Nach ursprünglicher "KRR"-Logik bezeichnet Artikel 23 GG (a.F.) den Geltungsbereich des Grundgesetzes, dies stünde schließlich auch so im Gesetz. Hierbei bezieht sich die "KRR" jedoch allem Anschein nach lediglich auf eine Überschrift zu Artikel 23 GG (a.F.), denn im Wortlaut taucht der Begriff "Geltungsbereich" nicht auf. Dabei übersieht die "KRR" allerdings, daß die Überschriften des Grungesetzes in manchen Gesetzestexten (sofern überhaupt) in eckigen Klammern stehen. Dies bedeutet, es handelt sich um nichtamtliche (also vom jeweiligen "Verlags-Redakteur" ausgewählte) Überschriften!
Betrachtet man nur den ersten Satz des Art. 23 GG (a.F.), so fällt einem schnell auf, daß dort von "Baden", "Groß-Berlin", "Württemberg-Baden" und "Württemberg-Hohenzollern" die Rede ist und zudem das Saarland fehlt
Bleibt man weiter in der "Logik der 'KRR'", dann müßte man der Meinung sein, daß das Grundgesetz zwar in Berlin gilt und galt (was die "KRR" vehement bestreitet), jedoch nicht in Baden-Württemberg und dem Saarland. Diese Bundesländer wären nach "KRR" niemals Bestandteile der Bundesrepublik Deutschland gewesen! Dies behauptet die "KRR" jedoch nicht - und sie tut auch gut daran, weil es noch haltloser wäre als der andere von ihr verbreitete Unsinn.
Was für Folgen hat es jedoch, wenn ein Grundgesetzartikel gestrichen wird, in dem die Länder aufgezählt sind, für die das Grundgesetz gilt? Führt dies zum Untergang des Staates, der sich dieses Grundgesetz gegeben hat?
Nein, natürlich nicht!
"Aus der Sicht des Völkerrechts ist der Staat ein Völkerrechtssubjekt, dessen konstituierende Merkmale das Staatsgebiet, das Staatsvolk und die (effektiv ausgeübte) Staatsgewalt bilden."
(aus, Ipsen, Staatsrecht I, 6. Auflage, 1994, S. 4; dort keine Hervorhebungen)
Dies bedeutet im Klartext: Die Staatsqualität ist immer dann zu bejahen, wenn ein Staatsgebiet, ein Staatsvolk und eine Staatsgewalt gegeben sind. Ob dieser Staat in seiner Verfassung einen Geltungsbereich verankert hat, ist völlig unerheblich. Niemand würde allen Ernstes behaupten, England gebe es nicht, weil es dort keine geschriebene Verfassung, also auch keinen schriftlich festgehaltenen Geltungsbereich gibt.
Und noch etwas übersieht die "KRR" in ihren "Rechtsgrundlagen": die Präamel des Grundgesetzes (a.F.):
"Im Bewußtsein (...) hat das deutsche Volk
in den Ländern Baden, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern,
(...) dieses Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beschlossen."
Auch hier steht ein "Geltungsbereich" - und auf dessen Löschung stellt die "KRR" in ihren "Rechtsgrundlagen" nicht ab, sondern lediglich auf die Streichung des Artikel 23 GG (a.F.).
Halten wir als Zwischenergebnis also fest: die Bundesrepublik Deutschland kann selbstverständlich auch ohne explizite Erwähnung eines Geltungsbereiches existieren. Im übrigen sei auf die neue Fassung der Präambel nach der Vereinigung verwiesen, in der es im zweiten Satz heißt:
"Die Deutschen in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet."
Um einem Staat die Staatsqualität zuzusprechen bedarf es nicht einer expliziten Erwähnung seines Geltungsbereiches in dessen Verfassung, sondern der drei Elemente Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt, welche für die Bundesrepublik Deutschland unstreitig vorhanden sind.
Die Streichung des Artikel 23 GG (a.F.) hatte folglich keinerlei Auswirkungen auf den Bestand der Bundesrepublik Deutschland.