Kurz vor dem ersten Todestag des früheren libyschen Machthaber Muammar al Gaddafi hat Human Rights Watch neue Beweise dafür vorgelegt, dass er nach seiner Festnahme in Sirte von Rebellen ermordet wurde.
Die Menschenrechtsorganisation dokumentiert in dem am Mittwoch veröffentlichten Bericht „Tod eines Diktators: Blutige Rache in Sirte“ zudem ein Massaker an mindestens 66 Mitgliedern des Konvois, in dem Gaddafi am 20. Oktober 2011 nach einem Nato-Luftangriff in seiner Heimatstadt gefasst worden war. Mit zu den Ermordeten gehörte offenbar auch Gaddafis Sohn Mutassim.
„Die Ergebnisse unserer Untersuchung werfen Fragen zu der Darstellung der Behörden auf, wonach Muammar al Gaddafi in einem Schusswechsel und nicht nach seiner Festnahme getötet wurde“, erklärte Peter Bouckaert von HRW. Die Organisation wirft den Aufständischen vor, zahlreiche Anhänger Gaddafis entwaffnet, geschlagen und schließlich nahe des Hotels Mahari erschossen zu haben. Einige hätten die Hände hinter dem Rücken gefesselt gehabt.
Ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP hatte im Oktober ebenfalls Beweise gefunden, dass auf dem Gelände des Hotels 65 bis 70 Menschen teils mit Kopfschüssen getötet worden waren. Human Rights Watch beruft sich in dem Bericht auf Aussagen von Rebellen und Überlebenden des Massakers sowie auf Aufnahmen von Handykameras. Zudem glichen sie Fotos aus Leichenschauhäusern mit Videoaufnahmen von gefangenen Anhängern Gaddafis ab. Diese zeigen, dass mindestens 17 Gefangene später getötet wurden.
Menschenrechtsorganisation spricht von Kriegsverbrechen
HRW fand außerdem Aufnahmen, auf denen Gaddafi nach seiner Gefangennahme zunächst lebend mit einer blutenden Wunde am Kopf zu sehen ist. Zudem schien er durch ein Bajonett am Gesäß verletzt worden zu sein. Als er später halb nackt in einen Krankenwagen gebracht wurde, erschien er dagegen leblos. Zu seinem Sohn Mutassim fand HRW Aufnahmen, auf denen er nach seiner Festnahme rauchend in einem Streit mit Rebellen in Misrata zu sehen ist. Wenige Stunden später sei jedoch seine Leiche mit einer neuen Wunde am Hals gefunden worden.
Nach Angaben von HRW wurden die Beweise kurz nach den Morden mit der Forderung, eine vollständige und unabhängige Untersuchung einzuleiten, an die Behörden übergeben. Bei den Verbrechen handele es sich um Kriegsverbrechen, betonte HRW. Anlässlich des Jahrestags mahnte Bouckaert erneut eine Untersuchung an. „Diese Massenhinrichtungen vom 20. Oktober 2011 sind die schwersten Verbrechen der Oppositionskräfte“ in dem achtmonatigen Konflikt, erklärte Bouckaert.
(Falsch. In Bab Alzizya(Tripolis) wurden rund 120 Loyalisten von NTC-Ratten bei lebendigem Leibe verbrannt.)
Gaddafi, der in Libyen von 1969 bis 2011 herrschte, war im August vergangenen Jahres aus der Hauptstadt Tripolis vertrieben worden. Zusammen mit seinem Sohn Mutassim und einigen Dutzend Anhängern floh er in seine Heimatstadt Sirte. Dort spürten ihn die Milizionäre am 20. Oktober auf. Wenige Stunden später stellten sie in Misrata Muammar al-Gaddafis Leiche zur Schau.