Donnerstag, 26.4.2012.
Überall redet man derzeit von Rechtsextremismus. Glaubt man dem Eindruck, den die Presse vermitteln will, dann sind alle Rechtsradikalen in der Piratenpartei. Ein paar denkwürdige Gestalten findet man da schon – ich hatte sie schon 2009 gefunden. Ebenso hatte ich 2009 darauf hingewiesen, das die Piratenpartei (sofern sie ihrer Agenda treu bleibt) zwischen 10 – 15% der Wählerstimmen bekommen kann: noch nicht mal die engagiertesten Piraten wollten mir in der Einschätzung folgen. Gut, vielleicht habe ich einen Fehler gemacht. Vielleicht werden die Piraten gerade wegen ihrer braunen Flecken gewählt, in Frankreich jedenfalls ist braun gerade ganz groß in Mode: jeder fünfte Wähler steht darauf. Andererseits: sollte man sich wundern, das in Deutschland eine neue Partei gewählt wird, die auf alte Fragen keine Antworten hat, während alten Parteien schon seit Jahren nichts Neues mehr einfällt? Reden wir doch auch mal über Rechtsextremismus – so wie alle. Über Rechtsextremismus in Deutschland. Über Rechtsextremismus in der deutschen Regierung der letzten zehn Jahre – jenen Rechtsextremismus, der schon real Menschenleben gefordert hat.
Dazu brauchen wir erstmal eine Definition. Wann immer wir die brauchen, können wir bei der Bundeszentrale für politische Bildung vorbeischauen und stellen dort fest: die haben auch keine. Trotz Hitler. Aber wenigstens haben sie ein paar Anhaltspunkte: Generell gilt: Rechtsextremisten lehnen die freiheitlich-demokratische Grundordnung ab und wollen − auch unter Anwendung von Gewalt − ein autoritäres oder gar totalitäres staatliches System errichten, in dem nationalistisches und rassistisches Gedankengut die Grundlage der Gesellschaftsordnung bilden sollen. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung – das erfährt man dort – zeichnet sich durch gewisse Qualitäten aus:
Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung
Volkssouveränität
Gewaltenteilung
Verantwortlichkeit der Regierung
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
Das ist sie, die Freiheit, die wir noch haben. Oder haben sollten. Volkssouveränität zum Beispiel – das erleben wir doch gerade ganz dolle. Keiner will nach Afghanistan: trotzdem sind wir da. Keiner will den Rettungsschirm (der Bankmanager und ihre Anwälte und IT-Fachleute vor den Folgen ihrer eigenen Skrupellosigkeit schützt), trotzdem wird der immer größer. Keiner wollte Hartz IV – aber trotzdem kriegen das bald alle.
Ja, mit Hartz IV sind wir dann auch bei einem ganz interessanten Thema. Die politischen Parteien meiden es gerne, es ist ihnen peinlich – aber trotzdem ist es da, aktuell durch eine Gerichtseinscheidung wieder ins Bewußtsein geraten: ein Berliner Gericht hält den Regelsatz für zu niedrig. Ich verweise zu dieser Nachricht auf den Spiegel, der sie mit einem treffenden Bild untermalt: man sieht übergewichtige Frauen mit Kinderwagen.
So stellt sich auch die Politik den neuen Untermenschen, den modernen Juden vor: frisst einem verantwortungslos die Haare vom Kopf, vermehrt sich wie die Karnickel und ist verweigert sich völlig dem modernen Hochleistungstrend.
Der Untergang droht, wenn man diese “Parasiten” nicht effizient bekämpft.
Es gibt sie wieder, diese Untermenschen – und ein weiterer Spiegelautor führt dies nebenbei beim Thema Betreuungsgeld nochmal deutlich aus: es gibt wieder gute Kinder und schlechte Kinder in diesem Land … also auch gute Menschen und schlechte Menschen. Der Fokus ist sich nicht zu blöde, gleich mal flankierend beizuspringen und den Untergang des Abendlandes durch den Sozialstaat an die Wand zu malen, das Wort “Wohlstandsmafia” erblickt die Welt, logischerweise werden die Alten ebenfalls zur Zielscheibe der Kritik, das zwanzig Prozent von ihnen im Alter schon jetzt eingesperrt werden, scheint vielen wohl noch zu wenig.
Bis die öffentliche Kennzeichnungspflicht von Hartz IV-Empfängern durchgesetzt ist, wird wohl nur noch eine Frage der Zeit sein.
Dabei droht Hartz IV immer mehr Menschen. Der Bayrische Rundfunk informiert gerade mal aktuell darüber, wie Kommunen ihre Bürger ausnehmen, von kalter Enteignung mittels überflüssiger Gemeindebauprogramme ist da die Rede. Aus gleicher Quelle stammen die Berichte über die Armutsfalle Krankheit. Soweit ist es mit uns schon gekommen: Krankheit macht wieder arm, Eigentum auch – wenn man zu wenig davon hat.
Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten?
Fehl am Platze.
Statt dessen wird für die Arbeitslosen ein autoritäres staatliches System errichtet, in dem – auch unter Anwendung tödlicher Gewalt (man nennt es vornehm: “Sanktionen”, die aber tödliche Folgen durch völligen Entzug von Nahrung und Wohnraum haben können) – nationalistisches und rassistisches Gedankengut (“Wir sind Deutschland” … und IHR nicht!) zur Grundlage der Gesellschaftsordnung machen, einer Ordnung, die sich – frei nach SPD-Mann Müntefering – in dem Satz erschöpft, das derjenige, der keine Arbeit hat, auch nichts zu essen bekommen soll.
Obdachlosigkeit und Hunger machen Menschen in der Regel tot. Mangels Bildung ist dies in Kreisen der SPD-Spitze scheinbar nicht mehr bekannt.
Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber jenen Menschen, die infolge einbrechender Wirtschaften oder landesweiter Einstellungsstopps (bzw. Krankheit oder Steuerwahn der Gemeinden) in die Arbeitslosigkeit rutschen? Fehl am Platze.
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung?
Einfach mal die Prozessflut zu Hartz IV sehen – sogar die Hungerregelsätze sind mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren.
Volkssouveränität?
Einfach mal fragen, was denn normale, nicht beamtete Arbeitnehmer von der Tatsache halten, das kranke fünfzigjähre Arbeitnehmer, die fünfunddreissig Jahre wie die Blöden geschuftet und sich ihr kleines Häuschen mühsam vom Munde abgespart haben von der Tatsache halten, das arbeitsscheue Jugendliche das gleiche Geld bekommen das auch ihnen zusteht: aber erst, nachdem sie die angesparte Ausbildungsversicherung für ihre eigenen Kinder aufgebraucht haben.
Ich denke, würde man den Souverän fragen – jenseits der faschistischen Hetzpresse – so würde er das für asozial halten. Ungefähr für so asozial, wie die Tatsache, das Parlamentarier sich in Zeiten wachsender Armut ständig steigende Luxusdiäten gönnen.
Deutlicher kann man die Spaltung zwischen Volk und Parteien nicht deutlich machen.
Sieht man sich aktuelle Pressemeldungen an, so scheint es auch mit der Gewaltenteilung nicht mehr so weit her zu sein …. jedenfalls nicht mit der Trennung von Staat und vierter Gewalt, der Presse.
Dort sieht man den Bürger als solchen als eine Gefahr für Europa an - und seine Intelligenz als “nutzlose Idioten”, die man auch im Detail an ihren Berufen erkennen kann, siehe Welt:
Soeben hat die amerikanische Online-Zeitung “The Daily Beast” eine Liste der dreizehn nutzlosesten Master-Abschlüsse veröffentlicht. Es sind: Politik, Geschichte, Musik, Touristik, Anthropologie und Archäologie, Journalismus, Literatur, Philosophie und Religion, Architektur, Grafik und Design, Film, Video und Fotografie, Theater und Kunst.
Aus der Geschichte lernen zu wollen, die Wiederholung alter Fehler in der aktuellen Politik vermeiden zu wollen, gar mit Weisheit und Wissen des Leben der Bürger schützen zu wollen macht einen zu einem Idioten. Und die Idioten, die so etwas behaupten, arbeiten weiter daran, einen unendlichen Rettungsschirm zu basteln, der die “erfolgreicheren” Studiengänge vor den Folgen ihrer Taten auf Kosten des Steuerzahlers schützt, wie auch der SS-Mann von seiner Partei vor den Folgen seiner Taten geschützt wurde.
Wer sich nun groß über einen Braunen in der Piratenpartei echauffiert (der bei genauem Hinsehen einfach nur nicht differenziert genug gedacht hat und weit entfernt ist vom aktuellen Sozialfaschismus der SPD/CDU/CSU/FDP/GRÜNEN-Blocks – dem auch Linke zugeneigt sind), der sollte auch mal einen Blick auf den aktuellen, lebendigen Faschismus in den Reihen der eigenen Regierung wagen.
Für Arbeitslose ist das Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung doch nur noch ein schlechter Witz.
Und mal ehrlich: Arbeitslose haben nicht die Finanzmärkte reguliert und den deutschen Arbeitsmarkt für Heuschrecken freigegeben, sie haben nicht kurzfristige Superrenditen durch Massenentlassungen erzielt noch gestalten sie – ganz wichtig! – die Preise fürs Überleben, die heute von Regierung und Konzernen diktiert werden.
Sie wurden einfach nur in einer Welt geboren, die nur gesunde, junge, schöne Menschen bis 35 bei sich dulden möchte (und eigentlich noch nicht mal die, wenn man die aktuelle Entwicklung in Europa genau betrachtet) – der Rest soll sehen, wo er bleibt.
Sie sind Opfer einer modernen Form des Faschismus: des Sozialfaschismus, in dem immer weniger “gute” Reiche gegen immer mehr “böse” Arme ankämpfen – Rassismus pur, der sich eher am Geldbeutel denn an der Hautfarbe orientiert.
Zu krass formuliert?
Dann stellen Sie sich doch bitte mal gleich heute in der Hauptshoppingallee Ihres Heimatortes hin und halten ein Schild vor sich mit der Aufschrift: “Ich lebe von Hartz IV!”.
Trauen Sie sich das?
Ich denke, Sie wissen, warum Sie das nicht tun – genauso, wie Sie auch wissen, das “Verantwortlichkeit” für unsere Regierung ein Fremdwort ist, weil jeder, der das Spiel des Sozialfaschismus gut vorantreibt und der Bewegung tüchtig dient einen Platz an der Konzernsonne erhält, wo man auf Kosten aller fürstlich speisen kann, während andere den Dreck der Tafeln fressen müssen, den Abfall, der wirklich jeden Wert verloren hat.
Aber es passt ja, das Menschen, die für die Regierung jeden Wert verloren haben, Essen bekommen, das auch jeden Wert verloren hat, während Politiker in ihrer Ausgabenwut keine Grenzen kennen und sogar in Pleiteländern großzügig zugreifen, wenn es um die Finanzierung von Wahlkämpfen geht.
In breiter Front Krokodilstränen über einzelne braune Piraten abzulassen, während man über tödlichen, erniedrigenden Faschismus im Alltag kein Wort verliert, ist eine Heuchelei der Superlative … und der billige Versuch, die einzige Partei in der deutschen Parteienlandschaft zu diskreditieren, die aktuell gegen den herrschenden Sozialfaschismus die Notbremse in Form des Grundeinkommens ziehen will und deren AG Geldordnung eine überraschend umsichtige Stellungnahme zum ESM verfasst hat (die man dem Hartz-Block in der deutschen Parteienlandschaft gerne zur Lektüre empfehlen darf).
Wenn wir über Rechtsextremismus in der Bundesrepublik reden wollen, ist das begrüßenswert.
Dazu gehört aber auch die Erkenntnis, das Hartz IV rechtsextremer ist, als es selbst die braunsten Piraten je sein werden – jedenfalls aus einer Perspektive heraus, die Rechtsextremismus umfassender beurteilt und ihn nicht nur als einen vergangenen, einmaligen und nie wieder zu befürchtenden Ausnahmezustand der deutschen Gesellschaft von 1933 – 1945 beschreibt, sondern als lebendiges, wirkendes Unwesen versteht, das seit einigen Jahren auch wieder in der deutschen Parteienlandschaft tobt – wenn auch unter anderem Namen und mit anderen, parteiübergreifenden Organisationsformen.
Wem nun noch das nationalistische Element in der aktuellen Politik fehlt, der ersetze einfach “Deutschland” durch “Europa” – und schon ist es da … das neue deutsche Reich, das man aber anders nennen wird.
Vielleicht Hartzland?
Passen würde es – nachdem die Rettungsschirme immer mehr Bürger in Arbeitslose verwandeln.
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Hartz4 muss weg, für immer!
mfg
rutt