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Thema: Grundgesetz oder Verfassung ?

  1. #71
    in memoriam Benutzerbild von Dardonthinis
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    Standard AW: Grundgesetz oder Verfassung ?

    Zitat Zitat von Gehirnnutzer Beitrag anzeigen
    Du packst zu viel in deinen Verfassungsentwurf hinein, was dem staatlichen Handeln die notwendige Flexibilität entzieht.
    Das bezeichne ich als den typischen "liberalen Grundirrtum": Wenn nicht der Staat für die Allgemeinheit die Grundregeln festlegt, tun es nichtstaatliche Konzerne und Organisationen - zu betrachten an unseren heutigen Verhältnissen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die Finanzmärkte und Banken die Politik und damit die Allgemeinheit vor sich hertreiben; das ist einer der markantesten Mängel des Grundgesetzes, dass es für die Wirtschaftsordnung so gut wie nichts festlegt und den konzern- und lobbyistengesteuerten Parlamentariern bei der einfachen Gesetzgebung nahezu alles, teilweise sogar den Text von Gesetzentwürfen vorgeben.

    Was haben wir denn im Grundgesetz an verfassungsrechtlichen Festlegungen für die Wirtschaft? - im Wesentlichen nur die Entfaltungsfreiheit in Artikel 2, die Eigentumsgarantie in Artikel 14 und den Sozialstaatsgrundsatz in Artikel 20. Wären hier klare Festlegungen im Grundgesetz getroffen worden, wäre die mittlerweile kilometerlange Reihe von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, mit denen sie Auswüchse der wirtschaftlichen Freiheit wegen Verstoßes gegen den Sozialstaatsgrundsatz einkassieren, nicht entstanden - und das ist nur ein einziges Beispiel!

  2. #72
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    Standard AW: Grundgesetz oder Verfassung ?

    Zitat Zitat von Dardonthinis Beitrag anzeigen
    Ein "Völkerrechtssubjekt Deutschland" gibt es mit dieser Bezeichnung nicht; es gab mindestens bis zum 23.5.1949, als das Grundgesetz verkündet wurde und damit die Bundesrepublik Deutschland entstand, das Völkerrechtssubjekt "Deutsches Reich". Egal was Carlo Schmidt vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes von sich gab: Die Rechtsnatur der Bundesrepublik Deutschland richtet sich nicht nach einer Rede, sondern nach dem Text des Grundgesetzes und nach späteren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, vor allem der vom 31.7.1973, mit der unmissverständlich festgestellt wurde, dass das Deutsche Reich als Staatsrechtssubjekt fortbesteht und eben nur nicht handlungsfähig ist, und zwar nicht nur außerhalb des damaligen Gebiets der (Alt-) BRD, sondern auch auf deren damaligem Territorium. Wenn das BVfG von einer Identität ausgegangen wäre, hätte es keinen Grund gehabt, ausdrücklich den Fortbestand des Deutschen Reiches festzustellen, denn dann wäre es in der Tat so gewesen, dass die BRD nur das Reich mit neuem Etikett gewesen wäre; dann wäre aber der ausdrückliche Hinweis des Gerichts darauf, dass das Deutsche Reich mangels Vorhandenseins von Staatsorganen nur nicht handlungsfähig sei, gegenstands- und sinnlos gewesen, weil dann eben die (handlungsfähigen) Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland die Staatsorgane des gewissermaßen nur umbenannten und mit einer zwar vorläufigen, aber eben inhaltlich anderen Verfassung gewesen wären.

    Selbst wenn man jedoch einmal annehmen würde, dass die Entscheidung des BVfG dahin auszulegen sei, dass es sich bei der Bundesrepublik Deutschland und dem Deutschen Reich um ein und das selbe Staatsrechtssubjekt handelte, würde man dadurch nur in die Gefilde der Haager Landkriegsordnung und des Völkervertragsrechts gelangen, denen zufolge die staatsrechtliche Annexion und vor allem die Vertreibung der Bevölkerung unzulässig und Verträge, die formell oder faktisch unter Druck, also ohne freie Entscheidung einer Vertragspartei geschlossen werden (2+4-Vertrag), unwirksam sind.
    Das würde bedeuten, dass der Verzicht des Staatsrechtssubjekts Deutsches Reich / Bundesrepublik Deutschland auf die Ostgebiete und zumindest auf die Entschädigung der vertriebenen Bevölkerung unwirksam wären.
    Schöne Argumentation beinhaltet aber einen gravierenden Fehler, sie passt nur, wenn das Urteil zum Grundlagenvertrag, das einzige Urteil wäre, mit entsprechender Aussage. Schon die Aussage im Urteil des [Links nur für registrierte Nutzer] stellt einen Widerspruch zur deiner Argumentation da, denn die Gültigkeit des Reichskonkordates für die Bundesrepublik wird aus der Identität abgeleitet, nicht aus einer Rechtsnachfolge.
    Auch zu erwähnern ist der [Links nur für registrierte Nutzer], speziell folgendes:

    Die Identität der Bundesrepublik Deutschland -- in diesen gebietsbezogenen Begrenzungen -- mit dem deutschen Staat ist auf der völkerrechtlichen Ebene von zahlreichen Staaten anerkannt worden. So sind etwa die Parteien des Londoner Schuldenabkommens vom 27. Februar 1953 (BGBl. II S. 333 ff.) davon ausgegangen, daß die Bundesrepublik Deutschland die Verbindlichkeiten "Deutschlands" schuldet (vgl. zahlreiche Erwägungen der Präambel) -- es wurde nicht eine Schuld- oder gar bloße Haftungsübernahme für die Verbindlichkeiten eines untergegangenen Schuldners vereinbart. Im gleichen Sinne ist die Wiederanwendung zahlreicher Vorkriegsverträge Deutschlands zu werten, die die Bundesrepublik Deutschland mit den Vertragspartnern dieser durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochenen Verträge praktiziert hat; sie bedeuteten nicht den Neuabschluß eines Vertrages mit einem Rechtsnachfolger auf deutscher Seite -- wie es, abgesehen von gebietlich verankerten und gewissen Status-Verträgen, den Regeln der völkerrechtlichen Staatennachfolge entsprochen hätte --, sondern die Fortführung desselben, lediglich suspendierten Vertragsverhältnisses zwischen denselben ursprünglichen Parteien.
    Aus den Urteilen wird klar ersichtlich, das nicht nur das BVerGE von der Identität ausgeht, sondern auch Staaten. Es ergibt sich, wie bereits gesagt ein Widerspruch zur deiner Argumentation.

    Im Übrigen ist dein Verweis auf die Haager Landkriegsordnung irrelevant, denn ihre Bestimmungen gelten, wenn sich die Parteien im Kriegszustand befinden. Zur Beendigung eines Kriegszustandes ist kein Friedensvertrag notwendig, sondern es reichen die entsprechenden Erklärungen der beteiligten Parteien und die gibt es von allen Allierten.
    «Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern darin, dass er nicht tun muss, was er nicht will».Jean-Jacques Rousseau (1712-78)

    «Die Freiheit besteht darin, dass man alles das tun kann, was einem anderen nicht schadet».Matthias Claudius (1740-1815)

  3. #73
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    Standard AW: Grundgesetz oder Verfassung ?

    Wenn nicht der Staat für die Allgemeinheit die Grundregeln festlegt,
    Dardonthinis ......meiner Meinung nach machst du hier einen Kardinalfehler.
    Eine Verfassung soll den Bürger vor dem Staat schützen, staatliche Willkür verhindern und die Macht des Staates begrenzen.
    Somit entsteht automatisch ein Interessenkonflikt für jeden "normalen" Politiker. Grundsätzlich dürfte demnach eine bestehende Verfassung ausschließlich durch das Volk geändert oder ergänzt werden.
    Keine Regierung auf dieser Welt hat ein eigenes Interesse an einer Verfassung, die ihnen die Grenzen aufzeigt.
    Ich wundere mich deswegen über die Naivität mancher Poster hier, die der Politik eine Mitsprache bei Verfassungsrechtlichen Dingen zubilligen.
    Die Siegermächte haben deswegen auch die Volksabstimmung im GG verankert, aber diese Vorschriften sind bis dato von der Politik geflissentlich ignoriert worden.
    Die beruft sich auf den Teil mit der repräsentatiiven Demokratie.....den Rest lassen sie einfach unter den Tisch fallen.
    Eine Verfassung soll das Volk vor der Regierung schützen...wenn die Regierung dabei mitreden kann, was ist dieser Schutz dann noch wert?
    Die Antwort darauf sehen wir heute....GEZ, Verfassungsrichter, die nur Handlanger der Politiker sind(von den Parteien auserkoren)........kaum noch reale Bürgerrechte.
    Übrigens, das Bargeldverbot ist auch hier schon im Kommen, siehe die KFZ Zulassung...dabei muss der Betroffene ein Konto nachweisen.....

  4. #74
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    Standard AW: Grundgesetz oder Verfassung ?

    Zitat Zitat von Dardonthinis Beitrag anzeigen
    Die Rechtsnatur der Bundesrepublik Deutschland richtet sich nicht nach einer Rede, sondern nach dem Text des Grundgesetzes und nach späteren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, vor allem der vom 31.7.1973, mit der unmissverständlich festgestellt wurde, dass das Deutsche Reich als Staatsrechtssubjekt fortbesteht und eben nur nicht handlungsfähig ist, und zwar nicht nur außerhalb des damaligen Gebiets der (Alt-) BRD, sondern auch auf deren damaligem Territorium.
    Nein, das Gericht hat nicht gesagt, dass auch alle ehemals deutschen Gebiete immer noch deutsch sind. Vielmehr steht ausdrücklich drin, dass das noch nicht wieder vereinigte Deutschland die damalige Bundesrepublik, die DDR und ganz Berlin umfasste. Völkerrechtliche Identität bedeutet nicht, dass sich das Territorium nicht verändern darf. Schau dir die Geschichte Frankreichs oder Polens an, was sich da alles geändert hat, aber der französische oder polnische Staat blieb immer der selbe.


    Zitat Zitat von Dardonthinis Beitrag anzeigen
    Wenn das BVfG von einer Identität ausgegangen wäre, ...
    Lesen hilft.


    Zitat Zitat von Dardonthinis Beitrag anzeigen
    Selbst wenn man jedoch einmal annehmen würde, dass die Entscheidung des BVfG dahin auszulegen sei, dass es sich bei der Bundesrepublik Deutschland und dem Deutschen Reich um ein und das selbe Staatsrechtssubjekt handelte, würde man dadurch nur in die Gefilde der Haager Landkriegsordnung und des Völkervertragsrechts gelangen, denen zufolge die staatsrechtliche Annexion und vor allem die Vertreibung der Bevölkerung unzulässig und Verträge, die formell oder faktisch unter Druck, also ohne freie Entscheidung einer Vertragspartei geschlossen werden (2+4-Vertrag), unwirksam sind.
    Das würde bedeuten, dass der Verzicht des Staatsrechtssubjekts Deutsches Reich / Bundesrepublik Deutschland auf die Ostgebiete und zumindest auf die Entschädigung der vertriebenen Bevölkerung unwirksam wären.
    Die Vertreibung war natürlich Unrecht, aber wirksam. Der Zwei-plus-Vier-Vertrag hingegen ist rechtmäßig und wirksam. Er kam durch freie Entscheidung aller Parteien zu Stande. Durch ihn und den deutsch-polnischen Grenzvertrag wurde das Thema Ostgebiete endgültig erledigt.

  5. #75
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    Standard AW: Grundgesetz oder Verfassung ?

    Zitat Zitat von hamburger Beitrag anzeigen
    [B]Eine Verfassung soll den Bürger vor dem Staat schützen, staatliche Willkür verhindern und die Macht des Staates begrenzen.
    Ja, auch, aber in erster Linie muss sie den Aufbau und die Organisation des Staates festlegen.

    Zitat Zitat von hamburger Beitrag anzeigen
    [B]Grundsätzlich dürfte demnach eine bestehende Verfassung ausschließlich durch das Volk geändert oder ergänzt werden.
    Und das geschieht ja auch, wobei in den meisten Ländern das Volk durch seine gewählten Vertreter handelt. In manchen Ländern (Dänemark, Schweiz) kommt noch eine Urabstimmung dazu.

    Zitat Zitat von hamburger Beitrag anzeigen
    [B]Ich wundere mich deswegen über die Naivität mancher Poster hier, die der Politik eine Mitsprache bei Verfassungsrechtlichen Dingen zubilligen.
    Verfassungsgebung ist Politik. Wer sich damit beschäftigt, ist Politiker. Soll aber nicht mitbestimmen. Aha.

    Zitat Zitat von hamburger Beitrag anzeigen
    Die Siegermächte haben deswegen auch die Volksabstimmung im GG verankert, ...
    Wo denn?

  6. #76
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    Standard AW: Grundgesetz oder Verfassung ?

    Zitat Zitat von GSch Beitrag anzeigen
    Vielleicht nicht alle, aber einige schon. Etwa Nr. 1, 4, 10, oder 13. Nr. 18 (Prohibition) wohl nicht, ist ja auch durch Nr. 21 längst aufgehoben worden.


    Gewiss, Prinzipien sind keine Modesache. So setzt ja auch das Grundgesetz in Art. 79 Grenzen für Änderungen desselben. Gewisse Dinge sind unantastbar (Menschenrechte, Föderalismus, ...).


    Das würde ich nun nicht für ein Verfassungsprinzip halten. Man kann darüber auch geteilter Meinung sein. Das BVerfG ist schließlich kein ordentliches Gericht, sondern ein Verfassungsorgan. Wer soll die Richter denn bestimmen? Alle Leute und Gremien, die dafür in Frage kommen, agieren ihrer Natur nach im politischen Raum und haben bestimmte Meinungen, wie wir Normalbürger ja auch. Die Richter selbst übrigens ebenfalls. Das kann man niemandem verwehren, und sie treffen ja immerhin hochpolitische Entscheidungen. Da kann man nicht politisch abstinent sein. Wenn ich mir die Urteile des Gerichts ansehe, scheinen sie dennoch durchaus unabhängig zu handeln.
    Gerade letzteres scheint mir in den letzten paar Jahren eben nicht mehr der Fall. Und der Einfluss der Politik - bzw. der bei uns inzwischen üblichen Parteipolitik - auf die Besetzung solch eines Verfassungsorgans sollte ausgeschaltet werden, sein und bleiben, um auch weiterhin eine hohe Unabhängigkeit dieses Verfassungsorgans zu garantieren - auch da, wo es den Notwendigkeiten der Realpolitik im Wege steht.

  7. #77
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    Standard AW: Grundgesetz oder Verfassung ?

    (2) Maßnahmen zur Neugliederung des Bundesgebietes ergehen durch Bundesgesetz, das der Bestätigung durch Volksentscheid bedarf. Die betroffenen Länder sind zu hören.
    Schon bei der unwesentliichen Frage, ob sich in der BRD sich intern Landesgrenzen verschieben......muss das Volk gefragt werden.
    Beim ESM, eine Entscheidung, die die Lebensqualität dieser und zukünftiger Generationen einschränkt.....stimmen Dilletanten im Bundestag ab
    Fazit: Die sogeannten Väter des GG konnten sich wohl nicht vorstellen, dass bei wirklich wichtigen Entscheidungen, Euro und ESM, sich die inkontinenten Volksvertreter sich allein die Entscheidungen anmaßen.
    Ebenfalls hatten sie wohl nicht damit gerechnet, dass es ausreichend verdummte Deutsche gibt, die das ohne Widerstand hinnehmen würden.....
    Eine Verfassung dient nicht dem Aufbau von Machtstrukturen, sondern einzig und allein dem Schutz davor.
    Für den aufbau und die Organisation eines Staatswesen braucht man keine Verfassung, wie man an vielen Staaten der Erde sehen kann

  8. #78
    in memoriam Benutzerbild von Dardonthinis
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    Standard AW: Grundgesetz oder Verfassung ?

    Zitat Zitat von Gehirnnutzer Beitrag anzeigen
    Schöne Argumentation beinhaltet aber einen gravierenden Fehler, sie passt nur, wenn das Urteil zum Grundlagenvertrag, das einzige Urteil wäre, mit entsprechender Aussage.
    .....
    Aus den Urteilen wird klar ersichtlich, das nicht nur das BVerGE von der Identität ausgeht, sondern auch Staaten. Es ergibt sich, wie bereits gesagt ein Widerspruch zur deiner Argumentation.

    Im Übrigen ist dein Verweis auf die Haager Landkriegsordnung irrelevant, denn ihre Bestimmungen gelten, wenn sich die Parteien im Kriegszustand befinden. Zur Beendigung eines Kriegszustandes ist kein Friedensvertrag notwendig, sondern es reichen die entsprechenden Erklärungen der beteiligten Parteien und die gibt es von allen Allierten.
    Dass das Bundesverfassungsgericht nicht nur in einem, sondern in mehreren Urteilen von der Identität der Bundesrepublik Deutschland mit dem Deutschen Reich ausgeht und auch andere Staaten das so sehen (was erwartest Du denn von anderen Staaten?), ändert nichts daran, dass noch so viele Wiederholungen diese Entscheidungen und Äußerungen nicht richtiger machen und es für diese Identitätstheorie keine Rechtsgrundlage gibt:

    1. Als das Deutsche Reich am Ende des Zweiten Weltkriegs besetzt wurde, galt von da an die Haager Landkriegsordnung (HLKO), die Bestandteil des Völkerrechts ist; das dürfte unstreitig sein. Art. 46 HLKO verbietet Enteignungen und Vertreibungen; das Vertreibungsverbot ergibt sich auch aus Art. 49 der IV. Genfer Konvention. Art. 43 HLKO verlangt von den Besatzungsmächten das Wiederherstellen der öffentlichen Ordnung in den besetzten Gebieten nach den Gesetzen des besetzten Gebiets ! Daraus folgt auch, dass eine Besatzungsmacht nicht berechtigt ist, Gebietsänderungen und Annexionen vorzunehmen, weil diese gegen die damaligen Gesetze des Deutschen Reiches verstießen. Deshalb an Dich die Frage, auf die ich gern eine klare Antwort hätte: War es völkerrechtsgemäß, dass die Deutschen aus den Ostgebieten vertrieben wurden und dass die Besatzungsmächte im besetzten Deutschland Neugliederungen vornahmen, durch die die im Deutschen Reich geltende Rechtsordnung und damit die öffentliche Ordnung geändert wurden? In meinen Augen waren das klare Verstöße gegen die HLKO und damit gegen das Völkerrecht.

    2. Als nächstes ließen die Besatzungsmächte auf dem Gebiet des Deutschen Reiches zwei deutsche Staaten errichten, deren Rechtsordnung sich mehr oder weniger stark von der des Deutschen Reiches unterschied; dadurch kam es erneut zu einem Verstoß gegen Art. 43 HLKO, in dem das Wiederherstellen der öffentlichen Ordnung in den besetzten Gebieten nach den Gesetzen des besetzten Staats gefordert wird.

    3. Die eine Rechtsordnung war und ist die der Bundesrepublik Deutschland gemäß deren Grundgesetz. In diesem misst Artikel 25 dem Völkerrecht einen höheren Rang zu als dem nationalen Recht. Das Grundgesetz und damit die Bundesrepublik Deutschland konnte nur ohne Beachten der Rechtsordnung des Deutschen Reiches errichtet werden. Eine völkerrechtsgemäße Lösung wäre nur möglich gewesen, wenn die Besatzungsmächte ein Neueinsetzen der Staatsorgane des Deutschen Reiches in Übereinstimmung mit der Weimarer Reichsverfassung herbei geführt oder zugelassen hätten.
    Wenn dann das Bundesverfassungsgericht für die Bundesrepublik Deutschland deren Identität mit dem Deutschen Reich verkündet, ist das nicht mehr und nicht weniger als eine Usurpation gegen das Deutsche Reich, um so mehr, als das Deutsche Volk keine Gelegenheit hatte, sich dazu zu äußern, geschweige denn darüber abzustimmen.

    Was folgt aus alledem? Die Identitätstheorie wurde von einem Verfassungsorgan der Bundesrepublik Deutschland verkündet auf Grund einer Rechtsordnung, nämlich dem Grundgesetz, das eine von der Rechtsordnung des besetzten Deutschen Reiches im Sinn von Art. 43 HLKO abweichende und damit völkerrechtswidrige Rechtsordnung hat. Völkerrechtswidrige Gesetze und Entscheidungen sind aber unwirksam, weil das Völkerrecht gemäß Art. 25 GG Vorrang vor dem nationalen Recht, auch dem Grundgesetz, hat.

    Infolge dessen ist davon auszugehen, dass das Deutsche Reich fortbesteht und die Bundesrepublik Deutschland nicht mit ihm identisch ist. Daraus folgt wiederum, dass der 2+4-Vertrag nur für die Bundesrepublik Deutschland gilt, nicht aber für das Deutsche Reich, dies um so mehr, als dieser Vertrag nicht vom Deutschen Reich spricht, sondern vom Vereinten Deutschland, das gemäß Art. 1 aus der Alt-BRD und der Ex-DDR besteht.

    (--->>> Fortsetzung folgt sogleich; der Beitrag musste wegen der 5000-Zeichen-Grenze aufgeteilt werden)

  9. #79
    in memoriam Benutzerbild von Dardonthinis
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    Standard AW: Grundgesetz oder Verfassung ?

    (--->>> Fortsetzung wie angekündigt)

    Nach Der UNO-Resolution 242 vom 22.11.1967 darf fremdes Staatsgebiet immer nur vorübergehend, aber nicht auf Dauer besetzt gehalten werden. Aus dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland sind die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs inzwischen abgezogen, aber die Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie nach dem Stand vom 31.12.1937 haben die "Fremdmächte" bis heute nicht wieder freigegeben. Wenn das Vereinte Deutschland des 2+4-Vertrages auf diese Gebiete verzichtet, bedeutet das lediglich, dass das aus der Alt-BRD und der Ex-DDR gebildete "Vereinte Deutschland" des 2+4-Vertrages künftig keinen Anspruch auf diese und andere Gebiete erheben darf.

    Aus der UNO-Resolution folgt aber auch, dass die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet ist, für das Wiederherstellen der Handlungsfähigkeit des Deutschen Reiches zu sorgen, denn sie (die BRD) steht dem in ihrer heutigen Form und Grundordnung entgegen. Das bedeutet nicht, dass die Bundesrepublik aufgelöst und die Weimarer Reichsverfassung, die in dieser vorgesehenen Staatsorgane und damit das Deutsche Reich voll handlungsfähig wiederhergestellt werden müssten. Es wäre hierzu vielmehr folgende Lösung denkbar:

    1. Das Deutsche Volk gibt sich über Art. 146 GG eine neue Verfassung; dabei spielt es keine Rolle, ob diese nun Grundgesetz oder Verfassung oder wie auch immer heißt; ich persönlich würde ein Beibehalten der Bezeichnung "Grundgesetz" bevorzugen.
    2. Dieses neue Grundgesetz sieht vor, dass vom gesamten Deutschen Volk, also unter Einschluss der Deutschen, die gemäß Art. 116 GG als solche zählen, eine Volksabstimmung durchgeführt wird, durch die gemäß den Regelungen der Weimarer Reichsverfassung (WRV) das Deutsche Reich in der Bundesrepublik Deutschland aufgeht, so dass zum Einen das Deutsche Reich auch formell zu existieren aufhört und zum Anderen die Bundesrepublik Deutschland sein Rechtsnachfolger wird.
    3. Die Bundesrepublik Deutschland bringt das sich aus dieser Rechtsnachfolgerschaft einerseits und dem 2+4-Vertrag andererseits ergebende Spannungsverhältnis im Hinblick auf die ehemaligen Ostgebiete vor die Völkerrechtsgerichtsbarkeit. Sie wird deren abschließende Entscheidung dann annehmen und in ihrem Grundgesetz entsprechend verankern. Hinsichtlich der Ostgebiete ist nämlich der elementare Grundsatz des Völkervertragsrechts einschlägig, wonach völkerrechtliche Verträge zwischen Staaten nach dem Wiener Vertragsrechtsabkommen von 1969 unwirksam sind, wenn sie einen oder einen Teil der Vertragspartner dazu nötigen, bestimmte einseitige Vertragsbedingungen zu akzeptieren (Art. 52 WVA). Hätten die Alt-BRD und die Ex-DDR bei den Verhandlungen zum 2+4-Vertrag nicht die Oder-Neiße-Grenze anerkannt, obwohl diese wie erörtert völkerrechtswidrig zustand gekommen ist, wäre es auf Grund des Anwendens dieses völkerrechtswidrigen Druckmittels nicht zum Vertragsschluss und damit auch nicht zum Beitritt der DDR zur BRD gekommen.
    4. Falls die für das Völkerrecht zuständige Gerichtsbarkeit abschließend feststellen sollte, dass die Ostgebiete unter Verstoß gegen das Völkerrecht annektiert wurden, käme in Betracht, dass diese Gebiete trotzdem bei Polen verbleiben, weil in ihnen zum Einen Menschen angesiedelt wurden, die selbst Vertriebene waren, und zum Anderen mittlerweile zwei oder drei Generationen herangewachsen sind, für die diese Gebiete jetzt ebenso Heimat sind wie früher für die vertriebenen Deutschen - Polen müsste natürlich in einem neuen zweiseitigen Vertrag garantieren, dass die Nachfahren der Vertriebenen sich jederzeit wieder ansiedeln können, dass die nach dem Zweiten Weltkrieg verbliebenen deutschsprachigen Minderheiten (z.B. in den Gegenden um Oppeln, Stettin, Kolberg, Bromberg und Alleinstein) weitestmögliche Autonomie und eine doppelte Staatsbürgerschaft erhalten. Man könnte zwar sagen, dass die Sprach- und Minderheitenschutzrechte des Europarats und die Niederlassungsfreiheit in der EU bereits heute ähnliches ermöglichen; jedoch weiß man ja spätestens seit den europäischen Banken-, Finanz- und Schuldenkrisen nicht mehr so genau, was einmal aus der EU werden wird. Ein solches zweiseitiges Abkommen bedürfte aber zumindest von deutscher Seite einer Volksabstimmung.
    5. Entsprechende Regelungen wären mit Russland hinsichtlich des Gebiets Kaliningrad zu treffen.

  10. #80
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    Standard AW: Grundgesetz oder Verfassung ?

    1. Noch mal zur Erinnerung, die Haager Landkriegsordnung gilt nur wenn sich Staaten im Kriegszustand befinden. Die USA haben [Links nur für registrierte Nutzer]den Kriegszustand beendet. Großbritannien und Frankreich haben dies am 9. Juli 1951 den Kriegszustand beendet und die Sowjetunion am 25. Januar 1955.
    Ein Friedensvertrag ist nicht zwingend notwendig um einen Krieg zu beenden ([Links nur für registrierte Nutzer]).
    Mit Erlöschen des Kriegszustandes, erlischt auch die Anwendbarkeit der HLKO, jedoch nicht zwingend Rechtsnormen, deren Basis die HLKO ist.

    2. Der Begriff Staatsgebiet ist ein abstrakter Begriff, er wird anhand von Grenzen konkretisiert. Grenzen beruhen auf natürlichen Gegebenheiten und völkerrechtlichen Verträgen, sind somit in einem gewissen Umfang variable. Die Souveränität, die Handlungsfähigkeit oder deren Wiederherstellung oder auch die Einheit, beruhen nicht auf ein zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Staatsgebiet. Die Zugehörigkeit der ehemaligen Ostgebiete hat mit dem eben genannten nichts zu tun.
    Die Angabe der Grenzen von 1937 dient nur als Angabe eines Geltungsbereiches für bestimmte Rechtsnormen, die einen gewissen Rückwirkenden Einfluss haben.

    3. Du ignorierst die Anerkennung der Subjektidentität durch andere Staaten und begründest dies mit dem Völkerrecht. Nur ist diese Annerkennung und ihr Fortdauern auch Völkerrecht, nämlich Völkergewohnheitsrecht, das genauso rechtsverbindlich ist wie kodifiziertes geschriebenes Völkerrecht.

    4. Du mach den Fehler, Dinge eine praktischen Bewertung zu unterwerfen und daraus eine Rechtslage abzuleiten. Es ist eine Annahme von dir, das der Verweis auf den Deutsch-Polnischen Grenzvertrag unter Zwang zustande gekommen ist, weil du den Vertragstext so interpretierst, nicht eine durch Beweise belegte Tatsache.
    Auf Grund einer Annahme wird ein Vertrag oder eine Vertragsbedingung noch nicht unwirksam, dazu ist eine rechtsverbindliche Feststellung, also ein Gerichtsurteil notwendig.

    Du hast zwar recht, das die Vertreibung eine rechtswidrige Handlung war, jedoch hat das keinen Einfluss auf einen das Bestehen oder Nichtbestehen eines Gebietsanspruches.

    5. Solltest du dich mal mit der Natur des Deutsch-Polnischen Grenzvertrages beschäftigen, denn rechtlich gesehen bedeutet er nicht ein Gebietsverzicht, sondern nur der Verzicht darauf, die bestehenden Grenzen gewaltsam zu ändern.

    6. Ein letzte Anmerkung zu den Ostgebieten, sie standen 1990 schon längst nicht mehr zur Disposition. Lies das Potsdamer Abkommen.
    «Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern darin, dass er nicht tun muss, was er nicht will».Jean-Jacques Rousseau (1712-78)

    «Die Freiheit besteht darin, dass man alles das tun kann, was einem anderen nicht schadet».Matthias Claudius (1740-1815)

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