprechen, dass man sich doch auf dieses Thema als gesamte Klasse einigen möge. Ich wollte ein anderes Thema, aber nach kurzer Zeit begannen findige Diplomaten, auf mich einzureden, ich möge es mir doch noch mal anders überlegen. Ich konnte nur noch zusehen, wie die Kampfeslage immer eindeutiger wurde und von den 28 Schülern bald schon über 20 für die Hexenverfolgung stimmten, und immer mehr Abweichler umgestimmt wurden. Kurz, bevor ich alleine war, informierte ich den ,,Zettel-Auszähler", dass ich nun ,,doch" das Thema Hexenverbrennung wähle. Resultat des Ganzen: Dem Lehrer wurde mitgeteilt, dass von 28 Schülern exakt 28 sich für das Projekt das Thema ,,Hexenverbrennung" wünschte.
Einige Tage später brachte uns der Lehrer nähere Informationen zu der Veranstaltung, und was aus den Gesprächen mit anderen Lehrern dazu herausgekommen sei, machte aber gleich die wenig begeisterte Bemerkung, dass in diesem Gespräch mit anderen Lehrern auch zur Sprache gekommen sei, dass man auch etwas enttäuscht sei, dass unserer Klasse mit 28 Schülern ,,nichts Anderes als Hexenverbrennung eingefallen ist".
Kein Kommentar. Honi soit qui mal y pense.