Einfache reductio ad absurdum:Zitat von Senf
Ich bin kein Arzt. Ärzte sind anders als ich. Ergo muss ich alle Ärzte ausrotten. Dann geht es mir besser.
Nationale Logik ist so leicht zu widerlegen...
Einfache reductio ad absurdum:Zitat von Senf
Ich bin kein Arzt. Ärzte sind anders als ich. Ergo muss ich alle Ärzte ausrotten. Dann geht es mir besser.
Nationale Logik ist so leicht zu widerlegen...
Quidquid agas prudenter age et respice finem.
Zitat von Lord Solar Plexus
Die ethnologischen und historischen Daten zu Ethnozentrismus, Xenophobie und Gruppenkonkurrenz sind nicht neu. Neu ist aber die Verbindung mit der Soziobiologie, und die stellt mit Sicherheit die größte Revolution in der Verhaltensbiologie der letzten Jahrzehnte dar. Und auch das ist keine Theorie von allem: Natürlich kann sie nicht erklären, warum die Hutus und Tutsis genozidal auf einander los gehen, während in Brasilien Schwarze und Weiße friedlich nebeneinander leben und nur durch eine unsichtbare und offensichtlich durchlässige Heiratsgrenze getrennt sind. Aber sie kann wenigstens prinzipiell erklären, warum ethnische Gruppen wichtig sind (von ihren Mitgliedern als wichtig betrachtet werden) und warum sie so viel sozialen Sprengstoff bereit halten.
Wie gesagt, ich bezweifle nicht, dass seriöse Wissenschaft Erkentnisgewinne bringt. Ich sage nur, dass seriöse Wissenschaft mit klaren Begrifflichkeiten arbeiten muss. Nationalismus ist jedoch ein sehr schillernder Begriff. Persönlich verstehe ich darunter mehr als nur Gruppenzugehörigkeit, sondern einen politischen Begriff, der eine entweder aggressive (expandierender Universalismus) oder isolationistische Form (extremer Ethnozentrismus) annehmen kann (in aller Kürze).
1. Das Argument der Wissenschaftsgrenze
Nun kann die Biologie sicherlich unser Verständnis dafür erweitern, warum wir bestimmte Verhaltensweisen an den Tag legen. Sie kann aber nicht politisch-historische Begrifflichkeiten erläutern. Das würde die Entwicklung vom homo australopithecus zum homo ludens sapiens ignorieren. Ich plädiere dafür, dass die Biologie daher auch nicht mit poiltischen Begriffen operiert.
2. Alte Erkenntnisse in neuem Gewand
Ich möchte Dir gerne glauben, aber wenn ich sehe, dass schon ein Aristoteles sagt, "Anthropos zoon politikon estin" - der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen, dann bin ich grundlegend skeptisch, wie neu die Erkenntnisse sind.
Quidquid agas prudenter age et respice finem.
Soll das heißen, dass sich die Biologie nicht in die politischen Wissenschaften einmischen sollte? In die Biologie selber haben sich Disziplinen wie Physik und Chemie sehr wohl eingemischt. Was ihr außerordentlich gut getan hat. Oder sind die Sozialwissenschaften aus einem so edlen Stoff, dass sie keine Vermischung und Berührung vertragen?Zitat von Lord Solar Plexus
Geändert von Pirx (10.08.2005 um 10:53 Uhr) Grund: Rechtschreibkorrektur
Nein, das soll genau das heißen, was ich geschrieben habe: Vermeidung von Begriffsverwirrung. Ein anderes Beispiel wäre, wenn die Politische Wissenschaft etwa Nahrungsaufnahme erklären wollte.Zitat von Pirx
Von Einmischung würde ich zwar nicht sprechen, aber prinzipiell ist es richtig, dass jede Wissenschaft Hilfswissenschaften braucht. Ich spreche aber von etwas anderem: der Substituierung der einen durch die andere.In die Biologie selber haben sich Disziplinen wie Physik und Chemie sehr wohl eingemischt.
Die Biologie erklärt nicht elektrisches Licht, die Physik nicht die Fortpflanzung und die Chemie nicht die Evolution. (Bitte, das sind nur beliebige Beispiele zur Illustration, also beiß dich hier nicht fest).
Ebenso kann ich Gruppenbildung verhaltensbiologisch erklären, nicht aber Nationenbildung als konkrete Ausformung einer allgemeinen Verhaltensweise.
Die Annahme, Nationen seien größere Familienverbände ist keine biologische Theorie, sondern eine sozialwissenschaftliche. Die sehr starke Identifikation mit einer Personengruppe ist gar nicht das Problem, sondern die Behauptung, die sehr starke Identifikation mit der Personengruppe 'Nation' (=Nationalismus) sei biologisch bedingt. Das mag zwar so sein - ich bin ja nur interessierter Laie - aber ich bin dennoch skeptisch, nicht mehr und nicht weniger.
Quidquid agas prudenter age et respice finem.
Das meine ich in einem strikt biologischen Sinn. Die Angehörigen eines Volkes sind untereinander genetisch enger verwandt als mit Angehörigen entfernter Populationen. So wie Verwandte mehr Gene miteinander teilen als mit Nichtverwandten. Das ist sicherlich mehr als nur eine Analogie. Die heutigen Millionenbevölkerungen gehen aller Wahrscheinlichkeit auf kleine lokale Familiengruppen zurück. Mit modernen DNA-Markern lässt sich das z.B. bis in die europäische Eiszeit zurückverfolgen. Diese abnehmende genetische Verwandtschaft - von der Kernfamilie ausgehend bis über die Siedlungsgrenzen einer Bevölkerung hinaus - kann man sich am besten wie konzentrische Kreise vorstellen. Diese Abnahme erfolgt dabei nicht völlig kontinuierlich, sondern es treten besonders an Sprachgrenzen Brüche auf. Insofern ist es sicherlich nicht falsch, Nationen (oder sagen wir besser Völker) als erweiterte Familiengruppen zu bezeichnen. Und die Beziehungen zwischen Verhalten und genetischer Verwandtschaft haben weitreichende Konsequenzen. Ich wette, dass die Verhaltensbiologie bei der Erklärung von politischen Phänomenen (z.B. ethnische Konflikte) durchaus ein Wörtchen mitzureden hat.Zitat von Lord Solar Plexus
Schon, aber wie groß ist der Unterschied? Minimal. Und er beruht einzig auf geografischen und historischen Kontingenzen. Aus diesen Gründen taugt er wenig, um politische Begriffe zu erklären.Zitat von Pirx
Sicher, in allgemeinen Termini. Wenn Eltern ihre Kinder umbringen, fragt man sich doch, wie tragfähig dieser Erklärungsansatz letztlich ist. Wie gesagt, das Prinzip ist unumstritten, aber die konkreten Erkenntnisgewinne - oder gar Handlunsganweisungen - halte ich für sehr dünn.Und die Beziehungen zwischen Verhalten und genetischer Verwandtschaft haben weitreichende Konsequenzen. Ich wette, dass die Verhaltensbiologie bei der Erklärung von politischen Phänomenen (z.B. ethnische Konflikte) durchaus ein Wörtchen mitzureden hat.
Quidquid agas prudenter age et respice finem.
Ich denke das Du absolut Recht hast. Ein Beleg hierfür sind auch Kleinkinder, die ja noch wesentlich instinktiver reagieren als Erwachsenen.Zitat von Pirx
Kleinkinder zwischen 2 und 4 Jahren neigen zum "Fremdeln", das heißt das Sie fremden gegenüber ängstlich und misstrauisch sind, das wird dir fast jede Mutter bestätigen.
Daher denke ich das rassistische Nazis keine Drecksäcke sind, sondern einfach nur im Kleinkinderalter stehen geblieben sind. ;-)
Grandioser DiskussionsstilZitat von stan
Entschuldigung, inwiefern ist Fremdeln (was auch bei Säuglingen passiert) identisch mit Nationalismus? Inwiefern ist die Eltern-Kindbeziehung eine neue Erkenntnis der Verhaltensbiologie?Zitat von pschulze
Und noch ein Einwand: Viele Kinder wurden von Frauen gestillt, die nicht ihre Mütter waren. Hier fremdeln sie nicht - von einer genetischen Verwandschaft kann jedoch keine Rede sein. Das müsste es aber, denn nach Deiner Theorie ist genetische Verwandtschaft der Grund für das Verhalten. Außerdem kommt es genauso oft vor, dass ein Kind bei der Tante fremdelt, bei Freunden aber nicht. Wie kann das sein, wenn das Kind genetische Verwandtschaft automatisch erkennt?
Quidquid agas prudenter age et respice finem.
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