Zitat (wg. Weltnetzdemenz):
Datum: 30-04-07 02:38
Da ich von Quarks&Co. keine Antwort auf meine Fragen bezüglich des Kölner-Domuhrexperiments erhielt, schrieb ich an das PTB (Physikalisch-Technische Bundesanstalt) und erhielt folgende Mail:
"Sehr geehrter Herr Lorenzy!
Es freut mich, dass das Quarks-und-Co Material noch immer verwendet wird.
Die Produktion der Bilder lag damals in der Hand von Dr. Stefan (?) Greuling, einem theoretischen Physiker, der damals im Dienst des WDR stand. Leider habe ich ihn später aus den Augen verloren, er ist nicht mehr am Sender meines Wissens. Er war seiner Aussage nach "glücklich", einmal im Experiment erleben zu dürfen, was er sonst nur als Lehrbuchstoff aufnehmen konnte.
Die allgemeine Relativitätstheorie im Kölner Dom nachzuweisen war nur dem WDR geschuldet: Aufnahmen gleich um die Haustür, der Dom ist halt so fotogen. Ich hatte damals vorgeschlagen, die Uhr auf den Brocken zu stellen. Bei dem Höhenunterschied von ca. 1000 m relativ zu hier kommt da ein signifikanter Effekt heraus. Später haben wir das auch für das ARD Morgenmagazin im Einsteinjahr so gedreht und das gab auch schöne Bilder...
So, nun aber zu ihrem Einwand: Ganz so schlecht eignet sich eine kommerzielle Atomuhr nicht für den Zweck wie Sie annehmen:
In der Tat spezifiziert der Hersteller eine Gangunsicherheit von relativ 10E-12. Diese Angabe sagt aus, inwieweit der Nutzer sich darauf verlassen kann, dass die mit der Uhr erzeugten Sekundenintervalle im Mittel mit der definitionsgemäßen Dauer übereinstimmen. Für ein Experiment der hier relevanten Art ist diese Unsicherheitsangabe aber nicht wichtig.
Man geht nämlich so vor: Die Probeuhr ist Teil unseres Ensembles von Atomuhren (
[Links nur für registrierte Nutzer]) und ihr Gang relativ zu der hier mit hochgenauen Uhren realisierten Zeitskala ist bekannt. Typischerweise ist der Gangfehler der kommerziellen Uhren deutlich geringer als 10E-12, überwiegend 10E-13 oder besser. Der absolute Wert ist aber nicht wirklich wichtig.
Wenn die Uhr auf Reise geht, ist über ihren Gang unterwegs a priori nichts bekannt. Er wird sich ändern wie von SRT und ART vorhergesagt, und wir müssen hoffen dass er sich durch das Schütteln, die Temperaturänderungen, die wechselnde Spannungsversorgung AC - DC - AC etc. nicht zusätzlich ändert. Die Erfahrung zeigt, dass die Uhren robust sind und dass "meistens" alles gut geht. So ein Quarks- und Co Experiment durchzuführen ist insofern also für uns von Interesse, als wir lernen, wie die Uhren sich unterwegs verhalten, wie empfindlich sie sind, etc..
Aus den Messwerten der Uhr vor der Abreise extrapoliere ich ihren Stand für den Zeitpunkt Ihrer Rückkehr. Selbst bei perfektem Verhalten der Uhr unterwegs wird diese Extrapolation unsicher durch die Frequenzinstabilität der Uhr über die Zeitspanne der Abwesenheit. Bei einer Abwesenheit von 5 Tagen liegt die Vorhersageunsicherheit bei 10E-14x5x86400 s = ca. 4 ns. Nun vergleicht man Vorhersage und Messwert nach der Rückkehr. Ist der aus ART und SRT zu erwartende Effekt groß gegen die 4 ns, so kann man noch von einem einigermaßen sinnvollen Experiment sprechen.
Bei dem Kölner Dom-Experiment war der Effekt aber in der gleichen Größenordnung, beim Brocken-Experiment lag er bei 50 ns. Bei letzterem konnte man also die ART mit einer Genauigkeit von +/- 10% testen - immer in der Annahme, dass der Transport selbst nichts beitrug. Quantitative Tests wurden bereits gemacht mit einer Genauigkeit von 1E-05, siehe u. a.
[Links nur für registrierte Nutzer] Autor Clifford Will.
Es ist gut, dass sie auf die Inkonsistenz der Aussagen bei Quarks und Co gestoßen sind bzw. über die Sache nachgedacht haben.
Mit freundlichen Grüßen Andreas Bauch
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Dr. Andreas Bauch Physikalisch-Technische Bundesanstalt Fachbereich Zeit und Frequenz, AG 4.42 Time and Frequency Department, AG 4.42"
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