Wenn keiner mehr durchs Trommelfeuer mit Meldungen zu den vorne in den zusammengeschossenen Gräben ausharrenden Kompanien laufen wollte, Hitler meldete sich weiterhin freiwillig. Bei wichtigen Meldungen mussten sie zu zweit los, einer würde schon durchkommen, und der ihm meist beigegebene
Gefreite Brandmager, von Hitler beim Vorwärtsspringen ‘Partner' gerufen, erinnerte sich, bevor Hitler an die Macht kam: «Ich hatte gerade neben Hitler Platz genommen, da ein Volltreffer mitten in den Gang. Die Decke zermalmt und tausendfach zerrissen. Allenthalben spritzen die Splitter in die Weite. Gelähmt vor Schrecken war ich immer noch nicht bewusst, was sich eben Grauenhaftes ereignete. Und als ich zu mir selbst wieder kam, sah ich, wie Hitler an die Bergung der vier Toten und sieben Verwundeten ging.» Und so ging es zu bei diesen Meldungen, die nach vorne mussten: «Wir fallen von Granatloch zu Granatloch. Sprengstücke, Dreck und Eisen prasselten schonungslos auf uns hernieder. Meine Nerven versagten. Liegen bleiben wollte ich, wo ich war. Da sprach mir Hitler gütig zu, gab mir Worte der Ermunterung, sagte, dass dereinst all unser Heldentum von der Heimat tausendfach gelohnt würde.» (21)
Der Unteroffiziersmangel wurde von Jahr zu Jahr fühlbarer. Unteroffizier wurde Hitler in sechsjähriger Dienstzeit nie. Die spätere Aussage eines Offiziers : «Hitler hatte eben keine Führungseigenschaften», ist sicherlich unrichtig ... Bereits Anfang 1915 schrieb er dem befreundeten Assessor Hepp nach München: «Ich denke so oft an München und jeder von uns hat nur den einen Wunsch, dass es bald zur endgültigen Abrechnung mit der Bande kommen möge, zum Daraufgehen koste es, was es wolle, und dass die, die von uns das Glück besitzen werden, die Heimat wiederzusehen, sie reiner und von der Fremdländerei gereinigter finden werden, dass durch die Opfer und Leiden, die nun täglich so viele Hunderttausende von uns bringen, dass durch den Strom von Blut, der hier Tag für Tag fliesst gegen eine internationale Welt von Feinden, nicht nur Deutschlands Feinde im Aeusseren zerschmettert werden, sondern dass auch unser innerer Internationalismus zerbricht. Das wäre mehr wert als aller Ländergewinn. Mit Oesterreich wird die Sach kommen, wie ich es immer sagte.» (22)
1916 zerschoss der Feind ihm einen Oberschenkel, als er freiwillig durch starkes Feuer eine Meldung nach vorn brachte. Im Heimatlazarett Beelitz bei Berlin beobachtete er die Wandlung in der kriegsmüde gewordenen Heimat - keinesfalls würde das Heldentum der Front tausendfach gelohnt werden, wie er es dem ‘Partner' versprochen hatte. Der verwundete Hitler machte sich seine Gedanken über die «ganze Tücke des Verhängnisses, das mich an der Front in einer Stelle hielt, in der mich der Zufallsgriff jedes Negers zusammenschiessen konnte, während ich dem Vaterland an anderem Orte andere Dienste zu leisten vermocht hätte.» Reden halten, aufrütteln und Massen begeistern, das traute er sich zu und das war seine Vorstellung von den anderen Diensten.
Doch er war ein Unbekannter unter acht Millionen Soldaten und «so war es besser, den Mund zu halten und so gut als möglich seine Pflicht an dieser Stelle zu tun».
Während der Genesungszeit geriet er an den jüdischen Arzt Dr. Stettiner, als er in einem militärwissenschaftlichen Buch Bestätigung suchte für das, was er sich auf dem Regimentsgefechtsstand durch jahrelange Beobachtung an militärischem Wissen angeeignet hatte. Da trat dieser Arzt ans Bett und staunte : «Ich hätte Sie für vernünftiger gehalten.» Durch diesen Helfer der leidenden Kreatur wurde Hitler in seiner Ansicht von der «zersetzenden Kraft Alljudas» bestätigt. In Wahrheit teilte der pazifistische Dr. Stettiner die Menschheit lediglich in zwei Klassen: diejenigen, die Wunden schlagen, und diejenigen, die sie dann heilen müssen. Nach Hitlers Erinnerung waren auch «die Kanzleien dort mit Juden besetzt. Fast jeder Schreiber ein Jude und jeder Jude ein Schreiber.» Ihm «kroch der Ekel zum Halse herauf», und so bat er darum, vorzeitig und schlecht ausgeheilt zu seinem Regiment an die Front zurückkehren zu dürfen.
Ausgerechnet ein Jude, der Leutannt Hugo Gutmann, war es dort, der ihm das Eiserne Kreuz Erster Klasse überreichte. Bei dem ‘Partner' Brandmayer kommt Gutmann schlecht weg: «Als Adjutant des Regimentes fungierte Leutnant Eichelsdörfer, als mehrmaliger Stellvertreter Hugo Gutmann, Leutnant der Landwehr, ein Offizier mit jüdischen Allüren und Manieren. Er stand bei der Meldegängergruppe in keinem hohen Ansehen. In der Folgezeit war mir dieser angstschlotternde Auch-Offizier ein unsympathischer Vorgesetzter.» (23)