Aus einem andere Forum und etwas älter, aber bis auf den trasrapid brandaktuell.
Soll es das gewesen sein? – Deutschland im Jahr 2100
Es ist ein schlechtes Zeichen für die [Links nur für registrierte Nutzer], wenn wir zusehen müssen, wie in der Volksrepublik China der Transrapid in Rekordzeit gebaut wird und wir in Deutschland schon seit über 15 Jahren über das Versuchsstadium nicht hinauskommen. Es erinnert fatal an das Fax-Gerät, das in Deutschland entwickelt wurde, wir aber aus Japan importieren mußten. Auch den Transrapid werden wir eines Tages aus China importieren müssen.
Es geht aber eigentlich um mehr – nicht um das Wirtschaftswachstum nächstes Jahr, sondern darum, ob Deutschland überhaupt 2100 noch wahrgenommen wird. Denn im Moment sieht es ganz danach aus, als würde die geriatrische Bundesrepublik mit 50 Millionen Einwohnern, davon 55% älter als 60, eine der weniger entwickelten Regionen einer überbürokratischen, selbstblockierten Europäischen Union vom Atlantik bis zum Dnjestr, vom Nordkap bis zum Atlasgebirge, die einen aussterbenden Dialekt des Germanischen sprechen, stark durchsetzt von halb verstandenen Anglizismen.
Um im Jahr 2100 noch wahrgenommen zu werden, braucht man genauso wie heute Menschen, technologisches Potential, Wirtschaftskraft und Militärmacht. Einfach ist es für Staaten wie Indien, China, Indonesien, Brasilien, Mexiko, die USA. Sie haben allesamt viele Menschen. 2100 werden sie zwischen 1,8 Milliarden und 0,2 Milliarden Einwohner haben. Um die Wirtschaftsmacht zu bestimmen, muß man diese Menschenzahlen mit dem Pro-Kopf-Einkommen malnehmen. So wie sich Indien und vor allen Dingen China entwickeln, haben sie gute Chancen, mindestens auf ein 20stel des amerikanischen Pro-Kopf-Einkommens zu kommen. Haben die USA somit 300 willkürliche Wirtschaftsmachteinheiten, werden China 1400/20=70 und Indien 1800/20=90 Wirtschaftseinheiten mindestens zukommen. Heutige G-8-Länder, wie Frankreich, Italien stehen dann bei ca. 30 bis 40 Einheiten, Japan bei maximal 100 Einheiten.
Die USA und China werden neben Rußland in den kommenden 20 Jahren die einzigen Staaten sein, die in der Lage sind, Menschen in eine Erdumlaufbahn zu befördern und lebend wieder zurückzuholen. Indien könnte nachrücken, während Rußland dabei ist, seinen Status zu verlieren.
Wo steht Deutschland da? Bei nur noch halb so großer Wirtschaftskraft pro Einwohner wie die USA werden wir in dieser Reihung mit einer Wirtschaftskraft in willkürlichen Einheiten von 30 Einheiten mit Staaten wie Indonesien, Brasilien und anderen Wirtschaftsmittelmächten konkurrieren. Die Türkei könnte uns bis 2100 [Links nur für registrierte Nutzer] einholen. Mit doppelt so großer Bevölkerung reicht ihr dafür ein halb so großes Pro-Kopf-Einkommen.
Es gibt viele Aufsätze darüber, wie Deutschland dabei ist, [Links nur für registrierte Nutzer] in allen Kategorien abzusacken – nicht nächstes Jahr, aber über die nächsten 100 Jahre. Die Frage, die sich leider kein Politiker stellt ist die, ob wir das so wollen – soll es das gewesen sein mit Deutschland? Ist alles, was wir zustande bringen, eine tragische Geschichte von 1000 Jahren Uneinigkeit, zwei Weltkriege, ein Intermezzo als Exportweltmeister und schließlich das langsame Hinabdämmern in die Bedeutungslosigkeit?
Eines sollten wir dabei bedenken. Selbst wenn wir das Überleben deutscher Kultur für unwichtig halten, so haben wir doch aus eigenen Erfahrungen eine besondere Sicht auf politische Ethik und Menschenrechte entwickelt, deren Wert wir erst zu schätzen wissen, wenn wir in der Welt umher reisen. Die USA kommen unter den Großmächten unseren Wertvorstellungen noch am nächsten – und schon an ihnen reiben wir uns, wenn es um Bootcamps, Todesstrafe, Geschworenengerichte, um soziale Sicherheit oder um [Links nur für registrierte Nutzer] Großmachtpolitik geht. Aber die anderen Großmächte der Zukunft teilen überhaupt keine Werte mit uns. China ist eine Parteidiktatur mit Folter, Zensur und Ermordung unbotmäßiger Kritiker. Rußland steuert wieder auf eine Diktatur zu – Weißrußland machte es vor. Indonesien ist völlig korrupt und eine labile Halbdemokratie. Weder Mexiko, noch Pakistan, noch der Iran, um Staaten im Bereich von über 100 Millionen Einwohnern 2100 zu nennen, bieten uns erstrebenswerte Gesellschaftsmodelle. Gut, es gibt die EU. Wird das je ein einheitlicher Staat? Und mit welcher Ethik? Wieviel von unseren Ideen werden darin überleben?
Ich fände es traurig, wenn wir mehr nicht zustande brächten. Was könnten wir stattdessen tun? Wir könnten uns vornehmen, über einen technologischen Vorsprung unsere schwache Bevölkerungszahl zu kompensieren. Wir könnten uns vornehmen, unsere Planungsgesetze so zu ändern, daß die Planungs- und Genehmigungszeiten für Innovationen extrem kurz würden. Daß ein Transrapid in Deutschland vom Beschluß bis Baubeginn weniger als ein Jahr braucht. Daß neue Pharmaka in weniger als zwei Jahren von der Entdeckung zur Anwendung kommen. Wir könnten bundeseinheitliche Bildungsstandards beschließen, die die Schulzeit auf 11 Jahre beschränken, diese aber dafür effizienter machen. Wir könnten die Investionen verdoppeln und Deutschland zum Staat mit der modernsten Infrastruktur machen. Wir könnten einen Schlußstrich unter unser altes Sozialversicherungssystem ziehen und die staatliche Förderung im konsumtiven Bereich begrenzen. Wir könnte deutsche Schulen und Universitäten im Ausland fördern mit dem Ziel, daß die besten Kräfte aus anderen Ländern nach Deutschland kommen und ihre Ideen mitbringen. Gleichzeitig könnten wir die deutsche Sprache im Ausland lebendig halten. Noch ist etwa in Indonesien bei ökonomischen Studiengängen ein Deutschkurs Pflicht. Unser Ziel sollte sein, auch im Jahr 2100 noch wirtschaftlich so bedeutend zu sein, wie China – indem wir technologisch [Links nur für registrierte Nutzer] wachsen als die USA und unsere Bevölkerungszahl zumindest bei 70 Millionen halten, indem wir aber auch unsere alten Menschen besser im produktiven Leben halten als andere Staaten (was auch unser Rentenproblem lösen würde).
Es wäre alles machbar, nur der politische Wille muß dazu kommen...