Ihr lieben Wißbegierigen!
Um gleich zu Beginn die Kriterien zu nennen, die meiner Meinung nach einen schlechten Dokumentarfilm ausmachen, zähle ich sie unverzüglich auf:
Die Musik
Am liebsten würde ich gar keine hören, wenn nicht das Leben eines Musikers dokumentiert werden soll. Auf elektronisch erzeugte synthetische Klänge, wenn Ameisen ihre Arbeiten verrichten, sogenannte Klangteppiche, die die Stimmen der Kommentatoren bis zur Unhörbarkeit überlagern, wenn Wichtiges mitgeteilt werden soll, immergleiches Klaviergeklimper im Stile eines Richard Claydermans, wenn zum wiederholten Mal erwähnt wird, daß die Gräser im Winde zittern, oder pompöse Orchesteraufwallungen beim Anblick wunderschöner Landschaften, in denen Stille herrscht, kann ich gut verzichten, d.h. ich schalte ab und schaue nicht länger zu.
Die Kommentare
Wenn ein Jungvogel seinen ersten Flugversuch unternimmt und flach auf seinem Bauch landet, dann braucht dies nicht kommentiert zu werden: denn man kann es ja sehen – so, wie ein Fußballspieler den Ball neben oder übers Tor hinausschießt. Es muß nicht gesagt werden. Und wenn die Temperatur im Innern der Sonne angeblich so und so viele Millionen Grad Celsius beträgt, dann habe ich das beim ersten Mal begriffen und möchte diese Behauptung nicht noch zehnmal hören. Auch sollten vermehrt Frauen die Dokumentarfilme kommentieren, da die sonoren Männerstimmen aus dem Wust der akustischen Klänge kaum herauszuhören sind. – Und noch etwas von großer Wichtigkeit: Es sollte dafür gesorgt werden, daß Sätze, die die Wörter denkbar, eventuell, möglicherweise, mutmaßlich, vermutlich, vielleicht, wahrscheinlich, wohl und womöglich enthalten, nicht in der Mehrzahl sind.
Die Computeranimationen
Schon verrückt, was heutzutage alles möglich ist! Im Zeitraffer sieht man die Städte Berlin oder New York wachsen, von der Urzeit an, oder man kann der Entstehung eines Unterseebootes oder einer Brücke zuschauen – toll! Aber wer möchte dies alles gleich mehr als dreimal nacheinander sehen? Ich nicht. Manche dieser gewiß nicht billigen Animationen werden aber zehnmal gezeigt, als ob sie durch die Wiederholungen billiger würden. Wenn sie dann, um besonders wertvoll zu erscheinen, noch mit elektronisch erzeugten synthetischen Schreckgeräuschen ‚untermalt‘ sind, dann kommt mir meine überstrapazierte Duldsamkeit in den Sinn und ich schalte ab.
Die Experten
Ja, die Experten! Nicht selten frage ich mich, an welchem Casting diese erfolgreich teilgenommen haben und nach welchen Kriterien sie ausgewählt wurden, diese weltbekannten, weltweit anerkannten, weltberühmten Experten, die doch nur Mutmaßungen oder leere Behauptungen von sich gegeben, stoisch in einem Fauteuil sitzend, mit versteinerter Miene entweder bedeutungsvoll wie Clint Eastwood oder schlicht und einfach dumm und dämlich wie Tom Cruise in die Kamera blickend, um exakt das zu sagen, was der Kommentator bereits mehrmals sagte: nämlich nichts und wieder nichts. Um die Seriosität der Experten (die allesamt Doktoren und Professoren sind) zu erhöhen, wenn nicht überhaupt zu begründen, greifen die Dokumentarfilmregisseure zu altbewährten Tricks: Sie setzen die von unsichtbaren geistlosen Geistern befragten Experten vor imposante Bücherwände, vor komplizierte Maschinen und Laboreinrichtungen – oder gleich auf den Nord- oder Südpol. Einen dieser Experten (er stand vor einer mittelalterlichen Burg in England) sah ich in einem Dokumentarfilm, der so wild gestikulierte und dabei sein Gesicht derart zur Grimasse verzog, daß ich vor ihm Angst bekam und den TV-Apparat abschaltete.
Der Bildschnitt
Dieser wird heute im Rhythmus des „Raps“ gehandhabt (also in der Art des Sprechgesangs, dessen Kunst darin besteht, innert kürzester Zeit möglichst viele Belanglosigkeiten und Dummheiten aussprechen, ohne singen zu können). Die beinahe stroboskopartig präsentierten Bildschnitte überfordern auf die Dauer meine Augen und Aufnahmefähigkeit. Daher schalte ich ab, wenn ich das Geflimmer nicht mehr ertragen kann.
Ich kenne etliche Dokumentarfilme, die der obengenannten Unannehmlichkeiten zur Gänze entbehren und darum sehens- und hörenswert sind; nenne jedoch vorerst keinen einzigen, da ich zunächst Eure Reaktionen auf diesen Beitrag* abwarten möchte.
Eure Leila
* den ich in wenigen Atemzügen schrieb und nicht korrigierte