Der Bundespräsident darf keine Gesetze "kippen". Gemäß unserer Verfassung hat er ein formales Prüfungsrecht. Das bedeutet, er darf prüfen, ob ein Gesetz auf verfassungsgemäße Weise zu Stande kam. Er hat dagegen kein sogenanntes materielles Prüfungsrecht, also ein Recht, den Inhalt eines Gesetzes auf Verfassungskonformität zu prüfen. Das Recht der materiellen Prüfung kommt nur dem Bundesverfassungsgericht zu.
In seiner Entscheidung, das Flugsicherungsgesetz (FSG) nicht zu unterschreiben, weil er seinen Inhalt nicht für Verfassungskonform hielt, hat Horst Köhler seine Kompetenz als Bundespräsident prinzipiell überschritten. Faktisch existiert jedoch keine Stelle, die dem Bundespräsidenten weiseungsbefugt wäre. Ebenso kann ein Bundespräsident nicht aus solchen Gründen aus seinem Amt entlassen werden. Das ändert aber nichts daran, dass sich ein Bundespräsident verfassungswidrig verhält, wenn er einem Gesatz wegen materieller Mängel die Unterschrift verweigert.
Anders liegt der Fall zum Beispiel, wenn man das Einwanderungsgesetz betrachtet. Dieses kam nicht verfassungskonform zu Stande (Doppel-Stimmabgabe durch ein Bundesland im Bundesrat), Johannes Rau setzte es aber trotzdem in Kraft - und handelte damit ebenfalls verfassungswidirg, aber halt auch ebenfalls sanktionsfrei.
Es bleibt abzuwarten, wie ein Bundespräsident Gauck, der ein erklärter "Verfassungs-Fan" ist, mit diesem Umstand umgehen wird. Angst vor - oder Hoffnung auf - einen politischen Richtungswechsel durch einen neuen Bundespräsidenten braucht aber niemand zu haben.