Die Lungenseuche SARS ist offenbar noch gefährlicher als bisher angenommen. Experten in Hongkong äußerten Zweifel daran, dass nur fünf Prozent der Erkrankten sterben. Dies hatten offizielle Zahlen ergeben. Die Todesrate liege bei mindestens 7,2 Prozent und werde vermutlich auf zehn Prozent steigen, erklärte der Medizinprofessor Sydney Chung Sheung Chee.

Unterdessen versucht die Regierung in China, dem am schwersten betroffenen Land, die Epidemie einzudämmen - bisher ohne großen Erfolg. Innerhalb von 24 Stunden stieg die Zahl der Patienten in Peking um fast 90: 774 Menschen seien mittlerweile in Behandlung, so das Gesundheitsministerium. Und Experten rechnen damit, dass sich viele der über 860 Verdachtsfälle in der Hauptstadt noch bestätigen.

Mit größeren Vollmachten ausgestattet versuchen die Behörden, Menschen mit Verdacht auf SARS in Quarantäne zu zwingen. Auch alle Personen, die Kontakt zu Erkrankten hatten, dürfen jetzt isoliert werden. Peking will sogar ganze Wohnhäuser und Dörfer unter Quarantäne stellen. In der Hauptstadt wurde bereits die Universitätsklinik geschlossen. Nach Angaben von Angestellten des Krankenhauses riegelte die Polizei das Gebäude hermetisch ab. Patienten und Beschäftigte wurden unter Beobachtung gestellt, das Gebäude desinfiziert.

Um Ansteckungen zu vermeiden, setzten die Verkehrsbetriebe zusätzliche Busse auf Pekings Straßen ein, damit Passagiere nicht so eng nebeneinander sitzen und sich auf mehrere Busse verteilen. Die Nationalbibliothek in Peking schloss ihre Pforten. Arbeiter desinfizierten das Gebäude. Auch Gefängnisse in Peking wurden geschlossen. Wächter, die engen Kontakt mit Gefangenen haben, dürfen das Gelände nicht mehr verlassen. Besuche sind nicht mehr erlaubt.

Die Einwohner Pekings suchen dagegen nach eigenen Auswegen. Sie decken sich mit Lebensmitteln und Medikamenten ein und versuchen, die Stadt zu verlassen. Desinfektionsmittel, Gesichtsmasken und medizinische Seife sind vielerorts ausverkauft. Die Behörden haben Mühe, das Chaos unter Kontrolle zu halten. Sie drohten Geschäftemachern, die Preise für stark nachgefragte Produkte erhöhten, mit hohen Strafen.

Angesichts der rasanten Ausbreitung der Seuche in China wächst international die Besorgnis, dass auch in anderen Ländern mehr Menschen an SARS sterben. In wenigen Tagen treffen sich die Regierungschefs von elf asiatischen Ländern in Thailand, um über eine gemeinsame Strategie zur Bekämpfung der Lungenkrankheit zu beraten.

Singapur zum Beispiel hat Lager eingerichtet, in dem SARS-Verdachtsfälle, die entgegen den Quarantäneregelungen ihre Häuser verlassen, eingesperrt werden sollen. In Hongkong wird an den Grenzübergängen zur Volksrepublik China und am Flughafen die Temperatur der Einreisenden gemessen. Wer Fieber hat, muss sich sofort ins Krankenhaus begeben.

In Deutschland gab das Außenministerium zusätzlich zur der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Reisewarnung heraus: "Nicht unbedingt notwendige Reisen nach Hongkong, Peking und in die Provinzen Shanxi und Guangdong" sollten verschoben werden. Die WHO hatte am Mittwoch auch vor Reisen ins kanadische Toronto gewarnt und damit für erste internationale Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Seuche gesorgt: "Wir fechten die Behauptung der WHO an, dass Toronto ein unsicherer Ort sei," sagte der Leiter der kanadischen Gesundheitsbehörde. Es gebe keine Beweise für eine Übertragung der Lungenkrankheit SARS in Toronto selbst.

Weltweit haben sich laut WHO mehr als 4300 Menschen in über 30 Ländern mit dem Virus angesteckt. Rund 250 sollen daran gestorben sein. In China liegt die Zahl der Erkrankten bei rund 2400. Insgesamt starben hier 110 Menschen an dem Schweren Akuten Atemwegssyndrom.